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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 20.06.2007
Aktenzeichen: 5 Sa 823/06
Rechtsgebiete: BAT


Vorschriften:

BAT §§ 53 ff.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

5 Sa 823/06

Verkündet am: 20.06.2007

In dem Rechtsstreit

hat die Fünfte Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 14.03.2007 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Wanhöfer sowie die ehrenamtlichen Richter Johann und Schweikl für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Augsburg vom 27.03.2006 - 1 Ca 1575/04 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen in Ziffer 2 teilweise abgeändert und festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien auch durch die Kündigung vom 21.06.2004 nicht aufgelöst wurde.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte 6/7, der Kläger 1/7.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch über die Wirksamkeit einer von der Beklagten mit Datum vom 21.06.2004 ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung wegen Schließung ihrer Musikschule und ob der Kläger einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens hat.

Der am 20.03.1952 geborene Kläger war seit dem 19.09.1980 bei der Beklagten in deren Musikschule als Musiklehrer, zuletzt als deren Leiter beschäftigt. Zwischen den Parteien war die Anwendung des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT) in seiner jeweils gültigen Fassung vereinbart. Der Kläger erhielt zuletzt unter Einreihung in die Vergütungsgruppe IVa BAT eine Vergütung von € 3.878,24 brutto monatlich. Das Arbeitsverhältnis ist nach § 53 Abs. 3 BAT ordentlich unkündbar.

In der Sitzung am 23.03.2004 fasste der Gemeinderat folgenden Beschluss:

"Der pp. kann im Haushaltsjahr 2004 seinen Verwaltungshaushalt nicht ausgleichen. In allen Bereichen sind daher Kosteneinsparungen unumgänglich. Der Marktgemeinderat beschließt, die gemeindliche Einrichtung "Musikschule" zum nächstmöglichen Termin zu schließen.

Aufgrund Schließung der Musikschule wird der Bürgermeister beauftragt, alle Arbeitsverträge der Beschäftigten der Musikschule zum nächstmöglichen Termin betriebsbedingt zu kündigen." (vgl. Sitzungsniederschrift Blatt 78 d. A.).

Mit Schreiben vom 25.03.2004 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich mit sozialer Auslauffrist zum 30.09.2004. In dem vom 1. Bürgermeister der Beklagten unterschriebenen Kündigungsschreiben heißt es:

"Ich habe mich bemüht und in den Musikschulen Z., A., A., B., B., D., D., G., K. und N. um Stellen nachgefragt. Ich wurde bisher von der Musikschule Z. negativ beschieden. Die Antworten der anderen Musikschulen stehen noch aus." (vgl. Blatt 6 d. A.).

Gegen die Kündigung hat der Kläger Klage erhoben und Weiterbeschäftigung verlangt. Im Gütetermin vom 03.06.2004 kam zwischen den Parteien keine Einigung zustande.

In der nicht öffentlichen Sitzung vom 08.06.2004 fasste der Gemeinderat folgenden weiteren Beschluss:

"Der Beschluss des Gemeinderats vom 23.03.2004 zu TOP 3 wird wie folgt präzisiert: Der Marktgemeinderat beschließt, die gemeindliche Einrichtung "Musikschule" aus wirtschaftlichen Gründen zum 31.07.2004 zu schließen. Die ausgesprochenen Kündigungen bleiben aufrecht erhalten; den Mitarbeitern ist zum frühest möglichen Zeitpunkt (30.09.2004 bzw. 31.12.2004) erneut zu kündigen."

Mit Schreiben vom 21.06.2004 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger erneut außerordentlich mit sozialer Auslauffrist zum 31.12.2004. In dem vom 1. Bürgermeister der Beklagten unterschriebenen Schreiben heißt es weiter:

"Ich habe mich darum bemüht, in den Musikschulen Z., A., A., B., B., D., D., G., K. und N. eine Stelle für Sie zu finden. Leider habe ich bis heute keine positive Reaktion erhalten, was Ihre Unterrichtsfächer betrifft. Ich biete Ihnen jedoch an, etwaige Bewerbungen ihrerseits aktiv zu unterstützen und Sie bei entsprechenden Adressaten zu empfehlen. Gerne bin ich auch bereit, Ihre Bewerbungen mit einem Empfehlungsschreiben an die jeweilige Musikschule oder andere in Frage kommende Arbeitgeber weiterzuleiten. Bitte melden Sie sich bei mir, wann immer eine entsprechende Unterstützung von Ihnen gewünscht wird." (Blatt 18 d. A.).

