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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 15.04.2009
Aktenzeichen: 5 Sa 1021/98
Rechtsgebiete: BGB, TVÜ-VKA, TVG


Vorschriften:

BGB § 328 Abs. 1
BGB § 613 a
TVÜ-VKA §§ 3 ff.
TVÜ-VKA § 21
TVG § 3 Abs. 1
Zu prüfen waren unmittelbare Ansprüche der Klägerin aus einem Personalüberleitungsvertrag zwischen ursprünglichem Betriebsinhaber und Betriebserwerber ihres Beschäftigungsbetriebes - hier nicht gegeben, weil es sich bei der Verpflichtung des Betriebserwerbers auf die zukünftige dynamische Anwendbarkeit eines Tarifvertrages jedenfalls dann um einen unzulässigen Vertrag zu Lasten Dritter handelt, wenn den einzelnen Arbeitnehmern kein Wahlrecht eingeräumt wird.
Landesarbeitsgericht München Im Namen des Volkes URTEIL

5 Sa 1021/08

Verkündet am: 15.04.2009

In dem Rechtsstreit

hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 15. April 2009 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Wanhöfer und die ehrenamtlichen Richter Eckinger und Brandhuber

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 14.10.2008, Az. 14 Ca 17226/07, abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Die Revision wird für die Klägerin zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über tarifvertragliche Einmalzahlungen für die Jahre 2005, 2006 und 2007.

Die Klägerin wurde mit Arbeitsvertrag vom 16.11.1996 (Bl. 43 f. d.A.) von der Landesversicherungsanstalt Oberbayern (LVA) ab 16.11.1996 als vollbeschäftigte Angestellte in deren Zentralkrankenhaus G. eingestellt. § 3 des Arbeitsvertrages lautet:

"§ 3

Für das Arbeitsverhältnis gelten der BAT und die zur Ergänzung sowie Abänderung abgeschlossenen Tarifverträge und sonstigen tariflichen Vereinbarungen, soweit sie durch die Tarifgemeinschaft der gesetzlichen Rentenversicherung mit Tarifvertrag vom 14.07.1983 übernommen worden sind; ferner gelten ab 05.03.1983 durch die TgRV abgeschlossene tarifliche Vereinbarungen."

Mit Wirkung vom 01.01.1999 übernahm die Beklagte die Trägerschaft des Krankenhauses G.. Das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin ging im Wege des Betriebsübergangs ab 01.01.1999 auf die Beklagte über.

Anlässlich des Betriebsübergangs schlossen die LVA und die Beklagte am 29.06.1998 einen Personalüberleitungsvertrag (Bl. 45 ff. d.A.). Hier ist unter anderem folgendes geregelt:

"§ 1 Übergang der Arbeitsverhältnisse

(1) Die Angestellten, Arbeiter und Auszubildenden der Fachklinik M.-G., im folgenden Arbeitnehmer genannt, werden gemäß § 613 a BGB von A. übernommen.

(2) A. sichert zu, dass sich alle Rechte und Pflichten der Arbeitnehmer aus den jeweiligen Regelungen des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT, Fassung Bund und Länder), des Manteltarifvertrages für Arbeiter/ Arbeiterinnen der Mitglieder der TgRV (MTArb-TgRV), des Tarifvertrages zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Schülerinnen/Schüler, die nach Maßgabe des Krankenpflegegesetzes ausgebildet werden, und den sie ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen sowie aus der für die Fachklinik M.-G. abgeschlossenen Dienstvereinbarung ergeben.

(3) Von Absatz 2 können sich im Hinblick auf § 4 Absatz 2 Abweichungen ergeben. A. verpflichtet sich, etwaige Verringerungen der Vergütungen (Lohn/Gehalt) der Arbeitnehmer im Wege des Besitzschutzes auszugleichen.

(4) Soweit in den nach § 1 Abs. 2 bzw. § 4 Abs. 2 anzuwendenden tariflichen Vorschriften (z.B. § 65 BAT, § 74 MTArb-TgRV) auf jeweils geltende Bestimmungen des Arbeitgebers verwiesen wird, sind die entsprechenden Bestimmungen des Freistaats Bayern sinngemäß anzuwenden.

