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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Beschluss verkündet am 21.02.2008
Aktenzeichen: 4 TaBV 56/07
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 1
BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 6
BetrVG § 94
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES BESCHLUSS

4 TaBV 56/07

Verkündet am: 21. Februar 2008

In dem Beschlussverfahren

hat die Vierte Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Anhörung vom 7. Februar 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Burger sowie die ehrenamtlichen Richter Högele und Böhler beschlossen:

Tenor:

I. Auf die Beschwerde des Gesamtbetriebsrats wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Augsburg vom 23. April 2007 - 7 BV 42/06 D -, unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen, teilweise abgeändert:

Die Arbeitgeberin und Beteiligte zu 2. hat es zu unterlassen, künftig in den Filialen und der Zentrale Testkäufe nach dem Konzept "M." durchzuführen und mittels EDV auszuwerten, solange nicht der Gesamtbetriebsrat diesen Testkäufen zugestimmt oder die Einigungsstelle die fehlende Zustimmung des Gesamtbetriebsrats zu diesen Testkäufen ersetzt hat.

II. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

A.

Die Beteiligten streiten über Mitbestimmungsrechte des antragstellenden Gesamtbetriebsrats bei der Durchführung von Testkäufen.

Die Arbeitgeberin und Beteiligte zu 2. betreibt bundesweit (ca.) 91 "Garten-Center". Ihr Hauptsitz - "Zentrale" - befindet sich in R..

Die Arbeitgeberin hat in der Vergangenheit unbestritten in einer Reihe von Filialen und "Garten-Centern" Testeinkäufe nach dem Konzept "M." durchgeführt/durchführen lassen, durch die die Qualität des Services und der Beratung sowie des Verkaufs in den betreffenden Filialen/Garten-Centern überprüft werden sollte.

Mit seinen nunmehrigen Anträgen macht der Gesamtbetriebsrat Ansprüche auf Unterlassung künftiger solcher Testkäufe nach dem Konzept "M." ohne seine Zustimmung bzw. ohne Ersetzung seiner verweigerten Zustimmung durch Entscheidung der Einigungsstelle sowie auf Erteilung einer umfassenden und vollständigen Auskunft über die seit 2003 im Unternehmen solcherart durchgeführten Testkäufe geltend.

