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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 25.06.2008
Aktenzeichen: 5 Sa 994/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 613a Abs. 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
5 Sa 994/07

Verkündet am: 25.06.2008

In dem Rechtsstreit

erlässt die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 28. Mai 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Wanhöfer und die ehrenamtlichen Richter Herr Scheele und Herr Haug im Namen des Volkes folgendes Urteil:

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Teilurteil des Arbeitgerichts München vom 25.10.2007, Az. 26 Ca 993/07, wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis besteht.

Der Kläger war bei der Beklagten seit 01.09.1992 beschäftigt. Zuletzt war er als Leiter Business Excellence im Geschäftsbereich "C. (C.)", - also in der M-Sparte - tätig. Arbeitsort war der Betrieb M., xx.

Nachdem die M-Sparte seit Jahren hoch defizitär war, veräußerte die Beklagte im Jahre 2005 diesen Geschäftsbereich. Am 06.06.2005 kam zwischen der Beklagten und der B. mit Sitz in T. ein Rahmenvertrag zustande ("Master Sale and Purchase Agreement"). Der hierin geregelte Verkauf der M-Sparte an die B.-Gruppe wurde zum Stichtag am 30.09.2005 im Wege der Einzelrechtsübertragung auf B.-Landesgesellschaften umgesetzt. Für Deutschland wurde durch Gesellschaftsvertrag vom 12.09.2005 und Eintragung in das Handelsregister am 16.09.2005 die B. GmbH & Co. oHG (im folgenden B. GmbH & Co. oHG) gegründet. Gesellschafter der B. waren die B2 GmbH und die B3 GmbH, jeweils mit einem Stammkapital in Höhe von € xx.xxx. Alleinige Gesellschafterin dieser beiden GmbHs war die B. Holding b.v. mit Sitz in den N., die ihrerseits 100-prozentige Tochter der Obergesellschaft der B.-Gruppe, der B. (T.), ist.

Der B. wurde der deutsche Teil des Geschäftsbereiches C. aufgrund eines "Local Asset Transfer Agreements" übertragen. Hiernach gingen die in Deutschland gelegenen Gegenstände des Anlage- und Umlaufvermögens sowie die hierauf entfallenden Forderungen und Verbindlichkeiten auf B. über. Hiermit verbunden war auch die Übernahme diverser sonstiger Verbindlichkeiten, unter anderem der Pensionszusagen für Mitarbeiter des Geschäftsbereichs C..

Der B. wurde ein sogenannter negativer Kaufpreis (der genannte Betrag von € x bleibt von der Beklagten unkommentiert) überwiesen. Zudem war nach dem Rahmenvertrag mit der B. vorgesehen, dass dieser sämtliche von der Beklagten gehaltenen auf die M-Sparte bezogenen Schutzrechte, Patente und Marken übertragen werden. Dies ist nur teilweise umgesetzt worden, die Schlüsselpatente wurden jedenfalls auf die B. eingetragen.

Mit Schreiben vom 29.08.2005 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass der Geschäftsbereich C. zum 01.10.2005 auf die B. übergehe. Bezüglich des Wortlauts des Schreibens wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen.

Ab 01.10.2005 erbrachte der Kläger seine Arbeitsleistung für die B.. Mit Wirkung vom 01.12.2005 wurde der Kläger auf die Stelle Leiter Sales Strategy versetzt. Am 01.12.2005 hat ein Statusgespräch stattgefunden. Mit Wirkung zum 01.06.2005 wurde das Gehalt des Klägers erhöht. Am 10.08.2006 schloss der Kläger mit B. eine Aufhebungsvereinbarung zum 28.02.2007 (Bl. 67 f. d.A.). Es sollte eine Abfindung von € xxx.xxx bezahlt werden; eine Freistellung des Klägers war ab November 2006 vorgesehen.

Am 28.09.2006 stellte die B. Antrag auf Insolvenzeröffnung. Mit Schreiben vom 29.09.2006 widersprach der Kläger dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die B. (Bl. 52 ff. d.A.). Das Amtsgericht München eröffnete unter dem Aktenzeichen 1503 IN 3270/06 mit Beschluss vom 01.01.2007 das Insolvenzverfahren und bestellte Herrn pp. zum Insolvenzverwalter. Ebenfalls am 01.01.2007 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der persönlich haftenden Gesellschafterinnen der B. eröffnet.

Mit seiner am 22.01.2007 beim Arbeitsgericht München eingegangenen Klage will der Kläger vor allem festgestellt wissen, dass das Arbeitsverhältnis nicht auf die B. übergegangen ist; er verlangt seine Weiterbeschäftigung. Sein Widerspruch vom 29.09.2006 habe den Übergang des Arbeitsverhältnisses gemäß § 613a BGB verhindert. Die Frist des § 613a Abs. 6 BGB habe nicht zu laufen begonnen, weil die Beklagte ihn nicht ordnungsgemäß über die wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Betriebsübergangs informiert habe (zum erstinstanzlichen Vortrag des Klägers wird auf seine Schriftsätze vom 19.01.2007, Bl. 1 ff. d.A., und 23.07.2007, Bl. 161 ff. d.A., jeweils nebst Anlagen, Bezug genommen).

Der Kläger hat beantragt:

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers bei der Beklagten über den 30.09.2005 unverändert fortbesteht.