...

§ 4 Zusatzversorgung bei der ZVK

(1) A. verpflichtet sich, die bisher bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder für die übernommenen Arbeitnehmer bestehende Zusatzversorgung durch eine Beteiligung bei der Zusatzversorgungskasse der Bayerischen Gemeinden (ZVK) weiterzuführen.

(2) Zur Erfüllung dieser Verpflichtung hat A. die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für eine Beteiligung bei der ZVK zu schaffen. Dies gilt vor allem für die Mitgliedschaft beim Kommunalen Arbeitgeberverband Bayern e.V. (KAV), für das anzuwendende Tarifrecht und für die Einrichtung eines Beirats mit maßgeblichem kommunalen Einfluss im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 2 der Satzung des KAV.

...

...

§ 15 Laufzeit, weiterer Betriebsübergang

(1) Der Vertrag wird mit dem Übergabestichtag wirksam. Er wird auf unbestimmte Zeit geschlossen.

(2) Im Falle eines weiteren Betriebsüberganges sind die Rechte und Pflichten von A. aus diesem Vertrag auf den neuen Übernehmer zu übertragen mit der Pflicht zur Weiterübertragung.

..."

Vom 01.01.1999 bis zum 31.12.2004 war die Beklagte Vollmitglied des Kommunalen Arbeitgeberverbandes Bayern e.V. (KAV). Seit dem 01.01.1999, also seit dem Betriebsübergang, wandte sie bei ihren Mitarbeitern die Tarifverträge des Öffentlichen Dienstes für den Bereich der Kommunalen Arbeitgeber an, also den BAT (VKA) und den BMT-G (VKA). Dies erfolgte auch bei Mitarbeitern, die nach dem 01.01.1999 neu eingestellt wurden. Der BAT in der Fassung für Bund und Länder wurde dagegen ab 1999 nicht mehr angewandt.

Zum 01.01.2005 wandelte die Beklagte ihre Mitgliedschaft im Kommunalen Arbeitgeberverband Bayern e.V. in eine Gastmitgliedschaft ohne Tarifbindung um. Den am 01.10.2005 in Kraft getretenen TVöD wendet sie nicht an, ebenso wenig den TV-L.

Für den kommunalen Bereich sah § 2 des Tarifvertrages über eine Einmalzahlung im Jahr 2005 für den Bereich der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) vom 09.02.2005 anstelle einer Erhöhung der Vergütung bei einer Vollzeittätigkeit einen Anspruch auf Einmalzahlung in Höhe von € 300,00 vor, die in Teilbeträgen in Höhe von jeweils € 100,00 mit den Bezügen für April, Juli und Oktober 2005 auszuzahlen waren. Am 01.10.2005 trat der Überleitungstarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der Kommunalen Arbeitgeber (TVÜ-VKA) vom 13.09.2005 in Kraft. § 21 TVÜ-VKA sah für die Jahre 2006 und 2007 jeweils eine Einmalzahlung von € 300,00 vor, die in zwei Teilbeträgen in Höhe von jeweils € 150,00 mit den Bezügen für April und Juli der Jahre 2006 und 2007 auszuzahlen war. Für den Bereich des Bundes wurde gemäß Tarifvertrag über Einmalzahlungen für die Jahre 2005, 2006 und 2007 vom 09.02.2005 jährlich eine Einmalzahlung in Höhe von € 300,00 ausgezahlt. Im Jahre 2005 erfolgte die Zahlung in Teilbeträgen in Höhe von jeweils € 100,00 mit den Bezügen April, Juli und Oktober 2005, in den Jahren 2006 und 2007 in Teilbeträgen in Höhe von jeweils € 150,00 mit den Bezügen für April und Juli der Jahre 2006 und 2007.

Mit ihrer Klage fordert die Klägerin die Einmalzahlungen für die Jahre 2005, 2006 und 2007. Sie hat erstinstanzlich geltend gemacht, sie habe wegen der dynamischen Verweisung auf die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes in ihrem Arbeitsvertrag und außerdem aufgrund des Personalüberleitungsvertrages einen Anspruch auf die Einmalzahlungen nach den für den Bund geltenden Regelungen (zum erstinstanzlichen Vortrag der Klägerin im Einzelnen wird auf ihre Schriftsätze vom 17.12.2007, Bl. 1 ff. d.A., und 09.06.2008, Bl. 70 ff. d.A., Bezug genommen).

