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Gericht: Landesarbeitsgericht München
Beschluss verkündet am 25.01.2007
Aktenzeichen: 3 TaBV 60/06
Rechtsgebiete: BetrVG, ZPO


Vorschriften:

BetrVG § 50
BetrVG § 87
ZPO § 256
1. Ein Mitbestimmungsrecht des (Gesamt-) Betriebsrats nach § 87 Abs.1 Nr.10 BetrVG besteht nicht bei durchgehender und vollständiger Anrechnung einer Tarifentgelterhöhung auf übertarifliche Zulagen;

2. Ein Mitbestimmungsrecht des (Gesamt-) Betriebsrats gem. § 89 Abs.1 Nr.10 BetrVG besteht nicht in Bezug darauf, dass eine Erhöhung der Gehälter der außertariflichen Angestellten stattgefunden hätte, wenn gar keine allgemeine Gehaltserhöhung, sondern statt dessen eine Zahlung von betriebsergebnisbezogenen Prämien erfolgt ist und der (Gesamt-) Betriebsrat kein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der Grundsätze der Verteilung dieser Prämien reklamiert hat.

3. Für den Antrag auf Feststellung eines Initiativrechts des (Gesamt-) Betriebsrats gem. § 87 Abs.1 Nr.10 BetrVG bei der Aufstellung von Verteilungsgrundsätzen bei übertariflichen Entgeltbestandteilen und bei Aufstellung einer Vergütungsordnung für außertarifliche Angestellte besteht kein Feststellungsinteresse, wenn weder der Betriebsrat noch der Gesamtbetriebsrat vorprozessual entsprechende Regelungen verlangt haben.


LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES BESCHLUSS

3 TaBV 60/06

Verkündet am: 25. Januar 2007

In dem Beschlussverfahren

hat die Dritte Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der Anhörung vom 18. Januar 207 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Rosenfelder sowie die ehrenamtlichen Richter Kümmerle und Kuchler für Recht erkannt:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragsstellers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 06.04.2006 - 35 BV 308/05 wird zurückgewiesen. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Anrechnung einer Erhöhung von Tarifentgelten auf die bei der Antragsgegnerin bezahlten übertariflichen Zulagen der Mitbestimmung des Antragstellers unterliegt, ferner darüber, ob der Antragsteller ein Mitbestimmungsrecht im Falle der Erhöhung der Gehälter der außertariflichen Angestellten hat, weiterhin, ob dem Antragsteller ein Initiativrecht in Bezug auf die Aufstellung von Verteilungsgrundsätzen bei übertariflichen Lohn-/Gehaltsbestandteilen der tariflichen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie auf die Aufstellung einer Vergütungsordnung nach § 87 Abs. 1 Nr. 10/11 BetrVG zusteht, ggf. Kraft Delegation gemäß § 50 Abs. 2 BetrVG.

Der Antragsteller ist der im Unternehmen der Antragsgegnerin gebildete Gesamtbetriebsrat. Das Unternehmen unterhält Betriebe in I., W., L., W., M. (Zentrale), W., B., B. und P.. In diesen Betrieben sind Betriebsräte gebildet.

Die Antragsgegnerin vereinbarte mit der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten Bayern zum 01.06.2005 im Firmentarifvertrag eine Tariferhöhung von 2,1 %.

