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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 23.03.2009
Aktenzeichen: 4 Sa 256/09
Rechtsgebiete: SGB IX, AGG


Vorschriften:

SGB IX § 81 Abs. 2
AGG § 10
AGG § 20
Es ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass eine Betriebsvereinbarung zur Regelung der Altersteilzeit deren Dauer auf den frühestmöglichen Zeitpunkt der Inanspruchnahme einer Sozialversicherungsrente begrenzt und dies bei einem schwerbehinderten Menschen bedeutet (§ 236a Abs. 2 SGB VI in der damaligen Fassung), dass in diesem Fall der Altersteilzeitvertrag mit Vollendung des 60. Lebensjahres des schwerbehinderten Arbeitnehmers endet, obwohl der zu diesem Zeitpunkt vorhandene Rentenanspruch dadurch mit einem Abschlag von 10,8 % versehen ist.
Landesarbeitsgericht München Im Namen des Volkes URTEIL

4 Sa 256/09

Verkündet am: 23.07.2009

In dem Rechtsstreit

hat die 4. Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 23. Juli 2009 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Burger und die ehrenamtlichen Richter Gauglitz und Wischhöfer

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Passau vom 22. Januar 2009 - 1 Ca 1089/08 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger macht gegenüber der beklagten Arbeitgeberin einen Anspruch auf Abschluss eines Altersteilzeitvertrages mit längerer Zeitdauer als ihm aufgrund der Regelung in einer Betriebsvereinbarung angeboten geltend.

Der am 00.00.1950 geborene Kläger ist seit 16.04.1984 bei der Beklagten mit einer Vergütung von, derzeit, 2.300,-- € brutto/Monat beschäftigt. Er ist seit 22.01.2001 als schwerbehinderter Mensch mit einem Grad der Behinderung von 50 anerkannt. Die Beklagte, bei der etwa 500 Arbeitnehmer beschäftigt sind, schloss mit dem bei ihr bestehenden Betriebsrat eine - nach ihrem Vorbringen in der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren: so auch in den anderen Unternehmen des Konzerns durchgängig vorhandene - "Freiwillige Betriebsvereinbarung ... über die Inanspruchnahme von Altersteilzeit in der Z. GmbH" vom 30.06.2004 (Anl. K2, Bl. 6 bis 15 d. A.), die nach ihrem persönlichen Geltungsbereich auf alle, u. a., in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis stehenden Arbeitnehmer, die das 58. Lebensjahr vollendet haben ... , anwendbar ist, wobei dort hinsichtlich des "Beginn(s) und Dauer der Altersteilzeit" geregelt ist, dass sich die Gesamtdauer einer individuellen Altersteilzeitregelung - im Zeitrahmen von zwei bis maximal fünf Jahren - "nach dem frühestmöglichen Zeitpunkt der Inanspruchnahme einer Sozialversicherungsrente" bestimmt/begrenzt (Ziffer 7. Satz 5 (Abs. 2) dieser Betriebsvereinbarung).

Nach ihrem erstinstanzlich unwidersprochen gebliebenen Vorbringen hatte die Beklagte dem Kläger auf seinen Wunsch bereits im Jahr 2006 das Angebot eines Altersteilzeitvertrages für die Gesamtdauer von 46 Monaten, bis 30.04.2010, erteilt, was vom Kläger abgelehnt worden sei. Am 14.06.2007 schlossen die Parteien einen Altersteilzeitvertrag für den 34-monatigen Zeitraum vom 01.07.2007 bis 30.04.2010, welcher wegen Arbeitsunfähigkeit des Klägers aufgelöst worden sei. Ein weiteres Angebot auf Abschluss eines Altersteilzeitvertrages für den Zeitraum vom 01.09.2007 bis 30.04.2010 sei vom Kläger abgelehnt worden - ebenso zuletzt das schriftliche Angebot der Beklagten auf Abschluss eines Altersteilvertrages für die zweijährige Dauer vom 01.07.2008 bis 30.06.2010 (nach Vollendung des 60. Lebensjahres des Klägers, Anl. K3, Bl. 16 bis 20 d. A.).

