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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 06.11.2006
Aktenzeichen: 6 Sa 1168/05
Rechtsgebiete: BGB, BayPVG


Vorschriften:

BGB § 150 Abs. 2
BayPVG Art. 9 Abs. 2
Beim Statuswechsel vom Auszubildenden zum Arbeitnehmer auf der Grundlage von Art. 9 Abs. 2 BayPVG kommt es nicht zur Neubegründung eines Arbeitsverhältnisses.
LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

6 Sa 1168/05

Verkündet am: 6. November 2006

In dem Rechtsstreit

hat die Sechste Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 6. November 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Staudacher sowie die ehrenamtlichen Richter Dr. Bueb und Kuska für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Beklagten vom 18. November 2005 gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 3. November 2005 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Für den Beklagten wird die Revision zugelassen.

Tatbestand:

Die beiderseits tarifgebundenen Parteien streiten über die Zahlung von Urlaubsgeld und einer Sonderzuwendung für das Jahr 2004.

Die im Januar 1981 geborene Klägerin absolvierte beim Beklagten auf der Grundlage des Ausbildungsvertrages vom 13. Juni 2001 (Blatt 21 der Akte) vom 1. September 2001 bis zum 26. Januar 2004 eine Ausbildung zur Fachinformatikerin Fachrichtung Anwendungsentwicklung. Ab Juli 2002 war sie Mitglied in der Jugend- und Auszubildendenvertretung.

Mit Schreiben vom 15. Dezember 2003 (Blatt 10 der Akte) hatte die Klägerin unter Hinweis auf ihre Funktion als Vorsitzende der Jugend- und Auszubildendenvertretung der TU M. in G. gemäß Art. 9 Abs. 2 BayPVG Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis im Anschluss an ihre Ausbildung beantragt. Die daraufhin einsetzenden Bemühungen des Beklagten waren beim Lehrstuhl für Fördertechnik erfolglos geblieben. Am 17. März 2004 ist auch bei der Fakultät für Maschinenwesen nachgefragt worden, ob Möglichkeiten einer Beschäftigung der Klägerin am Lehrstuhl bestehen (Blatt 100 der Akte). Unter dem 8. April 2004 hat der Personalrat die Bitte um Zustimmung erhalten zur Weiterbeschäftigung der Klägerin unbefristet ab dem 27. Januar 2004 (Blatt 101/102 der Akte). Der Zustimmungsvermerk des Personalrats datiert vom 21. April 2004 (Blatt 103 der Akte).

Daraufhin wurden am 22. April 2004 der Arbeitsvertrag (Blatt 6/7 der Akte) und gleichzeitig eine Niederschrift nach dem Nachweisgesetz betreffend Beschäftigungsort und Beschäftigungsart ausgefertigt (Blatt 107 der Akte). Der von der Klägerin gegengezeichnete Arbeitsvertrag weist bei ihrer Unterschrift kein Datum aus. Die für den Beklagten bestimmte Ausfertigung war dort am 2. Juni 2004 eingegangen. Dabei hatte die Klägerin unmittelbar vor ihrer Unterschrift unter diesem Vertrag folgenden handschriftlichen Vermerk eingefügt:

Den Arbeitsvertrag nehme ich unter dem Vorbehalt an, dass für mich die Tarifverträge zu Urlaubsgeld und Zuwendung weitergelten.

Das geschah, weil nach § 2 Abs. 2 dieses Arbeitsvertrags (Blatt 6/7 der Akte) der gekündigte Tarifvertrag über die Zuwendung für Angestellte vom 12. Oktober 1973 sowie der gekündigte Tarifvertrag über ein Urlaubsgeld für Angestellte vom 16. März 1977 keine Anwendung finden sollte.

Die TU M. hat der Klägerin daraufhin am 3. Juni 2004 den Eingang bestätigt, den Vorbehalt zur Kenntnis genommen und gleichzeitig darauf hingewiesen, dass man sich unter Bezugnahme auf ein Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen vom 13. August 2003 gehalten sehe, auf Nichtanwendbarkeit der gekündigten Tarifverträge über Zuwendung und Urlaubsgeld zu bestehen, wie dies in § 2 Absatz 2 des Arbeitsvertrages auch vorgesehen sei (Blatt 110 der Akte).

Mit weiterem Schreiben der TU M. vom 9. Juni 2004 (Blatt 111 der Akte) wurde die Klägerin um schriftliche Rückäußerung gebeten, ob sie mit den Regelungen des Arbeitsvertrages vom 22. April 2004 einverstanden sei. Eine Antwort darauf blieb aus.