Die Klägerin hat beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 900 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 100 € seit dem 01. Mai 2005, aus 100 € seit dem 1. August 2005, aus 100 € seit dem 1. November 2005, aus 150 € seit dem 1. Mai 2006, aus 150 € seit dem 1. August 2006, aus 150 € seit dem 1. Mai 2007 und aus 150 € seit dem 1. August 2007 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, dass mit der Umwandlung ihrer Mitgliedschaft im Kommunalen Arbeitgeberverband Bayern e.V. in eine Gastmitgliedschaft ohne Tarifbindung die arbeitsvertraglich in Bezug genommenen Tarifverträge nur noch statisch fortgelten würden, weil die Bezugnahmeklausel als sog. Gleichstellungsabrede auszulegen sei. Bei dem Personalüberleitungsvertrag handele es sich schon inhaltlich nicht um einen Vertrag zu Gunsten Dritter. Im Übrigen könnten sich Tarifverträge auch zu Ungunsten der Arbeitnehmer verändern und eine Einbeziehung Dritter zu deren Lasten sei unzulässig und daher unwirksam. Die Klägerin habe ihre Ansprüche außerdem zum Teil nicht innerhalb der sechsmonatigen Ausschlussfrist geltend gemacht (zum erstinstanzlichen Vortrag der Beklagten im Einzelnen wird auf ihre Schriftsätze vom 04.04.2008, Bl. 14 ff. d.A., und 21.08.2008, Bl. 83 ff. d.A., nebst Anlagen Bezug genommen).

Mit Urteil vom 14.10.2008, das der Beklagten am 27.10.2008 zugestellt worden ist, hat das Arbeitsgericht der Klägerin die geltend gemachten Einmalzahlungen teilweise zugesprochen und im Übrigen die Klage nur deshalb zum Teil abgewiesen, weil die tarifliche Ausschlussfrist von der Klägerin nicht eingehalten worden sei. Die Anwendbarkeit des Tarifvertrages Einmalzahlung 2005 (VKA) und des TVÜ-VKA ergebe sich aus § 1 Abs. 2 des Personalüberleitungsvertrages vom 29.06.1998. Dieser sei als Vertrag zu Gunsten Dritter auszulegen. Auch dass eine dynamische Anwendbarkeit der Tarifverträge für den Öffentlichen Dienst in der Fassung VKA habe zugesichert werden sollen, ergebe sich aus Wortlaut und Sinnzusammenhang. Die dynamische Bezugnahme erfasse auch den Tarifvertrag über eine Einmalzahlung im Jahre 2005 und den TVÜ-VKA. Es handle sich zum einen um einen ergänzenden Tarifvertrag und zum anderen um einen ersetzenden Tarifvertrag im Sinne des § 1 Abs. 2 des Personalüberleitungsvertrages. Auch liege kein unwirksamer Vertrag zu Lasten Dritter vor. Es gehe hier nicht um eine erstmalige Unterwerfung des Arbeitsverhältnisses unter die Bedingungen eines Tarifvertrages, sondern um die Sicherung der bisherigen dynamischen Anwendbarkeit trotz Betriebsübergangs. Hier seien die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Beklagten ohnehin bereits durch die jeweilige dynamische Bezugnahmeklausel in den Arbeitsverträgen an die dynamische Weitergeltung der Tarifverträge des Öffentlichen Dienstes gebunden. Von dieser könne sich jedenfalls die Klägerin ihrerseits nicht lösen. In einem solchen Falle stelle es keinen Nachteil für die Klägerin dar, wenn nach einem Austritt der Beklagten aus dem Arbeitgeberverband aufgrund des Personalüberleitungsvertrages eine dynamische anstelle einer statischen Weitergeltung der Tarifverträge herbeigeführt werde und hierdurch die bereits arbeitsvertraglich vereinbarte dynamische Geltung im Ergebnis fortgeführt werde. Bei dieser Sachlage bestehe im Zusammenspiel der Vereinbarungen des Personalüberleitungsvertrages als Vertrag zu Gunsten Dritter und dem Arbeitsvertrag eine Gesamtregelung, der entnommen werde könne, dass nicht nur eine statische Anwendbarkeit der Tarifverträge für den öffentlichen Dienst gewollt sei, sondern eine dynamische, so dass sich der Vergütungsanspruch der Klägerin nicht allein nach dem beim Austritt der Beklagten aus dem Arbeitgeberverband geltenden tariflichen Regelungen richte, sondern eine Regelung auszumachen sei, die als zeitdynamische anzusehen sei. Da sich der Anspruch bereits aufgrund der dynamischen Verweisung in § 1 Abs. 2 des Personalüberleitungsvertrages ergebe könne offenbleiben, ob diese Rechtsfolge auch durch die Bezugnahmeklausel in § 3 des Arbeitsvertrages herbeigeführt werde (zur Begründung des Arbeitsgerichts im Einzelnen wird auf das Urteil vom 14.10.2008, Bl. 108 ff. d.A., Bezug genommen).