Im Unternehmen existieren Arbeitsverträge, denen zufolge lediglich die Tarifvergütung bezahlt wird. Daneben existieren aber auch Arbeitsverträge, die neben der Tarifvergütung übertarifliche Zulagen in unterschiedlicher Höhe vorsehen. Teilweise enthalten die Arbeitsverträge unterschiedlich gestaltete Klauseln, wonach mit dem Gehalt eine bestimmte Zahl von Überstunden oder alle Überstunden abgegolten sein sollen. Außerdem erhalten die meisten der im vorliegenden Verfahren vorgelegten Arbeitsvertragsmodelle in unterschiedlicher Gestaltung die Möglichkeit, übertarifliche Zulagen - die zum Teil als freiwillige und zum Teil als widerrufliche Leistungen deklariert sind - auf Tariferhöhungen, in einzelnen Fällen aber auch auf Entgelterhöhungen durch Übernahme in eine andere Tarifgruppe anzurechnen. Es gibt bei der Antragsgegnerin aber auch Arbeitsvertragsmodelle, denen zufolge sich die Bezüge nach jeder prozentualen Tariferhöhung aus dem Gesamtbruttogehalt erhöhen. Insgesamt gibt es im Unternehmen zu den übertariflichen Zulagen und der Einbeziehung einer pauschalen Überstundenabgeltung 50 unterschiedliche individuelle Regelungen sowie in Bezug auf die Anrechnung von Tariflohnerhöhungen auf übertarifliche Zulagen 10 verschiedenartige Vertragsklauseln.

Mit Email vom 07.06.2005 informierte die Personalleitung den Gesamtbetriebsrat darüber, dass die Tariflohnerhöhung 2005 in vollem Umfang auf übertarifliche Zulagen angerechnet werden solle. Dieselbe Mitteilung enthält ein Aushang vom 07.06.2005.

Unter der Bezeichnung als AT-Angestellte beschäftigt die Antragsgegnerin Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, deren Vergütung außerhalb der tariflichen Vorgaben vereinbart wurden. Diese Beschäftigten erhielten im Jahr 2005 sog. Prämien, für die die Antragsgegnerin den einzelnen Geschäftsstellen Budgets in unterschiedlicher Höhe zur Verfügung stellte - im Schnitt 5 % des Gewinns der Geschäftsstelle. Diese Prämienzahlungen betrafen im wesentlichen Niederlassungsleiter. Der einschlägige Manteltarifvertrag erfasst seinem persönlichen Geltungsbereich nach alle Arbeitnehmer und Auszubildenden mit Ausnahme solcher Personen, die nach § 5 Abs. 2 und 3 BetrVG nicht als Arbeitnehmer gelten. So sind in der Gehaltsgruppe 6 der Bewertungsgruppen "Gruppenmerkmale und Tätigkeitsbeispiele für Angestellte" besonders verantwortliche und qualifizierte Tätigkeiten genannt, die mit Dispositions- und Lei-tungs- oder Aufsichtsbefugnis selbständig ausgeübt werden und umfangreiche Branchen- oder Spezialkenntnisse erfordern. Als Richtbeispiel ist unter anderem der Betriebsleiter genannt.

Der antragsstellende Gesamtbetriebsrat ist der Auffassung, die unternehmenseinheitlich durchgeführte Anrechnung der Tariflohnerhöhung auf die übertariflichen Zulagen unterliege seinem eigenen, originären Mitbestimmungsrecht, jedenfalls aber seiner Regelungszuständigkeit kraft Delegation gemäß § 50 Abs. 2 BetrVG. Gleiches gelte in Bezug auf die Erhöhung der Gehälter der außertariflichen Angestellten, denn die Prämienzahlung sei nichts anderes als eine verkappte Gehaltserhöhung, wobei sich das Verhältnis dieser Gehälter zueinander geändert habe. Trotz der durchgehenden Anrechnung der Tarifentgelterhöhung auf die übertariflichen Zulagen bei den Tarifangestellten folge das Mitbestimmungsrecht des Gesamtbetriebsrats daraus, dass sich bei der unternehmenseinheitlich durchgeführten Anrechnungsaktion die übertariflichen Zulagen aufgrund der einzelvertraglichen Überstunden-Abgeltungsvereinbarungen im Verhältnis zueinander änderten, und zwar je nachdem, wie viele Überstunden mit der übertariflichen Zulage abgegolten würden und wie viele solcher Stunden tatsächlich geleistet wurden. Ein Regelungsspielraum bei der Anrechnung ergebe sich auch daraus, dass die Anrechnung bei den AT-Angestellten nicht erfolgt sei, abgesehen davon, dass diese Angestellten nicht einmal AT-Angestellte seien. Der Antragsteller meint, das Initiativrecht bei Aufstellung von Verteilungsgrundsätzen im Falle übertariflicher Lohn-/Gehaltsbestandteilen folge aus dem Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, wenn der Arbeitgeber einen Dotierungsrahmen schaffe. Aus den Mitbestimmungsrechten des § 87 Abs. 1 Nr. 10 und 11 BetrVG ergebe sich ein Initiativrecht in Bezug auf die Aufstellung einer Vergütungsordnung für die Vergütungen der AT-Angestellten.

