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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 08.10.2003
Aktenzeichen: 5 Sa 946/06
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 102 Abs. 5 Satz 1
Entscheidungsstichwort: Einstweilige (Befriedigungs-)Verfügung gemäß § 940 ZPO auf Weiterbeschäftigung gemäß § 102 Abs. 5 S. 1 BetrVG - Anforderungen an den Verfügungsanspruch und den Verfügungsgrund -; Selbstwiderlegung des Bestehens eines Verfügungsgründes durch längere Untätigkeit des Verfügungsklägers - Verfügungsantrag auf Weiterbeschäftigung erst ca. sechs Monate nach Ausspruch der Kündigung unter Freistellung von der Arbeitsleistung und kurz vor Ablauf der Kündigungsfrist -
LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

5 Sa 946/03

Verkündet am: 08. Oktober 2003

In dem Rechtsstreit

hat die Fünfte Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 17. September 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Bachmann sowie die ehrenamtlichen Richter Preibisch und Trinkwitz für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Verfügungsklägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 14.07.2003 - 22 Ga 411/03 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten im einstweiligen Verfügungsverfahren über den Anspruch der Klägerin auf Weiterbeschäftigung und insbesondere über die so genannte Selbstwiderlegung der Dringlichkeit einer Weiterbeschäftigungsverfügung.

Die Beklagte ist ein Elektrotechnikunternehmen, das in München vier Betriebe unterhält. In dem Betrieb M. H.straße (Mch H) sind zurzeit (noch) etwa 5.600 Arbeitnehmer in dem Geschäftsbereich Information and Communicaton Networks (ICN) und etwa 1.700 Arbeitnehmer in dem Geschäftsbereich Information and Communication Mobile (ICM) beschäftigt.

Wegen eines erheblichen Auftrags- und Umsatzrückgangs beschloss der ICN-Be- reichsvorstand im Juli bzw. September 2002, die Personalkapazität an den Bedarf anzupassen und das so genannte Carrier-Geschäft (mit Telefonanlagen und -systemen für Telefongesellschaften im Festnetzbereich) neu zu organisieren.

Diesbezüglich vereinbarte die Beklagte mit dem Betriebsrat Mch H den Interessenausgleich "Kapazitätsanpassung ICN München H 2002 und Neuausrichtung des ICN-Carrier-Geschäfts" vom 23.10.2002. Gemäß Nr. 3.1 dieses Interessenausgleichs wurde mit Wirkung vom 01.11.2002 die "neue ICN Carrier-Organisation eingeführt" und gemäß Nr. 4.3 sollten 1.100 Arbeitnehmer "- so weit möglich - einvernehmlich ... ausscheiden" und dementsprechend "höchstens 1.100 betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen" werden.

Auf der Grundlage dieses Interessenausgleichs kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 15.01.2003 im Geschäftsbereich ICN - gegen den Widerspruch des Betriebsrats - insgesamt 154 Arbeitnehmern, die sie alle "ab sofort" unter Fortzahlung der Vergütung von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung bis zum Ablauf der jeweiligen Kündigungsfrist freistellte.

Die am 09.02.1951 geborene Klägerin ist gelernte Bürokauffrau und seit 05.07.1984 bei der Beklagten beschäftigt. Zuletzt war die Klägerin in der Organisationseinheit ICN WN bzw. CN im Betrieb Mch H als Sekretärin/Teamassistentin tätig.

Der Klägerin wurde - gegen den Widerspruch des Betriebsrats - mit Schreiben vom 15.01.2003 zum 31.07.2003 gekündigt und die sofortige Freistellung erklärt.

Dagegen hat die Klägerin zunächst nur die Kündigungsschutzklage vom 23.01.2003 - 21 Ca 1479/03 - erhoben und erst im Wege der Klageerweiterung vom 12.06.2003 unter Berufung auf § 102 Abs. 5 BetrVG die Verurteilung der Beklagten beantragt, sie "bis zum Abschluss dieses Rechtsstreits zu unveränderten Vertragsbedingungen als Sekretärin/Teamassistentin weiterzubeschäftigen". In diesem Rechtsstreit ist Termin zur Verhandlung vor der Kammer auf den 03.02.2004 bestimmt worden.