Mit ihrer am 26.11.2008 beim Landesarbeitsgericht eingegangen Berufung wendet sich die Beklagte gegen ihre Verurteilung. Insbesondere bestehe kein Anspruch der Klägerin auf Einmalzahlungen aus dem Personalüberleitungsvertrag. Dessen § 1 Abs. 2 könne nicht dahingehend ausgelegt werden, dass diese Klausel eine Anspruchsgrundlage auf Überleitung in den TVöD darstelle. Die Parteien des Personalüberleitungsvertrages hätten hier allenfalls den bestehenden Besitzstand der Arbeitnehmer im Zeitpunkt des Betriebsübergangs statisch absichern wollen. Hierfür spreche auch der systematische Zusammenhang von § 1 Abs. 2, Abs. 3 und § 4 Abs. 1, Abs. 2. § 1 Abs. 2 sei - wie von den Vertragsparteien beabsichtigt - mit ihrem Beitritt zum Kommunalen Arbeitgeberverband Bayern e.V. gegenstandslos geworden. Aus der Gesamtsystematik gehe eindeutig hervor, dass die Tarifbindung und damit auch die dynamische Fortentwicklung der Tarifgeltung nur auf mitgliedschaftlicher Basis und damit im Sinne einer Gleichstellungsabrede erfolgen solle. Eine arbeitgeberverbandsaustrittsfeste Bezugnahmeklausel sei in § 1 Abs. 2 nicht zu sehen. Allenfalls komme die betriebliche Vergütungsordnung mit Rechtsstand vom 31.12.2004 zur Anwendung. Die Auslegung ergebe außerdem, dass es sich bei dem Personalüberleitungsvertrag ausschließlich um einen schuldrechtlichen Vertrag handle und § 1 Abs. 2 keinen Vertrag zu Gunsten Dritter darstelle. Das ergebe sich aus Wortlaut und systematischem Zusammenhang. Gegenteiliges ergebe sich auch nicht aus der Entscheidung des BAG vom 20.04.2005 (4 AZR 292/04). Dort habe das BAG zwar angenommen, dass eine Verweisungsklausel auf einen Tarifvertrag auch ein Vertrag zu Gunsten Dritter sein könne. Der entscheidende Unterschied sei aber, dass in dem vom BAG entschiedenen Fall die Arbeitnehmer die Wahl gehabt hätten, ob der in Bezug genommene Tarifvertrag zur Anwendung kommen solle oder nicht. Da durch Verträge keine Lasten für am Vertrag nicht beteiligte Dritte begründet werden könnten, schließe das Fehlen des Wahlrechts die Annahme einer unmittelbaren Drittwirkung aus, denn die Vereinbarung einer dynamischen Bezugnahmeklausel könne mit Nachteilen für die Arbeitnehmer verbunden sein. Bei § 1 Abs. 2 des Personalüberleitungsvertrages handele es sich also jedenfalls um einen unzulässigen Vertrag zu Lasten Dritter, denn andernfalls würde allein auf Grundlage eines Vertrages, an dem die Arbeitnehmer nicht beteiligt seien, den Tarifvertragsparteien die Möglichkeit gegeben, auf das Arbeitsverhältnis verschlechternd einzuwirken, ohne dass die Arbeitnehmer dies - etwa durch ein ihnen eingeräumtes Wahlrecht oder ein Entdynamisierungsrecht - verhindern könnten. Dabei sei es irrelevant, ob tatsächlich Verschlechterungen erfolgt seien, da es bei der Beurteilung der potentiellen Nachteiligkeit auf das tatsächliche Handeln der Tarifvertragsparteien nicht ankommen könne. Eine Korrektur dahingehend, dass die Dynamisierung nur dann zur Anwendung komme, wenn und soweit jeweils ein günstigerer Tarifvertrag abgeschlossen werde, scheide aus. Schließlich stehe der Klägerin der begehrte Anspruch auch nicht aufgrund der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel zu. Bei ihr greife die bisherige Rechtsprechung des BAG zur Gleichstellungsabrede ein, wonach Bezugnahmeklauseln auf im Betrieb kraft Tarifbindung geltende Tarifverträge regelmäßig als Gleichstellungsklauseln auszulegen seien. Schließlich sei der Personalüberleitungsvertrag auch kein Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter (zur Berufungsbegründung der Beklagten im Einzelnen wird auf ihre Schriftsätze vom 23.01.2009, Bl. 172 ff. d.A., und 27.03.2009, Bl. 268 ff. d.A., nebst Anlagen Bezug genommen).

