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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 27.02.2007
Aktenzeichen: 6 Sa 8908/06
Rechtsgebiete: BAT, TÜV-VKA


Vorschriften:

BAT § 62 a. F.
BAT § 64 a. F.
BAT § 83 Abs. 5 a. F.
TÜV-VKA § 11
Der Anspruch auf das tarifliche Übergangsgeld des § 62 BAT a. F. knüpft an das Ausscheiden der Arbeitnehmerin aus dem Arbeitsverhältnis an.
LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

6 Sa 908/06

Verkündet am: 27. Februar 2007

In dem Rechtsstreit

hat die Sechste Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 27. Februar 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Staudacher sowie die ehrenamtlichen Richter Platzer und Hartl für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Arbeitsgerichts München - Gerichtstag Freising - vom 28. Juni 2006 abgeändert und die Klage kostenpflichtig abgewiesen.

2. Für die Klägerin wird die Revision zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um ein Übergangsgeld nach § 62 BAT.

Die im Oktober 1966 geborene Klägerin war bei der Beklagten auf der Grundlage des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 4. August 1986 (Blatt 6 bis 7 der Akte) seit dem 10. Juli 1986 beschäftigt gewesen.

Am 4. März 2003 brachte die Klägerin ein Kind zur Welt. Sie kündigte daraufhin mit Schreiben vom 20. Mai 2003 (Blatt 32 der Akte) dieses Arbeitsverhältnis zum Ende ihres Erziehungsurlaubs (3. März 2006). Die Kündigung war beklagtenseits mit Schreiben vom 22. Mai 2003 (Blatt 13 der Akte) bestätigt worden.

Die Klägerin hatte nach ihrem Ausscheiden keine anderweitige Tätigkeit angenommen und auch Leistungen nach § 83 Abs. 5 BAT nicht erhalten. Dies war der Beklagten mit anwaltschaftlichem Schreiben vom 26. Januar 2006 (Blatt 15 bis 16 der Akte) mitgeteilt worden verbunden mit dem Verlangen auf Zahlung des tariflichen Übergangsgeldes. Dazu war die Beklagte aber nicht bereit gewesen. Soweit sie in einem Beiblatt zu ihrem Schreiben vom 12. September 2005 die Ansicht vertreten hatte, zur Leistung des Übergangsgeldes nicht mehr verpflichtet zu sein, weil es mittlerweile mit Wirkung vom 1. Oktober 2005 einen neuen Tarifvertrag gebe, der ein Übergangsgeld nicht mehr vorsehe, tritt die Klägerin dieser Auslegung entgegen. Sie weist darauf hin, ihre Kündigung entsprechend den Voraussetzungen des § 82 BAT a. F. rechtzeitig erklärt zu haben. § 64 BAT a.F. regle lediglich die Fälligkeit der Zahlung, die Zahlungspflicht sei mit ihrer Kündigung bereits entstanden.

Mit anwaltschaftlichem Schriftsatz vom 29. März 2006 hat die Klägerin ihr Zahlungsverlangen zum Arbeitsgericht München gerichtlich geltend machen lassen und sie war damit im Wesentlichen auch erfolgreich gewesen. Auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des Endurteils vom 28. Juni 2006 wird Bezug genommen.

Mit der am 4. August 2006 beim Landesarbeitsgericht München eingegangenen Berufung gegen diese am 25. Juli 2006 zugestellte Entscheidung verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Die Begründung dazu ist am 25. September 2006 eingegangen. Darin wird ausgeführt, die Klägerin könne weder aus einem Tarifvertrag noch aus einer Vereinbarung der Parteien Gewährung von Übergangsgeld verlangen. Der nunmehr geltende Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst (TVöD) enthalte keine mit § 62 BAT (a.F.) vergleichbaren Regelungen, der TVÜ-VKA sehe eine Weitergeltung des § 62 BAT nicht vor. Soweit das Erstgericht angenommen hatte, dieser Anspruch sei bereits mit Zugang der Kündigung entstanden, weil zu diesem Zeitpunkt schon sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen des § 62 BAT (a.F.) vorlagen, tritt die Beklagte dem entgegen. Aus ihrer Sicht war der Anspruch auf Übergangsgeld erst mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses, d.h. mit dem tatsächlichen Ausscheiden der betroffenen Beschäftigten entstanden. Das sei hier zum 3. März 2006 und damit zu einem Zeitpunkt geschehen, zu dem der BAT bereits durch den TVöD ersetzt worden war. Das Tatbestandsmerkmal "Beendigung des Arbeitsverhältnisses" wird als zwingende Voraussetzung für das Gewähren von Übergangsgeld gemäß § 62 Abs. 1 BAT (a.F.) gesehen.