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger den Abschluss eines Altersteilzeitvertrages jeweils im Blockmodell für den Zeitraum vom 01.07.2008 bis 30.04.2013 - hilfsweise bis 31.05.2012 - unter Bezugnahme darauf, dass - auch - der ihm zuletzt angebotene Altersteilzeitvertrag mit einer Dauer bis 30.06.2010, nach der Vollendung seines 60. Lebensjahres, für ihn als Schwerbehinderten erhebliche Nachteile zur Folge hätte, da er dann zum 01.07.2010 Altersrente beantragen müsste, was mit einem Rentenabschlag von 10,8 % verbunden wäre, weshalb er trotz des Wortlauts der Regelung der Freiwilligen Betriebsvereinbarung vom 30.06.2004 Anspruch darauf habe, einen Altersteilzeitvertrag zum 30.04./01.05.2013 als dem Zeitpunkt abzuschließen, zu dem er unabhängig von seiner Schwerbehinderung vorzeitig Altersrente mit einem Abschlag von nur noch 7,2 % in Anspruch nehmen könne - andernfalls lägen eine Ungleichbehandlung und ein Verstoß gegen die schwerbehindertenrechtlichen Regelungen in § 81 Abs. 2 SGB IX und des AGG vor.

Wegen des unstreitigen Sachverhalts im Übrigen und des streitigen Vorbringens sowie der Anträge der Parteien im Ersten Rechtszug wird auf den ausführlichen Tatbestand des angefochtenen Endurteils des Arbeitsgerichts Passau vom 22.01.2009, das den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 03.03.2009 zugestellt wurde, Bezug genommen, mit dem dieses die Klage mit der Begründung abgewiesen hat, dass der Kläger zwar aufgrund der nunmehrigen Rechtsprechung des BAG auch den rückwirkenden Abschluss eines Altersteilzeitvertrages ab 01.07.2008 verlangen könne, ein solcher Anspruch sich hier jedoch nicht aus der Betriebsvereinbarung vom 30.06.2004 ergebe, da der Kläger als schwerbehinderter Mensch nach seinen weiteren persönlichen Voraussetzungen zum 01.05.2010 als dem für ihn frühestmöglichen Zeitpunkt eine Sozialversicherungsrente in Anspruch nehmen könne und deshalb die Beklagte nicht zum Abschluss eines Altersteilzeitvertrages über diesen Zeitpunkt hinaus verpflichtet sei. Die Regelung der Betriebsvereinbarung vom 30.06.2004 stelle weder eine mittelbare Benachteiligung nach § 3 Abs. 2 AGG dar - diese Bestimmung sei nach dem sozialpolitischen Zweck des Altersteilzeitgesetzes und der hieran angelehnten Betriebsvereinbarung durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt - noch liege etwa ein Verstoß gegen § 81 Abs. 2 SGB IX vor.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 31.03.2009, am selben Tag zunächst per Telefax beim Landesarbeitsgericht München eingegangen, zu deren Begründung er mit Schriftsatz seiner anwaltlichen Vertreter vom 29.04.2009, am 30.04.2009 wiederum per Telefax beim Landesarbeitsgericht München eingegangen, vortragen hat lassen, dass das Arbeitsgericht die Weigerung der Beklagten, einen Altersteilzeitvertrag mit der vom