Die Antragsgegnerin hält die Anträge für unzulässig, weil das Antragsbegehren nicht in die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrates falle. Dieser sei auch nicht kraft Delegation gemäß § 50 Abs. 2 BetrVG zuständig, weil die Übertragungsbeschlüsse der einzelnen Betriebsräte nicht die gerichtliche Geltendmachung umfassten. In der Sache bestehe kein Mitbestimmungsrecht bei Anrechnung der Tariflohnerhöhung 2005 auf die übertariflichen Zulagen, weil die Antragsgegnerin die Anrechnung vollständig und einheitlich, soweit rechtlich möglich, vorgenommen habe. Daran änderten auch die in Arbeitsverträgen enthaltenen Klauseln über die Pauschalabgeltung von Überstunden durch die übertariflichen Zulagen nichts. Die Vergütungen der AT-Angestell-ten seien nicht prozentual angehoben worden, so dass der auf die Gehaltserhöhung der AT-Angestellten bezogenen Feststellungsantrag auf ein Rechtsgutachten hinauslaufe und somit unzulässig sei. Das selbe gelte hinsichtlich der auf die Feststellung eines Initiativrechts bezogenen Anträge, weil weder die regionalen Betriebsräte noch der Gesamtbetriebsrat die Aufstellung von Verteilungsgrundsätzen bei übertariflichen Lohn-/Gehaltsbestandteilen oder die Aufstellung einer Vergütungsordnung für AT-Angestellte gefordert hätten.

Das Arbeitsgericht München hat mit Beschluss vom 06.04.2006, auf den hinsichtlich des unstreitigen Sachverhalts sowie des streitigen Vorbringens der Beteiligten im ersten Rechtszug, der erstinstanzlich gestellten Anträge und der Einzelheiten der rechtlichen Erwägungen des Erstgerichts verwiesen wird, die Anträge zurückgewiesen, weil dem Gesamtbetriebsrat das von ihm geltend gemachte originäre Mitbestimmungsrecht in Bezug auf die Anrechnung der Tarifentgelterhöhung auf die übertariflichen Zulagen und die Erhöhung der Gehälter der außertariflichen Angestellten nicht zustehe und ein Mitbestimmungsrecht der örtlichen Betriebsratsgremien nicht im Wege der § 50 Abs. 2 BetrVG geltend gemacht sei. Den Anträgen auf Feststellung von Initiativrechten fehle das Feststellungsinteresse, weil der Antragsteller nicht die Feststellung eines gegenwärtigen Rechtsverhältnisses begehre.

Der Antragsteller hat gegen den ihm am 26.04.2006 zugestellten Beschluss vom 06.04.2006 mit einem am 23.05.2006 beim Beschwerdegericht eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt und diese innerhalb verlängerter Beschwerdebegründungsfrist mit einem am 26.07.2006 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Er weist erneut darauf hin, die Zahlung von Prämien an die sog. AT-Angestellten seien in Wahrheit Gehaltserhöhung im wesentlichen der Niederlassungsleiter, die weder leitende Angestellte noch AT-Angestellte seien. Er wiederholt seine Auffassung, trotz der durchgehenden Anrechnung der Tarifentgelterhöhungen auf die übertariflichen Zulagen verbleibe ein Regelungsspielraum, weil sich das Verhältnis der Zulagen der verschiedenen Arbeitnehmer zueinander aufgrund der Überstunden-Abgeltungsklauseln verändere. Das Initiativrecht hinsichtlich der Aufstellung von Verteilungsgrundsätzen bei übertariflichen Entgeltbestandteilen folge aus der Zurverfügungstellung eines Dotierungsrahmens. Es bleibe beim Initiativrecht des Antragstellers hinsichtlich der Aufstellung einer Vergütungsordnung für die AT-Angestellten.