Mit Klageerweiterungsschriftsatz vom 08.07.2004 erhob der Kläger auch gegen die Kündigung vom 21.06.2004 Kündigungsschutzklage.

Die Musikschule wurde zum 31.07.2004 geschlossen.

Der Kläger hat aufgeführt, die Beklagte habe die Anforderungen des Bundesarbeitsgerichts an eine außerordentliche betriebsbedingte Kündigung bei ordentlich unkündbaren Arbeitnehmern im Öffentlichen Dienst nicht beachtet. Die Entscheidung zur Schließung der Musikschule sei offenbar unsachlich und verstoße gegen das verfassungsrechtlich verankerte Staatsziel "Kulturstaat". Bei der Gemeinderatssitzung vom 08.06.2004 sei rechtswidrig die Öffentlichkeit ausgeschlossen worden.

Der Kläger hat beantragt:

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 25.03.2004 nicht aufgelöst ist.

2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 21.06.2004 nicht aufgelöst ist.

3. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens als Musikschulleiter zu den bisherigen Arbeitsbedingungen an der Musikschule der Beklagten bei einer Bruttomonatsvergütung in Höhe von € 3.878,24 weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat darauf verwiesen, dass ihr wegen der Schließung der Musikschule eine Weiterbeschäftigung des Klägers nicht möglich sei. Sie habe sich intensiv, aber letztlich erfolglos um eine Vermittlung des Klägers an eine andere Musikschule im Umkreis bemüht. Auch eine andere Beschäftigungsmöglichkeit im Rahmen der Verwaltung bestehe nicht.

Zum weiteren Vorbringen der Parteien im ersten Rechtszug wird ergänzend auf ihre schriftlichen Ausführungen Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat mit Endurteil vom 27.03.2006 der Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung vom 25.03.2004 stattgegeben und im Übrigen die Klage abgewiesen. Zur Klageabweisung im Übrigen hat es ausgeführt, dass von einer im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes wirksamen unternehmerischen Entscheidung der Beklagten auszugehen sei; diese sei auch nicht offensichtlich unsachlich. In der Rechtsprechung sei anerkannt, dass die Möglichkeit zur außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund in einem Dauerschuldverhältnis durch Tarifvertrag nicht völlig beseitigt werden könne. Weder müsse der öffentliche Arbeitgeber ein sonst sinnentleertes Arbeitsverhältnis bis zur Pensionierung des Arbeitnehmers allein durch Vergütungszahlung aufrecht erhalten, noch könne dieser verpflichtet werden, auf aus seiner Sicht zweckmäßige technische und organisatorische Veränderungen zu verzichten. Er müsse keine eigene Musikschule weiterführen, nur um eine unkündbare Lehrkraft weiter zu beschäftigen. Die Beklagte habe sich ausreichend bemüht, den Kläger in anderen Musikschulen unterzubringen. Die Beklagte habe keine rechtliche Möglichkeit, anderen kommunalen Gebietskörperschaften den Kläger "aufzuzwingen". Anlass auch die Möglichkeit eines Personalgestellungsvertrages gegebenenfalls mit einer Differenzzahlung in die Überlegungen mit einzubeziehen, habe nicht bestanden. Der Kläger habe selbst nicht behauptet, dass eine der angefragten Musikschulen ihn im Rahmen eines Personalgestellungsvertrages übernommen hätte. Ein Weiterbeschäftigungsanspruch im laufenden Kündigungsschutzprozess sei nicht gegeben, weil der Beklagten nicht zugemutet werden könne, die bereits geschlossene Musikschule zum Zwecke der Weiterbeschäftigung wieder zu eröffnen (zur Begründung des Arbeitsgerichts im Einzelnen vgl. Urteil vom 27.03.2006, Blatt 125 ff.).

Der Kläger hat gegen das ihm am 06.06.2006 zugestellte Urteil am 06.07.2006 Berufung eingelegt und diese innerhalb verlängerter Berufungsbegründungsfrist mit Schriftsatz vom 09.10.2006 begründet.