Wegen des Sachverhalts im Übrigen und des Vorbringens sowie der Anträge der Beteiligten im Ersten Rechtszug wird auf die Darstellung im angefochtenen Beschluss des Arbeitsgerichts Augsburg vom 23.04.2007, der den Verfahrensbevollmächtigten des Gesamtbetriebsrats am 25.04.2007 zugestellt wurde, Bezug genommen, mit dem dieses den dort, soweit dokumentiert/protokolliert, allein gestellten Unterlassungsantrag mit der Begründung zurückgewiesen hat, dass dieser hinreichend bestimmt und der Gesamtbetriebsrat auch antragsberechtigt, weil für überbetriebliche Angelegenheiten wie die verfahrensgegenständlichen Testkäufe zuständig sei, ihm jedoch ein Mitbestimmungsrecht nicht zustehe - die erfolgten Testkäufe beträfen lediglich das Arbeitsverhalten, nicht jedoch das für eine Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG maßgebliche Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer, da die Qualität der Kassier- und Beratungstätigkeit, somit die geschuldete Arbeitsleistung, im Vordergrund gestanden habe, und der bestrittene Vortrag des Gesamtbetriebsrats, dass das damit erfasste Verhalten bereits zu Abmahnungen von Kassenkräften geführt habe, eine nicht durch Tatsachen belegte Behauptung geblieben sei. Ein Mitbestimmungsrecht ergebe sich auch nicht aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG, da hier keine Überwachung oder Kontrolle der Arbeitnehmer durch technische Aufzeichnungen, sondern durch Aufzeichnungen der den Verkaufstest durchführenden Personen erfolgt sei, ohne dass dabei technische Einrichtungen eingesetzt worden seien; eine anschließende Auswertung der handschriftlichen Aufzeichnungen mittels EDV stelle keine "Überwachung" im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG dar. Auch ein Mitbestimmungsrecht nach § 94 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 BetrVG scheide nach der einschlägigen Rechtsprechung des BAG aus.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Gesamtbetriebsrats mit Schriftsatz vom 08.05.2007, am 09.05.2007 zunächst per Telefax beim Landesarbeitsgericht München eingegangen, zu deren Begründung er fristgerecht vorgetragen hat, dass dem Verfahren ein ausführlicher Schriftwechsel der Beteiligten vorausgegangen sei, in dem der Gesamtbetriebsrat betont habe, dass die Angelegenheit der erzwingbaren Mitbestimmung der Betriebsräte sowohl unter dem Gesichtspunkt des Ordnungsverhaltens im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG als auch der Leistungs- und Verhaltenskontrolle im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG und auch der Personalbefragung und Beurteilung im Sinne des § 94 BetrVG unterliege. Bei den vorliegenden Testkäufen habe es sich um ein auf das Unternehmen der Arbeitgeberin zugeschnittenes Datenerhebungs- und Mitarbeiterbeurteilungsmodell gehandelt. Die Arbeitgeberin habe erstmals auf der Betriebsrätekonferenz im Dezember 2003 über Testeinkäufe berichtet. In der Folge sei es zu einer Diskussion hierüber gekommen, da weitere Testeinkäufe und eine Abmahnung wegen Ergebnissen aus einem Testeinkauf bekannt geworden seien, woraufhin hierüber verhandelt worden sei. Wegen der im Rahmen eines solchen Testkaufs erfolgten Feststellungen sei eine Arbeitnehmerin mit Schreiben der Arbeitgeberin vom 10.05.2005 (u. a. Anl. Bf 1, Bl. 166/167 d. A.) abgemahnt worden. Wie sich aus den dem Gesamtbetriebsrat zufällig zur Kenntnis gekommenen Erfassungs- und Auswertungsunterlagen ergebe, seien individualisierte Daten erhoben und diese mittels Excel-Dateien ausgewertet worden. Es sei bei diesen Testeinkäufen deshalb ausdrücklich auch um die Bewertung des Verhaltens der einzelnen Arbeitnehmer mittels Benotung usw. gegangen. Es liege deshalb auch eine Auswertung mit technischen Mitteln im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG vor, die Rückschlüsse auf einzelne Kassenkräfte oder die Gruppe der Kassenkräfte erlaube. Dies begründe Mitbestimmungsrechte des Gesamtbetriebsrats in mehrfacher Hinsicht.

Der Gesamtbetriebsrat beantragt

I. Der Beschluss des Arbeitsgerichts Augsburg vom 23.04.2007, Aktenzeichen 7 BV 42/06 D, zugestellt am 25.04.07 wird abgeändert.

II. Der Beteiligte zu 2. wird untersagt, in den Filialen und der Zentrale der Arbeitgeberin sog. Testeinkäufe nach dem Konzept "M." durchzuführen und EDV-technisch auswerten zu lassen, solange der Gesamtbetriebsrat nicht diesen Testeinkäufen zugestimmt hat oder die Einigungsstelle die fehlende Zustimmung des Gesamtbetriebsrats ersetzt hat.

III. Der Beteiligten zu 2. wird aufgegeben, vollständig und umfassend darzulegen, welche Testkäufe seit 2003 im Unternehmen durchgeführt wurden, nach welchem Konzept diese Testkäufe erfolgten, was Ergebnis der Testkäufe war und wie diese Testkäufe mit technischen und/oder nichttechnischen Mitteln ausgewertet wurden.