2. Für den Fall des Obsiegens in Ziffer 1 wird beantragt, die Beklagte wird verurteilt, den Kläger als Leiter Business Excellence weiter zu beschäftigen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger als rückständiges Arbeitsentgelt € 43.467,75 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus € 896,00 seit 01.12.2006 aus € 896,00 seit 01.12.2006 aus € 896,00 seit 01.01.2007 aus € 6.146,00 seit 01.02.2007 aus € 6.146,00 seit 01.03.2007 aus € 7.074,00 seit 01.01.2007 sowie aus € 22.775,25 seit 01.03.2007 zu bezahlen.

4. Es wird festgestellt, dass die Beklagte für den Zeitraum Oktober 2006 bis Dezember 2006 den Lohn nachzuzahlen hat, den der Kläger als Verlust dadurch erleidet, dass das Insolvenzgeld von brutto € xx.xxx vom Kläger zurückgefordert wird.

5. Hilfsweise, die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € xxx.xxx nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

6. Höchsthilfsweise, die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger eine Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes, die in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, aber € xxx.xxx nicht unterschreiten sollte, zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat ausgeführt, der Widerspruch des Klägers sei gemäß § 613a Abs. 6 BGB verfristet, da er mit Schreiben vom 29.08.2005 ordnungsgemäß unterrichtet worden sei. Es seien mit dem Unterrichtungsschreiben alle vom Gesetzgeber und Bundesarbeitsgericht aufgestellten Voraussetzungen erfüllt worden. So sei dem Kläger mitgeteilt worden, dass das Geschäftsgebiet "C. zum 01.10.2005" auf B. übertragen werde. Damit seien Zeitpunkt und Gegenstand des Übergangs genannt. Als Grund für den Übergang sei angegeben worden, dass das Geschäftsgebiet "aufgrund eines Kaufvertrages im Wege der Einzelrechtsnachfolge auf B." übertragen werde. Damit sei auch der Rechtsgrund ausreichend bezeichnet worden. Auch über die rechtlichen, sozialen und wirtschaftlichen Folgen sei ausreichend informiert worden, da die unternehmerischen Gründe für den Betriebsübergang schlagwortartig mitgeteilt worden seien, indem man darauf hingewiesen habe, dass der Geschäftsbereich C. vollständig auf B. übertragen werde. Hiermit sei auch mitgeteilt worden, dass bei der Beklagten im Gebiet C. keine Arbeitsplätze mehr vorhanden seien. Die den Betriebsübergang veranlassenden wirtschaftlichen Gründe müsse der Betriebsveräußerer den Arbeitnehmern nicht mitteilen. Auch die Identität des Betriebserwerbers sei ausreichend klar gestellt. Die Firmenbezeichnung "B. GmbH & Co. oHG" sei genannt worden, ebenso die Anschrift des Erwerbers auf Seite 2 des Unterrichtungsschreibens. Es sei für die Arbeitnehmer hinreichend deutlich gewesen, dass es sich bei der Angabe "....straße .., .... M." um die Adresse von B. handele. Außerdem verbiete es der Grundsatz des Vertrauensschutzes, das von der Rechtsprechung des BAG in der Entscheidung vom 13.07.2006 (8 AZR 305/05) neu postulierte Kriterium der "Mitteilung der Anschrift des Betriebserwerbers" rückwirkend anzuwenden; hilfsweise sei das Verfahren gemäß § 234 EG dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen.

Bei dem Widerspruch des Klägers handele es sich um einen unzulässigen kollektiven Massenwiderspruch, weil er nicht zur Sicherung der arbeitsvertraglichen Rechte eingesetzt worden sei. Neben dem Kläger hätten etwa die Hälfte der vom Betriebsübergang betroffenen ca. 3.300 Mitarbeiter mit weitest gehend gleichlautenden Schreiben widersprochen, die einem von der IG Metall erstellten Muster nachgebildet seien. Zudem seien ein Großteil der Widerspruchsschreiben, so auch der Widerspruch des Klägers, gebündelt übergeben worden. Die IG Metall habe hierdurch versucht auf die Beklagte Druck auszuüben, den Geschäftsbereich insgesamt zurückzunehmen bzw. die betroffenen Mitarbeiter großzügig abzufinden.

Das Widerspruchsrecht des Klägers sei außerdem verwirkt, weil der Kläger erst 13 Monate nach Betriebsübergang und 14 Monate nach Zugang des Unterrichtungsschreibens dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses widersprochen habe. Der Kläger habe seine Arbeitsleistung seit dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs nicht mehr für die Beklagte erbracht. Insbesondere habe er durch Abschluss des Aufhebungsvertrages mit B. zum Ausdruck gebracht, dass er dieses Unternehmen als seinen Arbeitgeber akzeptiert habe (zum erstinstanzlichen Vortrag der Beklagten wird auf ihre Schriftsätze vom 01.06.2007, Bl. 91 ff d.A., und 26.09.2007, Bl. 240 ff. d.A., Bezug genommen).

Das Arbeitsgericht München hat mit Teilurteil vom 25.10.2007 festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers bei der Beklagten über den 30.09.2005 unverändert fortbesteht; den Weiterbeschäftigungsantrag des Klägers hat es abgewiesen.

Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, dass der Widerspruch des Klägers weder verwirkt noch rechtsmissbräuchlich sei. Da auch viele Kollegen von derselben Situation betroffen gewesen seien, sei es ein naheliegender Geschehensablauf, dass der Widerspruch gleichzeitig mit anderen Kollegen abgegeben und auf Formulierungshilfen der vertretenden Gewerkschaft zurückgegriffen worden sei. Wenn die IG Metall daneben noch andere Zwecke verfolgt haben sollte, könne dies nicht dem Kläger angelastet werden. Der Widerspruch sei auch nicht verwirkt. Es fehle jedenfalls am Umstandsmoment, da der Kläger mit Ausnahme der Weiterarbeit bei der B. ab dem 01.10.2005 keine Umstände gesetzt habe, die ein Vertrauen der Beklagten auf die Nichtausübung des Widerspruchsrechts rechtfertigen könne. Auch aus einer Versetzung ergebe sich kein besonderer Umstand. Auch durch Abschluss des Aufhebungsvertrages sei ein späterer Widerspruch nicht ausgeschlossen. Eine Bestätigung des Übergangs des Arbeitsverhältnisses (analog § 144 BGB) komme allenfalls dann in Betracht, wenn der Arbeitnehmer von seinem Widerspruchsrecht Kenntnis gehabt habe. Der Widerspruch des Klägers sei auch fristgemäß, da die Unterrichtung des Klägers mit Schreiben vom 29.08.2005 nicht ordnungsgemäß und deshalb die einmonatige Widerspruchsfrist nicht in Gang gesetzt gewesen sei. Die Beklagte habe es schon unterlassen, den Firmensitz und die Adresse klar und verständlich zu bezeichnen. Insbesondere sei durch die Nennung der Adresse "....straße .., .... M." als Anschrift eines Herrn Dr. V. kein eindeutiger Hinweis auf Firmensitz und Anschrift erfolgt. Auch sei der Grund für den Übergang nicht korrekt kommuniziert. Durch die Verwendung des Begriffes "Kaufvertrag" werde der Eindruck erweckt, dass etwas gegen Vergütung weggegeben werde. Dadurch werde gleichzeitig der Eindruck vermittelt, dass das Weggegebene einen objektiven Wert habe. Bezogen auf einen Unternehmensverkauf vermittle dies den Eindruck, dass ein Käufer bereit sei, gutes Geld für ein gutes Unternehmen zu zahlen und realistischer Weise davon ausgegangen werden könne, dass er dieses Unternehmen auch fortführen könne und wolle. Die Beklagte habe aber weder von B. noch von der ..... Muttergesellschaft B. einen Kaufpreis erhalten, sondern einen sog. "negativen Kaufpreis" bezahlt, also ihrerseits Geld für die Betriebsübernahme bezahlt. Es mache für die Bewertung der Zukunftsrisiken einen gravierenden Unterschied, ob für einen Betrieb ein Kaufpreis erzielt werde oder dem Übernehmer noch Geld bezahlt werde, damit er den Betrieb übernehme (zu den Einzelheiten der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf das Teilurteil vom 25.10.2007, Bl. 292 ff. d.A., Bezug genommen).

Gegen das der Beklagten am 02.11.2007 zugestellte Urteil hat diese am 07.11.2007 Berufung eingelegt, die auch innerhalb verlängerter Berufungsbegründungsfrist begründet wurde.

Die Beklagte hält daran fest, dass der Kläger nach § 613a Abs. 5 BGB ordnungsgemäß informiert worden sei. So sei auf Seite 1 im 1. Absatz des Informationsschreibens die Identität des Betriebserwerbers angegeben; die Anschrift des Erwerbers B. werde auf Seite 2 des Unterrichtungsschreibens im 6. Absatz genannt. Unabhängig von der ordnungsgemäßen Information über die Adresse verbiete es der Grundsatz des Vertrauensschutzes, das von der Rechtsprechung des BAG neu aufgestellte Erfordernis der Information über die Adresse rückwirkend anzuwenden. Das Schreiben vom 29.08.2005 informiere auch ausreichend über den Grund des Betriebsübergangs. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes werde der Vorgabe des § 613a Abs. 5 Nr. 2 BGB Genüge getan, wenn die Rechtsgrundlage für den konkreten Betriebsübergang benannt werde. Die Annahme des Arbeitsgerichts, dass das dem Betriebsübergang zugrunde liegende Rechtsgeschäft durch die Vereinbarung eines sog. "negativen Kaufpreises" seine Natur als Kaufvertrag verliere, sei unzutreffend. Zahlungen des Verkäufers an den Käufer für die Übernahme von Verbindlichkeiten oder sonstigen Belastungen seien in der Praxis des Unternehmenskaufs üblich. Derartige Zahlungen änderten nichts an der Rechtsnatur des Kaufvertrages, insbesondere verliere das Geschäft nicht seinen entgeltlichen Charakter. Auch über unternehmerische Gründe für den Betriebsübergang habe die Beklagte ausreichend informiert. Ausgehend von Sinn und Zweck der Unterrichtung genüge es, dass dem Arbeitnehmer diejenigen unternehmerischen Gründe mitgeteilt würden, die sich im Falle seines Widerspruchs gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf seinen Arbeitsplatz auswirken könnten. Eine darüber hinausgehende Verpflichtung, Einzelheiten des dem Betriebsübergang zugrunde liegenden Rechtsgeschäfts mitzuteilen, sehe auch das BAG nicht. Der Kläger sei ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass ihm sein Widerspruch keinen Arbeitsplatz bei der Beklagten sichere, da die C. Aktivitäten vollständig auf B. übertragen und damit diese Arbeitsplätze bei der Beklagten entfallen würden, so dass es letztlich zur betriebsbedingten Beendigung des Arbeitsverhältnisses kommen könne. Das Arbeitsgericht habe außerdem verkannt, dass der Widerspruch des Klägers als kollektiver Massenwiderspruch als solcher unzulässig sei, weil er nicht zur Sicherung der arbeitsvertraglichen Rechte eingesetzt werde. Schließlich sei das Widerspruchsrecht des Klägers gemäß § 242 BGB verwirkt. Das Arbeitsgericht gehe irrig davon aus, dass weder die Gehaltserhöhung, noch die Versetzung, noch die Teilnahme an einem Statusgespräch, noch der Abschluss eines Aufhebungsvertrages mit B. das begründete Vertrauen habe erwecken können, der Kläger werde sein Widerspruchsrecht nicht mehr ausüben. Der Beklagten seien die Vertragsänderungen jeweils im Zeitpunkt ihrer Umsetzung bekannt geworden, da sie seit dem Betriebsübergang des Bereichs C. auf B. am 01.10.2005 die Personalakten für B. auf Grundlage eines Dienstleistungsvertrages geführt habe. Außerdem sei der Kläger bis zum Zeitpunkt des Widerspruchs gegenüber der Beklagten untätig geblieben und sie sei seit dem zum 01.10.2005 erfolgten Betriebsübergang davon ausgegangen, dass es bei dem Übergang der Arbeitsverhältnisse auf B. bleibe. Durch die einvernehmliche Aufhebung des Arbeitsverhältnisses habe der Kläger deutlich zu erkennen gegeben, dass er B. für die Zeit nach dem Betriebsübergang als Arbeitgeber akzeptiere. Gleichzeitig habe er durch Abschluss des Aufhebungsvertrages zum Ausdruck gebracht, dass er sich endgültig aus der Rechtsbeziehung habe lösen wollen. Das Arbeitsgericht habe hierzu auch verkannt, dass der Kläger mit Abschluss des Aufhebungsvertrages auf sein Widerspruchsrecht verzichtet habe (zur Berufungsbegründung im Einzelnen wird auf die Schriftsätze vom 04.02.2008, Bl. 392 ff. d.A., und vom 27.05.2008, Bl. 470 ff. d.A., Bezug genommen).

