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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Beschluss verkündet am 13.02.2006
Aktenzeichen: 4 Ta 441/05
Rechtsgebiete: KSchG


Vorschriften:

KSchG § 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN BESCHLUSS

4 Ta 441/05

In Sachen

hat die Vierte Kammer des Landesarbeitsgerichts München durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Burger am 13. Februar 2006 ohne mündliche Verhandlung beschlossen:

Tenor:

1. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 27. Oktober 2005 - 15a Ca 6043/05 - abgeändert:

Der Antrag der Klägerin auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage vom 21.04.2005 wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

3. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 8.361,15 € festgesetzt.

Gründe:

1.

a) Die sofortige Beschwerde der Beklagten mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 14.11.2005, am selben Tag per Telefax beim Landesarbeitsgericht München eingegangen, gegen den diesen am 31.10.2005 zugestellten Beschluss vom 27.10.2005 ist statthaft und form- und fristgerecht eingelegt (§ 5 Abs. 4 Satz 2 KSchG, §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 567 Abs. 1, 569 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO) und damit zulässig.

b) Die sofortige Beschwerde der Beklagten ist begründet, da der Antrag der Klägerin auf nachträgliche Zulassung ihrer Kündigungsschutzklage vom 21.04.2005 unbegründet ist, weil sie nicht trotz Anwendung aller ihr nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert war, die Klage innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung zu erheben (§ 5 Abs. 1 Satz 1 KSchG).

aa) Die Kündigung der Beklagten mit Schreiben vom 20.01.2005 war der Klägerin, nach dem in der Folge von ihr nicht bestrittenen und durch Vorlage einer Kopie des Rückscheins des Einschreibebriefes unter Beweis gestellten Vorbringen der Beklagten, am 22.01.2005 durch Aushändigung an sie selbst zugestellt worden - nicht, wie von ihr im Antrags-/Klageschriftsatz vom 21.04.2005 behauptet, erst am 29.01.2005 (!). Die dreiwöchige Klagefrist für die Erhebung der Kündigungsschutzklage (§ 4 Satz 1 KSchG - das unstreitig Anwendung findet -) lief demgemäß am (Montag, den) 14.02.2005 ab.

bb) Die Begründung ihres Nichtverschuldens hinsichtlich der Versäumung der Klagefrist - damit auch der Einhaltung der zweiwöchigen Antragsfrist (§ 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG) - und die Mittel zur Glaubhaftmachung müssen innerhalb der zweiwöchigen Antragsfrist des § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG vollständig vorgetragen/angegeben werden. Lediglich eine Konkretisierung, Ergänzung oder Vervollständigung der fristgerecht vorgetragenen Gründe ist auch noch nach Ablauf der Zweiwochenfrist zulässige - substantiell neues Vorbringen und die Bezugnahme auf/Nachreichung neuer Mittel zur Glaubhaftmachung können dagegen nach Ablauf der Zweiwochenfrist nicht nachgeschoben werden (vgl. nur LAG München, B. v. 03.11.1975, DB 1976, S. 732; KR-Friedrich, 7. Aufl. 2004, § 5 KSchG Rz. 86 f m. w. N. insbesondere zur instanzgerichtlichen Rechtsprechung).

cc) Auch wenn das Vorbringen der Klägerin/Antragstellerin im Antragsschriftsatz zur Niederschrift der Rechtsantragstelle des Arbeitsgerichts München vom 21.04.2005 geeignet sein sollte, die Einhaltung der Antragsfrist zu begründen und glaubhaft zu machen - nachdem sich die Klägerin dort generell darauf beruft, auf Grund ihrer Erkrankung bis zu diesem Zeitpunkt nicht in der Lage gewesen zu sein, Klage gegen die Kündigung zu erheben bzw. einen Rechtsanwalt aufzusuchen -, und weiter das im Antragsschriftsatz zur weiteren Glaubhaftmachung ihrer Angaben angegebene nachzureichende Gutachten "der klinischen Therapeuten" es ihr ermöglichen sollte, zur Glaubhaftmachung, wie geschehen, auch Atteste ihres Hausarztes (Dr. T., Bl. 12 bzw. 36 d. A.) vom 23.05.2005 sowie einer Fachärztin vom 19.07.2005 (Dr. K., Bl. 69 d. A.) nachzureichen, kann dies - der im Antragsschriftsatz vom 21.04.2005 vorgetragene und nachfolgend insoweit konkretisierte Sachverhalt - nach den gesamten vorliegenden Umständen die Annahme nicht rechtfertigen, die Klägerin sei bis 21.04.2005 nicht in der Lage gewesen, wenigstens im Rahmen ihrer zweifellos eingeschränkten Möglichkeiten in irgendeiner Weise aktiv zu werden, insbesondere telefonisch oder durch ihren Vater zumindest Erkundigungen einzuholen o. ä.:

