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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 19.11.2008
Aktenzeichen: 5 Sa 556/08
Rechtsgebiete: AGG


Vorschriften:

AGG § 15 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht München Im Namen des Volkes URTEIL

5 Sa 556/08

Verkündet am: 19.11.2008

In dem Rechtsstreit

hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 19. November 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Wanhöfer und die ehrenamtlichen Richter Zehe und Obeser

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 15.05.2008, Az. 10b Ca 1578/07 I, wird zurückgewiesen.

2. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 15.05.2008, Az. 10b Ca 1578/07 I, wird ebenfalls zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Verfahrens tragen Kläger und Beklagte je zur Hälfte.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG, insbesondere über deren Höhe.

Die Stadtwerke der beklagten Kommune (Eigenbetrieb) schrieben Ende März 2007 in einer örtlichen Zeitung eine Stelle als Hausmeister aus. In der Ausschreibung heißt es unter anderem:

"Der Stelleninhaber ist auch mit den Aufgaben im neuen Stadtwerkebetriebsgelände und mit Lagerarbeiten beauftragt. Voraussetzung ist eine abgeschlossene handwerkliche Lehre, vorzugsweise Schlosser oder Installateur. Die Bezahlung erfolgt nach den Tarifverträgen für Versorgungsbetriebe."

Der schwerbehinderte (GdB 50) Kläger bewarb sich mit Schreiben vom 05.04.2007 fristgerecht auf diese Stelle. In dem Bewerbungsschreiben heißt es unter anderem:

"Ich bin gelernter KFZ-Mechaniker, besitze den Führerschein B und C sowie einen Staplerschein. An meiner letzten Arbeitsstelle bei der Fa. D. in R. war ich als Lagerist und Hausmeister angestellt. Zu meinen Aufgaben gehörte auch die Wartung der Heizungs- und Installationsanlagen, sowie die Pflege der Außenlagen. Seit dem 30.11.2006 bin ich saisonbedingt arbeitslos.

Ich bin körperlich fit, arbeite auch gerne in einem Team, und bin jederzeit für flexible Arbeitszeiten bereit. Ich habe einen Schwerbehindertenausweis mit 50 %.

Über ein persönliches Gespräch freue ich mich." (Bl. 10 d.A.)

Die Frage der Besetzung der Stelle wurde am 04.05.2007 im Gesamtpersonalrat der Stadtwerke beraten. An dieser Sitzung nahm auch der Schwerbehindertenvertreter der Beklagten teil; sämtliche Bewerbungen lagen dabei in vollständiger Form vor. Der Kläger wurde zu keinem Vorstellungsgespräch eingeladen. Auch mit der Bundesagentur für Arbeit nahm die Beklagte keinen Kontakt auf.

Mit Schreiben vom 15.05.2007 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie sich für einen anderen Bewerber entschieden habe. Das Bruttomonatsgehalt für die ausgeschriebene Stelle beträgt € 1.944,37.

Mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 10.07.2007 forderte der Kläger die Beklagte erfolglos zur Zahlung einer Entschädigung auf.

Er hat die Auffassung vertreten, die ausgeschriebene Stelle sei für ihn geeignet, da sie nicht mit einer schweren körperlichen Belastung verbunden sei. Er habe eine abgeschlossene handwerkliche Ausbildung als KFZ-Mechaniker und zudem angegeben, dass er bei seiner letzten Arbeitsstelle ebenso für die Wartung von Heizungs- und Installationsanlagen zuständig gewesen sei, also eine entsprechende Erfahrung habe. Schon in der Ausschreibung habe die Beklagte nicht darauf hingewiesen, dass die Stelle für Schwerbehinderte geeignet sei. Die Beklagte habe sich weder in einem persönlichen Gespräch ein Bild gemacht, wie er für diese Arbeit geeignet sei, noch die Schwerbehindertenvertretung in geeigneter Weise informiert bzw. beteiligt. Auch sei die Agentur für Arbeit nicht einbezogen worden. Der Beklagten seien hier also mindestens 3 Verstöße gegen die Förderungspflicht von schwerbehinderten Menschen vorzuwerfen (zum erstinstanzlichen Vortrag des Klägers wird auf seine Schriftsätze vom 04.10.2007, Bl. 1 ff. d.A., und 18.01.2008, Bl. 37 ff. d.A., Bezug genommen).

