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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 28.06.2005
Aktenzeichen: 6 Sa 1321/04
Rechtsgebiete: EuGVVO


Vorschriften:

EuGVVO Art. 19
Streit über Lohnansprüche und die Herausgabe der Arbeitspapiere bei einem Arbeitsverhältnis mit internationalem Bezug. Zurückweisung des Rechtsstreits ans Arbeitsgericht.
LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

6 Sa 1321/04

Verkündet am: 28. Juni 2005

In dem Rechtsstreit

hat die Sechste Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 28. Juni 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Staudacher sowie die ehrenamtlichen Richter Ahl und Babiak für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung des Klägers vom 24. November 2004 wird das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 22. Oktober 2004 aufgehoben.

2. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das Arbeitsgericht zurückverwiesen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über Lohnansprüche für die Zeit vom 1. Juli bis 30. September 2002 und die Herausgabe verschiedener Arbeitspapiere.

Der im Dezember 1967 geborene Kläger lässt vortragen, seit 2. Januar 1997 bei der Beklagten, einer juristischen Person niederländischen Rechts mit Sitz in Amsterdam, europaweit, zum Teil auch weltweit als European Multimedia Marketing Manager und später als Director of Marketing, beschäftigt gewesen zu sein. Daneben habe er für eine Tochtergesellschaft der Beklagten in München, die Fa. S., vom 1. Juli bis 30. September 2002 mit 10 Wochen­stunden gearbeitet. Auf einen in niederländischer und englischer Sprache abgefassten Arbeitsvertrag vom 1. April 1998 (Blatt 13 bis 19 der Akte) wird Bezug genommen. Den Kläger findet man darin als in Amsterdam wohnend bezeichnet, der Vertrag regelt seine Beschäftigung bei der Beklagten ab 1. März 2001.

Tatsächlich hatte der Kläger während dieser Tätigkeit nicht in Amsterdam, sondern mit festem Wohnsitz in München gewohnt und war von September 2001 bis Ende April 2002 für die Beklagte in Australien tätig gewesen. Im Übrigen bestand die klägerische Tätigkeit meist aus Reisen zur Überprüfung von europaweit tätigen Schulungsunternehmen mit Sitz in verschiedenen europäischen Staaten.

Der Kläger lässt vortragen, er habe seine Arbeiten für die europäischen Schulungsunternehmen der Beklagten in seinem Büro bei der Firma S. in München erledigt. Seine Reisen seien von München aus angetreten worden und nach München sei er auch wieder zurückgekehrt. Ein anwendbares Arbeitsrecht hätten die Parteien nicht gewählt und so bringt er gemäß Artikel 30 Absatz 2 Nr. 1 EGBGB deutsches Recht zur Anwendung; das organisatorische Zentrum seines Arbeitsverhältnisses sei vom Australienaufenthalt abgesehen stets München gewesen.

Zusammengefasst hält er daran fest, seit dem 2. Januar 1997 regelmäßig bei zwei Gesellschaften der Unternehmensgruppe der Beklagten angestellt gewesen zu sein mit einer der Bestätigung vom 17. Dezember 1998 (Blatt 11 der Akte) in Verbindung mit dem Schreiben vom 29. Dezember 2002 (Blatt 12 der Akte) zu entnehmenden Einkommensstruktur. Er behauptet, dieses Arbeitsverhältnis nun zum 30. September 2002 gekündigt zu haben und verlangt darauf bezogen Vergütung für die letzten 3 Monate á € 4.090,34 x 3, ergibt die eingeklagten € 12.271,02. Weiter wird Herausgabe von Arbeitspapieren und eines Zeugnisses verlangt, so dass die Klageanträge lauteten:

1. Die Beklagte zu verurteilen, € 12.271,02 zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basissatz seit dem 26. Oktober 2002 an die Klägerin zu bezahlen;

2. die Arbeitspapiere des Klägers, bestehend aus

a) Lohnsteuerkarte,

b) Lohnsteuerbescheinigung der Beklagten,

c) Sozialversicherungsausweis,

d) schriftlichem Nachweis der Zahlungen an die Sozialversicherungsträger durch die Beklagte,

e) Arbeitszeugnis,

herauszugeben.

Das angerufene Arbeitsgericht München hat nach Vernehmung eines Zeugen seine internationale Zuständigkeit für diese Klagebegehren verneint und die Klage (wohl als unzulässig) abgewiesen. Zur Begründung findet man ausgeführt, der Kläger habe nicht in München seine Arbeit gewöhnlich verrichtet, wie Artikel 19 Nr. 2 b) EuGVVO es verlangt, so dass ein niederländisches Gericht für seine Klage international zuständig sei. Über die Dauer des Arbeitsverhältnisses gesehen, soweit sie unstreitig sei, habe der Kläger sich etwa acht Monate in Australien und acht Monate innerhalb Europas von München aus auf Reisen befunden. Damit lasse sich der Schwerpunkt seiner Tätigkeit aber nicht in München als gewöhnlichem Ort der Arbeitsleistung finden, sondern in Amsterdam, da Inhalt der klägerischen Tätigkeit das ständige Reisen und Arbeiten an den unterschiedlichsten Orten in Europa gewesen war. Auch wegen der von ihrer Dauer her gleich langen Tätigkeitszeiten in Australien und in Europa sei ein gewöhnlicher Arbeitsort abweichend von Amsterdam nicht feststellbar. Auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des Endurteils vom 22. Oktober 2004 wird ergänzend Bezug genommen.