(1) Krankheit, auch eine psychische Erkrankung und selbst ein hierdurch verursachter Krankenhausaufenthalt, als solche rechtfertigen noch nicht ohne weiteres bereits die nachträgliche Klagezulassung gemäß § 5 KSchG. Hinsichtlich des Verschuldens entscheidend ist, ob die Erkrankung und ggf. die Ortsabwesenheit/Wohnungsgebundenheit die rechtzeitige Klageerhebung objektiv unmöglich oder jedenfalls subjektiv unzumutbar gemacht haben, es auf Grund etwa einer damit unter den konkreten Umständen des Einzelfalls verbundenen medizinischen Beeinträchtigung der Bewegungs- oder Entscheidungsfähigkeit verhindert oder jedenfalls entscheidend erschwert haben, Außenkontakte aufzunehmen, Bekannte/Angehörige usw. mit der Klageerhebung zu beauftragen bzw. Erkundigungen einzuholen oder sonst in der gebotenen Weise aktiv zu werden (vgl. näher nur APS-Ascheid, 2. Aufl. 2004, § 5 KSchG, Rzn. 38 f; KR-Friedrich, aaO, Rzn. 42 f; ErfKomm-Ascheid, 6. Aufl. 2006, § 5 KSchG, Rzn. 11 f, jeweils m. w. N. insbesondere auch zur instanzgerichtlichen Rechtsprechung; so auch die ständ. Rspr. der Beschwerdekammer, vgl. etwa B. v. 30.12.2005, 4 Ta 418/05, und B. v. 22.02.2005, 4 Ta 6/05).

(2) Hiernach ist nach den dargelegten und glaubhaft gemachten Umständen von einem fehlenden Verschulden der Klägerin/Antragstellerin in diesem Sinn hinsichtlich ihrer dreimonatigen Untätigkeit nicht auszugehen:

Nach ihrem Vortrag im Antragsschriftsatz vom 21.04.2005 und nachfolgend, soweit das anfängliche Vorbringen konkretisierend, sowie den vorgelegten ärztlichen Attesten habe sie an diesem Tag die Rechtsantragstelle des Arbeitsgerichts München aufgesucht und "sich nach etwaigen Klagemöglichkeiten und zu berücksichtigenden Fristen erkundigt", wobei es ihr auf Grund ihrer Erkrankung bis dahin nicht möglich gewesen sei, Klage gegen die Kündigung zu erheben bzw. einen Rechtsanwalt aufzusuchen. Nach dem (allgemein)ärztlichen Attest einer Fachklinik, in der sich die Klägerin danach, ab 26.04.2005, in stationärer Behandlung befand, erfolgte die stationäre psychotherapeutische Behandlung wegen einer mittelgradigen depressiven Episode (Arzt S. H., Bl. 11 d. A.). Nach dem allgemeinärztlichen Attest ihres Hausarztes ebenfalls vom 23.05.2005 (Bl. 12 bzw. 36 d. A.) sei sie seit Januar nicht mehr voll geschäftsfähig gewesen, da ihre Erkrankung "adäquate Reaktivität" verhindert habe und sie nicht fähig gewesen sei, sinnvoll zu reagieren. Die ärztliche Bescheinigung einer einschlägigen Fachärztin vom 19.07.2005, die von der Klägerin hiernach am 16.02.2005 und am 24.02.2005 konsultiert worden war, habe die schwerwiegende Angstsymptomatik mit entsprechender körperlich-vegetativer Symptomatik zu einem völligen sozialen Rückzug und Unfähigkeit, ihre alltäglichen und beruflichen Belange konsequent zu vertreten, geführt, wobei die schwierige und konfliktreiche Situation am Arbeitsplatz (Mobbing) und die "daraufhin erfolgte Kündigung" eher zu einer weiteren Destabilisierung beigetragen hätten. Art und Schwere des damals vorliegenden Krankheitsbildes hätten die Klägerin außerstande gesetzt, "voll" ihren Alltag zu organisieren ..., wobei für das Krankheitsbild eine unbewusste Vermeidungstendenz konflikthafter Themen typisch sei und die Klägerin nicht in der Lage gewesen sei, Fristen zu bedenken und einzuhalten (ärztliche Bescheinigung von Dr. K., Bl. 69 d. A.).

Dagegen hat die Klägerin allerdings mit einem vorgelegten umfangreichen Schriftwechsel mit der Beklagten nach Erhalt der Kündigung, ab 24.01.2005, das Arbeitsverhältnis bis zum Kündigungstermin am 31.03.2005 zielgerichtet ordnungsgemäß abgewickelt:

Bereits mit Schreiben vom 24.01.2005 (Bl. 46 d. A.) hat sie der Beklagten mitgeteilt, dass sie wegen fortdauernder Arbeitsunfähigkeit Krankengeld beantragt habe und sich bei Besserung ihres Zustands sofort mit der Beklagten in Verbindung setzen werde. Mit weiterem Schreiben vom 11.03.2005 (Bl. 47 d. A.) hat sie der Beklagten ein Formblatt der Bundesagentur für Arbeit mit der Bitte um ausgefüllte Rücksendung übersandt und darauf hingewiesen, dass sich ihr Vater wegen Rückgabe ihrer Sachen mit der Beklagten in Verbindung setzen werden, da sie sich noch im Krankenstand befinde. Mit Schreiben vom 30.03.2005 hat sie Letzteres wiederholt und ausgeführt, dass sie ihren Vater mit der Rückgabe der noch in ihrem Besitz befindlichen Gegenstände beauftragt habe und diese am Folgetag - dem letzten Tag der Kündigungsfrist - nachmittags von ihrem Vater übergeben würden (Bl. 48 d. A.). Mit schriftlicher Vollmacht vom Folgetag, 31.03.2005, hat sie ihren Vater beauftragt, vier in ihrem Besitz befindliche Gegenstände der Beklagten zurückzugeben (Bl. 50 d. A.); mit weiterer vorbereiteter - von der Klägerin handschriftlich ergänzter - Quittung ebenfalls vom 31.03.2005 (Bl. 51 d. A.) sollten von ihrem Vater eine Reihe in ihrem Eigentum befindlicher Gegenstände entgegengenommen werden.

Wieso es der Klägerin hiernach andererseits nicht möglich gewesen sein soll, zeitnah zur Kündigung bzw. jedenfalls noch in zeitlichem Zusammenhang mit der Korrespondenz mit der Beklagten wegen der Abwicklung des Arbeitsverhältnisses zum 31.03.2005 als Kündigungstermin ebenfalls wenigstens telefonische Erkundigungen etwa beim Arbeitsgericht München über eine etwa laufende Klagefrist einzuholen und/oder ihren Vater, wie hinsichtlich der Rückgabe bzw. Entgegennahme ihr gehörender Gegenstände in der Bankfiliale der Beklagten in B. geschehen, mit einer Vollmacht zur möglichen Klageerhebung auszustatten oder diesen wenigstens um eine Erkundigung hinsichtlich einer etwaigen Klagefrist im Zusammenhang mit der erhaltenen Kündigung - deren Bestehen als solcher eigentlich im Grundsatz einer Bankkauffrau klar sein muss - zu bitten oder sonst wenigstens ansatzweise aktiv zu werden, kann ihrem Vorbringen und den vorgelegten ärztlichen Attesten nicht hinreichend entnommen werden. Dies hätte ersichtlich nicht weniger - oder mehr - das Berühren der Kündigung als Konflikt beladenen Themas - bei dem nach dem fachärztlichen Attest vom 19.07.2005 eine unbewusste Vermeidungstendenz bestanden habe - betroffen als die unmittelbare Kontaktaufnahme mit der Bankfiliale der Beklagten, in der die Klägerin tätig war - zumal sie, wie aus den Schriftsätzen ihres damaligen Prozessbevollmächtigten vom 27.07.2005 und des Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 25.07.2005, nach der Güteverhandlung, aufscheint, dort offensichtlich Mobbingvorwürfe im Zusammenhang mit der Situation an ihrem Arbeitsplatz erhoben hatte ... Eine telefonische oder schriftliche Erkundigung, selbst oder durch ihren Vater, bei einer neutralen, vom Arbeitsverhältnis unberührten, Stelle wie der Rechtsantragstelle des Arbeitsgerichts, die die Klägerin dann schließlich am 21.04.2005 aufgesucht hat, ist auf den ersten Blick nicht konflikt(vermeidungs)relevanter als die unmittelbare Korrespondenz mit der Beklagten wegen der endgültigen Abwicklung des Arbeitsverhältnisses zum Kündigungstermin wie geschehen - zumal unter den gegebenen Umständen.

Jedenfalls erklären das Vorbringen der Klägerin und die von ihr vorgelegten ärztlichen Atteste nicht, weshalb sie schlicht ziemlich genau drei Monate ab Erhalt der Kündigung abgewartet hat und sich erst am 21.04.2005, wenige Tage vor Antritt ihres längeren stationären Aufenthalts, persönlich zum Arbeitsgericht begeben hat - weshalb vom fehlenden Verschulden im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 KSchG nicht ausgegangen werden kann und, unter Abänderung des erstinstanzlichen Beschlusses, ihr Antrag auf nachträgliche Klagezulassung damit zurückzuweisen ist.

2.

a) Die Klägerin hat damit die Kosten der sofortigen Beschwerde zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

b) Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wurde entsprechend dem Wert der Hauptsache festgesetzt - somit gemäß § 42 Abs. 4 Satz 1 GKG nF in Höhe einer Vierteljahresvergütung der Klägerin, ausgehend vom von ihr mit Schriftsatz vom 25.04.2005 an die Rechtsantragstelle des Arbeitsgerichts München, ihre ursprünglichen Angaben korrigierend angegebenen Bruttomonatsentgelt von 2.787,05 € x 3, (vgl. näher etwa KR-Friedrich, aaO, Rz. 178 m. w. N.).

3. Gegen diesen Beschluss findet kein Rechtsmittel statt, da eine Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht statthaft wäre (vgl. BAG, B. v. 20.08.2002, AP Nr. 14 zu § 5 KSchG 1969).

Dieser Beschluss ist damit unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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