Im vorliegenden Rechtsstreit hat die Klägerin mit dem Schriftsatz vom 08.07.2003 unter Berufung auf § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG und den allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch beantragt, die Beklagte durch einstweilige Verfügung zu verurteilen, sie "bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens weiter zu beschäftigen".

Das Arbeitsgericht hat diese Klage durch das Urteil vom 14.07.2003 mit der Begründung abgewiesen, dass sich die Klägerin "durch das lange - nämlich fast sechsmonatige - Zuwarten mit ihrem Antrag hinsichtlich ... eines Verfügungsgrundes selbst widerlegt" habe. Im Übrigen wird - auch hinsichtlich des Sach- und Rechtsvortrags im ersten Rechtszug - auf dieses Urteil Bezug genommen.

Im Wege der Berufung gegen dieses Urteil verfolgt die Klägerin ihren Weiterbeschäftigungsanspruch für die Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist mit 31.07.2003 weiter. Eines Verfügungsgrundes für die beantragte Weiterbeschäftigungsverfügung bedürfe es mit Rücksicht auf die Regelung des § 102 Abs. 5 BetrVG gar nicht. Jedenfalls ergebe sich ein Verfügungsgrund für die beantragte Weiterbeschäftigungsverfügung daraus, dass die Verweigerung der beantragten Weiterbeschäftigungsverfügung eine rechtsstaatswidrige Rechtsschutzverweigerung wäre. Diesen Verfügungsgrund habe sie entgegen dem angefochtenen Urteil auch nicht "durch das lange ... Zuwarten mit ihrem Antrag" widerlegt. Denn zum einen habe bis zum Ablauf der Kündigungsfrist mit 31.07.2003 gar kein Weiterbeschäftigungsanspruch bestanden. Und zum anderen habe ihr die Beklagte während der Freistellung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist mit 31.07.2003 die vereinbarte Arbeitsvergütung weiter bezahlt, so dass sie keinen Grund gehabt habe, gegen die Freistellung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist vorzugehen, sondern erst für die Zeit danach habe Weiterbeschäftigung beantragen und Zahlungsklage erheben müssen.

Die Klägerin beantragt die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Verurteilung der Beklagten, sie "bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens weiter zu beschäftigen".

Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Berufung. Zur Begründung macht sie geltend, dass der Weiterbeschäftigungsanspruch unbegründet sei, weil dem Widerspruch des Betriebsrats gegen die Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin gar kein wirksamer Beschluss zugrunde liege. Und außerdem fehle jedenfalls der für die beantragte Weiterbeschäftigungsverfügung erforderliche Verfügungsgrund.

Hinsichtlich des sonstigen Sach- und Rechtsvortrags in der Berufungsinstanz wird auf die Berufungsbegründung und die Berufungsbeantwortung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag der Klägerin, die Beklagte durch einstweilige Verfügung zu verurteilen, sie bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzrechtsstreits zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiterzubeschäftigen, zu Recht abgewiesen.

Die Klägerin hat zwar gemäß § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG Anspruch auf Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzrechtsstreits. Denn: Der Betriebsrat hat unstreitig der ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien gemäß § 102 Abs. 2 und 3 BetrVG frist- und ordnungsgemäß widersprochen. Entgegen der Berufungsbeantwortung liegt dem Widerspruch des Betriebsrats auch ein wirksamer Beschluss zu Grunde. Die Klägerin hat gegen die Kündigung gemäß § 4 Satz 1 KSchG Kündigungsschutzklage erhoben. Und die Klägerin hat auch rechtzeitig - schon vor Ablauf der Kündigungsfrist - Weiterbeschäftigung gemäß § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG verlangt. Schließlich ist die Beklagte auch nicht gemäß § 102 Abs. 5 Satz 2 ArbGG von der Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung der Klägerin entbunden worden.

Es fehlt aber der für die beantragte Weiterbeschäftigungsverfügung als so genannte Befriedigungsverfügung gemäß § 940 ZPO erforderliche Verfügungsgrund.