Unabhängig davon war die Klägerin nach erfolgreichem Ablegen ihrer Prüfung am 26. Januar 2004 nahtlos beim Beklagten als Angestellte an der Technischen Universität M. beschäftigt worden.

Mit Schreiben vom 28. Mai 2004 hatte der Leiter des Instituts für Werkzeugmaschinen und Wissenschaften die Personalverwaltung über den Einsatz der Klägerin informiert und eine Kündigung angeregt unter detaillierter Schilderung, dass die Klägerin hohen Krankenstand aufweise und auch besonders während ihres Beschäftigungsverhältnisses im Jahre 2004 negativ aufgefallen sei (Blatt 112 bis 114 der Akte).

Am 22. Juni 2004 wurde die Klägerin an der TU M. wieder in die Gesamtjugend- und Auszubildendenvertretung gewählt und hat die Funktion der Vorsitzenden übernommen.

Mit Schreiben vom 29. Juli 2004 (Blatt 117 der Akte mit Anlagen) war der betriebsärztliche Dienst gebeten worden, die Dienstfähigkeit der Klägerin zu untersuchen.

Mit Schreiben vom 20. Dezember 2004 (Blatt 9 der Akte) hat die Klägerin Urlaubsgeld in Höhe von € 332,34 brutto sowie Weihnachtsgeld in Höhe von € 1.875,22 brutto geltend machen lassen, - ohne Erfolg. Sie ist der Ansicht, dass die Anwendbarkeit der mit Wirkung zum 31. Juli 2003 gekündigten Zuwendungs- und Urlaubstarifverträge für Angestellte, die nach einem Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Finanzen vom 13. August 2003 bei einem Statuswechsel von Auszubildenden zum Arbeitnehmer nicht zu vereinbaren seien, aufgrund ihres Vorbehalts nicht wirksam abbedungen worden sei. Diese Tarifverträge würden deshalb nach § 4 Abs. 5 TVG bei ihrem Arbeitsverhältnis nachwirken. Es sei zwar richtig, dass sich diese Nachwirkung nicht auf Arbeitsverhältnisse erstrecke, die im Nachwirkungszeitraum neu begründet worden sind. Die Nachwirkung erfasse aber solche Arbeitsverhältnisse, die während der Laufzeit des Tarifvertrages als Ausbildungsverhältnisse bestanden hätten und erst im Nachwirkungszeitraum zu Angestelltenverhältnissen geworden sind.

Mit gewerkschaftlichem Schriftsatz vom 10. Februar 2005 hat die Klägerin ihre Ansprüche gerichtlich geltend machen lassen und sie war damit vor dem angerufenen Arbeitsgericht München erfolgreich gewesen. Auf Tatbestand und Entscheidungsgründe dieses Urteils vom 3. November 2005 wird Bezug genommen.

Mit der am 21. November 2005 beim Landesarbeitsgericht München eingegangenen Berufung gegen diese ihren Prozessbevollmächtigten am 11. November 2005 zugestellte Entscheidung verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter. Die Begründung dazu ist am 16. Dezember 2005 eingegangen. Darin wird dem Erstgericht vorgehalten, die Rechtswirkungen der einschlägigen Tarifverträge über Urlaubsgeld und Zuwendung für Angestellte verkannt zu haben. Der klägerische Einwand, einen rechtswirksamen Vorbehalt erklärt zu haben, sei treuwidrig gewesen. So habe sie sich mit der Rücksendung des Arbeitsvertrages Zeit gelassen, er sei erst am 2. Juni 2004 eingegangen. Damit habe man schon nach den Umständen von einer Zustimmung zum Arbeitsvertrag in der ursprünglichen Fassung ausgehen können.

Wollte man dagegen in der verspäteten Annahme des Antrags durch die Klägerin versehen mit einem Vorbehalt nach § 150 Abs. 1 BGB einen neuen Antrag sehen, sei dieser vom Beklagten mit seinen Schreiben vom 3. Juni und 9. Juni 2004 abgelehnt worden.