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts München, Az. 26 Ca 993/07, vom 25.10.2007 wird, soweit der Klage stattgegeben worden ist, abgeändert. Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

(Hilfsweise hierzu regt die Beklagte eine Vorlage beim Europäischen Gerichtshof gemäß Art. 234 EG an. Zu den von der Beklagten formulierten Vorlagefragen wird auf Seite 1 f. des Schriftsatzes vom 04.02.2008 (Bl. 392 f. d.A.) Bezug genommen.)

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Die Ansicht der Beklagten, das Schreiben vom 29.08.2005 informiere ausreichend über den Grund des Betriebsübergangs, sei unter vielerlei Gesichtspunkten falsch. Ein unzulässiger Massenwiderspruch sei nicht gegeben; das ergebe sich schon daraus, dass er seinen Widerspruch am 23.09.09.2006 abends persönlich am xx abgegeben habe. Eine Verwirkung des Widerspruchsrechts scheide aus, da sowohl das Zeitmoment, als auch das Umstandsmoment nicht erfüllt sei. Auch von einem Verzicht könne keine Rede sein, da er zum Zeitpunkt des Abschlusses des Aufhebungsvertrages keine Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis davon gehabt habe, dass das Informationsschreiben der Beklagten vom 29.08.2005 unrichtig gewesen sei (zur Berufungserwiderung des Klägers im Einzelnen wird auf seinen Schriftsatz vom 09.04.2008, Bl. 438 ff. d.A., Bezug genommen).

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Das Arbeitsgericht hat der Klage auf Feststellung, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis besteht, zu Recht stattgegeben.

Der Widerspruch des Klägers mit Schreiben vom 29.09.2006 wirkt auf den Zeitpunkt des Betriebsübergangs zurück (ständige Rechtsprechung des BAG, vgl. Urteil vom 13.07.2006 - 8 AZR 382/05, NZA 2006, Seite 1406) und hat zur Folge, dass das Arbeitsverhältnis nicht nach § 613a Abs. 1 BGB auf B. übergangen ist.

Der Kläger konnte auch rund 1 Jahr nach Betriebsübergang dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses noch widersprechen, weil die Unterrichtung des Klägers im Schreiben der Beklagten vom 29.08.2005 über den geplanten Betriebsübergang nicht den Anforderungen des § 613a Abs. 5 BGB entsprach (hierzu nachfolgend unter Ziffer 1). Die Frist nach § 613 Abs. 6 BGB zur Erklärung eines Widerspruch gegen den Übergang eines Arbeitsverhältnisses wird nur durch eine ordnungsgemäße Unterrichtung ausgelöst; eine fehlerhafte Unterrichtung führt nicht zum Fristbeginn (BAG vom 13.07.2006 - 8 AZR 303/05, NZA 2006, Seite 1273).

Die Ausübung des Widerspruchsrechts ist für den Kläger auch nicht wegen Verwirkung (§ 242 BGB) ausgeschlossen (nachfolgend Ziffer 2). Er hat den Übergang seines Arbeitsverhältnisses nicht bestätigt (nachfolgend Ziffer 3). Auch eine rechtsmissbräuchliche Ausübung des Widerspruchsrechts liegt nicht vor (nachfolgend Ziffer 4).