Kläger begehrten Laufdauer abzuschließen, zu Unrecht als sachlich gerechtfertigt angesehen habe. Bei genauer Würdigung des Sachverhaltes liege durch die nicht gesetzeskonforme Anwendung der Betriebsvereinbarung sehr wohl eine mittelbare Diskriminierung des Klägers vor, die nicht sachlich gerechtfertigt sei, weil sie gegen die Benachteiligungsverbote nach § 81 Abs. 2 SGB IX und den einschlägigen Regelungen des AGG verstoße. Bei der angebotenen Terminierung des Altersteilzeitvertrages zum Ablauf des 60. Lebensjahres hätte der Kläger Rentenabschläge in Höhe von 10,8 % hinzunehmen, während er als Nicht-Schwerbehinderter zum 01.05.2013 als frühestmöglichen Zeitpunkt vorzeitig Altersrente mit einem Abschlag von hier nur 7,2 % in Anspruch nehmen könne. Diese Ungleichbehandlung werde nicht durch den Verweis der Beklagten gerechtfertigt, dass die Betriebsvereinbarung lediglich die gesetzlichen Regelungen abbilde. Hier habe der Mitarbeiter keinerlei Wahlmöglichkeiten und könne damit die Höhe der Rentenabschläge in keiner Weise beeinflussen. Jedenfalls hätte die Beklagte die Verpflichtung, die Betriebsvereinbarung vom 30.06.2004 gesetzeskonform anzuwenden. Dem stehe auch nicht die vom Arbeitsgericht angezogene einschlägige Rechtsprechung des BAG entgegen. In der Betriebsvereinbarung finde sich als Zwecksetzung kein beschäftigungspolitischer Zweck wie die Neueinstellung jüngerer Arbeitnehmer. Der Zweck der Betriebsvereinbarung, möglichst frühzeitig Arbeitskräfte freizusetzen, stehe damit im Gegensatz zu den Einbußen des Klägers. Auch sei zu beachten, dass Schwerbehinderte regelmäßig über weniger Erwerbseinkommen verfügten, weshalb es unverhältnismäßig sei, Altersteilzeitverträge auch mit Schwerbehinderten auf den Zeitpunkt der hier frühestmöglichen Anspruchnahme gekürzter Altersrente zu befristen, da durch den sich hieraus ergebenden wirtschaftlichen Druck letztlich verhindert werde, dass mit diesem Personenkreis Altersteilzeitvereinbarungen abgeschlossen werden könnten. Dies werde auch nicht durch die in der Betriebsvereinbarung vorgesehene Abfindungszahlung ausgeglichen. Der Kläger hätte bei einem regulären Rentenbeginn am 01.05.2013 einen Rentenanspruch in Höhe von 1.174,-- € brutto/Monat, zum Zeitpunkt 01.05.2010 dagegen einen vorzeitigen Rentenanspruch von 1.086,-- € brutto/Monat abzüglich des Abschlages von 10,8 % und somit einer Rentenhöhe von noch 969,-- € brutto/Monat - was auch nicht durch die angebotene Bruttoabfindungszahlung in Höhe von 11.583,-- € abgedeckt werden könne. Damit seien die gleichheitswidrig gewährten kürzeren vertraglichen Angebote entsprechend nach oben anzupassen, da eine Gleichbehandlung des Klägers in anderer Weise nicht herstellbar sei - weshalb ihm die beantragte Altersteilzeit mit einer Laufdauer bis 30.04.2013, hilfsweise nach seinem Hilfsantrag, zustehe.