Wollte man die am 2. Juni 2004 von der Klägerin übermittelte Fassung mit Vorbehalt als Annahme oder Einschränkung im Sinne von § 150 Abs. 2 BGB bewerten und somit als einen neuen Antrag, dann sei auch dieser wiederum mit den Schreiben vom 3. Juni und 9. Juni 2004 zurückgewiesen worden. Die Konsequenz daraus sei, dass nur und ausschließlich das Vertragsangebot des Beklagten in der ursprünglichen Vertragsfassung Bestand gehabt habe. Da sich die Klägerin auf das Schreiben des Beklagten vom 9. Juni 2004 ausgeschwiegen habe, sind nun nach Ansicht des Beklagten die von der Rechtsprechung entwickelten Auslegungsgrundsätze heranzuziehen.

Verfehlt sei die Sicht des Erstgerichts bezogen auf die Interessenlage der Parteien und der Hinweis auf den Vorbehalt nach § 2 S. 1 KSchG. Für den Beklagten habe kein Anlass bestanden, Mitglieder der Gesamtjugend- und Auszubildendenvertretung ungerechtfertigt besserzustellen. Der Weiterbeschäftigungspflicht gemäß Art. 9 Abs. 2 BayPVG sei uneingeschränkt bereits dann genügt, wenn dem Mitglied einer Jugend- oder Personalvertretung eine auf Dauer angelegte Beschäftigung ermöglicht werde, die ihn hinsichtlich der rechtlichen Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses einem Beschäftigten gleichstellt, der vom Arbeitgeber für eine vergleichbare Tätigkeit ausgewählt und eingestellt worden wäre. Nach Kündigung der Tarifverträge über ein Urlaubsgeld bzw. über eine Zuwendung finden diese bei Neueinstellungen auf ein Arbeitsverhältnis keine Anwendung mehr.

Bekämpft wird auch die Ansicht des Erstgerichts, dass die streitgegenständlichen Zahlungsansprüche gemäß § 4 Abs. 5 TVG auch für das streitbefangene Arbeitsverhältnis im Nachwirkungszeitraum begründet seien. Das zunächst mit der Klägerin begründete Ausbildungsverhältnis habe zu keinem Zeitpunkt der unmittelbaren und zwingenden Wirkung der Sonderzahlungstarifverträge unterlegen. Das nach § 9 Abs. 2 BayPVG zu Stande gekommene Arbeitsverhältnis sei im Streitfall erst im Nachwirkungszeitraum dieser Tarifverträge begründet worden. Daraus folge aber zwingend, dass es nachwirkenden Tarifverträgen nicht unterfalle. Soweit das Erstgericht von diesem Grundsatz abgewichen ist, tritt der Beklagte dem mit Nachdruck entgegen. Die Berufungsanträge lauten damit:

1. Das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 3. November 2005 (Az. 1a Ca 2088/05) wird aufgehoben.

2. Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin lässt beantragen:

die Berufung zurückzuweisen.

Den Überlegungen des Erstgerichts in der angefochtenen Entscheidung pflichtet die Klägerin bei, den Ausführungen in der Berufungsbegründung tritt sie entgegen. Dies gilt insbesondere auch für die Annahme, das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin sei erst im Nachwirkungszeitraum neu begründet worden. Die Klägerin habe mit Schreiben vom 27. November und vom 15. Dezember 2003 gemäß Art. 9 Abs. 2 BayPVG einen Antrag auf Übernahme bzw. einen Antrag auf unbefristete Weiterbeschäftigung gestellt. Mit Schreiben vom 18. Dezember 2003 (Blatt 129 der Akte) waren diese Begehren aus haushaltsrechtlichen Gründen aber abgelehnt worden. Nach der gesetzlichen Bestimmung des Art. 9 BayPVG ist aufgrund des Antrags aber ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit begründet worden. Das Schreiben der TU M. vom 18. Dezember 2003 habe daran nichts ändern können. Anträge nach Art. 9 Abs. 2 BayPVG habe der Arbeitgeber nicht gestellt.

Am 15. Dezember 2003 hätte es für die Klägerin auch eine Planstelle gegeben. Da Art. 9 Abs. 2 BayPVG allein auf das rechtzeitige Übernahmeverlangen abstelle, ist in den Augen der Klägerin bereits zu diesem Zeitpunkt ein unbefristetes Arbeitsverhältnis begründet worden. Dieses Arbeitsverhältnis habe sich nahtlos an das zuvor bestehende Ausbildungsverhältnis angeschlossen, beide Vertragsverhältnisse stammten aus einer gemeinsamen Wurzel. Ausgehend von einem Automatismus bei Begründung des Arbeitsverhältnisses stellt der damit verbundene Statuswechsel auch nach Ansicht der Klägerin keine neue Begründung des Arbeitsverhältnisses dar. Die Folge daraus sei, dass das Arbeitsverhältnis der Nachwirkung gemäß § 4 Abs. 5 TVG unterliege.