Die Arbeitgeberin und Beteiligte zu 2. trägt zur Begründung ihres Antrages auf Zurückweisung der Beschwerde vor, dass sie im Jahr 2003 ein Unternehmen zur Durchführung von Testkäufen in insgesamt 20 bis 25 ausgewählten Häusern ihres Unternehmens beauftragt habe, wobei die festgestellten Ergebnisse in der Gesamtbetriebsratssitzung am 04.12.2003 vorgestellt worden seien, und dabei deutlich zutage getretene Defizite nachfolgend zu Schulungsmaßnahmen veranlasst hätten. Ähnlich sei die Arbeitgeberin zur Feststellung der Beratungsqualität in den Abteilungen Gartenmöbel und Zoo in ca. 20 Häusern verfahren, bei denen die Ergebnisse entsprechender Testkäufe in der Betriebsrätekonferenz am 08.09.2005 von der Geschäftsleitung vorgestellt worden seien. Damit sei die Reihe der Testkäufe abgeschlossen gewesen und eine Fortführung bislang nicht geplant. Da der Gesamtbetriebsrat, der im Rahmen der erwähnten Sitzungen informell beteiligt worden sei, in der Folge jahrelang kein Mitbestimmungsrecht reklamiert habe, wären - bestrittene - Mitbestimmungsrechte verwirkt. Der Unterlassungsantrag sei unzulässig, da nicht vollstreckungsfähig deswegen, weil es kein nach allgemeinen Erfahrungssätzen bzw. Richtlinien festgelegtes Konzept zum "M." gebe. Daneben bestehe jedenfalls kein Rechtschutzinteresse mehr, da die Durchführung weiterer solcher Testkaufrunden nicht geplant sei. Die Arbeitgeberin bestreitet weiter das Vorhandensein eines ordnungsgemäßen und wirksamen Beschlusses des Gesamtbetriebsrats zur Einleitung des vorliegenden Verfahrens und des Weiteren dessen originäre Zuständigkeit für die gestellten Anträge. Nach ihrer Ansicht bestehe im Anschluss an die Ausführungen des Arbeitsgerichts auch kein Mitbestimmungsrecht, da Ziel der Testkäufe ausschließlich die Bestandsaufnahme des Arbeitsverhaltens gewesen sei, weshalb § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG ebenso wenig einschlägig sei wie, mangels Einsatzes technischer Einrichtungen bei der Feststellung des Arbeitsverhaltens, § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. Weil es nicht um die Bewertung der einzelnen Arbeitnehmer gegangen sei, hätten auch keine Beurteilungsgrundsätze im Sinne des § 94 Abs. 2 BetrVG vorgelegen.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Beschwerdeverfahren im Übrigen wird auf die Schriftsätze vom 25.06.2007, vom 27.07.2007, vom 21.09.2007, vom 28.09.2007, vom 23.10.2007, vom 23.11.2007 und vom 19.12.2007, nebst der jeweils vorgelegten Anlagen/Unterlagen, sowie auf die Niederschriften der mündlichen Anhörungen vom 13.09.2007 und vom 07.02.2008 Bezug genommen.

B.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache teilweise Erfolg.

I.

Die Beschwerde des Gesamtbetriebsrats und Beteiligten zu 1. ist statthaft und form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 87 Abs. 1 und Abs. 2, 89 Abs. 1 und Abs. 2, 66 Abs. 1 ArbGG, 516, 518 ZPO) und damit zulässig.

II.

Die Beschwerde des Gesamtbetriebsrats ist im entschiedenen Umfang begründet.

1. Aufgrund des in der mündlichen Anhörung zuletzt in Kopie vorgelegten Protokolls der Gesamtbetriebsratssitzung am 15.03.2007 (beim im Protokoll der mündlichen Anhörung im Beschwerdeverfahren am 13.09.2007 festgehaltenen, dort zunächst mündlich mitgeteilten, Datum offensichtlich dieser Gesamtbetriebsratssitzung handelt sich ebenso offensichtlich um ein Hör-/Diktat-/Schreibversehen) mit dem dort dokumentierten - zu diesem Zeitpunkt (zulässig) vorsorglichen - Beschluss zur Weiterführung/Rechtsmitteleinlegung im anhängigen Beschlussverfahren für den Fall des, angenommenen, erstinstanzlichen Unterliegens und Beauftragung der Verfahrensbevollmächtigen des Gesamtbetriebsrats hiermit (wo wiederum auf einen Beschluss zur Einleitung des vorliegenden Verfahrens vom 30.03.2006 Bezug genommen ist) kann es keinem Zweifel mehr unterliegen, dass ordnungsgemäße Beschlüsse des Gesamtbetriebsrats sowohl zur Einleitung des Verfahrens als auch zur Einlegung der Beschwerde - die auch ohne gesonderte Beschlussfassung hierzu möglich gewesen wäre - vorlagen (vgl. BAG, zuletzt etwa B. v. 06.12.2006, AP Nr. 5 zu § 21 b BetrVG 1972 - Rz. 12 -, m. w. N.; siehe auch B. v. 23.08.2006, 7 ABR 51/05, AP Nr. 12 zu § 54 BetrVG 1952).