Der für die Zulässigkeit einer Befriedigungsverfügung erforderliche Verfügungsgrund ist in § 940 ZPO geregelt (vgl. Schilken Die Befriedigungsverfügung 1976 S. 68 ff.; Walker Der einstweilige Rechtsschutz im Zivilprozess und im arbeitsgerichtlichen Verfahren 1993 Rn. 125 ff., 135 mwN). Nach dieser Vorschrift ist eine einstweilige Verfügung auch zur Regelung eines einstweiligen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, sofern diese Regelung, insbesondere bei dauernden Rechtsverhältnissen, zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gefahren oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Bei der Auslegung und Anwendung dieser Vorschrift muss auch der so genannte Justizgewährungsanspruch berücksichtigt werden, weil dieser Anspruch auf Grund Art. 2 Abs. 1 GG iVm. dem Rechtsstaatsprinzip iSd. Art. 20 Abs. 3 GG auch im Zivilprozess als formelles Hauptgrundrecht gilt (vgl. BVerfG 31.10.1996 NJW 1997, 311, 312, zu II 1 der Gründe; vgl. ferner Walker aaO Rn. 47). Auf Grund dieses rechtsstaatlichen Justizgewährungsanspruchs ist der Staat dem Bürger auch zu einem wirksamen und umfassenden (effektiven) Rechtsschutz verpflichtet (vgl. BVerfG 31.10.1996 aaO, zu II 1 der Gründe; vgl. ferner Walker aaO Rn. 57; Hilbrandt RdA 1998, 155, 159). Infolgedessen ist gemäß § 940 ZPO eine Befriedigungsverfügung - trotz ihrer nicht nur sichernden, sondern befriedigenden Wirkung und der damit verbundenen Vorwegnahme der Entscheidung im Hauptsacheverfahren - nötig und damit zulässig, wenn sie zur Erfüllung des rechtsstaatlichen Justizgewährungsanspruchs auf effektiven Rechtsschutz erforderlich ist (vgl. BVerfG 16.05.1995 BVerfGE 93, 1 = NJW 1995, 2477, zu C I 1 und 2 der Gründe, insbes. in Bezug auf den einstweiligen Rechtsschutz im verwaltungsgerichtlichen Verfahren; vgl. ferner Walker aaO Rn. 57, 70 ff., 246 ff.; Dütz AuR 2003, 161 ff.). Eine Befriedigungsverfügung kann demnach insbesondere dann zulässig sein, wenn sie die einzige wirksame Möglichkeit ist, das Recht des Gläubigers durchzusetzen bzw. den Gläubiger vor der Rechtsvereitelung zu schützen (vgl. BVerfG 16.05.1995 aaO, zu C I 1 der Gründe). Denn in einem Rechtsstaat, in dem das Selbsthilferecht grundsätzlich ausgeschlossen ist, gibt es keinen größeren Nachteil iSd. § 940 ZPO als den endgültigen Rechtsverlust (so auch schon LAG München 19.12.1979 EzA GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 35, zu C I der Gründe mit zust. Anm. Dütz; zust. auch Walker aaO Rn. 247). Das rechtsstaatliche Gebot effektiven Rechtsschutzes gilt allerdings nicht nur für den Gläubiger, sondern auch für den Schuldner und damit insbesondere auch dann, wenn die Vollziehung der Befriedigungsverfügung zu einem endgültigen Rechtsverlust des Schuldners führt (vgl. insbes. Walker aaO Rn. 70 ff. und 257 f.). Deswegen beinhaltet das rechtsstaatliche Gebot effektiven Rechtsschutzes für den Gläubiger und für den Schuldner auch das "Gebot der Ausgewogenheit des einstweiligen Rechtsschutzes" (vgl. Walker aaO Rn. 70 f.). Entscheidend für die Zulässigkeit einer Befriedigungsverfügung ist infolgedessen - auch in den Fällen der Gefahr eines endgültigen Rechtsverlustes - eine am rechtsstaatlichen Gebot effektiven Rechtsschutzes für beide Parteien und an dem daraus folgenden "Gebot der Ausgewogenheit des einstweiligen Rechtsschutzes" ausgerichtete prozessrechtliche Interessenabwägung mit dem Ergebnis, dass das Interesse des Gläubigers an dem Erlass der Befriedigungsverfügung das gegenteilige Interesse des Schuldners überwiegt (vgl. Walker aaO Rn. 246 ff.). Dabei kommt es mit Rücksicht auf das Gebot effektiven Rechtsschutzes in erster Linie auf den voraussichtlichen Ausgang des Hauptsacheverfahrens an (vgl. Walker aaO Rn. 261 f.). Deswegen kann insbesondere in den Fällen der Gefahr eines endgültigen Rechtsverlustes eine Befriedigungsverfügung - in der Regel - ohne Prüfung des Verfügungsanspruchs weder erlassen noch verweigert werden.