Die Beklagte beantragt:

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts München, Aktenzeichen 14 Ca 17226/07, vom 14.10.2008 wird abgeändert.

2. Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts. Die Beklagte sei zur Anwendung des TVöD und zur Überleitung der Beschäftigten gemäß §§ 3 ff. TVÜ-VKA verpflichtet. Dies ergebe sich zum einen aus dem Personalüberleitungsvertrag, der auch die ab 1999 neu eingetretenen Mitarbeiter erfasse und ein Vertrag zugunsten Dritter sei. Zum anderen ergebe sich die Verpflichtung aus dem Arbeitsvertrag der Klägerin, der eine dynamische Bezugnahmeklausel enthalte. Die Tatsache, dass die Beklagte nicht mehr tarifgebunden sei, lasse die vertragliche Verpflichtung aus § 1 Abs. 2, Abs. 3 i.V.m. § 4 Abs. 2 des Personalüberleitungsvertrages nicht entfallen. Im Übrigen greife auch die große dynamische Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag. Bei der Umstellung von BAT auf TVöD handele es sich um eine Tarifablösung (zur Berufungserwiderung der Klägerin im Einzelnen wird auf ihren Schriftsatz vom 25.02.2009, Bl. 258 ff. d.A., Bezug genommen).

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die von ihr geltend gemachten Einmalzahlungen der Jahre 2005, 2006 und 2007.

1. Bezüglich der streitgegenständlichen Tarifverträge ist die Beklagte nicht tarifgebunden (§ 3 Abs. 1 TVG), denn sie ist im Kommunalen Arbeitgeberverband Bayern e.V. ab 01.01.2005 nur noch Gastmitglied ohne Tarifbindung (zur Zulässigkeit einer sog. OT-Mitgliedschaft vgl. etwa BAG vom 04.06.2008 - 4 AZR 419/07, NZA 2008, Seite 1366).

Alle im Verfahren von der Klägerin herangezogenen Tarifverträge, also der Tarifvertrag über eine Einmalzahlung im Jahr 2005 vom 09.02.2005 und der am 01.10.2005 in Kraft getretene Überleitungstarifvertrag VKA (jeweils für den kommunalen Bereich) oder alternativ der Tarifvertrag über Einmalzahlungen für die Jahre 2005, 2006 und 2007 für den Bereich des Bundes vom 09.02.2005, wurden zu einem späteren Zeitpunkt abgeschlossen.

2. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch aus der Bezugnahmeklausel in § 3 ihres Arbeitsvertrages i.V.m. den genannten Tarifverträgen.