Der Kläger beantragt:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Passau vom 22.01.2009, Az: 1 Ca 1089/08, aufgehoben.

a) Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger einen Altersteilzeitvertrag mit der Laufdauer 01.07.2008 bis 30.04.2013 im Blockmodell mit der Arbeitsphase vom 01.07.2008 bis 31.11.2010 und einer Freistellungsphase vom 01.12.2010 bis 30.04.2013 anzubieten.

b) Hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu Ziffer 1a) wird beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger einen Altersteilzeitvertrag mit der Laufdauer 01.07.2008 bis 31.04.2012 im Blockmodell mit der Arbeitsphase vom 01.07.2008 bis 30.06.2010 und einer Freistellungsphase vom 01.07.2010 bis 31.05.2012 anzubieten.

Die Beklagte trägt zur Begründung ihres Antrages auf Zurückweisung der Berufung unter Verteidigung der Gründe des Ersturteils vor, dass die Regelung in Abschnitt 7 Abs. 3 der Betriebsvereinbarung vom 30.06.2004 gesetzeskonform sei und § 8 Abs. 3 ATG entspreche. Zweck beider Normen sei es, älteren Beschäftigten einen gleitenden Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand zu ermöglichen und dadurch Auszubildenden und Arbeitslosen vorrangig Beschäftigungsmöglichkeiten zu eröffnen, auch einen sozialverträglichen Personalabbau zu befördern. Für schwerbehinderte Arbeitnehmer würden diese Grundsätze wegen § 236a SGB VI bereits mit Vollendung des 60. Lebensjahres gelten. Dem "Nachteil", dass ein schwerbehinderter Arbeitnehmer einen geringfügig erhöhten Abschlag in Kauf nehmen müsse, stehe der "Vorteil" gegenüber, drei Jahre früher eine Sozialversicherungsrente in Anspruch nehmen und damit Einkommen ohne Arbeitsleistung erzielen zu können; dazu komme die in der Betriebsvereinbarung vorgesehene Abfindung, die eine gewisse Abfederung dieser Nachteile beinhalte. Das Arbeitsgericht Passau habe deshalb die Regelung der Betriebsvereinbarung zu Recht als gesetzeskonform und nicht gegen § 81 SGB IX i. V. m. den Vorschriften des AGB bzw. des ATG verstoßend erachtet. Im Übrigen sehe die Betriebsvereinbarung generell keinen Anspruch auf Abschluss eines Altersteilzeitvertrages vor. Ein Verstoß gegen das Verbot auch mittelbarer Diskriminierung nach § 3 AGG scheide schon deshalb aus, weil die Regelung der Betriebsvereinbarung nicht an eines der in § 1 AGG genannten Diskriminierungsmerkmale anknüpfe, sondern neutral und nicht speziell auf Schwerbehinderte zugeschnitten gehalten sei. Es fehle an einer tatsächlichen Benachteiligung des Klägers -eine solche wäre jedenfalls sachlich gerechtfertigt, da es das maßgebliche Ziel des Altersteilzeitgesetzes sei, möglichst schnell Stellen entweder für jüngere oder arbeitslose Arbeitnehmer freizumachen oder hierdurch zumindest Kündigungen zu vermeiden. Eine andere als die vorhandene Regelung würde einen längeren Verbleib auf dem Arbeitsmarkt zur Folge haben und stünde damit diesem Ziel entgegen. Maßgeblich für den vom Kläger vorgenommenen Vergleich könne ein solcher zwischen der Rente des Klägers und der eines nicht schwerbehinderten Arbeitnehmers sein; während der Kläger Abschläge von 10,8 % hinzunehmen habe, beliefen sich die Abschläge eines nicht schwerbehinderten Arbeitnehmers auf immerhin noch 7,2 %, wobei diese Differenz durch den drei Jahre längeren Rentenbezug und die Abfindung kompensiert werde. Die vom Kläger monierte Einschränkung seiner Wahlmöglichkeit greife zu kurz, da die Beklagte nach dem Altersteilzeitgesetz grundsätzlich nicht verpflichtet sei, Altersteilzeit anzubieten. Biete die Beklagte dies freiwillig an und räume damit den Arbeitnehmern einen Rechtsanspruch ein, so könnten diese selbstverständlich verpflichtet werden, die Altersrente frühestmöglich in Anspruch zu nehmen. Der Kläger sei auch nicht verpflichtet, von der ihm angetragenen Option eines Altersteilzeitvertrages zu den Konditionen der Betriebsvereinbarung Gebrauch zu machen, sondern könne einfach bis zu seinem 63. Lebensjahr weiterarbeiten und damit Abschläge auf seine Altersrente verhindern. Selbst wenn jedoch die Regelung in Abschnitt 7 Abs. 3 der Betriebsvereinbarung vom 30.06.2004 gegen das AGG verstoßen würde, stünde dem Kläger kein Anspruch auf Abschluss einer von ihm begehrten Altersteilzeitvereinbarung zu, da dann unverändert der Grundsatz der Vertragsfreiheit gelten würde.

Wegen des Vorbringens der Parteien im Zweiten Rechtszug im Übrigen wird auf die Schriftsätze vom 29.04.2009 und vom 17.06.2009 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

I.

Die gemäß § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und daher zulässig (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).

II.

Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis zutreffend und in der Begründung überzeugend entschieden, dass der Kläger keinen Anspruch auf Abschluss eines Altersteilzeitvertrages nach seinem Haupt- oder seinem Hilfsantrag hat. Das Berufungsgericht nimmt Bezug auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts (§ 69 Abs. 2 ArbGG) und weist vor allem im Hinblick auf die Berufungsangriffe ergänzend auf Folgendes hin:

1. Nach der Regelung unter Ziffer 7 Abs. 3 (Satz 5) der "Freiwilligen Betriebsvereinbarung" vom 30.06.2004 bestimmt sich die Dauer des Altersteilzeitvertrages nach dem frühestmöglichen Zeitpunkt der Inanspruchnahme einer Sozialversicherungsrente, beim Kläger als unstreitig schwerbehinderten Menschen angesichts seines Geburtstages somit, gerundet, am 30.04.2010/01.05.2010. Der Kläger kann als Schwerbehinderter zum 01.05.2010 vorzeitige Altersrente beanspruchen (§ 236a Abs. 2 Satz 1 SGB VI), was somit den frühestmöglichen Zeitpunkt des Bezugs einer Sozialversicherungsrente darstellt und nach den Bestimmungen der "Freiwilligen Betriebsvereinbarung" vom 30.06.2004 damit die Dauer eines Altersteilzeitvertrages entsprechend limitiert.

Da diese Regelung der freiwilligen Betriebsvereinbarung vom 30.06.2004 rechtswirksam ist (dazu 2. lit. b), kann offen bleiben, ob sie, wie das Arbeitsgericht angenommen hat, im Sinne der Auffassung des Klägers überhaupt gesetzeskonform ausgelegt werden könnte oder ein etwaiger Verstoß dieser Bestimmung gegen höherrangiges Recht dazu führen müsste, dass insoweit eine Lücke dieser Betriebsvereinbarung vorläge, die nicht, im Sinne der Anträge des Klägers, ohne Weiteres durch ergänzende Auslegung gefüllt werden könnte (vgl. dazu näher BAG, U. v. 27.04.2004, 9 AZR 18/03, AP Nr. 1 zu § 8 ATG - Rz. 62, m. w. N. -).

2. Zwar hat der Kläger durch ein Ausscheiden über einen Altersteilzeitvertrag und damit mit Ablauf des 60. Lebensjahres unstreitig einen Rentenabschlag von 10,8 % in Kauf zu nehmen.

Dies kann eine mittelbare Diskriminierung im Sinne des § 81 Abs. 2 SGB IX i. V. m. den Regelungen des AGG darstellen, wie der Kläger rügt. Hiernach dürfen schwerbehinderte Beschäftigte nicht wegen ihrer Behinderung benachteiligt werden, wobei nunmehr hierzu näher die Bestimmungen des AGG gelten. Dies verbietet damit, auch für Betriebsvereinbarungen, nicht nur eine unmittelbare, sondern auch eine mittelbare Benachteiligung des Klägers als schwerbehinderten Menschen (§ 81 Abs. 2 Satz 2 SGB IX i. V. m. § 3 Abs. 2 AGG).

Falls im vorliegenden Fall durch das in der Betriebsvereinbarung vom 30.06.2004 festgelegte Ende eines Altersteilzeitvertrages hier, beim Kläger als Schwerbehinderten, mit Vollendung des 60. Lebensjahres überhaupt eine unterschiedliche Behandlung in Form einer - allererst relevanten - Benachteiligung vorliegen würde (dazu a), wäre diese jedoch jedenfalls gerechtfertigt (§ 81 Abs. 2 Satz 2 SGB IX nunmehr i. V. m. § 10 Nr. 6, § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AGG - dazu b -).

a) Zum einen kann bereits sehr fraglich sein, ob hier überhaupt eine, damit erst rechtlich relevante, Benachteiligung des Klägers vorliegt:

Der Kläger würde nach Ziffer 10.2 der Betriebsvereinbarung vom 30.06.2004 bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch einen Altersteilzeitvertrag mit Vollendung seines 60. Lebensjahres, wie hier festgelegt und im letzten Altersteilzeitvertragsentwurf der Beklagten ähnlich angeboten, nicht nur eine Abfindung von 5,2 Bruttomonatsentgelten (was nach unbestritten/unwiderlegt gebliebenem Vorbringen der Beklagten in der ersten Instanz einen Betrag von ca. 11.583,-- € - brutto - ausmacht, welcher Betrag bei späterem Ende des Arbeitsvertrages um ein Sechzigstel je Monat sinkt, was sich bei einem Ausscheiden mit dem 63. Lebensjahr somit auf 40 % dieses Betrages reduziert) erhalten, sondern und vor allem auch drei Jahre früher aus dem Erwerbsleben ausscheiden und dann eine, wenngleich qua Abschlag verringerte, Altersrente beziehen können.