1. a) Im Falle eines Betriebsüberganges ist der Arbeitnehmer so zu informieren, dass dieser sich über die Person des Übernehmers und über die in § 613a Abs. 5 BGB genannten Umstände ein Bild machen kann. Er soll durch die Unterrichtung eine ausreichende Wissensgrundlage für die Ausübung oder Nichtausübung seines Widerrufsrechts erhalten (BT-Drucks. 14/7760, Seite 19). So soll insbesondere dem Arbeitnehmer auch die Möglichkeit eröffnet werden, sich weitergehend zu erkundigen und ggf. beraten zu lassen, um dann auf dieser Grundlage über einen Widerspruch gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses zu entscheiden. Dabei hat sich der Inhalt der Unterrichtung nach dem Kenntnisstand des Veräußerers und des Erwerbers zum Zeitpunkt der Unterrichtung zu richten (so jüngst BAG vom 31.01.2008 - 8 AZR 1116/06 - in Anknüpfung an die ständige Rechtsprechung des Senats).

b) Die Beklagte hat den Kläger nicht hinreichend über die wirtschaftlichen Folgen des Betriebsübergangs unterrichtet (§ 613a Abs. 5 Nr. 3 BGB).

Ausgehend von Sinn und Zweck der Unterrichtung, die dem Arbeitnehmer die Möglichkeit verschaffen soll, sachgerecht über die Ausübung seines Widerspruchs nach § 613a Abs. 6 BGB zu befinden - d.h. auch die mit dem Arbeitgeberwechsel verbundenen Risiken für Arbeitsplatzsicherheit, Durchsetzbarkeit von Gehalts- und Pensionsansprüche etc. zu erkennen - hätte die Beklagte im Rahmen der Unterrichtung offenlegen müssen, dass der Übertragung des Betriebes auf B. eine Vertragsgestaltung zugrunde liegt, die dazu führt, dass die mit der Übertragung der M-Sparte verbundenen Belastungen (Übernahme eines großen Personalkörpers und der organisatorischen Struktur eines stark defizitären Geschäftsbereichs, Pensionslasten, etc.) und die für den Erwerber hiermit verbundenen Vorteile (Erwerb der Marken- und Patentrechte, negativer Kaufpreis) in erheblichem Umfang auseinanderfallen. Prägend für die wirtschaftlichen Folgen des Betriebsübergangs ist hier ja nicht nur der Vertrag mit B., sondern in erster Linie der Rahmenvertrag mit der B..

Zwar ist der bisherige Arbeitgeber grundsätzlich nicht verpflichtet, den Arbeitnehmer über die wirtschaftliche und finanzielle Lage des Betriebsübernehmers im Einzelnen zu unterrichten, da deren Beurteilung grundsätzlich nicht eindeutig anhand objektiver Tatsachen erfolgen kann, sondern jeweils im Einzelfalle einer regelmäßig nicht justiziablen Einschätzung der wirtschaftlichen und rechtlichen Gegebenheiten sowie der künftigen wirtschaftlichen Entwicklung unterliegt. Dies bedeutet, dass das wirtschaftliche Potential des Betriebserwerbers im Allgemeinen nicht Gegenstand der Informationspflicht ist.

§ 613a Abs. 5 BGB gebietet jedoch eine Information des Arbeitnehmers auch über die mittelbaren Folgen eines Betriebsüberganges, wenn durch diese die Rechtspositionen des Arbeitnehmers zwar nicht unmittelbar betroffen sind, die ökonomischen Rahmenbedingungen des Betriebsüberganges jedoch zu einer so gravierenden Gefährdung der wirtschaftlichen Absicherung der Arbeitnehmer beim neuen Betriebsinhaber führen, dass diese Gefährdung als ein wesentliches Kriterium für einen möglichen Widerspruch der Arbeitnehmer gegen den Übergang der Arbeitsverhältnisse anzusehen ist. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn die Arbeitsplatzsicherheit beim Betriebserwerber maßgeblich betroffen ist (BAG vom 31.01.2008, a.a.O.).

Hier war die B. GmbH & Co. oHG als neuer Inhaber im Sinne des § 613a Abs. 1 BGB mit allen hieran anknüpfenden Verpflichtungen vorgesehen, wesentliche werthaltige Teile des Veräußerungspakets sollten dagegen der B. zufließen. Die Vertragsgestaltung sah nämlich insbesondere vor, dass Aktiva des zu veräußernden Geschäftsbereichs ohne die in dieser Branche ganz wesentlichen Patent- und Markenrechte der Übernehmerin übertragen wurden (die im Zeitpunkt der Information der Mitarbeiter im Übrigen rechtlich noch gar nicht gegründet war). Sie führte weiter dazu, dass die Übernehmerin Risiken und Verbindlichkeiten des chronisch defizitären Geschäftsbereichs übernahm, die Ausgleichszahlungen hierfür aber nicht ihr, sondern der B. versprochen wurden.

Ausgehend von Sinn und Zweck der Unterrichtung, die dem Arbeitnehmer die Möglichkeit verschaffen soll, sachgerecht über die Ausübung seines Widerspruchsrechtes nach § 613a Abs. 6 BGB zu befinden, hätte die Beklagte den Kläger wenigstens über diese Eckdaten insbesondere der mit der B. vereinbarten Transaktion unterrichten müssen. Dass sich vieles als typisch oder nachvollziehbar im Rahmen eines internationalen Unternehmenskaufs darstellen mag (etwa die Übertragung der in einem Weltgeschäft benötigten Schlüsselpatente auf die Konzernmutter oder die Ermittlung und Vereinbarung eines negativen Kaufpreises für die Übertragung eines defizitären und mit erheblichen Risiken und Belastungen belasteten Geschäftsbereiches) ändert nichts daran, dass das Unterrichtungsschreiben nach § 613a Abs. 5 BGB den Sinn hat, dem Arbeitnehmer die Chance zu geben, Risiken eines Arbeitgeberwechsels, den er mit seinem Widerspruch verhindern kann, zu erkennen und mit dem Risiko des Verbleibs beim alten Arbeitgeber abzuwägen.