Diese allgemeinen Grundsätze gelten uneingeschränkt auch für die Zulässigkeit einer Befriedigungsverfügung zur Durchsetzung eines auf § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG gestützten Weiterbeschäftigungsanspruchs. Ist dieser Weiterbeschäftigungsanspruch zweifelsfrei gegeben und kommt deswegen auch im Hauptsacheverfahren keine andere Entscheidung über den Weiterbeschäftigungsanspruch in Betracht, so ist mit Rücksicht auf das Gebot effektiven Rechtsschutzes auch der für den Erlass einer Weiterbeschäftigungsverfügung gemäß § 940 ZPO erforderliche Verfügungsgrund gegeben, wenn nicht besondere Umstände des Einzelfalls diesen Verfügungsgrund ausschließen (so schon die Kammerurteile vom 10.02.1994 LAGE BetrVG 1972 § 102 Beschäftigungspflicht Nr. 14 = NZA 1994, 997 und 17.08.1994 LAGE BetrVG 1972 § 102 Beschäftigungspflicht Nr. 18). Ist der Weiterbeschäftigungsanspruch nicht zweifelsfrei gegeben, ist der gemäß § 940 ZPO erforderliche Verfügungsgrund mit Rücksicht auf das Gebot effektiven Rechtsschutzes umso eher gegeben, je wahrscheinlicher die Anerkennung des Weiterbeschäftigungsanspruchs im Hauptsacheverfahren ist (vgl. das in einem Beschäftigungsrechtsstreit ergangene Kammerurteil vom 18.09.2002 LAGE BGB § 611 Beschäftigungspflicht Nr. 45 = NZA-RR 2003, 269; vgl. ferner Walker aaO. Rn. 261). Generell ist auch für die Zulässigkeit einer Weiterbeschäftigungsverfügung gemäß § 940 ZPO entscheidend, ob - nach dem Ergebnis einer am rechtsstaatlichen "Gebot der Ausgewogenheit des einstweiligen Rechtsschutzes" für beide Parteien ausgerichteten prozessrechtlichen Interessenabwägung - die beantragte Weiterbeschäftigungsverfügung mit Rücksicht auf das Gebot effektiven Rechtsschutzes erforderlich ist.

Demnach wäre im vorliegenden Fall der für die beantragte Weiterbeschäftigungsverfügung gemäß § 940 ZPO erforderliche Verfügungsgrund an sich gegeben, weil

- der Weiterbeschäftigungsanspruch der Klägerin zweifelsfrei erscheint,

- die Weiterbeschäftigungsschuld der Beklagten eine absolute Fixschuld ist,

- der Weiterbeschäftigungsanspruch der Klägerin daher fortgesetzt gemäß § 275 Abs. 1 BGB erlischt, soweit die Beklagte die Klägerin nicht beschäftigt,

- die Klägerin angesichts der gegenwärtigen Belastung des Arbeitsgerichts offen- kundig keine Möglichkeit hat und auch keine Möglichkeit gehabt hat, den Weiterbeschäftigungsanspruch kurzfristig im Hauptsacheverfahren durchzusetzen, die Weiterbeschäftigungsverfügung infolgedessen die einzige wirksame Möglichkeit ist, die Klägerin vor dem gemäß § 275 Abs. 1 BGB drohenden endgültigen Verlust eines wesentlichen Teiles ihres Weiterbeschäftigungsanspruchs zu schützen und dementsprechend die Verweigerung der beantragten Weiterbeschäftigungsverfügung an sich eine - nach dem rechtsstaatlichen Gebot effektiven Rechtsschutzes - verfassungswidrige Rechtsschutzverweigerung wäre.