Drei Jahre zusätzliche Lebenszeit ohne den Zwang der Erwerbstätigkeit, auch nach Abschlag immerhin zu annähernd 90 % der später, mit dem 63. Lebensjahr, zu erwartenden Altersrente abgesichert, stellen einen ganz erheblichen Vorteil dar. Dies gilt auch dann, wenn die hier im absoluten Betrag nicht allzu üppige Höhe der Altersrentenansprüche des Klägers einbezogen wird: Ausgehend von den ihrerseits unbestritten gebliebenen Zahlenangaben des Klägers hätte er bei einem vorzeitigen Ausscheiden mit seinem 60. Lebensjahr ab 01.05.2010 einen reduzierten Rentenanspruch von 969,-- € (brutto) monatlich. Selbst wenn dem der vom Kläger errechnete Rentenanspruch zum 01.05.2013, bei einem Ausscheiden mit dem 63. Lebensjahr, von dann (?) 1.174,-- € (brutto)/Monat gegenübergestellt wird (bei dem jedoch ebenfalls, auch nach den Angaben des Klägers, noch ein Abschlag von 7,2 % anfallen würde!), erhielte der Kläger damit, ohne Berücksichtigung einer etwaigen Dynamisierung (01.07.2009!), über den dreijährigen Differenzzeitraum Rentenzahlungen von insgesamt annähernd 35.000,-- € brutto (beim Kläger sicherlich ähnlich auch netto ...).

Dieser Gewinn an in jedem Fall absoluter Lebenszeit über einen Zeitraum von immerhin drei Jahren unter sozialer Absicherung von etwa 1.000,-- € monatlich und ohne Zwang zur weiteren Berufstätigkeit kompensiert - jedenfalls zusammen mit einem zu schätzenden Nettobetrag der dann in vollem Umfang fälligen Abfindung - nach Ansicht des Gerichts die - relativ (unter Berücksichtigung des Abschlags beim Ausscheiden zum 60. Lebensjahr und demjenigen bei einem Ausscheiden zum 63. Lebensjahr) und absolut - etwas geringere Rentenhöhe.

Dies muss auch unabhängig von besonderen individuellen Einschätzungsprärogativen und Lebensstilüberlegungen gelten, was die Alternativen von (immer) geringerer Rentenbezugsdauer bei (etwas) höherer Rente gegenüber längerem Rentenbezug bei (etwas) verringerter Rentenhöhe betrifft (und auch unabhängig von einer Bewertung der wirtschaftlichen Bedeutung und dem Gewinn an erwerbsbefreiter Lebenszeit, ausgehend von einer statistischen Lebenszeitdauer nach Maßgabe der gängigen Sterbetabellen und des Alters des Klägers ...).

Auch ist grundsätzlich zu berücksichtigen, dass es dem Kläger allerdings freisteht, einen Altersteilzeitvertrag abzuschließen und damit nach Maßgabe der Regelungen der damit Anwendung findenden Betriebsvereinbarung vom 30.06.2004 mit in seinem Fall dem 60. Lebensjahr auszuscheiden oder nicht. Der Kläger muss keinen Altersteilzeitvertrag abschließen. Auch ist es dem Kläger unbenommen, etwa bis, z. B., 31.10.2011 weiterzuarbeiten - also nur wenig länger als mit seinem Hauptantrag auf Abschluss eines Altersteilzeitvertrages im Blockmodell aktiv beabsichtigt - und dann regulär und ohne Altersteilzeitvertrag mit einem Rentenabschlag auszuscheiden, der in seinem Fall sicherlich nicht weit vom Rentenabschlag eines mit dem 63. Lebensjahr ausscheidenden nicht-schwerbehinderten Menschen gemäß seiner mehrfachen Parallelrechnung entfernt sein dürfte!

b) Jedenfalls wäre selbst eine anzunehmende unterschiedliche Behandlung im Sinne einer Ungleichbehandlung des Klägers hier sachlich gerechtfertigt (§ 81 Abs. 2 Satz 2 SGB IX i. V. m. § 10 Nr. 6 und § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AGG).