Der Antragsteller hält daran fest, dass eine Originärzuständigkeit des Gesamtbetriebrats gegeben sei. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts folge das zwingende Erfordernis für eine unternehmenseinheitliche Regelung schon daraus, dass es um eine Anrechnung einer Tariferhöhung gehe, die sich aus einem Haustarifvertrag ergebe, der für das gesamte Unternehmen gelte. Entscheidend sei nicht die Auswirkung der Tarifverrechnung in den Betrieben, sondern, dass die unternehmenseinheitliche Verrechnung angeordnet worden sei. Ferner sei die Zuständigkeit des Gesamtbetriebrats bei freiwilligen Leistungen an alle Arbeitnehmer zu bejahen wegen der Notwendigkeit der Vermeidung einer unterschiedlichen Behandlung. Aus den gleichen Gründen ergebe sich eine originäre Zuständigkeit des Antragstellers bei Erhöhung der Gehälter von AT-Angestellten. Die Zulässigkeit der auf Feststellung von Initiativrechten des Gesamtbetriebsrats gerichteten Anträge folgt nach Auffassung des Antragstellers daraus, dass die Antragsgegnerin vorgerichtlich ein Mitbestimmungsrecht des Antragstellers ausdrücklich in einem konkreten Lebenssachverhalt geleugnet habe.

Der Antragsteller beantragt:

1. Es wird festgestellt, dass die Anrechnung der für die Antragsgegnerin seit dem 01.06.2005 geltenden Erhöhung der Tariflöhne und -gehälter um 2,1 % auf die bei der Antragsgegnerin bezahlten übertariflichen Zulagen der Mitbestimmung des Antragstellers unterliegt. Hilfsweise:

Es wird festgestellt, dass die Anrechnung der für die Antragsgegnerin seit dem 01.06.2005 geltenden Erhöhung der Tariflöhne und -gehälter um 2,1 % auf die bei der Antragsgegnerin bezahlten übertariflichen Zulagen kraft Delegation gemäß § 50 Abs. II BetrVG der örtlichen Betriebsräte der Betriebe der Antragsgegnerin in P., B., B., W., M. Zentrale, W., L., W. und I. der Mitbestimmung des Antragstellers unterliegt.

2. Es wird festgestellt, dass dem Antragsteller ein Mitbestimmungsrecht zusteht, wenn die Gehälter der außertariflichen Angestellten (AT-Angestellten) der Antragsgegnerin erhöht werden und sich dabei das Verhältnis dieser Gehälter zueinander verändert.

Hilfsweise:

Es wird festgestellt, dass dem Antragsteller kraft Delegation gemäß § 50 Abs. II BetrVG der örtlichen Betriebsräte der Betriebe der Antragsgegnerin in P., B., B., W., M. Zentrale, W., L., W. und I. ein Mitbestimmungsrecht zusteht, wenn die Gehälter der außertariflichen Angestellten (AT-Angestellten) der Antragsgegnerin erhöht werden und sich dabei das Verhältnis dieser Gehälter zueinander verändert.

3. Es wird festgestellt, dass dem Antragsteller ein Initiativrecht zusteht bei folgenden Tatbeständen:

3.1 Aufstellung von Verteilungsgrundsätzen bei übertariflichen Lohn-/Gehaltsbe-standteilen der tariflichen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Unternehmen Antragsgegnerin.

3.2 Aufstellung einer Vergütungsordnung nach § 87 Abs. I Nr. 10/11 BetrVG für die Vergütung der AT-Angestellten der Antragsgegnerin.