2 Der Gesamtbetriebsrat ist antragsberechtigt.

Nach § 50 Abs. 1 BetrVG ist der Gesamtbetriebsrat, wie das Arbeitsgericht zurecht angenommen hat, zuständig für die Behandlung von Angelegenheiten, die das Gesamtunternehmen oder mehrere Betriebe betreffen und nicht durch die einzelnen Betriebsräte innerhalb ihrer Betriebe geregelt werden können. Ausreichend ist, dass ein zwingendes Erfordernis für eine betriebsübergreifende Regelung besteht, wobei auf die Verhältnisse des einzelnen Unternehmens und der konkreten Betriebe abzustellen ist.

Da die Arbeitgeberin die verfahrensgegenständlichen Testkäufe nach dem Konzept "M." unbestritten betriebsübergreifend, in einer Reihe von "Häusern"/Filialen (nach ihrem Vorbringen: in 20 bis 25 Häusern hinsichtlich der Kassiervorgänge, in ca. 20 (weiteren?, teilidentischen?) Filialen "Gartenmöbel und Zoo") durchgeführt hat, handelt es sich hierbei um eine überörtliche, betriebs-/filialübergreifende Angelegenheit, die damit in die genuine Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats nach § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG fällt und deshalb dessen Antragsberechtigung begründet (siehe BAG, B. v. 18.04.2000, 1 ABR 22/99, AP Nr. 33 zu § 87 BetrVG Überwachung - B. I. 2. der Gründe -; siehe näher auch LAG Rheinland-Pfalz, B. v. 18.01.2005, 2 TaBV 21/04, juris - ebenfalls zum "M." -).

3. a) Der Unterlassungsantrag gemäß Ziffer 2. der im Beschwerdeverfahren gestellten Anträge ("Die (Der!) Beteiligten zu 2. wird untersagt ...") ist zulässig.

Zwar hat die Arbeitgeberin - vom Gesamtbetriebsrat auch nicht bestritten -vorgetragen, dass die Testkäufe mit den durchgeführten Testkaufreihen in den Jahren 2003 bzw. 2005 abgeschlossen worden seien und "auch derzeit" - so ihre mehrfach, offensichtlich semantisch bewußt, gewählte Diktion - eine Fortführung nicht geplant sei.

Das erforderliche aktuelle Rechtschutzinteresse des Antragstellers für das (die Fortführung des) Verfahren(s) entfällt, wenn der konkrete Vorgang, der das Verfahren ausgelöst hat, in der Vergangenheit liegt, dieser endgültig abgeschlossen ist und sich aus ihm keine Rechtswirkungen mehr für die Zukunft ergeben (können). Ist der konkrete Streitfall dagegen Ausdruck einer allgemeinen Rechtsfrage, kann ein berechtigtes Interesse bestehen, zu dieser allgemeinen Streitfrage über den abgeschlossenen Sachverhalt hinaus eine Entscheidung zu erlangen - es genügt, wenn gleiche oder ähnliche Streitfälle im Betrieb oder Unternehmen erneut auftreten können (BAG, B. v. 20.04.1999, 1 ABR 13/98, AP Nr. 43 zu § 81 ArbGG 1979; B. v. 18.04.2000, aaO - B. I. 1. der Gründe, m. w. N. -; Germelmann/Matthes/Prütting/ Müller-Glöge, Arbeitsgerichtsgesetz, 6. Aufl. 2008, § 81 Rzn. 23/24).

So liegt es hier. Der Gesamtbetriebsrat will mit seinem Unterlassungsantrag grundsätzlich festgestellt wissen, dass die Arbeitgeberin künftig Testkäufe nach dem Konzept "M." nicht ohne Beachtung seines Mitbestimmungsrechts durchführen und EDV-technisch auswerten (lassen) dürfe. Dies begründet ein grundsätzliches zukunftbezogenes Interesse des Gesamtbetriebsrats an der Klärung dieser streitigen Frage, zumal die Arbeitgeberin offensichtlich bewusst nicht erklären/zusichern will, solche Testkäufe künftig keinesfalls mehr durchführen/technisch auswerten zu lassen.