§ 3 des im Jahre 1996 abgeschlossenen Arbeitsvertrages ist als sog. Gleichstellungsabrede auszulegen. Das bedeutet, dass eine solche Bezugnahmeklausel nur die Gleichstellung nichttarifgebundener mit tarifgebundenen Arbeitnehmern bezweckt und dazu führen soll, dass sämtliche Arbeitnehmer Arbeitsverhältnisse mit dem Inhalt haben, wie er für tarifgebundene Arbeitnehmer gilt. Die vertragliche Anbindung an die dynamische Entwicklung der tarifgeregelten Arbeitsbedingungen endet aber, wenn sie tarifrechtlich auch für einen tarifgebundenen Arbeitnehmer endet, z.B. durch den Austritt des Arbeitgebers aus dem zuständigen Arbeitgeberverband.

Dass die Bezugnahme in einem von einem tarifgebundenen Arbeitgeber vorformulierten Arbeitsvertrag auf die für das Arbeitsverhältnis einschlägigen Tarifverträge regelmäßig als Gleichstellungsabrede auszulegen ist, also nur auf vertraglicher Ebene widerspiegeln soll, was auch tarifrechtlich gilt, entspricht der früheren ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. noch einmal mit zahlreichen Nachweisen: BAG vom 14.12.2005 - 4 AZR 536/04, NZA 2006, Seite 607).

Zwar hat das Bundesarbeitsgericht diese Auslegungsregel im Hinblick auf die zum 01.01.2002 in Kraft getretene Schuldrechtsreform für ab dem 01.01.2002 vereinbarte Arbeitsverträge zwischenzeitlich aufgegeben. Ist die Klausel jedoch vor dem 01.01.2002 vereinbart worden, ist sie aus Gründen des Vertrauensschutzes wie eine sog. "Gleichstellungsabrede" im Sinne der früheren Rechtsprechung auszulegen (BAG vom 18.04.2007 - 4 AZR 652/05, NZA 2007, Seite 965).

Beim Arbeitsvertrag der Klägerin handelt es sich um einen sog. Altvertrag. Die den Vertrag abschließende Landesversicherungsanstalt Oberbayern war tarifgebunden. Anhaltspunkte dafür, dass die Bezugnahmeklausel in § 3 des Arbeitsvertrages abweichend von der für den Abschlusszeitpunkt in ständiger Rechtsprechung vom BAG angewandten Auslegungsregel zu verstehen ist, sind nicht ersichtlich.

Da hiernach die vertragliche Anbindung an die dynamische Entwicklung der tariflich geregelten Arbeitsbedingungen endet, wenn sie tarifrechtlich auch für einen tarifgebundenen Arbeitnehmer endet, kann die Klägerin aus ihrer Bezugnahmeklausel keinen Anspruch aus Tarifverträgen ableiten, die nach Abschluss der Tarifbindung der Beklagten abgeschlossen wurden.

3. Da die Klägerin an dem Personalüberleitungsvertrag vom 29.06.1998 nicht selbst als Vertragspartnerin beteiligt war, könnte sie aus diesem nur Ansprüche herleiten, wenn hier wirksam vertragliche Ansprüche zugunsten Dritter im Sinne des § 328 Abs. 1 BGB begründet worden sind.

Das setzt zum einen voraus - eine Auslegungsfrage -, dass § 1 Abs. 2 des Personalüberleitungsvertrages nicht nur eine schuldrechtliche Verpflichtung der Beklagten gegenüber der LVA regelt, sondern so zu verstehen ist, dass die Arbeitnehmer aus dem Vertrag unmittelbar eigene Rechte herleiten können sollten - hier eine dynamische Fortgeltung der in Bezug genommenen Tarifverträge auch unabhängig von der Tarifbindung der Beklagten.

Zum anderen dürfte es sich um keinen unzulässigen Vertrag zu Lasten Dritter handeln. Verträge zu Lasten Dritter sind mit dem Grundsatz der Privatautonomie unvereinbar und können nicht wirksam geschlossen werden (vgl. Palandt/Gröneberg, 68. Aufl., Rn. 10 vor § 328 mit weiteren Nachweisen).