Der Kläger führt aus, er halte daran fest, dass die Schließung der Musikschule sachlich unrichtig sei, weil auch die Gemeinde Normadressat des Kulturstaatsprinzips sei. Im Übrigen sei die Beschlussfassung des Gemeinderats fehlerhaft zustande gekommen. Das Arbeitsgericht habe verkannt, dass bei einer außerordentlichen betriebsbedingten Kündigung eines nach BAT ordentlich unkündbaren Arbeitnehmers ein bedeutend schärferer Prüfungsmaßstab anzulegen sei. Hiernach komme eine Kündigung nur in extremen Ausnahmefällen in Betracht.

Der Kläger stellt den Antrag, das Endurteil des Arbeitsgerichts Augsburg vom 27.03.2006, zugestellt am 06.06.2006 (Az. 1 Ca 1577/04), wird - teilweise - abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 25.03.2004 nicht aufgelöst wurde.

2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 21.06.2004 nicht aufgelöst wurde.

3. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens als Musikschulleiter zu den bisherigen Bedingungen an der Musikschule der Beklagten bei einer Bruttomonatsvergütung in Höhe von 3.878,24 € weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Augsburg vom 27.03.2006, Az. 1 Ca 1577/04, kostenpflichtig zurückzuweisen.

Die Beklagte führt im Rahmen der Berufungserwiderung unter anderem aus, dass die Unkündbarkeit als Stellengarantie für den Arbeitnehmer nicht mehr zeitgemäß sei und, weil sie zur Diskriminierung anderer Beschäftigter führe, europarechtlichen Grundsätzen entgegen stehe. Zu berücksichtigen seien auch die Größe, Organisation, Finanzkraft und Macht, die der jeweilige Arbeitgeber habe. An sie als kleine Gemeinde könnten nicht dieselben strengen Anforderungen an die Wirksamkeit einer außerordentlichen betriebsbedingten Kündigung gestellt werden. In Anbetracht ihrer finanziell angespannten Situation sei es ihr nicht zumutbar auf Dauer ein sinnentleertes Arbeitsverhältnis fortzuführen. Für den Kläger sei nach Schließung der Musikschule keine Tätigkeit mehr vorhanden gewesen, auch nicht im Bereich der gehobenen Verwaltung. Eine Beschäftigung des Klägers in einer Verwaltungstätigkeit scheitere zudem an den fehlenden notwendigen kommunalrechtlichen Kenntnissen.

Wegen des Sachvortrags der Parteien im zweiten Rechtszug im Übrigen wird Bezug genommen auf ihre schriftsätzlichen Ausführungen nebst Anlagen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers führt zu einer teilweisen Abänderung des Ersturteils.

I.

Die gemäß § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und daher zulässig (§§ 66 Abs. 1 S. 1, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO).

II.

Die Berufung ist zum Teil begründet.

Auch die Kündigung vom 21.06.2004 hat das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht aufgelöst, denn der Kläger ist, da der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung auf ihn zur Anwendung kommt, nach § 53 Abs. 3 BAT unkündbar. Dringende betriebliche Erfordernisse berechtigen den Arbeitgeber nach § 55 Abs. 2 S. 1 BAT nicht zur Kündigung. Ein Fall, in dem ausnahmsweise dennoch eine außerordentliche betriebsbedingte Kündigung mit sozialer Auslauffrist in Betracht kommt, ist nicht gegeben.

Einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung als Musikschulleiter zu den bisherigen Arbeitsbedingungen in der Musikschule der Beklagten hat der Kläger dennoch nicht, denn die Musikschule ist geschlossen.

1. Die Kammer geht davon aus, dass die Beklagte einen wirksamen Beschluss zur Schließung der Musikschule gefasst hat.

Die Beklagte unterliegt aber vertraglich gegenüber dem Kläger strengen Kündigungsbeschränkungen, denn sie hat mit ihm die Anwendbarkeit des BAT und damit auch der §§ 53 ff. vereinbart. Der vertraglich eingeräumte besondere Kündigungsschutz ist auch keine unzulässige Benachteiligung im Sinne des § 1 i.V.m. § 2 AGG.

Der Kläger ist durch die vertraglich Bezugnahme auf den Bundes-Angestelltentarifvertrag nach § 53 Abs. 3 BAT ordentlich unkündbar. Nach § 55 Abs. 1 BAT kann dem unkündbaren Angestellten aus in seiner Person oder in seinem Verhalten liegenden wichtigen Gründen fristlos gekündigt werden. In § 55 Abs. 2 S. 1 BAT ist geregelt, dass im Gegensatz hierzu andere wichtige Gründe, insbesondere dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Angestellten entgegenstehen, den Arbeitgeber nicht zur Kündigung berechtigen.