Mit der am 26. November 2004 beim Landesarbeitsgericht München eingegangenen Berufung gegen dieses seinem Prozessbevollmächtigten am 8. November 2004 zugestellte Urteil verfolgt der Kläger seine Anträge weiter. Die Begründung dazu ist am 10. Januar 2005 eingegangen. Darin wird ausgeführt, der Kläger mache seine zur Entscheidung gestellten Ansprüche keineswegs (nur) auf der Grundlage des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 1. April 1998 geltend, der im Übrigen auch erst im Februar oder März 2001 unterschrieben worden sei. Er habe vielmehr für die Beklagte schon auf der Basis einer im Jahre 1997 mündlich geschlossenen Vereinbarung als Director of Marketing gearbeitet und daneben dann auch noch das weitere schriftlich niedergelegte Arbeitsverhältnis vereinbart. Dementsprechend würden die Ansprüche auf Herausgabe der Arbeitspapiere auch für einen Zeitraum von Beginn seines Arbeitsverhältnisses geltend gemacht und der Lohnanspruch für einen Zeitraum nach Beendigung des Vertrages vom 1. April 1998. Im Folgenden lässt der Kläger seine Tätigkeiten für die Beklagten dann noch einmal schildern und schließlich beantragen:

I. Das Urteil des Arbeitsgerichts München, Az. 22 Ca 5261/04, verkündet am 22. Oktober 2004 und zugestellt am 8. November 2004, wird aufgehoben. Der Rechtsstreit wird an das Arbeitsgericht zurückverwiesen.

II. Die Beklagte wird verurteilt, € 12.271,02 zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 26. Oktober 2002 an den Kläger zu bezahlen.

III. Die Beklagte wird verurteilt, die Arbeitspapiere des Klägers bestehend aus

1. Lohnsteuerkarte,

2. Lohnsteuerbescheinigung der Beklagten,

3. Sozialversicherungsausweis,

4. schriftlichem Nachweis der Zahlung an die Sozialversicherungsträger durch die Beklagte,

5. Arbeitszeugnis,

herauszugeben.

Die Beklagte lässt beantragen:

Die Berufung zurückzuweisen.

Den Überlegungen des Erstgerichts pflichtet sie bei, den Ausführungen in der Berufungsbegründung tritt sie entgegen. Aus ihrer Sicht ist die Klage tatsächlich unzulässig, das angerufene Arbeitsgericht unzuständig. Der Kläger habe seine Begehren auf den schriftlichen Arbeitsvertrag, auf ein privates Gefälligkeitsschreiben des Zeugen G. und auf eine gefälschte Bestätigung vom 17. Dezember 1998 (Blatt 11 der Akte) gestützt.

Die Beklagte hält daran fest, den Kläger lediglich vom 1. März 2001 bis 30. Juni 2002 beschäftigt zu haben. Darüber hinaus gebe es weder davor noch danach ein wie auch immer geartetes Anstellungsverhältnis zwischen den Parteien.

In der Berufungsverhandlung hat der klägerische Prozessbevollmächtigte nach Aussprache zu Protokoll gegeben, dass das Hauptarbeitsverhältnis mit der Beklagten vom 1. März 2001 bis Juni 2002 und die Arbeitsverhältnisse mit der S. GmbH nicht Gegenstand dieses Verfahrens seien.

Zur Ergänzung des Beteiligtenvorbringens im Berufungsverfahren wird Bezug genommen auf die Berufungsbegründung vom 7. Januar 2005 (Blatt 190 bis 195 der Akte), auf die Berufungsbeantwortung vom 9. Mai 2005 (Blatt 197 bis 200 der Akte) sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 28. Juni 2005 (Blatt 206 bis 208 der Akte).

Entscheidungsgründe:

Die statthafte (§ 64 Abs. 2 ArbGG) und auch sonst zulässige Berufung (§ 66 Abs. 1 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO, § 11 Abs. 2 ArbGG) mit dem Ziel, den Rechtsstreit an das Erstgericht zurückverwiesen oder die zur Entscheidung gestellten Anträge zugesprochen zu bekommen, hat nur mit dem Verfahrensantrag Erfolg. Unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung war der Rechtsstreit an das Erstgericht zurückzugeben, weil sich dieses bei seiner Entscheidung in Übereinstimmung mit der Beklagten, aber zu Unrecht allein auf die Zeit vom 1. März 2001 bis Juni 2002 beschränkt hatte und dabei auch wegen eines rund achtmonatigen Aufenthalts des Klägers in Australien in diesem Zeitraum zum Ergebnis gekommen war, das angerufene Arbeitsgericht als international unzuständig und die Klage als unzulässig anzusehen (§ 538 Abs. 2 Nr. 3 ZPO in Verb. mit § 64 Abs. 6, § 68 ArbGG). Nun hatte der Kläger aber nicht nur im Berufungsverfahren, sondern auch schon in seiner Klageschrift vom 30. März 2004 davon gesprochen, seit circa 10 Jahren im Unternehmen der Beklagten ... tätig gewesen zu sein. Er verlangt den Nachweis über abgeführte Sozialversicherungsbeiträge für die Jahre 1997 bis 2002, erhaltene Gehaltszahlungen in diesem Zeitraum findet man auf Seite 5 seiner Klage aufgelistet.

Zum behaupteten ausschließlichen Tätigsein in München nach Rückkehr aus Australien waren schließlich auch weitere Zeugen angeboten gewesen und so kann das vom Erstgericht vertretene Ergebnis mit der dazu gegebenen Begründung von der Berufungskammer auch nicht bestätigt werden.

Für eine Zulassung der Revision besteht keine gesetzlich begründete Veranlassung (§ 72 Abs. 2 ArbGG). Auf § 72 a ArbGG wird hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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