Die Beklagte habe der Klägerin auch zu keiner Zeit, weder mündlich noch schriftlich, zugesichert, dass sie unabhängig von der Geltung dieser tariflichen Anspruchsgrundlage Übergangsgeld erhalten werde, wenn sie das Arbeitsverhältnis beende. Der Klägerin sei anlässlich ihrer Schwangerschaft lediglich das Merkblatt "Hinweise zum Mutterschutz und zur Elternzeit" (Blatt 8 bis 12 der Akte) des S.-verbandes Bayern übergeben worden. Dieses Hinweisblatt habe aber nur die zum Zeitpunkt seiner Erstellung im Januar 2004 geltende Gesetzes- und Tariflage enthalten. Darüber hinausgehende Zusicherungen der Beklagten seien darin nicht enthalten.

Mit Schreiben vom 12. September 2005 (Blatt 14 der Akte) habe die Beklagte der Klägerin die Überleitung ihres Arbeitsverhältnisses in den TVöD mit einem Vergleichsentgelt in Höhe von € 2.116,04 mitgeteilt. Soweit dabei auch die Weiterzahlung des bisherigen kinderbezogenen Ortszuschlags in Form einer Besitzstandszulage angekündigt worden war, entspreche dies nicht mehr der zur Zeit geltenden Rechtslage. Die Beklagte verweist auf § 11 Abs. 1 S. 1 TVÜ-VKA und leitet daraus ab, dass die Klägerin, da ihr im September 2005 noch keine kinderbezogenen Entgeltbestandteile zustanden, nunmehr auch die Besitzstandszulage nach § 11 TVÜ-VKA nicht verlangen könne. Im Folgenden wird diese Auslegung eingehend begründet.

Hilfsweise lässt die Beklagte auch die geltend gemachte Anspruchshöhe bestreiten. Damit lauten ihre Berufungsanträge:

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts München - Gerichtstag Freising - vom 28. Juni 2006, Az.: 4 b Ca 4387/06 F, wird aufgehoben.

2. Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin lässt beantragen:

Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Den Überlegungen des Erstgerichts pflichtet sie bei, den Ausführungen in der Berufungsbegründung tritt sie entgegen. Ergänzend dazu wird betont, dass die Klägerin weiterhin davon ausgehe, dass zwischen den Parteien eine vertragliche Regelung als Grundlage für die Zahlung eines Übergangsgeldes getroffen worden sei. Sie habe damals vor Geburt ihres Kindes von einer tariflichen Regelung, wonach im Falle einer Kündigung ein Übergangsgeld bezahlt werde, nichts gewusst. Darauf sei sie von der Personalleitung der Beklagten hingewiesen worden. Als sie dann ihr Kind geboren hatte, sollte sie sich nach dem Wunsch der Beklagten alsbald entscheiden, ob sie das Arbeitsverhältnis nach der Schutzfrist wieder fortsetzen oder zunächst einmal die Elternzeit in Anspruch nehmen würde. In diesem Zusammenhang habe es dann auch Gespräche mit der Personalleitung gegeben. Dabei sei ihr gesagt worden, wenn sie binnen einer Frist von drei Monaten die Kündigung erkläre, würde sie eine Abfindung erhalten.

Bisher sei seitens der Beklagten nur darauf hingewiesen worden, dass sich die tarifliche Regelung geändert habe. Dabei werde jedoch verschwiegen, dass die zwischen den Parteien getroffene Regelung durchaus ein Interesse der Beklagten abdeckte. Sie habe einen Anspruch auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses gehabt, sei es nun gleich nach der Mutterschutzfrist oder erst nach Ablauf von drei Jahren. Damit verbunden sei für die Arbeitgeberin ein erhebliches Unsicherheitspotenzial gewesen. Sie hätte Ersatzkräfte nur befristet einstellen können. Mit der tariflichen Regelung habe sie sich damit Sicherheit erkauft, die junge Mutter nicht mehr einstellen zu müssen. Aus dieser Interessenlage heraus sei der Klägerin das Übergangsgeld versprochen worden. Dass die Beklagte den Vorteil dieser frühzeitigen Kündigung genutzt habe, ohne dafür jetzt die versprochene Gegenleistung zu erbringen, wird als ungerecht gewertet.

Bei diesem Übergangsgeld gehe es auch keineswegs nur um das Abfedern von finanziellen Verlusten durch das Ausscheiden der Arbeitnehmerin, vielmehr könne die Arbeitgeberin durch die Kündigung ab sofort über diesen Arbeitsplatz wieder frei verfügen. Bei Arbeitgeberkündigung hätte sie in den Augen der Klägerin mit einer Abfindung von sicherlich nicht unter € 20.000,--rechnen müssen. Dies unterstreiche das Interesse der Beklagten daran, dass sich die Klägerin rasch nach der Geburt ihres Kindes entschieden habe, das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung des Übergangsgeldes zu beenden.