Damit ist jedoch die außerordentliche Beendigungskündigung aus betrieblichen Gründen nach § 626 BGB nicht in jedem denkbaren Fall ausgeschlossen.

Das Bundesarbeitsgericht hat schon mehrfach darauf hingewiesen, dass die Möglichkeit zur außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund in einem Dauerschuldverhältnis nicht völlig beseitigt werden kann und deshalb Fälle denkbar sind, in denen auch im Rahmen des § 55 BAT eine außerordentliche betriebsbedingte Kündigung mit notwendiger Auslauffrist nach § 626 BGB in Betracht kommen kann (vgl. BAG vom 27.06.2002 - 2 AZR 367/01, AP Nr. 4 zu § 55 BAT). Danach sind Extremfälle möglich, in denen trotzdem dies nach § 55 BAT an sich ausgeschlossen ist, ausnahmsweise eine außerordentliche betriebsbedingte Kündigung mit notwendiger Auslauffrist nach § 626 BGB möglich sein kann, wenn nämlich das Arbeitsverhältnis als Austauschverhältnis auf Dauer sinnentleert ist, weil eine Arbeitsleistung nicht mehr erbracht werden kann und deshalb auf unzumutbar lange Zeit Vergütung ohne Gegenleistung gezahlt werden müsste (BAG vom 24.06.2004 - 2 AZR 215/03, AP Nr. 278 zu § 613a BGB).

Die Anforderungen an die Wirksamkeit einer betriebsbedingten außerordentlichen Kündigung nach § 626 BGB gegenüber einem nach § 55 Abs. 2 BAT aus betriebsbedingten Gründen unkündbaren Angestellten des Öffentlichen Dienstes sind allerdings erheblich. Schon nach § 1 Abs. 2 KSchG ist eine ordentliche Kündigung nur aus dringenden betrieblichen Erfordernissen möglich und eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers, gegebenenfalls nach zumutbaren Umschulungs- und Fortbildungsmaßnahmen, muss, soweit möglich, an einem anderen Arbeitsplatz in der selben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle des selben Verwaltungszweiges an dem selben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebietes erfolgen. Für die außerordentliche Kündigung müssen die Anforderungen deutlich darüber hinausgehen. Das Betriebsrisiko hat der Arbeitgeber zu tragen. Da § 55 Abs. 2 S. 1 BAT auch die außerordentliche betriebsbedingte Kündigung aus wichtigem Grund ausschließt, wird damit das Arbeitsverhältnis des Angestellten im Öffentlichen Dienst nach Eintritt des tariflichen Sonderkündigungsschutzes, was die Intensität der Bindung anbelangt, einem Beamtenverhältnis angenähert (BAG vom 24.06.2004 a. a. O.).

Wenn nur in Extremfällen eine außerordentliche betriebsbedingte Kündigung auch im Anwendungsbereich des § 55 BAT zulässig ist, so bedeutet dies demnach nicht, dass nunmehr jede Umorganisation oder Schließung einer Teileinrichtung, die mit dem Wegfall von Arbeitsplätzen verbunden ist, entgegen § 55 Abs. 2 BAT zu einer außerordentlichen Kündigung führen kann. Entsprechend dem Sinn und Zweck der Tarifvorschrift, das Arbeitsverhältnis an ein Beamtenverhältnis anzunähern, sind als Mindestvoraussetzungen für die Wirksamkeit einer derartigen Kündigung die Grundsätze heranzuziehen, die die Tarifpartner im Tarifvertrag über den Rationalisierungsschutz für Angestellte vom 09.01.1987 (TV Rat) für einen Wegfall des Arbeitsplatzes in Folge von Rationalisierungsmaßnahmen ausdrücklich vereinbart haben. Damit haben die Tarifpartner Wertungsmaßstäbe für vergleichbare Fälle aufgestellt, die bei der Anwendung des § 626 Abs. 1 BGB nicht unbeachtet bleiben dürfen.