Der Kläger hat beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger eine angemessene Entschädigung, mindestens jedoch in Höhe von € 5.833,11 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.08.2007 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat ausgeführt, aufgrund des Anforderungsprofils der Stelle könne von einer besonderen Eignung für Schwerbehinderte nicht gesprochen werden. Auf die Stellenausschreibung hätten sich insgesamt 104 Bewerber gemeldet. Der Hinweis des Klägers auf einen Schwerbehindertenausweis sei nicht hervorgehoben und der Ausweis nicht beigefügt gewesen, weswegen die Schwerbehinderteneigenschaft des Klägers schlicht übersehen worden sei. Ausweislich der Stellenausschreibung sei auch beabsichtigt gewesen, Bewerber mit abgeschlossener Schlosser- oder Installateursausbildung zu bevorzugen. Im Übrigen fehle jegliche Darlegung zum Schaden. Aus § 15 AGG könne die Anspruchshöhe nicht abgeleitet werden, die Höhe bemesse sich deshalb nach allgemeinen Vorschriften und hier nach § 253 BGB. Wegen der Einheit der Rechtsordnung könne nicht zwischen dem Recht der unerlaubten Handlung und dem Arbeitsrecht differenziert werden. Ordne man den Fall in den Kontext der Rechtsprechung zur Persönlichkeitsrechtsverletzungen ein, sei der Ansatz einer halben "Höchststrafe" juristisch nicht vertretbar und im Hinblick auf vergleichbare Gerichtsentscheidungen der von ihrer Haftpflichtversicherung außergerichtlich angebotene Vergleichsbetrag von € 500,00 mehr als angemessen (zum erstinstanzlichen Vorbringen der Beklagten wird auf die Schriftsätze vom 12.11.2007, Bl. 23 ff. d.A., 23.01.2008, Bl. 42 f. d.A., und 10.04.2008, Bl. 46 ff. d.A., Bezug genommen).

Mit Urteil vom 15.05.2008 hat das Arbeitsgericht München dem Kläger eine Entschädigung in Höhe von € 2.916,00 (entspricht 1,5 Monatsgehälter) zugesprochen und im Übrigen die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe den Kläger gemäß § 1 AGG wegen seiner Behinderung benachteiligt. Der Kläger habe nach § 22 AGG Indizien bewiesen, die eine Benachteiligung wegen der Behinderung vermuten ließen, nämlich die Nichteinschaltung der Bundesagentur für Arbeit, die unterlassene Einladung zum Vorstellungsgespräch und die mangelnde Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung. Dem Vortrag der Beklagten seien auch keine Anhaltspunkte zu entnehmen, die es erlauben würden, die Vermutung als widerlegt zu betrachten. Der Entschädigungsanspruch sei mit 1,5 Monatsgehältern angemessen bewertet. Es müsse davon ausgegangen werden, dass der Kläger gemäß § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG maximal einen Entschädigungsanspruch von 3 Monatsgehältern beanspruchen könne, denn es sei nicht erkennbar, dass er bei benachteiligungsfreier Auswahl den ausgeschriebenen Arbeitsplatz hätte erhalten müssen. Es sei von einer Benachteiligung des Klägers auszugehen, die weder als besonders schwerwiegend, noch als geringfügig einzuschätzen sei. Zu berücksichtigen sei, dass der Kläger in seinem Bewerbungsschreiben den Schwerbehindertenausweis nicht beigefügt habe, so dass der Beklagten die Eigenschaft als Schwerbehinderter nicht zwangsläufig habe auffallen müssen; es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Beklagte die Schwerbehinderteneigenschaft des Klägers aus Nachlässigkeit übersehen habe. Andererseits lägen 3 objektive Verletzungen gegen Bestimmungen zum Schutz bzw. zur Förderung Schwerbehinderter vor, so dass auch eine geringere als die zuerkannte Entschädigung nicht angezeigt sei (zur Begründung des Arbeitsgerichts im Einzelnen wird auf das Urteil 15.05.2008, Bl. 56 ff. d.A., Bezug genommen).