Hilfsweise:

Es wird festgestellt, dass dem Antragsteller kraft Delegation gemäß § 50 Abs. II BetrVG der örtlichen Betriebsräte der Betriebe der Antragsgegnerin in P., B., B., W., M. Zentrale, W., L., W. und I. ein Initiativrecht bei den in Ziffer 3.1 und 3.2 dieser Anträge aufgeführten Tatbeständen zusteht.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerdeanträge zurückzuweisen.

Sie trägt ergänzend zu ihrem erstinstanzlichen Vorbringen vor, in Bezug auf die an die AT-Angestellten gezahlten Prämien sei unzutreffend, dass diese Leistungen im Zusammenhang mit der Tariferhöhung 2005 erfolgt seien. Vielmehr beruhten die Prämien auf Zusagen, die das Geschäftsjahr 2004 betroffen hätten und Anfang des Jahres 2005 erteilt worden seien.

Die Antragsgegnerin meint, ein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der Anrechnung der Tariferhöhungen auf die übertariflichen Zulagen bestehe nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht, weil die Antragsgegnerin die Anrechnung im Rahmen des rechtlich und tatsächlich Möglichen vollständig und gleichmäßig auf die übertariflichen Zulagen vorgenommen habe. Die AT-Gehälter seien nicht erhöht worden. Ein Zusammenhang der Prämienzahlung mit dem Tarifabschluss 2005 bestehe nicht. Die Antragsgegnerin weist erneut darauf hin, dass die Anrechnung der übertariflichen Zulagen auf die Mehrarbeitsvergütung keinen Einfluss auf das Verhältnis der Zulagen zueinander habe. In Bezug auf die Gehälter der AT-Angestellten liege eine "faktische Anrechnung" vor, weil diese nicht erhöht worden seien. Auch habe sich das Verhältnis der Vergütungen der Tarifmitarbeiter zu denen der AT-Angestellten nicht geändert. Somit bestehe mangels Regelungsspielraums kein Mitbestimmungsrecht. In Bezug auf die originäre Zuständigkeit des Antragstellers pflichtet die Antragsgegnerin dem Erstgericht darin bei, dass keine sachliche Notwendigkeit einer einheitlichen Regelung auf Unternehmensebene bestanden habe. Nach Auffassung der Antragsgegnerin ist es unerheblich, dass die Tariferhöhung aus einem Haustarifvertrag resultiert.

Die Antragsgegnerin verneint in Bezug auf die Anträge zu Ziffern 2 und 3 nach wie vor das Vorliegen eines Feststellungsinteresses und hält die hilfsweise geltend gemachte Feststellung einer Regelungszuständigkeit des Antragstellers kraft Delegation gemäß § 50 Abs. 2 BetrVG für verspätet, abgesehen davon, dass sich das von Seiten der örtlichen Betriebsräte erteilte Mandat jeweils nicht auf die Anträge zu Ziffern 3.1 und 3.2 erstrecke.

Hinsichtlich des sonstigen Vorbringens der Beteiligten im zweiten Rechtszug wird auf die Schriftsätze des Antragsstellers vom 26.07.2006 und 16.11.2006, der Antragsgegnerin vom 28.09.2006 und 15.01.2007 sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 18.01.2007 verwiesen.

II.

Die Beschwerde ist unbegründet.

1. Der Antrag festzustellen, dass die Anrechnung der für die Antragsgegnerin seit 01.06.2005 geltenden Erhöhung der Tarifentgelte um 2,1 % auf die bei der Antragsgegnerin bezahlten übertariflichen Zulagen der Mitbestimmung des Antragstellers unterliegt, ist schon deshalb unbegründet, weil dem Antragsteller bei dieser Anrechnung kein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG zusteht. Die Frage, ob der Gesamtbetriebsrat insoweit eine originäre Regelungszuständigkeit besitzt, kann deshalb dahinstehen.