Diesem Sinn wird das Unterrichtungsschreiben vom 29.08.2005 nach Auffassung der Kammer nicht einmal ansatzweise gerecht. Es ist allenfalls verschlüsselt angedeutet, dass es im Rahmen der Übertragung des Geschäftsbereichs neben B.GmbH & Co. oHG einen zweiten Vertragspartner gibt. Im 2. und 3. Absatz wird der B.-Konzern, seine Stellung am Markt und die Vorzüge des Geschäfts bezogen auf die B.-Gruppe in allgemeiner Form (und vor allem rosarot) umschrieben.

Was "harte" Informationen angeht, beschränkt sich die Beklagte auf den 1. Absatz, der aus einem Satz besteht (" wie Ihnen bereits durch verschiedene Mitarbeiterinformationen bekannt ist, werden unsere Aktivitäten des Geschäftsgebietes C. zum 01.10.2005 in die B. GmbH & Co. OHG übertragen.") und den 1. Satz des 4. Absatzes ("Die Übertragung des Geschäftsgebietes erfolgt aufgrund eines Kaufvertrages im Wege der Einzelrechtsnachfolge auf B. GmbH & Co. oHG."). Das Folgende beschäftigt sich dann schon mit den arbeitsrechtlichen Folgen des Betriebsübergangs.

Kein Arbeitnehmer kann einem solchen Schreiben die wirtschaftlichen Folgen des Übergangs entnehmen, nämlich dass er auf einen Arbeitgeber übergeht, der als Enkel einer ...... Konzernmutter erst neu gegründet wird (zum Zeitpunkt des Unterrichtungsschreibens noch gar nicht geschehen) und dem eben nicht der gesamte Geschäftsbereich übertragen wird.

c) Die Kammer hält deshalb auch den "Grund für den Übergang" (§ 613a Abs. 5 Ziffer 2 BGB) nicht für ausreichend bezeichnet.

Zwar ist mit dem Grund in erster Linie die Angabe des Rechtsgrundes für den Betriebsübergang wie Kaufvertrag, Pachtvertrag, Umwandlung etc. gemeint (BAG vom 13.07.2006 - 8 AZR 305/05, NZA 2006, Seite 1268). Auch hat die Beklagte als Grund einen "Kaufvertrag" genannt. Als Partner des Kaufvertrages ist aber allenfalls die B. erkennbar.

Nicht erkennen lässt das Schreiben dagegen - wie ausgeführt -, dass Vertragspartner des das Gesamtgeschäft steuernden Rahmenvertrages die B. gewesen ist. Nur bei einer Unterrichtung hierüber könnte aber davon die Rede sein, dass die Mitarbeiter über den "Grund des Übergangs" informiert waren. Die reduzierte Mitteilung, dass die Beklagte an B. verkauft habe, reicht jedenfalls nicht, um dem Mitarbeiter die für die Ausübung seines Widerspruchsrechts notwendige Wissensgrundlage zu verschaffen. Das gilt im vorliegenden Falle in besonderer Weise, weil die Veräußerung des Geschäftsbereiches C. keine Einzeltransaktion zwischen dem Beklagten und B. GmbH & Co. oHG war, sondern Gegenstand eines Vertragspaketes, an dem außer der B. GmbH & Co. oHG auch die B. maßgeblich als Vertragspartnerin des "Master Sale and Purchase Agreement" beteiligt war, wobei dieser wesentliche Vermögenswerte des zu veräußernden Geschäftsbereichs versprochen wurden.

Die bloße Bezeichnung des Grundes für den Übergang als "Kaufvertrag" bei gleichzeitiger Nennung der B. als Betriebsübernehmerin bleibt angesichts der tatsächlichen Vertragsstruktur der Übertragung des Geschäftsbereichs inhaltsleer und ungenügend.

2. Der Kläger hat sein Recht zur Ausübung des Widerspruchs auch nicht verwirkt.

Allerdings kann jedes Recht nur unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben ausgeübt werden. Es ist anerkannt, dass auch das Widerspruchsrecht nach § 613 Abs. 6 BGB verwirkt sein kann. Zu prüfen ist der konkrete Einzelfall.

Die Verwirkung ist ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung. Mit der Verwirkung wird die illoyal verspätete Geltendmachung von Rechten ausgeschlossen. Sie dient dem Vertrauensschutz und verfolgt nicht den Zweck, den Schuldner stets dann von seiner Verpflichtung zu befreien, wenn dessen Gläubiger längere Zeit seine Rechte nicht geltend gemacht hat. Der Berechtigte muss vielmehr unter Umständen untätig geblieben sei, die den Eindruck erweckt haben, dass er sein Recht nicht mehr geltend machen wolle, so dass der Verpflichtete sich darauf einstellen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden. Hierbei muss das Erfordernis des Vertrauensschutzes auf Seiten des Verpflichteten das Interesse des Berechtigen derart überwiegen, dass ihm die Erfüllung des Anspruchs nicht mehr zuzumuten ist (ständige Rechtsprechung, vgl. BAG vom 14.12.2006 - 8 AZR 763/05, NZA 2007, Seite 682).