Der gemäß § 940 ZPO erforderliche Verfügungsgrund für die von der Klägerin beantragte Weiterbeschäftigungsverfügung ist aber durch so genannte Selbstwiderlegung der Dringlichkeit ausgeschossen, wie schon das Arbeitsgericht zu Recht festgestellt hat.

Auch eine Befriedigungsverfügung ist ganz allgemein nicht nötig iSv. § 940 ZPO und insbesondere kein Gebot effektiven Rechtsschutzes, wenn der Gläubiger des Verfügungsanspruchs - durch die Verzögerung seines Rechtsschutzantrags - selbst zum Ausdruck gebracht hat, dass er an dem schnellen - einstweiligen - Rechtsschutz seines Anspruchs in Wahrheit gar nicht interessiert ist, und damit die gemäß § 940 ZPO erforderliche - kurz so genannte - Dringlichkeit einer Befriedigungsverfügung selbst widerlegt hat (vgl. OLG Hamburg 08.10.1973 MDR 1974, 148; OLG Frankfurt 06.09.1984 DB 1985, 1783; ferner Zöller/Vollkommer ZPO 23. Aufl. § 940 Rn. 4; Walker aaO. Rn. 255; jeweils mwN.; der Sache nach ebenso OLG Hamm 09.03.1990 NJW-RR 1990, 1236, auch wenn - missverständlich - von Verwirkung die Rede ist). Dabei handelt es sich nicht um einen Fall der Verwirkung, die generell ein Zeit- und ein Umstandsmoment voraussetzt, die beide der Darlegungs- und Beweislast des jeweiligen Antragsgegners unterliegen (so aber etwa LAG München 28.02.2002 - 4 Sa 1122/01, nv., zu II 2 b der Gründe; 13.03.2002 - 9 Sa 144/02, nv., zu 2 der Gründe). Vielmehr fehlt im Falle der Selbstwiderlegung der Dringlichkeit einer Befriedigungsverfügung die gemäß § 940 ZPO für die Zulässigkeit einer Befriedigungsverfügung vorausgesetzte Erforderlichkeit als Gebot effektiven Rechtsschutzes (vgl. Walker aaO. Rn. 255) und damit der für eine Befriedigungsverfügung erforderliche Verfügungsgrund (vgl. StJ/Grunsky ZPO 22. Aufl. § 940 Rn. 8; HdBVR-Dunkl A Rn. 506). Den Verfügungsgrund muss in der Regel der Antragsteller darlegen und glaubhaft machen. Hat der Antragsteller aber die Dringlichkeit einer Befriedigungsverfügung durch sein eigenes Verhalten selbst widerlegt, so hat er den für eine Befriedigungsverfügung erforderlichen Verfügungsgrund weder dargelegt noch glaubhaft gemacht. So wie sogar im Falle des § 25 UWG die tatsächliche Vermutung der Dringlichkeit einer Wettbewerbsunterlassungsverfügung durch Selbstwiderlegung erschüttert sein kann (vgl. Baumgärtel/Ulrich Beweislast § 25 UWG Rn. 15 ff.), kann die Dringlichkeit jeder anderen Befriedigungsverfügung durch Selbstwiderlegung ausgeschlossen sein, zumal eine Befriedigungsverfügung gemäß § 940 ZPO generell nur zulässig ist, wenn sie - auch unter Berücksichtigung des rechtsstaatlichen "Gebotes der Ausgewogenheit des einstweiligen Rechtsschutzes" für beide Parteien - nach dem Gebot effektiven Rechtsschutzes erforderlich ist.