Der gestellte Unterlassungsantrag genügt, wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, auch den Bestimmtheitserfordernissen des § 253 ZPO, da er eine von den bereits durchgeführten und ausgewerteten Testkäufen nach dem - als solchen auch eindeutig zu identifizierenden - Konzept "M." abgelöste allgemeine Frage hinreichend deutlich umschreibt und zum Verfahrensgegenstand macht.

b) Anders ist es jedoch mit dem nunmehrigen Antrag zu Ziffer 3. der in der Beschwerdebegründung angekündigten und in der mündlichen Anhörung gestellten Anträge - die Zulässigkeit dieser Antragserweiterung in der Beschwerdeinstanz überhaupt unterstellt !? -, mit dem der Beteiligten zu 2. nunmehr weiter aufgegeben werden soll, "vollständig und umfassend darzulegen, welche Testkäufe seit 2003 im Unternehmen durchgeführt wurden ...".

Anspruchsgrundlage hierfür könnte nicht § 90 BetrVG sein, da diese früheren, unbestritten (bereits 2003/2005) abgeschlossenen, Testkäufe offensichtlich keine Planung, zumal im Sinne der dortigen Tatbestände, betreffen/beinhalten.

Auch das Rechtschutzbedürfnis für einen entsprechenden Auskunftsanspruch aus § 80 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 BetrVG als einzig denkbarer weiterer Rechtsgrundlage entfällt, da im Anschluss an die vorstehenden Ausführungen hierfür keine Ausstrahlungswirkung für die Zukunft, abgelöst von den erfolgten Testeinkäufen, ausgehen kann. Nach ständiger Rechtsprechung des BAG soll die vom Arbeitgeber nach § 80 Abs. 2 BetrVG geschuldete Unterrichtung des Betriebsrats diesen in die Lage versetzen, in eigener Verantwortung selbst zu prüfen, ob sich für ihn Aufgaben ergeben und ob er zur Wahrnehmung dieser Aufgaben tätig werden soll (BAG, z. B. B. v. 28.01.1992, 1 ABR 41/91, AP Nr. 1 zu § 96 BetrVG 1972). Dies ist jedoch hinsichtlich der unbestritten bereits (spätestens) 2005 abgeschlossenen bisherigen Testkaufreihen kaum denkbar. Es ist auch kaum greifbar - wird vom Gesamtbetriebsrat so auch nicht behauptet -, dass die Arbeitgeberin etwa Testkaufergebnisse individualisiert hinsichtlich betroffener Verkaufsmitarbeiter gespeichert habe und dauerhaft und ggf. systematisch zur Verhaltenskontrolle (weiter) verwenden wolle.

Ungeachtet dessen handelt es sich hierbei auch um einen unzulässigen Globalantrag, da dieser Auskunft nicht nur der nach dem Konzept "M." durchgeführten Testkäufe, sondern, einen Schritt davor, Auskunft über das Konzept begehrt, nach dem "diese" Testkäufe erfolgten, und des Weiteren auch jegliche Ergebnisse jeglicher Testkäufe und deren Auswertung mit technischen oder nicht-technischen Mitteln erfahren will. Darunter würden somit, auf der Hand liegend, auch Testkäufe fallen, die als solche und mangels entsprechender technischer Auswertung keinen Mitbestimmungstatbestand berühren/betreffen können (weil z. B. keine Individualisierung erfolgt/möglich war und/oder keine technische Auswertung stattgefunden hat oder kein Tatbestand insbesondere des § 87 Abs. 1 BetrVG sonst berührt wäre - s.u. -). Eine Auslegung dieses Antrags hinsichtlich einer Erstreckung auf nur - wie? - mitbestimmungspflichtige Testkäufe ist nicht möglich.

Dieser Antrag - damit die Beschwerde des Gesamtbetriebsrats - ist deshalb insoweit zurückzuweisen.