Hier kann dahinstehen, ob mit Ablauf von rund 1 Jahr seit dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs und rund 13 Monaten seit dem Zeitpunkt des Unterrichtungsschreibens das Zeitmoment erfüllt ist. Es fehlt jedenfalls am Umstandsmoment. Der Kläger hat keine Umstände gesetzt, die ein Vertrauen der Beklagten auf die Nichtausübung des Widerspruchsrechts rechtfertigen könnten.

Die bloße Weiterarbeit ist in diesem Zusammenhang als vertrauensbegründender Umstand von vornherein nicht geeignet (vgl. BAG vom 14.12.2006, a.a.O.).

Soweit sich die Beklagte darauf beruft, der Kläger habe bei der B. eine Gehaltserhöhung erhalten, sei auf eigenen Wunsch versetzt worden und habe an einem Statusgespräch teilgenommen, sind dies ebenso keine besonderen Umstände, die ein Vertrauen der Beklagten auf eine künftige Nichtausübung des Widerspruchsrechts rechtfertigen könnten. Dies sind völlig normale Vorgänge im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses. Ein Arbeitnehmer, der eine Gehaltserhöhung akzeptiert, sich versetzen lässt und an einem Statusgespräch teilnimmt bringt nicht im gesteigerten Maße zum Ausdruck, dass er auf sein Widerspruchsrecht im Hinblick auf einen Betriebsübergang verzichten wolle. Es ist nicht nachvollziehbar, dass die Beklagte genau hieraus den Eindruck entnommen haben will, dass der Kläger sein Widerspruchsrecht nicht mehr geltend machen wolle und man sich deswegen darauf einstellen dürfe, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden.

In diesem Zusammenhang ist ohnehin nicht nachvollziehbar, inwiefern durch diese "Ereignisse" im Arbeitsverhältnis des Klägers bei der Beklagten Vertrauen entstanden sein soll. Gehaltserhöhungen, Versetzung und Statusgespräch haben bei B. stattgefunden und die Beklagte hat dies allenfalls mittelbar dadurch erfahren, dass sie im Rahmen eines Dienstleistungsvertrages die Personalakten der B.-Mitarbeiter weitergeführt hat. Personalakten sind etwas Vertrauliches und es ist schon fraglich, inwiefern sich die Beklagte zur Begründung dafür, dass der Kläger nach Treu und Glauben sein Widerspruchsrecht nicht mehr wirksam ausüben können soll, auf die Kenntnis aus Personalakten fremder Unternehmen berufen kann. Dazu kommt, dass die Beklagte nicht weiter vorträgt, wie dieser vertrauensbildende Vorgang vonstatten gegangen sein soll. Kann sich die Beklagte auf durch äußere Umstände entstandenes Vertrauen bereits dann berufen, wenn eine Verwaltungsangestellte im Rahmen eines ausschließlich bürotechnischen Vorgangs z.B. eine Versetzungsverfügung in der Personalakte des Klägers ablegt? An dem mit dem Personalvorgang verbundenen Entscheidungsprozess selbst waren Mitarbeiter der Beklagten nicht beteiligt, jedenfalls ist so etwas nicht vorgetragen.

Letzteres gilt auch für den Aufhebungsvertrag vom 10.08.2006. Ob sich die Beklagte auf Kenntnisse aus der Personalaktenführung berufen kann, kann aber letztendlich nach Auffassung der Berufungskammer dahinstehen, denn auch der Vertragsschluss führt bei der vorliegenden Konstellation nicht zum Vorliegen eines Umstandsmoments. Ein solches könnte man nämlich nur annehmen, wenn der Kläger in Kenntnis der Umstände, die dazu geführt haben, dass die Widerspruchsfrist noch nicht zu laufen begonnen hat, den Aufhebungsvertrag geschlossen hätte (vgl. LAG Düsseldorf vom 30.05.2007, 7 Sa 153/07). Dafür dass der Kläger die Fehlerhaftigkeit der Information durch die Beklagte im Rahmen des Betriebsübergangs gekannt hat oder wenigstens hätte kennen müssen, hat die Beklagte nichts vorgetragen (womit sich der vorliegende Sachverhalt von anderen unterscheidet, bei denen im Hinblick auf den Abschluss eines Aufhebungsvertrages Verwirkung angenommen wurde, vgl. etwa LAG München vom 14.11.2007, 9 Sa 269/07).

3. Aus ähnlichen Erwägungen kann sich die Beklagte nicht darauf berufen, der Kläger habe den Übergang seines Arbeitsverhältnisses (etwa durch Abschluss des Aufhebungsvertrages) bestätigt (§ 144 BGB analog).

Unabhängig davon, ob eine analoge Anwendung des § 144 BGB überhaupt in Betracht kommt, oder ob eine analoge Anwendung ausgeschlossen ist, weil eine planwidrige Regelungslücke fehlt (str.), fehlt es jedenfalls an den Voraussetzungen im Einzelfall.

Die Rechtsfolge des § 144 Abs. 1 BGB tritt nur ein, wenn der das Rechtsgeschäft bestätigende Vertragspartner die Anfechtbarkeit kennt, oder zumindest mit ihr rechnet (vgl. Heinrichs in Palandt, BGB, 67. Aufl., § 144 Rn. 2). Übertragen auf den Übergang des Arbeitsverhältnisses ist das Widerspruchsrecht durch eine "Bestätigung" nur ausgeschlossen, wenn der Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Bestätigung wusste, dass er dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses noch widersprechen kann oder wenn ihm wenigstens die Fehlerhaftigkeit der Information bekannt war bzw. er zumindest damit rechnete (vgl. LAG Düsseldorf vom 30.05.2007 - 7 Sa 153/07).