Die Darlegungslast für die Unmöglichkeit der Weiterbeschäftigung und die mindestens den Anforderungen des TV Rat entsprechenden Bemühungen trägt der Arbeitgeber. Schon bei der ordentlichen betriebsbedingten Kündigung muss der Arbeitgeber, wenn der Arbeitnehmer näher ausführt, wie er sich eine anderweitige Beschäftigung vorstellt, eingehend erläutern, aus welchem Grund eine Beschäftigung auf einem entsprechenden Arbeitsplatz nicht möglich gewesen sei. Für die außerordentliche Kündigung eines nach § 55 BAT ordentlich unkündbaren Arbeitnehmers müssen verschärfte Anforderungen an die Darlegungslast des Arbeitgebers gestellt werden. Ihn trifft die Pflicht, mit allen zumutbaren Mitteln, gegebenenfalls auch durch eine entsprechende Umorganisation und das Freimachen geeigneter gleichwertiger Arbeitsplätze, eine Weiterbeschäftigung auch bei einem anderen Arbeitgeber des Öffentlichen Dienstes zu versuchen. Der Arbeitgeber hat deshalb, wenn der ordentlich unkündbare Arbeitnehmer entsprechende Vorstellungen für seine Weiterbeschäftigung entwickelt, substantiiert darzulegen, weshalb trotz der gegenüber dem Unkündbaren bestehenden besonderen Pflichten eine Weiterbeschäftigung nicht möglich oder nicht zumutbar gewesen sein soll (BAG vom 24.06.2004, a.a.O.).

2. Die Beklagte hat für die Voraussetzungen, unter denen eine außerordentliche betriebsbedingte Kündigung trotz § 55 Abs. 2 Satz 1 BAT ausnahmsweise dennoch in Betracht kommen kann, keine ausreichenden Tatsachen vorgetragen. Die Möglichkeiten, eine außerordentliche Kündigung als allerletztes Mittel zur Lösung des Konfliktes zu vermeiden, wurden nicht ausgeschöpft.

Die Beklagte hat nicht in ausreichendem Maße versucht, den Kläger bei anderen Musikschulen unterzubringen. Sie durfte sich angesichts des absoluten Kündigungsschutzes des Klägers nicht darauf beschränken, lediglich nachzufragen, ob eine andere Musikschule zu einer Übernahme des Klägers bereit war. Es war auch die Möglichkeit eines Personalgestellungsvertrages, ggf. mit einer Differenzzahlung der Beklagten in die Überlegung einzubeziehen (so BAG vom 27.06.2002 a.a.O.).

Hierzu hätten sich in erster Linie Verhandlungen mit der örtlichen "Musikvereinigung D. e.V." angeboten (vgl. auch die Lösungsmodelle, die im Rahmen der Vergleichsverhandlungen zwischen den Parteien unter Einbeziehung der Musikvereinigung D. e.V. von der Beklagten entwickelt worden sind, Anlage 7 zum Beklagtenschriftsatz vom 27.09.2004). Vor der Kündigung hat die Beklagte Verhandlungen mit der Musikvereinigung D. e.V. - ggf. unter Einbeziehung von Differenzzahlungen - überhaupt nicht in Betracht gezogen, jedenfalls sind solche Überlegungen von der Beklagten nicht vorgetragen.

Auch die Bemühungen der Beklagten, den Kläger in einer Musikschule im Umkreis unterzubringen waren nicht ausreichend. Unabhängig davon, ob die Beklagte tatsächlich mit in allen in Betracht kommenden Musikschulen Kontakt aufgenommen hat, mussten die Bemühungen der Beklagten angesichts des Ausschlusses einer betriebsbedingten Kündigungsmöglichkeit und der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes zu nach §§ 53 ff. BAT geschützten Arbeitsverhältnissen über die bloße Nachfrage hinausgehen. Hiernach ist es der Beklagten zumutbar, die Möglichkeit eines Personalgestellungsvertrages ggf. mit einer Differenzzahlung in die Überlegungen einzubeziehen. Die Möglichkeit eines Gestellungsvertrages oder finanziell begleitender Maßnahmen ist - das hat der 1. Bürgermeister der Beklagten in der Sitzung vom 14.03.2007 zu Protokoll gegeben - im Rahmen der Suche nach alternativen Beschäftigungsmöglichkeiten nicht zur Sprache gekommen.