Die Antragsgegnerin hat die Tarifentgelterhöhungen voll und bei allen davon betroffenen Arbeitnehmern auf die übertariflichen Zulagen angerechnet, soweit rechtlich zulässig und tatsächlich möglich. Dies ergibt sich aus dem Aushang vom 07.06.2005 und der Email des Landesverbandes Groß- und Außenhandel vom 08.07.2005 an die Prozessbevollmächtigten des Antragstellers.

Dies bedeutet sehr wohl, dass sich die Verteilungsgrundsätze im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG GS 03.12.1991 - GS II aus 90) in Bezug auf die übertariflichen Entgeltbestandteile geändert haben, weil sich bei den Arbeitnehmern, deren Arbeitsverträge die Anrechnung indivi-dualrechtlich zulassen, nach Anrechnung das Verhältnis der Zulagen zueinander - und im übrigen auch das Verhältnis zu den anrechnungsfesten Zulagen anderer Arbeitnehmer - geändert hat. Dies ergibt sich aus der unterschiedlichen Zulagenhöhe bei den einzelnen Arbeitnehmern und daraus, dass keine Anrechnung eines festen Betrages oder eines bestimmten Von-Hundert-Satzes der Zulage erfolgt ist.

Gleichwohl entfällt ein Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, weil kein Spielraum für eine anderweitige Verteilung besteht. Denn wenn - wie hier - eine vollständige Anrechnung auf alle Mitarbeiter im Rahmen des rechtlich Zulässigen erfolgt, würde eine andere Verteilungsgestaltung bedeuten, dass bei einzelnen Arbeitnehmern eine Anrechnung, d.h. ein Verbrauch der Zulage über den Betrag der Tariferhöhung hinaus erfolgen müsste, damit das mitbestimmungsfrei um den Gesamtbetrag der Gehaltserhöhungen (im Rahmen des rechtlich Zulässigen) gekürzte Zulagenvolumen nicht wieder ausweiten zu müssen (BAG GS 03.12.1991 - GS 2/90).

Dies wäre zwar individualrechtlich möglich, weil die Zulagen bei den Arbeitnehmern der Antragsgegnerin zum Teil als freiwillige oder widerrufliche Leistungen ausgestaltet sind. Gleichwohl besteht nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kein Gestaltungsspielraum, weil der Arbeitgeber mit der Entscheidung zur Verkürzung der Zulagen lediglich um die Tariferhöhung eine Garantie des Besitzstandes der Zulagen im Übrigen gegeben hat. Der Arbeitgeber will keine höhere, aber auch keine niedrige Vergütung als bisher bezahlen. Dies gilt nach wie vor trotz der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 22.04.1997 (1 ABR 77/96). Denn dort wird ein Verteilungsspielraum nur mit Rücksicht darauf gesehen, dass bei einer Anrechnung im Falle der Tarifentgelterhöhung durch Vorrücken in höhere Altersstufen, Höhergruppierung oder Erreichen einer höheren tariflichen Leistungszulage der Arbeitgeber den Besitzstand in Bezug auf die übertariflichen Zulagen anderer Arbeitnehmer gerade nicht garantieren wolle. Bei der hier anlässlich der Tariferhöhungsrunde 2005 vorgenommen Anrechnung handelt es sich jedoch nicht um eine Anrechnung anlässlich solcher "Tarifsprünge", sondern einer allgemeinen Tarifentgelterhöhung.

Ein solcher Spielraum eröffnet sich aber auch nicht mit Rücksicht darauf, dass alle oder wenigstens ein Teil der von der Antragsgegnerin als AT-Angestellte bezeichneten Angestellten - im Wesentlichen die sog. Geschäftsstellenleiter - in Wahrheit Tarifarbeitnehmer wären. Denn inwiefern diese Mitarbeitergruppe der Gehaltsgruppe 6 des tarifvertraglichen Bewertungsgruppenverzeichnisses, evtl. als "Betriebsleiter/NV-Zentren" zuzuordnen sind, hat sich der Beschwerdekammer nicht erschlossen. Vielmehr könnten die Angehörigen dieser Personengruppe ebenso gut leitende Angestellte im Sinne von § 5 Abs. 3 BetrVG sein. Offenbar wurden sie jedoch in der betrieblichen Praxis bislang ohne Beanstandung als "echte" AT-Angestellte geführt.