Die Beklagte greift in ihrem Berufungs- und Berufungsbegründungsschriftsatz vom 05.06.2008 die Zuerkennung einer Entschädigung an sich, vor allem aber die Bemessung der Entschädigung an. Es sei nicht ersichtlich, inwiefern die Einschaltung der Agentur für Arbeit den Interessen des Klägers dienen solle bzw. die Unterlassung ihn diskriminiere. Zu einem Vorstellungsgespräch sei er nicht eingeladen worden, weil die Schwerbehinderteneigenschaft schlicht übersehen worden sei. Es auch noch einmal darauf hinzuweisen, dass über die Frage der Besetzung der Stelle im Gesamtpersonalrat beraten worden sei. An der Sitzung hätte der Schwerbehindertenvertreter teilgenommen und die Bewerbungen seien sämtlich vollständig vorgelegen. Es sei lediglich die Bewerbung des Klägers nicht besonders an den Schwerbehindertenvertreter weitergemeldet worden. Insofern dürfe von diesem die eigenverantwortliche Wahrnehmung seiner Aufgabe erwartet werden. Rechtsfehlerhaft sei in jedem Fall der Rechtsfolgenausspruch. Das Arbeitsgericht habe die gesetzliche Regelung des § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG vollständig verkannt. Wenn das Arbeitsgericht selbst ausführe, dass es naheliegend sei, dass die Beklagte schlicht und einfach die Behinderteneigenschaft übersehen habe, müsse das zur Klageabweisung führen und könne jedenfalls nicht "strafverschärfend" berücksichtigt werden, dass gegen drei Pflichten im Zusammenhang mit der Bewerbung Schwerbehinderter verstoßen worden sei. Die Pflichten und Verstöße beruhten dann ja auf ein und derselben Ursache. Das Gericht habe zunächst feststellen müssen, ob dem Kläger überhaupt einen immateriellen Schaden erlitten habe. Die Rechtsverletzung als solche beinhalte noch keinen Schaden und der Kläger habe einen solchen nicht dargelegt. Hinzukomme, dass der Gesetzgeber im AGG keine neuen Schadensersatzregeln aufgestellt habe, sondern bewusst davon ausgegangen sei, dass die bestehenden Regeln, also insbesondere § 253 BGB uneingeschränkt anwendbar seien (zur Berufungsbegründung der Beklagten im Einzelnen wird auf deren Schriftsatz vom 05.06.2008, Bl. 74 ff. d.A., Bezug genommen).

Die Beklagte beantragt:

Das Urteil des Arbeitsgerichts München - Kammer Ingolstadt -, Az. 10b Ca 1578/07 I vom 15.05.2008 wird aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger verfolgt mit seiner Berufung eine höhere Entschädigung und stellt den Antrag:

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts München - Kammer Ingolstadt - vom 15.05.2008 wird dahingehend abgeändert, dass die Beklagte verurteilt wird, an den Kläger € 5.833,11 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit 10.08.2007 zu zahlen.

2. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Der Kläger hält die vom Arbeitsgericht zugesprochene Entschädigung für zu gering und ist der Ansicht, ihm stehe ein Entschädigungsanspruch in Höhe von 3 fiktiven Bruttomonatsgehältern zu (zur Berufungsbegründung des Klägers und zu seiner Berufungserwiderung auf die Berufung der Beklagten wird auf den klägerischen Schriftsatz vom 11.07.2008, Bl. 98 ff. d.A., Bezug genommen).

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen und führt noch einmal aus, dass die Nichtunterrichtung des Schwerbehindertenvertreters und die Nichtvorladung zu einem Bewerbungsgespräch die gleiche Ursache habe, nämlich dass die Schwerbehinderteneigenschaft des Klägers bei der Sichtung der Bewerbungen nicht registriert worden sei. Zur zentralen Frage der Bemessung eines Schadenersatzanspruches, nämlich welchen Schaden der Geschädigte denn überhaupt erlitten habe, lege der Kläger überhaupt nichts dar. Mangels Schaden könne aber auch ein Schadensersatzanspruch nicht in Betracht kommen (zu den Einzelheiten der Erwiderung der Beklagten auf die Berufung des Klägers wird auf ihren Schriftsatz vom 22.07.2008, Bl. 119 ff. d.A., Bezug genommen).

Entscheidungsgründe:

Die zulässigen Berufungen haben beide in der Sache keinen Erfolg.

Das Arbeitsgericht hat zu Recht eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG festgesetzt, die in Höhe von 1,5 Monatsgehältern auch angemessen ist.

Auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts wird zunächst Bezug genommen, § 69 Abs. 2 ArbGG.

Im Hinblick auf die Ausführungen der Parteien zur Begründung ihrer jeweiligen Berufung sind folgende ergänzende Ausführungen und Bekräftigungen veranlasst:

1. Der Kläger hat im Sinne des § 22 AGG (Hilfs-)Tatsachen dargelegt, die es vermuten lassen, dass die Beklagte den Kläger entgegen § 7 AGG wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, nämlich seiner Behinderung, bei ihrer Einstellungsentscheidung (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 AGG) benachteiligt hat.

Diese Tatsachen musste er nicht einmal beweisen, denn unstreitig hat die Beklagte ihn entgegen § 82 Satz 2 SGB IX nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen, die Schwerbehindertenvertretung bei der Prüfung, ob freie Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen besetzt werden können, nicht im Sinne des § 81 Abs. 1 Satz 6 i.V.m. § 95 Abs. 2 SGB IX beteiligt und vor der Besetzung der Stelle auch nicht entgegen § 81 Abs. 1 Satz 2 SGB IX frühzeitig mit der Bundesagentur für Arbeit Verbindung aufgenommen. Der Kläger hat der Beklagten seine Schwerbehinderung in seinem Bewerbungsschreiben mitgeteilt (dazu, dass die genannten Verstöße als (Hilfs-)Tatsachen geeignet sind, vgl. BAG vom 12.09.2006 - 9 AZR 807/05, NZA 2007, Seite 507).

Soweit die Beklagte ausführt, der Schwerbehindertenvertretung seien die Bewerbungsunterlagen ja im Rahmen der Gesamtpersonalratssitzung vom 04.05.2007 in vollständiger Form vorgelegen (104 Bewerbungen), ist sie dadurch ihrer Verpflichtung nach § 81 Abs. 1 Satz 6 i.V.m. § 95 Abs. 2 SGB IX nicht nachgekommen. Sie hat die Schwerbehindertenvertretung damit weder unverzüglich noch im Sinne des § 95 Abs. 2 SGB IX angehört. So liegt eine unverzügliche Information nur dann vor, wenn sie so früh erfolgt, dass die Schwerbehindertenvertretung sich darüber eine eigene Meinung bilden kann, um an einer später zu treffenden Entscheidung entsprechend ihren Beteiligungsrechten teilhaben zu können (GK-SGB IX, § 95 Rn. 72). Von einer Anhörung kann erst recht nicht die Rede sein, wenn die Beklagte die Schwerbehindertenvertretung darauf verweist, sie könne sich schwerbehinderte Bewerber aus einem Stapel von Bewerbungsunterlagen ja noch raussuchen - und zwar im Rahmen einer Sitzung des Gesamtpersonalrates, in der dieser bei der Einstellung eines anderen von der Beklagten bereits ausgesuchten Bewerbers beteiligt wird.

2. Die wegen des Vorliegens der (Hilfs-)Tatsachen nach § 22 AGG im Hinblick auf die fehlende Kausalität ihrerseits darlegungs- und beweispflichtige Beklagte kann nicht darlegen und beweisen, dass der Benachteiligungsgrund für ihre Entscheidung überhaupt keine Rolle gespielt hat. Sie kann nur ihrerseits spekulieren, dass der Hinweis auf die Schwerbehinderteneigenschaft im Bewerbungsschreiben des Klägers möglicherweise übersehen worden sei. In diesem Zusammenhang trägt sie noch nicht einmal vor, dass andere schwerbehinderte Bewerber eingeladen worden sind oder üblicherweise eingeladen werden und die Schwerbehindertenvertretung nach § 81 Abs. 1 Satz 6 SGB IX beteiligt wird. Der Vortrag, die Schwerbehindertenvertretung könne sich die schwerbehinderten Bewerber aus einem Stoß von Bewerbungsunterlagen heraussuchen, ist eher das Gegenteil von einer Widerlegung der Vermutung nach § 22 AGG (auch schreibt die Beklagte nicht wie im öffentlichen Bereich üblich mit dem Hinweis aus, dass bei gleicher Eignung schwerbehinderte Bewerber/-innen bevorzugt berücksichtigt werden).