Die Klägerin habe nach Abschluss ihrer Ausbildung am 26. Januar 2004 täglich ihre Arbeitskraft am Institut für Werkzeugmaschinen und Wissenschaften angeboten; sie sei täglich im Institut für Werkzeugmaschinen und Betriebswissenschaften erschienen und habe auch weiterhin das Lehrlingsgehalt gezahlt bekommen.

Zum Schreiben des Beklagten vom 3. Juni 2004 wird die Ansicht vertreten, damit sei das von der Klägerin geänderte Vertragsangebot zur Kenntnis genommen und ohne weitere Vorbehalte angenommen worden.

Zur Ergänzung des Parteivorbringens im Berufungsverfahren wird Bezug genommen auf die Berufungsbegründung vom 15. Dezember 2005 (Blatt 80 bis 95 der Akte) mit Anlagen, auf die Berufungsbeantwortung vom 23. Januar 2006 (Blatt 122 bis 127 der Akte) mit Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 6. November 2006 (Blatt 139 bis 141 der Akte).

Entscheidungsgründe:

Die statthafte (§ 64 Abs. 2 ArbGG) und auch sonst zulässige Berufung (§ 66 Abs. 1 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO, § 11 Abs. 2 ArbGG) mit dem Ziel, die zur Entscheidung gestellten Forderungen abgewiesen zu bekommen, muss erfolglos bleiben. Die angegriffene Entscheidung ist nicht zu beanstanden. Den zutreffenden Begründungen dazu schließt sich die Berufungskammer zunächst einmal an (§ 69 Abs. 2 ArbGG).

Der Klägerin stehen die geltend gemachten Zahlungsansprüche dem Grunde nach zu gemäß § 1 des Tarifvertrages über ein Urlaubsgeld für Angestellte und gemäß § 1 des Tarifvertrags über eine Zuwendung für Angestellte. Diese Tarifverträge gelten auf der Grundlage von § 4 Abs. 5 TVG auch für das zwischen den Parteien ab 27. Januar 2004 bestehende Arbeitsverhältnis. Dieses Arbeitsverhältnis ist - wie vom Erstgericht dargelegt und sorgfältig begründet - durch einen Statuswechsel vom Auszubildenden zum Arbeitnehmer auf der Grundlage von § 9 Abs. 2 BayPVG zu Stande gekommen und die Klägerin hatte auch tatsächlich nach erfolgreich abgelegter Prüfung nahtlos als Angestellte an der Technischen Universität M. in G. weitergearbeitet. Im personalvertretungsrechtlichen Beteiligungsverfahren sprach der Arbeitgeber von "Weiterbeschäftigung" und so vermag die Berufungskammer in diesem Zusammenhang übereinstimmend mit dem Erstgericht die (rechtlich schädliche) Neubegründung eines Arbeitsverhältnisses nicht zu erkennen.

Davon ausgehend hätte der im Arbeitsvertrag vorgesehene Abs. 2 von § 2 durchaus Sinn gemacht, er ist zwischen den Parteien aber nicht wirksam vereinbart worden. Die Klägerin hatte ihn nur unter Vorbehalt unterzeichnet, nach § 150 Abs. 2 BGB also abgelehnt mit einem neuen Angebot. Dieses wiederum hat der Beklagte nicht angenommen, wie die Schreiben der TU M. vom 3. und 9. Juni 2004 erkennen lassen. Statt nun eine Entscheidung zu erzwingen hat der Beklagte die Klägerin weiter arbeiten lassen zu den bereits bisher bestehenden Bedingungen: eingruppiert in die Vergütungsgruppe VI b BAT der Anlage 1a zum BAT, eingesetzt im Institut für Werkzeugmaschinen und Wissenschaften. Ein treuwidriges Verhalten der Klägerin durch verspätetes Rücksendes des Arbeitsvertrages ist nicht gegeben, der Beklagte hatte dafür auch keine Frist gesetzt. Die Nachwirkung der beiden Tarifverträge über Zuwendung und Urlaubsgeld ist damit nicht ausgeschlossen worden und es verbleibt mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO bei der angefochtenen Entscheidung.

Für den Beklagten wird die Revision zugelassen (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG).

Ende der Entscheidung

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