Besteht somit kein Spielraum für eine andere Verteilung von Anrechnungsbeträgen, ist es nicht nur unerheblich, dass sich hier tatsächlich die Verteilungsgrundsätze hinsichtlich der übertariflichen Zulagen - gesehen als Verhältnis der Zulagen zueinander nach erfolgter Anrechnung - geändert haben, sondern auch, dass diese Änderung zusätzlich durch die in vielen Arbeitsverträgen vereinbarte Abgeltung von Über- bzw. Mehrarbeit durch die übertariflichen Zulagen beeinflusst wurden und werden. Denn durch die Vereinbarung der Abgeltung eines bestimmten Kontingents von Überstunden als solche wird die Anrechnung der Tariferhöhungen auf die übertariflichen Zulagen im vorliegenden Falle nicht mitbestimmungspflichtig, weil dadurch keine zusätzlichen Verteilungsspielräume eröffnet werden. Der Anspruch auf die jeweilige übertarifliche Zulage bleibt trotz der Überstunden-Anrechnungsklausel in voller Höhe erhalten; die Arbeitsvertragsparteien haben lediglich eine Verrechnungsvereinbarung, also eine Til-gungs- oder Erfüllungsbestimmung zugunsten des Arbeitgebers getroffen. Aber selbst wenn man je nach geleisteten Überstunden aufgrund der Überstunden-vergütungs-Anrechnungsklausel von einer entsprechend verringerten übertariflichen Zulage ausginge, die bei den betroffenen Arbeitnehmern von Monat zu Monat schwanken kann, wären diese Schwankungen und die dadurch verursachten Änderungen des Verhältnisses der Zulagen zueinander keine Folge der Anrechnung der Tarifentgelterhöhung auf die übertariflichen Zulagen.

2. Mangels Bestehens eines Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG bei Anrechnung der für die Antragsgegnerin seit dem 01.06.2005 geltenden Erhöhung der Tarifentgelte auf die bei ihr bezahlten übertariflichen Zulagen kann auch der Hilfsantrag auf Feststellung, dass diese Anrechnung kraft Delegation gemäß § 50 Abs. 2 BetrVG von Seiten der örtlichen Betriebsräte der Mitbestimmung des Antragstellers unterliegt, keinen Erfolg haben.

3. Ohne Erfolg bleibt auch der Antrag festzustellen, dass dem Antragsteller ein Mitbestimmungsrecht zusteht, wenn die Gehälter der außertariflichen Angestellten (AT-Angestellten) der Antragsgegnerin erhöht werden und sich dabei das Verhältnis dieser Gehälter zueinander verändert.