4. Der Antrag (zu 2.) ist nicht bereits aufgrund Verwirkung deshalb unbegründet, wie die Arbeitgeberin maßgeblich geltend macht, weil der Gesamtbetriebsrat - obwohl über die in den abgeschlossenen Testkaufreihen festgestellten Ergebnisse bereits in einer Gesamtbetriebsratssitzung am 04.12.2003 und in einer Betriebsrätekonferenz am 08.09.2005 informiert - sodann jahrelang kein Mitbestimmungsrecht deswegen "reklamiert" habe.

Der Gesamtbetriebsrat verweist insoweit zurecht darauf, dass die materiellrechtliche Verwirkung von Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats grundsätzlich ausgeschlossen ist. Über die Ausübung eines Mitbestimmungsrechts entscheidet der Betriebsrat in eigener Verantwortung und nach pflichtgemäßem Ermessen. Er kann auf diese weder verzichten noch darf er einen seiner Mitwirkung unterfallenden Regelungsgegenstand der einseitigen Festlegung durch den Arbeitgeber überlassen, weshalb der Arbeitgeber grundsätzlich stets damit rechnen muss, dass der Betriebsrat seine Beteiligung an einer mitbestimmungspflichtigen Angelegenheit noch verlangt und ggf. auch gerichtlich durchzusetzen versuchen wird.

Selbst wenn trotzdem eine prozessrechtliche Verwirkung durch Geltendmachung von Mitbestimmungsrechten in besonderen Ausnahmefällen infrage kommen könnte, würde es hier jedenfalls an einer treuwidrigen verspäteten Rechtsausübung fehlen, da neben einem möglichen Zeitablauf ("Zeitmoment"), dessen Vorliegen offen bleiben könnte, nicht erkennbar wäre, aufgrund welcher Umstände es der Arbeitgeberin unzumutbar sein sollte, sich nunmehr auf die Klärung des Bestehens eines Mitbestimmungsrechts hinsichtlich dieses Testkauf-Konzepts einzulassen (vgl. näher etwa BAG, B. v. 28.08.2007, 1 ABR 70/06, u. a. DB 2008, S. 70 f, m. w. N.).

5. Materiellrechtlich ist der Antrag auf Unterlassung künftiger Testkäufe der Arbeitgeberin nach dem Konzept "M." begründet, weil sich, ausgehend von deren bisheriger Durchführung und Auswertung aufgrund der bereits erstinstanzlich zuletzt vorgelegten Angaben und Unterlagen, Mitbestimmungsrechte aus § 87 Abs. 1 BetrVG ergeben können.

a) Ein Mitbestimmungsrecht wird hiernach nicht bereits von vornherein dadurch ausgeschlossen, dass die Testkäufe nach diesem Konzept nicht von der Arbeitgeberin selbst, sondern von einem Drittunternehmen durchgeführt wurden. In mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten kann sich der Arbeitgeber Dritten gegenüber nicht in einer Weise binden, die eine Einflussnahme der zuständigen Arbeitnehmervertretung faktisch ausschließen würden - der Arbeitgeber muss durch eine entsprechende Vertragsgestaltung sicherstellen, dass die ordnungsgemäße Wahrnehmung des Mitbestimmungsrechts gewährleistet ist (BAG, B.v. 18.04.2000, aaO, - B.II.1.b d. Gr., m.w.N. -).

b) Durch die vorliegend erfolgte individualisierte Datenerhebung kann ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG gegeben sein.