Der Zwang zum früheren Ausscheiden des Klägers als schwerbehinderten Menschen bei einem, fakultativen, Abschluss eines Altersteilzeitvertrages nach den Regelungen der Betriebsvereinbarung vom 30.06.2004 aufgrund des, in seinem Fall, bereits mit dem 60. Lebensjahr möglichen Bezuges einer vorgezogenen Altersrente wäre jedenfalls sachlich gerechtfertigt, wie das Arbeitsgericht unter Bezugnahme auf die Entscheidungen des BAG vom 27.04.2004 (aaO) sowie des LAG Baden-Württemberg (U. v. 24.04.2006, 9 Sa 46/05 - juris -) näher ausgeführt hat:

Eine unterschiedliche Behandlung wegen der Behinderung des Klägers wäre hier zulässig, da durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt, wobei das gewählte Mittel auch zur Erreichung dieses Zieles angemessen und erforderlich wäre:

Zweck der, hier, "Freiwilligen Betriebsvereinbarung" vom 30.06.2004 i. V. m. dem Altersteilzeitgesetz ist es, älteren Beschäftigten einen gleitenden Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand zu ermöglichen und dadurch vorrangig Auszubildenden und Arbeitslosen Beschäftigungsmöglichkeiten zu eröffnen, auch, einen sozialverträglichen Personalabbau zu fördern. Dieser Zweck einer Regelung kann einen sachlichen Grund für eine mittelbare Benachteiligung darstellen. Jedoch darf der Grundsatz der Gleichbehandlung hierdurch nicht ausgehöhlt werden. Die Förderung von Altersteilzeitarbeit durch das ATZG und, hier, die "Freiwillige Betriebsvereinbarung" vom 30.06.2004 dient objektiv dem Ziel von Neueinstellungen und stellt damit eine beschäftigungspolitische Maßnahme dar. Die soziale Absicherung des Altersteilzeitarbeitnehmers durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer Altersrente erfolgt aus öffentlichen Kassen. Selbst wenn keine Neueinstellungen vorgenommen werden, führen Altersteilzeitarbeitsverträge zumindest dazu, dass sich der Druck, anderen Arbeitnehmern zu kündigen, verringert. Dies ist eine zusätzliche sozialpolitische Zielsetzung, die dem Ziel der Förderung von Neueinstellungen gleichwertig ist (BAG, U.v. 27.04.2004, aaO, - Rz. 82 der Gründe -).

Das Mittel, die Dauer von Altersteilzeitarbeitsverträgen zeitlich zu begrenzen, ist zur Erreichung dieses Zieles angemessen und erforderlich, was sich bereits aus Art. 2 Abs. 2b i der Richtlinien 2000/78/EG ergibt. Die Möglichkeit einer Anspruchnahme von Altersteilzeit für einen längeren Zeitraum als hier durch die Betriebsvereinbarung vom 30.06.2004 festgelegt würde einen längeren Verbleib des Klägers auf dem Arbeitsmarkt bewirken und stünde damit dem Ziel, durch eine solche Regelung auch und vor allem in sozialverträglicher Weise Neueinstellungen zu ermöglichen, entgegen. Die soziale Absicherung des schwerbehinderten Menschen erfolgt aus öffentlichen Kassen und aufgrund einer Regelung, die die mit der Behinderung im Arbeitsleben und auf dem Arbeitsmarkt verbundenen Nachteile durch eine frühere soziale Absicherung ausgleicht.

Damit wäre selbst eine anzunehmende Ungleichbehandlung des Klägers jedenfalls sachlich gerechtfertigt und damit die Bestimmung in Ziffer 7 der freiwilligen Betriebsvereinbarung vom 30.06.2004 wirksam.

III.

Der Kläger hat damit die Kosten seiner erfolglosen Berufung zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

IV.

Da dem Rechtsstreit über die Klärung der konkreten Rechtsbeziehungen der Parteien hinaus keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, bestand für die Zulassung der Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG keine Veranlassung.

Gegen dieses Urteil ist deshalb die Revision nur gegeben, wenn sie das Bundesarbeitsgericht auf Grund einer Nichtzulassungsbeschwerde, auf deren Möglichkeit und Voraussetzungen gemäß § 72 a ArbGG der Kläger hingewiesen wird, zulassen sollte.

Ende der Entscheidung

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