Das Beschwerdegericht geht zugunsten des Antragstellers davon aus, dass mit diesem Antrag lediglich der Fall einer generellen Gehaltserhöhung und nicht auch die individuell ausgehandelte und vereinbarte Erhöhung von Gehältern solcher Angestellten erfasst sein soll, weil dieser Antrag andernfalls ein Globalantrag wäre, der auch Gestaltungen einbezöge, die zweifelsfrei nicht mitbe-stimmungspflichtig sind, und der als solcher unbegründet wäre (vgl. Fitting. u.a., BetrVG, 22. Aufl., § 87 Rn. 16, 417). Diesem Antrag kann gleichwohl kein Erfolg beschieden sein, weil unstreitig eine allgemeine Gehaltserhöhung bei den AT-Angestellten nicht stattgefunden hat, sondern weil diese anstelle einer allgemeinen Gehaltserhöhung zweckgebundene "Prämien" - eigentlich: Ergebnisbeteiligungen oder Bonusleistungen - erhalten haben. Dem Antragsteller ist durchaus zuzugeben, dass diese Prämien für die davon begünstigten Arbeitnehmer an die Stelle einer ausgebliebenen allgemeinen Gehaltserhöhung traten. Dennoch ist die Prämiengewährung keine Gehaltserhöhung, sondern die Zuwendung einer andersartigen Entgeltleistung. Während die allgemeine Gehaltserhöhung in dem Sinne "voraussetzungslos" ist, dass mit ihr ein besonderer Zweck nicht verfolgt wird - abgesehen allenfalls von einer mittelbaren allgemeinen Motivationswirkung -, soll die Ergebnisbeteiligung zum einen die begünstigen, meist leitenden, Mitarbeiter für ihren Beitrag zum Betriebsergebnis belohnen und ihnen zugleich einen Anreiz geben, ihrer Bemühungen fortzusetzen. Zwar besteht auch bei solchen zusätzlichen Leistungen zum allgemeinen Gehalt ein Mitbestimmungsrecht insoweit, als es um die Gestaltung der Verteilungsgrundsätze geht. Dabei handelt es sich jedoch um einen anderen "Mitbe-stimmungsfall" als den der generellen Erhöhung des allgemeinen, monatlich gezahlten Gehalts.

Da eine solche generelle Erhöhung im Bereich der AT-Angestellten anlässlich der Tarifentgelterhöhungsrunde 2005 nicht stattgefunden hat, besteht das vom Antragsteller reklamierte Mitbestimmungsrecht nicht.

4. Aus dem nämlichen Grunde kann dem Antrag festzustellen, dass dem Antragsteller kraft Delegation gemäß § 50 Abs. 2 BetrVG von Seiten der örtlichen Betriebsräte ein Mitbestimmungsrecht bei Erhöhung der Gehälter der außertariflichen Angestellten zusteht, kein Erfolg beschieden sein.

5. Der Antrag festzustellen, dass der Antragsteller ein Initiativrecht bei Aufstellung von Verteilungsgrundsätzen in Bezug auf übertarifliche Lohn-/Gehaltsbestand-teile der tariflichen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hat, ist, wie das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat, mangels Feststellungsinteresse im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO unzulässig.

Das Vorbringen des Antragstellers im zweiten Rechtszug ändert nichts daran, dass weder der Gesamtbetriebsrat noch die örtlichen Betriebsräte verlangt haben, "Grundsätze über die Verteilung von übertariflichen Entgeltbestandteilen" allgemein, also über den Fall der Anrechnung von Tariferhöhungen hinaus, aufzustellen. Überdies hat die Antragsgegnerin das in dieser allgemeinen Form reklamierte Initiativ- und Mitbestimmungsrecht nicht in Abrede gestellt.

Es verbleibt deshalb dabei, dass der Antragsteller insoweit die Erstellung eines abstrakten Rechtsgutachtens erstrebt.

6. Entsprechendes gilt hinsichtlich des Antrags festzustellen, dass dem Antragsteller ein Initiativrecht bei Aufstellung einer Vergütungsordnung nach § 87 Abs. 1 Nr. 10/11 BetrVG für die Vergütung der AT-Angestellten zusteht.

Auch insoweit geht es um einen theoretischen Streitfall, da bisher weder von Seiten des Gesamtbetriebsrat noch durch die örtlichen Betriebsratsgremien entsprechende Forderungen an die Antragsgegnerin gestellt worden sind und diese ein solches, in allgemeiner Form geltend gemachtes Initiativ- bzw. Mitbestimmungsrecht auch gar nicht bestritten hat.

7. Die Unzulässigkeit der auf die Feststellung von Initiativrechten des Antragstellers bezogenen Anträge schlägt auch auf den hierzu gestellten Hilfsantrag durch, der sich auf ein Initiativrecht des Antragstellers kraft Delegation gemäß § 50 Abs. 2 BetrVG bezieht.

III.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen. Auf die Möglichkeit, Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht zu erheben, wird hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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