Einen Arbeitnehmer ohne seine Zustimmung in einer Vereinbarung zwischen dem ursprünglichen Betriebsinhaber und dem Betriebserwerber auf die zukünftige dynamische Anwendbarkeit eines Tarifvertrages oder Tarifwerkes zu verpflichten, ist unter diesem Blickwinkel problematisch. Dagegen spricht nicht nur, dass Tarifverträge in der Regel auch Pflichten des Arbeitnehmers begründen, die nicht ohne Weiteres im Sinne einer Gesamtbewertung von begünstigenden und benachteiligenden Regelungen außer Acht gelassen werden können. Bei Verträgen, die Dritte betreffen und diese sowohl begünstigen, als auch belasten, kann nicht einfach ein Günstigkeitsvergleich angestellt werden, wonach bei einem überwiegend für den Dritten günstigen Vertrag dieser als wirksam, bei einem überwiegend belastenden Vertrag dieser als unwirksam anzusehen wäre. Vielmehr ist ein Vertrag, der auch belastende Elemente enthält, als insgesamt unwirksam anzusehen; eine Geltung allein der berechtigenden Teile würde dem Sinn der Vereinbarung widersprechen (LAG Mecklenburg-Vorpommern vom 06.09.2007 - 1 Sa 278/06; Thüsing/Goertz, Anmerkung zu BAG, AP Nr. 54 zu § 2 TVG). Hinzu kommt, dass Tarifverträge auch zu Lasten der Arbeitnehmer geändert werden können und somit die Möglichkeit einer Verschlechterung der Arbeitsbedingungen eröffnet wird, die arbeitsvertraglich nicht gegeben ist, sondern einer Änderungsvereinbarung oder wirksamen Änderungskündigung bedarf (BAG vom 20.04.2005 - 4 AZR 292/04, NZA 2006, Seite 281).

Zwar war vorliegend die dynamische Anwendbarkeit des BAT und der zur Ergänzung sowie Abänderung abgeschlossener Tarifverträge bereits über die Verweisungsklausel in § 3 des Arbeitsvertrages gegeben. Es handelt sich hier also nicht um eine erstmalige Unterwerfung unter dieses Tarifwerk. Wie ausgeführt hängt die dynamische Fortgeltung der Tarifverträge aber von der Tarifgebundenheit des Arbeitgebers ab, weil die arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel der Klägerin als Gleichstellungsabrede auszulegen ist und demzufolge die Einbindung der Arbeitsvertragsparteien in die Tarifentwicklung ("Dynamik") endet, wenn die Tarifbindung auf Arbeitgeberseite entfällt. Versteht man nach der Argumentation der Klägerin § 1 Abs. 2 des Personalüberleitungsvertrages als dauerhafte Unterwerfung der hiervon betroffenen Arbeitsverhältnisse unter jede künftige Tarifdynamik, unabhängig von der Tarifgebundenheit des Arbeitgebers im Sinne des § 3 Abs. 1 TVG, gehen die Wirkungen des Personalüberleitungsvertrages für die Arbeitnehmer über die Folgen der vertraglichen Bezugnahmeklausel hinaus.

Gleichzeitig ist festzustellen, dass eine solche dauerhafte künftige Tarifdynamik auch mit nachteiligen Folgen für die Arbeitnehmer verbunden sein kann. Bei den streitgegenständlichen Einmalzahlungen handelt es sich um eine reine Momentaufnahme. Gegenstand künftiger Tarifverträge kann aber auch z.B. die Verlängerung der Arbeitszeit, eine Kürzung von Urlaubstagen, die strengere Gestaltung von Verfallfristen, für den Arbeitnehmer ungünstigere Ausgestaltung der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall oder Einschränkung der tarifvertraglichen Kündigungsbeschränkungen bei langjährigen Arbeitsverhältnissen sein. Eine statische Weitergeltung eines bestimmten Tarifzustandes wäre für die Klägerin dann vorteilhafter, als die Unterwerfung unter eine fortlaufende Dynamisierung.