Der Vortrag der Beklagten - nach einem Hinweis der Kammer auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts - es hätten eben auch keine freien Stellen bei anderen Musikschulen zur Verfügung gestanden, ist unbehelflich, denn die Bereitschaft, jemanden zu beschäftigen, hängt häufig von den finanziellen Rahmenbedingungen ab. Die Beklagte hat bei den kontaktierten Gemeinden nur abgefragt, ob sie bereit wären, den Kläger als Musikschullehrer unter Übernahme aller damit verbundener Pflichten einzustellen. Das Angebot, den Kläger im Rahmen eines Gestellungsvertrages zu überlassen und sich an den finanziellen Lasten zu beteiligen, hätte möglicherweise zu einem anderen Ergebnis geführt.

Den Anforderungen, sich angesichts der Unkündbarkeit aus betrieblichen Gründen umfassend um Beschäftigungsmöglichkeiten für den Kläger zu bemühen und dabei auch zumutbare finanzielle Beiträge in Kauf zu nehmen, ist die Beklagte auch aus anderen Gründen nicht gerecht geworden.

Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 27.09.2004 selbst vorgetragen, dass dem Beschluss des Gemeinderats, die Musikschule zu schließen, ausgiebige Erörterungen von Alternativmöglichkeiten, wie die Fortführung der Musikschule in Vereinsform oder die Gründung einer gemeinnützigen GmbH, vorausgegangen sind. Entsprechendes ergibt sich aus der Sitzungsniederschrift vom 23.03.2004 (dort Seite 4). Die Beklagte hat aber nicht hinreichend dargelegt, warum die angedachten Modelle nicht durchführbar waren bzw. der Beklagten nicht zumutbar gewesen sein sollen.

Ausweislich der Sitzungsniederschrift hat man sich gegen ein Angebot an die Lehrkräfte, an einer Musikschule unter neuer Trägerschaft weiterzuarbeiten, deshalb gewandt, weil dies "nach Arbeitsrecht nicht möglich sei, da es sich hierbei um einen Betriebsübergang handeln würde und die Arbeitsverhältnisses nicht kündbar wären". Eine betriebsbedingte Kündigung zu vermeiden, also vorrangig zumutbare Alternativmöglichkeiten auszuschöpfen, entspricht aber gerade der vertraglichen Verpflichtung der Beklagten gegenüber dem Kläger. Deshalb kann die Unzumutbarkeit eines solchen Auffangmodells nicht daraus abgeleitet werden, dass damit die Kündigungsmöglichkeit ausgeschlossen wäre. Die Unzumutbarkeit müsste sich aus anderen Umständen ergeben, die von der Beklagten aber nicht dargelegt sind.

3. Auch wenn die Kündigungen der Beklagten unwirksam sind, hat der Kläger keinen Anspruch darauf, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens als Musikschulleiter zu den bisherigen Arbeitsbedingungen an der Musikschule der Beklagten (so sein Antrag Ziffer 3) beschäftigt zu werden.

Zwar hat ein Arbeitnehmer grundsätzlich einen Anspruch darauf, entsprechend seinem Arbeitsvertrag auch wirklich beschäftigt zu werden (grundlegend Großer Senat des BAG vom 27.02.1985 - GS 1/84, NZA 1985, Seite 702). Der Beklagten als Schuldnerin der Beschäftigungspflicht ist es aber durch die tatsächlich erfolgte Schließung der Musikschule unmöglich geworden, den Kläger zu den bisherigen Bedingungen als Musikschulleiter an der gemeindlichen Musikschule zu beschäftigen.

Unmöglich ist eine Leistung, wenn der Leistungserfolg weder von dem Schuldner noch von einem Dritten herbeigeführt werden kann. Setzt die Leistung eine bestimmte Grundlage voraus, im Arbeitsrecht also den Arbeitsplatz im Betrieb des Arbeitgebers, kann mit dessen Wegfall die ursprünglich geschuldete Leistung nicht mehr erbracht werden; sie ist unmöglich geworden (BAG vom 13.06.1990 - 5 AZR 350/89 - EzA § 611 BGB, Beschäftigungspflicht Nr. 44). Nach § 275 Abs. 1 BGB ist der Anspruch auf eine Leistung ausgeschlossen, soweit diese für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist. Dabei spielt es keine Rolle, dass die Beklagte durch ihre Entscheidung die Unmöglichkeit selbst herbeigeführt hat (vgl. LAG München vom 14.02.2006 - 10 Ta 493/05 - zur Vollstreckung eines Weiterbeschäftigungstitels).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

Die Revision wird für die Beklagte zugelassen nach § 72 Abs. 2 Ziffer 1 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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