Dafür, dass dies im Zeitpunkt des Abschlusses des Aufhebungsvertrages vom 10.08.2006 der Fall war, hat die Beklagte nichts Substantiiertes vorgetragen.

4. Schließlich wäre die Ausübung des Widerspruchsrechts durch den Kläger auch dann nicht missbräuchlich und deshalb unzulässig, wenn er unter Verwendung eines Musters der IG Metall dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses widersprochen hat.

Die kollektive Ausübung des Widerspruchsrechts bei einem Betriebsübergang nach § 613a BGB ist grundsätzlich zulässig und unterliegt als privatrechtliches Gestaltungsrecht des Arbeitnehmers nur den allgemeinen Schranken der Rechtsordnung des Privatrechts und damit insbesondere der Kontrolle des Rechtsmissbrauchs nach § 242 BGB (BAG vom 30.09.2004 - 8 AZR 462/03, NZA 2005, Seite 43). Eine Grenze ergibt sich dort, wo der Widerspruch institutionell missbraucht wird. Im Hintergrund der Zielsetzung des Widerspruchsrechts, die individuelle Arbeitgeberwahlfreiheit des Arbeitnehmers abzusichern, darf der Widerspruch nicht zur Erreichung unzulässiger Ziele dienen. Eine Rechtsausübung kann dann missbräuchlich sein, wenn ihr kein schutzwürdiges Eigeninteresse zu Grunde liegt, sie als Vorwand für die Erreichung vertragsfremder oder unlauterer Zwecke dient oder nur den Zweck hat, einem anderen Schaden zuzufügen. Übt eine Vielzahl von Arbeitnehmern das Widerspruchsrecht aus, kann sich demgemäß aus der Zweckrichtung der Widerspruchsausübung, soweit sie nicht im Schwerpunkt auf die Verhinderung des Arbeitgeberwechsels, sondern beispielsweise von der Motivation getragen ist, dem Betriebsübergang als solchen zu verhindern oder aber Vergünstigungen zu erzielen, auf die die Arbeitnehmer keinen Rechtsanspruch haben, ein rechtsmissbräuchliches Handeln ergeben (BAG vom 30.09.2004, a.a.O.)

Eine rechtsmissbräuchliche kollektive Ausübung des Widerspruchsrechts in diesem Sinne, an der sich auch der Kläger beteiligt hat, hat die hierfür darlegungs- und beweispflichtige Beklagte nicht dargelegt. Sie hat schon keine Tatsachen dafür vorgetragen, dass kein schutzwürdiges Eigeninteresse des Klägers bei Ausübung seines Widerspruchrechts vorlag. Es ist gerade ein typischer und erwartbarer Geschehensablauf, dass eine Vielzahl von Arbeitnehmern angesichts der Insolvenz des Betriebsübernehmers ihre Rechte dadurch wahren möchte, dass sie dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf eben diesen Betriebsübernehmer widersprechen, also es vorziehen, ihr Arbeitsverhältnis bei ihrem ursprünglichen (und solventen) Arbeitgeber fortzusetzen. Dass dies in zahlreichen Fällen nach Beratung und mit Unterstützung einer Gewerkschaft geschieht, ist naheliegend. Hieraus kann ohne Hinzutreten besonderer Umstände nicht der Schluss gezogen werden, dass die Arbeitnehmer in Wirklichkeit kein schutzwürdiges Eigeninteresse verfolgen, dass sie den Widerspruch also nur als Vorwand für die Erreichung vertragsfremder oder unlauterer Zwecke verwenden bzw. der Beklagten ein Schaden zufügen wollen.

Solche besonderen Umstände liegen nicht bereits dann vor, wenn eine Gewerkschaft mit ihrem Auftreten eigene Ziele (Mobilisierungseffekte, verbesserte Verhandlungsposition zur Durchsetzung von Ausgleichszahlungen für B.-Mitarbeiter) verfolgt.

Entscheidend ist die Zielrichtung der Arbeitnehmer in ihrem kollektiven Auftreten. Es sind keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass diese nicht primär ihren Arbeitsplatz erhalten wollten. Auch wenn das bei vielen von ihnen möglicherweise mit der Erwartung verbunden war, sich wenigstens die Chance auf eine Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes zu erhalten, macht dies die Ausübung des Widerspruchsrechts nicht missbräuchlich.

5. Eine missbräuchliche Ausübung des Widerspruchsrechts oder ein widersprüchliches Verhalten ergibt sich zuletzt auch nicht daraus, dass der Kläger vor seinem Widerspruch bereits einen Aufhebungsvertrag geschlossen hatte, nun aber gegenüber der Beklagten auf einer Fortsetzung seines Arbeitsverhältnisses besteht. Die Aufgabe des Arbeitsplatzes stand in unmittelbaren Zusammenhang mit der Vereinbarung einer Abfindung in Höhe von € xxx.xxx. Da der Kläger die Abfindung gegenüber dem insolventen Betriebsübernehmer nicht mehr realisieren kann und der Aufhebungsvereinbarung deshalb die Grundlage entzogen ist, ist es dem Kläger unbenommen mit der Ausübung des Widerspruchsrechts die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bei der Beklagten anzustreben. Gerade in der Zahlungsunfähigkeit der B. realisiert sich für den Kläger ein Risiko, das er im Zeitpunkt des Betriebsübergangs aufgrund der mangelhaften Information durch die Beklagte nicht einschätzen konnte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Revision wird zugelassen, § 72 Abs. 1 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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