Dass die Vertragsparteien des Personalüberleitungsvertrages an die umfassende Unterwerfung der Arbeitnehmer unter ein Tarifwerk und nicht nur an diese begünstigende Wirkungen gedacht haben, bringt § 1 Abs. 2 zum Ausdruck ("Rechte und Pflichten der Arbeitnehmer"). In Einzelbereichen sind durch die Umstellung von BAT auf TVöD für die Arbeitnehmer ungünstigere Regelungen bereits in Kraft getreten (vgl. z.B. zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, § 22 TVöD einerseits und § 71 BAT andererseits).

Dass es sich bei § 1 Abs. 2 des Personalüberleitungsvertrages um eine Regelung zugunsten Dritter im Sinne des § 328 Abs. 1 BGB handelt, wäre nach Auffassung der Berufungskammer deshalb allenfalls dann vertretbar, wenn man dem einzelnen Arbeitnehmer ein Wahlrecht eingeräumt hätte (vgl. die dem Urteil des BAG vom 20.04.2005, a.a.O., zu Grunde liegende Fallgestaltung). Andernfalls hätten die Parteien des Personalüberleitungsvertrages die einzelnen Arbeitnehmer ohne jede eigene Einflussmöglichkeit in eine endlose Dynamik hineingezwungen, der sie weder durch Ausübung eines Wahlrechts, noch durch einen Austritt aus der Gewerkschaft entkommen könnten und die auch arbeitsvertraglich nicht angelegt ist.

Das ist mit den Grundsätzen der Privatautonomie nicht vereinbar (im Ergebnis ebenso LAG München vom 10.01.2008 - 2 TaBV 83/07; LAG Mecklenburg-Vorpommern vom 06.09.2007 - 1 Sa 278/06; - a. A. Hessisches LAG vom 08.09.2006 - 3/2 Sa 1830/05; LAG Rheinland-Pfalz vom 20.07.2006 - 6 Sa 103/06).

Da der Personalüberleitungsvertrag vom 29.06.1998 kein Wahlrecht einräumt und es sich deshalb ohnehin nicht um eine zulässige Vertragsgestaltung zugunsten Dritter im Sinne des § 328 Abs. 1 BGB handelt, kann die Auslegungsfrage dahinstehen, ob die Parteien dieses Vertrages den Arbeitnehmern eigene unmittelbare Rechte auf eine - unabhängig von der Tarifbindung der Beklagten - fortlaufend dynamische Anwendung der in Bezug genommenen Tarifverträge einräumen wollten.

4. Soweit die Klägerin in ihrer Berufungserwiderung nunmehr den Personalüberleitungsvertrag "hilfsweise" als Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter ausgelegt haben möchte (dieser neue Begründungsansatz wurde wohl durch das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 18.12.2008 - 15 Ca 17235/07 - ausgelöst), fehlt es an jeglicher Begründung für den in der Konsequenz geltend gemachten Schadensersatzanspruch.

Die Berufungskammer kann die vom Arbeitsgericht München als Ausfluss des Personalüberleitungsvertrages angenommene Pflicht der Beklagten, den Arbeitnehmern mit Beendigung der Tarifbindung eine dynamische Fortgeltung der einschlägigen tariflichen Vorschriften anbieten zu müssen, schon nicht nachvollziehen. Eine solche Pflicht, Vertragsänderungsangebote zu unterbreiten, geht über die typische Einbeziehung Dritter in die vertraglichen Sorgfalts- und Obhutspflichten und hieraus anknüpfender Schadensersatzpflichten hinaus. Das Arbeitsgericht kann sich ausweislich der Entscheidungsgründe auch nicht entscheiden wie die Beklagte die Verweisungsklausel genau auszugestalten gehabt hätte (Verweis auf Fassung Bund/Länder oder VKA); die exakte Formulierung bleibt dabei der Phantasie überlassen.

Und schließlich sind auch die Voraussetzungen, die zu einem Eintritt eines Schadens geführt haben, nicht vorgetragen, allem voran, dass die Klägerin ein solches Angebot der Beklagten angenommen hätte. Dabei bleibt auch die Schadensberechnung offen, denn wie dargestellt stellt der Blick auf die streitgegenständlichen Tarifverträge zu Einmalzahlungen eine bloße Momentaufnahme dar.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Revision wird für die Klägerin zugelassen, § 72 Abs. 1 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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