Wie das BAG in der bereits zitierten, vom Arbeitsgericht und den Beteiligten angezogenen, Entscheidung vom 18.04.2000 (aaO - unter B. II. 1. b der Gründe -) näher ausgeführt hat, hat der Betriebsrat nach dieser Vorschrift bei Fragen der Ordnung des Betriebes und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb mitzubestimmen, weshalb Gegenstand dieses Mitbestimmungsrechts das betriebliche Zusammenleben und Zusammenwirkung der Arbeitnehmer ist. Dazu dienen verbindliche Verhaltensregeln sowie unterschiedliche Maßnahmen, die geeignet sind, das Verhalten der Arbeitnehmer zu beeinflussen/zu regeln, um den Arbeitnehmern durch den Betriebsrat eine gleichberechtigte Teilhabe an der Gestaltung des betrieblichen Zusammenlebens zu gewähren. § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG umfasst die Gestaltung der Ordnung des Betriebes zum einen durch die Schaffung verbindlicher Verhaltensregeln, zum anderen durch Maßnahmen, die das Verhalten der Arbeitnehmer in Bezug auf die betriebliche Ordnung betreffen und berühren, ohne dass sie verbindliche Normen für das Verhalten der Arbeitnehmer zum Inhalt haben - ausreichend ist es, wenn die Maßnahme darauf gerichtet ist, die vorgegebene Ordnung des Betriebes zu gewährleisten und aufrecht zu erhalten. Vom mitbestimmungspflichtigen Ordnungsverhalten zu unterscheiden ist das reine Arbeitsverhalten der Arbeitnehmer, das alle Regeln und Weisungen, die bei der Erbringung der Arbeitsleistung selbst zu beachten sind, betrifft. Das Arbeitsverhalten ist berührt, wenn der Arbeitgeber kraft seiner Organisations- und Leitungsmacht näher bestimmt, welche Arbeiten auszuführen sind und in welcher Weise dies geschehen soll. Danach sind solche Anordnungen mitbestimmungsfrei, mit denen die Arbeitspflicht unmittelbar konkretisiert wird (BAG, B. v. 18.04.2000, aaO).

Bei den durchgeführten Testkäufen nach dem Konzept "M." lag nicht allein oder schwerpunktmäßig ein, mitbestimmungsfreies, reines Arbeitsverhalten der getesteten Arbeitnehmer vor. Nach den vom Gesamtbetriebsrat erstinstanzlich zuletzt vorgelegten Erfassungsbögen, deren Richtigkeit/Inhalt oder Repräsentanz oder Verallgemeinerungsfähigkeit die Arbeitgeberin auch nicht in Abrede stellt, wurden hier durch den jeweiligen Testkäufer - anders als in dem der Entscheidung des BAG vom 18.04.2000 zum "M." zugrunde liegenden Sachverhalt - nicht etwa die Daten lediglich rein anonymisiert und damit ohne Möglichkeit des Rückschlusses auf einzelne Arbeitnehmer und deren Leistung/Verhalten erhoben, sondern von vornherein individualisiert, bezogen auf die namentlich anzugebende Verkaufskraft, mit detaillierter Bewertung zahlreicher Parameter ihrer konkreten Tätigkeitsausübung im Rahmen einer meist fünfstelligen Notenskala (Reaktion auf Beratungsnachfrage, Qualität der Fragestellungen, erfolgte Hinweise, Bedarfsanalyse, Beratungsdetails, Wille zum Verkaufsabschluss, Qualität der Verabschiedung usw.). Dieses individualisierte und höchst differenzierte Bewertungsverfahren der Tätigkeit kann jedenfalls auch das mitbestimmungspflichtige Ordnungsverhalten, die verbindlichen Verhaltensregeln für das Erscheinungsbild der Arbeitgeberin in ihren Filialen nach Außen, gegenüber den Kunden, betreffen, nicht allein das reine Arbeitsverhalten des einzelnen Verkaufsmitarbeiters. Hierdurch soll Einfluss auf das Korrektheitsverhalten und damit auch auf das Ordnungsverhalten genommen werden (vgl. auch LAG Hessen, B. v. 24.02.2000, 5 TaBV 97/99, juris; siehe auch Deckers/Deckers, NZA 2004, S. 139/140).

Die Arbeitgeberin hat auch nicht dementiert, dass - wie vom Gesamtbetriebsrat mehrfach dokumentiert - eine Verkaufsmitarbeiterin eine Abmahnung vom 10.05.2005 unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die bei einem Testkauf am 13.04.2005 getroffenen Feststellungen hinsichtlich ihres Verhaltens beim Kassieren erhalten hat (ob dies, wie die Arbeitgeberin zuletzt ausgeführt hat, (jedenfalls) von den Testkäufen nicht "bezweckt" gewesen sei - sondern ggf. nur nicht unwillkommener Nebeneffekt der erhobenen Daten, windfall-profit -, ist hierbei unerheblich).