3. Der Eintritt eines immateriellen Schadens wird nach der Gesetzeskonzeption im Falle einer verbotenen Benachteiligung unwiderleglich vermutet (Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, 2. Aufl., § 15 Rn. 36; Däubler/Bertzbach/Dainert, AGG, 2. Aufl., § 15 Rn. 51).

Ein Verschulden des Arbeitgebers ist nicht Tatbestandsvoraussetzung für einen Anspruch auf Entschädigung (Richardi, NZA 2006, Seite 881, 885).

4. Dass hier die Obergrenze nach § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG zur Anwendung kommt, wird auch vom Kläger in der Berufung nicht mehr angegriffen.

5. Die Festsetzung von 1,5 Monatsgehältern durch das Arbeitsgericht sieht auch die Berufungskammer als angemessen an. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Höhe der Entschädigung geeignet sein muss, den Arbeitgeber künftig zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Pflichten nach dem AGG anzuhalten - spezialpräventive Funktion -und Dritte von ähnlichen Verstößen abzuhalten -generalpräventive Funktion (Bauer/Göpfert/Krieger, a.a.O., Rn. 36; Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 15 Rn. 38 ff.)

Berücksichtigt werden kann auch, dass der Beklagten in mehrfacher Hinsicht Verstöße gegen die Förderungspflicht von schwerbehinderten Menschen vorzuwerfen sind (berücksichtigungsfähiger Gesichtspunkt: vgl. BAG vom 12.09.2006, a.a.O.). Es ist weder erkennbar, dass sie geprüft hat, ob der zu vergebende Arbeitsplatz mit einem Schwerbehinderten besetzt werden kann (§ 81 Abs. 1 Satz 1 SGB IX) noch hat sie frühzeitig mit der Agentur für Arbeit Verbindung aufgenommen (§ 81 Abs. 1 Satz 2 SGB IX). Sie hat die Schwerbehindertenvertretung über die Bewerbung des Klägers weder unmittelbar nach Eingang unterrichtet (§ 81 Abs. 1 Satz 4 SGB IX) noch diese nach § 95 Abs. 2 SGB IX beteiligt (§ 81 Abs. 1 Satz 6 SGB IX). Schließlich hat sie den Kläger entgegen § 82 Satz 2 SGB IX auch nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen.

Auch wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass im Falle des Klägers dessen Schwerbehinderteneigenschaft übersehen worden ist, ergibt sich schon aus dem Vortrag der Beklagten, dass diese sich mit der gesetzlich geregelten Förderungspflicht von schwerbehinderten Menschen nicht auseinandergesetzt hat. So erschöpft sich die Einschaltung und Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung nicht darin, dass man ihr einen Stapel von Bewerbungsunterlagen zugänglich macht und ihr die "Chance" eröffnet, sich hieraus schwerbehinderte Bewerber herauszusuchen. Auch handelt es sich bei der Beteiligung der Agentur für Arbeit um eine allgemein wahrzunehmende Förderungspflicht, die nichts damit zu tun hat, dass im Einzelfall die Schwerbehinderung eines Bewerbers übersehen werden kann. Schließlich hat die Beklagte auch nichts dafür vorgetragen, dass man die Schwerbehinderung eines Bewerbers ansonsten z.B. durch Einladung zu einem Vorstellungsgespräch berücksichtigt. Aus dem Vortrag der Beklagten ist nicht zu erkennen, dass es sich bei der Bearbeitung der Bewerbung des Klägers um einen "Ausreißer" handelt.

Andererseits trägt der Kläger keine Tatsachen dafür vor, dass die Ablehnung für ihn besonders ins Gewicht fallende Beeinträchtigungen (z.B. psychische) zur Folge gehabt hätte. Der Kläger befasst sich in seiner Berufungsbegründung nahezu ausschließlich mit dem Verhalten und dem Verschulden der Beklagten. Dabei geht die Berufungskammer davon aus, dass der Kläger auch bei benachteiligungsfreier Auswahl den Arbeitsplatz - wie vom Arbeitsgericht festgestellt - nicht erhalten hätte.

In der Gesamtabwägung hält auch die Berufungskammer die festgesetzte Entschädigung von 1,5 Monatsgehältern für angemessen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Für die Zulassung der Revision bestand kein Anlass. Auf die Möglichkeit, Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht zu erheben, wird hingewiesen

Ende der Entscheidung

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