Diese so genannte Selbstwiderlegung der Dringlichkeit einer Befriedigungsverfügung ist dementsprechend auch in Bezug auf eine Beschäftigungs- oder Weiterbeschäftigungsverfügung möglich (vgl. LAG Hamm 18.02.1986 NZA 1986, 399; LAG Frankfurt 23.03.1987 NZA 1988, 37; Dütz DB Beilage Nr. 13/78 S. 9; Baur ZTR 1989, 376, 421 f.). Ob der Antragsteller die Dringlichkeit der von ihm beantragten Beschäftigungs- oder Weiterbeschäftigungsverfügung durch sein eigenes Verhalten selbst widerlegt hat, ist wie auch sonst eine Frage des Einzelfalles (so auch StJ/Grunsky aaO.).

Im vorliegenden Fall hat die Klägerin die Dringlichkeit der von ihr beantragten Weiterbeschäftigungsverfügung durch ihr eigenes Verhalten selbst widerlegt, weil sie bereits mit dem Kündigungsschreiben vom 15.01.2003 freigestellt worden ist und mit der Klageerweiterung vom 12.06.2003 im Hauptsacheverfahren und mit der Antragsschrift vom 08.07.2003 im vorliegenden einstweiligen Verfügungsverfahren nur die Verurteilung der Beklagten zur Weiterbeschäftigung nach Ablauf der Kündigungsfrist mit 31.07.2003 beantragt hat. Denn die Klägerin hat dadurch, dass sie die Freistellung vom 15.01. bis zum 31.07.2003 unter Verzicht auf jeglichen Rechtsschutz hingenommen und nur die Weiterbeschäftigung nach Ablauf der Kündigungsfrist mit 31.07.2003 beantragt hat, selbst zum Ausdruck gebracht, dass sie auch an einem schnellen - einstweiligen - Rechtsschutz ihres Weiterbeschäftigungsanspruchs in Wahrheit gar nicht interessiert ist.

Mit dem Verzicht auf jeglichen Rechtsschutz gegen die sechseinhalb Monate dauernde Freistellung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist hat die Klägerin auch die Dringlichkeit der von ihr beantragten Weiterbeschäftigungsverfügung für die Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist selbst widerlegt, obwohl sie auch die streitige Weiterbeschäftigungsverfügung schon vor Ablauf der Kündigungsfrist und damit auch schon vor Beginn des gemäß § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG kraft Gesetzes bestehenden Weiterbeschäftigungsverhältnisses beantragt hat. Diese Antragstellung ändert an der Selbstwiderlegung der Dringlichkeit der Weiterbeschäftigungsverfügung deswegen nichts, weil eine diesbezügliche Selbstwiderlegung wegen ihrer rechtsdogmatischen Bedeutung als Ausschluss des für die Weiterbeschäftigungsverfügung erforderlichen Verfügungsgrundes generell auch aus dem Verhalten des Arbeitnehmers vor Ablauf der Kündigungsfrist folgen kann und - vor allem - weil gemäß § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG das bisherige Arbeitsverhältnis fortbesteht (vgl. BAG 09.07.2003 EzA BetrVG 2001 § 102 Beschäftigungspflicht Nr. 1, zu I 2 der Gründe mwN.) und dementsprechend der Anspruch auf tatsächliche Weiterbeschäftigung nach Ablauf der Kündigungsfrist gemäß § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG inhaltlich mit dem Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist übereinstimmt (vgl. nur BAG 15.03.2001 EzA KSchG § 4 n. F. Nr. 61, zu B V 4 der Gründe). Deswegen kann jedenfalls nicht generell eine Selbstwiderlegung der Dringlichkeit einer Weiterbeschäftigungsverfügung ausgeschlossen werden, wenn der Verfügungsantrag schon vor Ablauf der Kündigungsfrist gestellt worden ist (so aber zur Selbstwiderlegung als Verwirkung schlüssig LAG München 28.02.2002 - 4 Sa 1122/01, nv., zu II 2 b der Gründe; 13.03.2002 - 9 Sa 144/02, nv., zu 2 der Gründe). Vielmehr enthält die Selbstwiderlegung der Dringlichkeit einer Beschäftigungsverfügung durch den Verzicht auf jeglichen Rechtsschutz gegen eine monatelange Freistellung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - wegen der inhaltlichen Übereinstimmung von Beschäftigungs- und Weiterbeschäftigungsanspruch - auch die Selbstwiderlegung der Dringlichkeit einer Weiterbeschäftigungsverfügung zur Durchsetzung des Weiterbeschäftigungsanspruchs gemäß § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG für die Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist, wenn nicht besondere Umstände des Einzelfalls diese Selbstwiderlegung ausschließen.