c) Des Weiteren ist beim bisherigen Verfahren der Testkäufe nach dem Konzept "M." auch der Mitbestimmungstatbestand des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG insofern betroffen, als zwar nicht bereits die Durchführung dieser Testkäufe mittels technischer Überwachungseinrichtungen in diesem Sinne - sondern offensichtlich durch händische Aufzeichnungen/manuelles Ausfüllen der Erhebungsbögen durch den Testkäufer - erfolgt ist, unbestritten wiederum aber die Auswertung der erfolgten Testkäufe, der ausgefüllten Erfassungsbögen - von denen es, ausgehend von den rudimentären Angaben der Arbeitgeberin zur Zahl der betroffenen Filialen, (sehr) zahlreiche gegeben haben muss - per EDV-Programm (MS-Excel) erfolgt ist. Die Arbeitgeberin hat zuletzt selbst ausgeführt, dass "die Zusammenfassung der Daten selbst in einer Excel-Tabelle" (!) jedoch keine leistungsüberwachende oder verhaltenskontrollierende Zwecke verfolgt habe - die objektive Möglichkeit hierfür reicht, die subjektive Befindlichkeit/Intention ist insoweit unerheblich. Auch das bloße Auswerten erhobener Daten mittels technischer Einrichtungen begründet nach ständiger Rechtsprechung des BAG ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG (vgl. nur Fitting/Engels/Schmidt et al., BetrVG, 23. Aufl. 2006, § 87 Rzn. 218, 238 f und 241 f, jeweils m. w. N.).

d) Ein mögliches Mitbestimmungsrecht auch nach § 94 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 BetrVG, auf das der Gesamtbetriebsrat sich ebenfalls beruft, ist ebenfalls zumindest nicht undenkbar.

Nach dieser Vorschrift bedarf die Aufstellung allgemeiner Beurteilungsgrundsätze der Zustimmung des Betriebsrats. Allgemeine Beurteilungsgrundsätze in diesem Sinn sind Regelungen, die die Bewertung des Verhaltens oder der Leistung der Arbeitnehmer objektivieren oder vereinheitlichen und nach Kriterien ausrichten sollen, die für die Beurteilung jeweils erheblich sind. Gegenstand ist danach die Frage, nach welchen Gesichtspunkten der Arbeitnehmer insgesamt oder in Teilen seiner Leistung oder seines Verhaltens beurteilt werden soll - mit solchen allgemeinen Grundsätzen soll ein einheitliches Vorgehen bei der Beurteilung und ein Bewerten nach einheitlichen Maßstäben ermöglicht und so erreicht werden, dass die Beurteilungsergebnisse miteinander vergleichbar sind (vgl. wiederum nur BAG, B. v. 18.04.2000, aaO).

Auch wenn hier mit dem verfahrensgegenständlichen Konzept "M." im Ausgangspunkt und im Vordergrund die Qualität der Beratung und des Verkaufs in den betreffenden (zahlreichen) Filialen insgesamt getestet werden sollten, indiziert die dabei tatsächlich auch erfolgte individualisierte Beurteilung nach standardisierten Grundsätzen und Verfahren - auch ritualisierte Benotung nach einem festen Schema/Schlüssel - das Vorliegen allgemeiner, individueller, Beurteilungsgrundsätze hinsichtlich des Verhaltens und der Leistung der getesteten Arbeitnehmer in diesem Sinn - weshalb auch insoweit ein Mitbestimmungsrecht des Gesamtbetriebsrats jedenfalls nicht auszuschließen wäre.

Damit war der Beschwerde des Gesamtbetriebsrats teilweise stattzugeben.

III.

Da dem Verfahren über die Klärung der konkreten Problemstellung hinaus keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, bestand für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß §§ 92 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2, 72 Abs. 2 ArbGG keine Veranlassung.

Gegen diesen Beschluss ist deshalb die Rechtsbeschwerde nur gegeben, wenn sie das Bundesarbeitsgericht auf Grund einer Nichtzulassungsbeschwerde, auf deren Möglichkeit und Voraussetzungen gem. § 92 a ArbGG die Beteiligten hingewiesen werden, zulassen sollte.

Ende der Entscheidung

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