Die Berufungsbegründung der Klägerin, dass die Beklagte erst seit dem Ablauf der Kündigungsfrist kein Gehalt mehr zahle, so dass sie erst für die Zeit danach habe Weiterbeschäftigung beantragen und Gehaltszahlungsklage erheben müssen, stellt aber die Selbstwiderlegung der Dringlichkeit der Weiterbeschäftigungsverfügung nicht in Frage. Vielmehr bestätigt diese Begründung sogar, dass die Klägerin in Wahrheit gar nicht an dem schnellen - einstweiligen - Rechtsschutz ihres Anspruches auf tatsächliche Weiterbeschäftigung, sondern nur an der ununterbrochenen Fortzahlung des Gehaltes interessiert ist.

Auch der demnach mit der beantragten Weiterbeschäftigungsverfügung mittelbar verfolgte Zweck der Durchsetzung des Anspruchs auf Fortzahlung des Gehaltes ändert nichts an der Selbstwiderlegung der Dringlichkeit der Weiterbeschäftigungsverfügung. Denn dieser Gehaltsanspruch ergibt sich ggf. aus § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG iVm. §§ 611 Abs. 1 und 615 Satz 1 BGB, so dass die tatsächliche Beschäftigung der Klägerin keine notwendige und im Übrigen auch keine hinreichende Voraussetzung dieses Anspruchs ist (vgl. auch BAG GS 27.02.1985 AP BGB § 611 Beschäftigungspflicht, zu C II 3 b der Gründe, wonach "das materielle, auf die Erlangung des Arbeitsentgelts gerichtete Beschäftigungsinteresse des ArbN im allgemeinen hinreichend durch § 615 BGB gesichert" ist; vgl. ferner LAG Rheinland-Pfalz 21.08.1986 LAGE BGB § 611 Beschäftigungspflicht Nr. 19). Zur Durchsetzung dieses Anspruchs steht der Klägerin der Klageweg und, wenn der Klageweg dem rechtsstaatlichen Gebot effektiven Rechtsschutzes des Gehaltsanspruchs nicht genügt, auch ein Antrag auf Verurteilung der Beklagten zur Gehaltszahlung durch eine einstweilige Verfügung offen.

Deswegen kann die Klägerin sich entgegen der Berufungsbegründung auch nicht darauf berufen, dass in einigen einstweiligen Verfügungsverfahren der von Arbeitskollegen gestellte Antrag auf Erlass einer Beschäftigungsverfügung für die Zeit bis zum Kündigungstermin mangels eines Verfügungsgrundes abgewiesen worden ist.

Nach alledem hat die Klägerin mit Rücksicht auf die so genannte Selbstwiderlegung der Dringlichkeit der beantragten Weiterbeschäftigungsverfügung den gemäß § 940 ZPO für diese Weiterbeschäftigungsverfügung erforderlichen Verfügungsgrund weder dargelegt noch glaubhaft gemacht, so dass die beantragte Weiterbeschäftigungsverfügung kein Gebot des effektiven Rechtschutzes und die Verweigerung der beantragten Weiterbeschäftigungsverfügung keine rechtsstaatswidrige Rechtsschutzverweigerung ist, zumal die beantrage Weiterbeschäftigungsverfügung die Entscheidung im Hauptsacheverfahren vorwegnehmen würde, obwohl im Hauptsacheverfahren immerhin schon am 03.02.2004 die Verhandlung vor der Kammer ansteht.

Das würde im Übrigen gleichermaßen auch für den allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch gelten, der allerdings - anders als der besondere Weiterbeschäftigungsanspruch gemäß § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG - gar nicht besteht.

Dieses Urteil ist gemäß § 72 Abs. 4 ArbGG unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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