Unabhängig davon lässt die Klägerin weiterhin die Ansicht vertreten, dass der zur Entscheidung gestellte Anspruch bereits mit Ausspruch ihrer fristgerechten Kündigung entstanden sei. Die tarifvertragliche Regelung, die den Zeitpunkt der Auszahlung betreffe, bestimme nur die Fälligkeit des Anspruchs.

Zur Ergänzung des Parteivorbringens im Berufungsverfahren wird Bezug genommen auf die Berufungsbegründung vom 25. September 2006 (Blatt 52 bis 60 der Akte), auf die Berufungsbeantwortung vom 21. November 2006 (Blatt 72 bis 74 der Akte) sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 27. Februar 2007 (Blatt 75/76 der Akte).

Entscheidungsgründe:

Die statthafte (§ 64 Abs. 2 ArbGG) und auch sonst zulässige Berufung (§ 66 Abs. 1 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO, § 11 Abs. 2 ArbGG) mit dem Ziel, den vom Erstgericht zugesprochenen Anspruch auf Zahlung eines Übergangsgeldes nach § 62 BAT unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung abgewiesen zu bekommen, hat Erfolg. Es gibt für dieses Verlangen keine tragfähige Rechtsgrundlage.

1. Die Vorschriften des Bundes-Angestelltentarifvertrages vom 23. Februar 1961 (BAT) in der für den Bereich des Bundes und der Länder jeweils geltenden Fassung haben auf das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme Anwendung gefunden. Tarifverträge gelten dabei nach der sog. Zeitkollisionsregel, der jüngere verdrängt den älteren Vertrag. Nach dem 01. Oktober 2005 sind damit die Tarifbestimmungen anzuwenden, wie sie sich aus dem TVöD und dem TVÜ-VKA ergaben. Aus diesen Tarifbestimmungen ergibt sich jedoch der klägerische Anspruch auf ein Übergangsgeld nicht mehr.

Entscheidend für das zur Entscheidung gestellte Begehren ist die Rechtslage zum Zeitpunkt der Beendigung dieses Arbeitsverhältnisses, das war im Streitfall der 3. März 2006 gewesen. Die tarifliche Anspruchsgrundlage in § 62 Abs. 1 BAT (a.F.) knüpft am Tage der Beendigung des Arbeitsverhältnisses an, dieser Wortlaut erscheint eindeutig. Der Anspruch auf Übergangsgeld war nach § 62 Abs. 1 BAT (a.F.) nicht aufgrund eines Umstandes entstanden, der zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses oder zu einer sonstigen Beendigungserklärung geführt hatte, sondern aufgrund des Ausscheidens der Arbeitnehmerin aus dem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten. Am 3. März 2006 galt der BAT aber nicht mehr. Maßgebend sind nunmehr die zu diesem Zeitpunkt geltenden rechtlichen Bestimmungen.

2. Die Klägerin musste auch mit einer Änderung der Tarifbestimmungen rechnen. Alle Tarifregelungen stehen unter dem Vorbehalt ihrer Änderung durch die Tarifvertragsparteien. Es ist Teil der den Tarifvertragsparteien zustehenden Tarifautonomie, bestehende Tarifnormen jederzeit auch zu Lasten der Arbeitnehmer ändern zu können (vgl. BAG, Urteil vom 13. Dezember 2005 - 3 AZR 478/04 - AP Nr. 49 zu § 2 BetrAVG m.w.Nw.). Aufgrund der dynamischen Verweisung im Arbeitsvertrag gilt vorliegend für die Klägerin nichts anderes (vgl. LAG Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg Urteil vom 15. März 2007 - 3 Sa 51/06, zitiert nach Juris).

3. Die Klägerin kann ihren Anspruch auch nicht auf eine individuelle Zusage der Beklagten stützen. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Beklagte über die Tarifregelung hinaus der Klägerin eine tariflich nicht vorgesehene Leistung gewähren wollte. Wenn die Beklagte oder ihre Personalleitung die Klägerin über die Möglichkeit eines Übergangsgeldes belehrt (Hinweise zum Mutterschutz und zur Elternzeit, Stand: 01/2004) und ihr die Kündigung nahe gelegt haben, handelten sie ausschließlich auf der Grundlage der damals geltenden tariflichen Regelungen, die vollzogen werden sollten, soweit die Voraussetzungen vorlagen. Soweit die Klägerin innerhalb von drei Monaten nach erfolgter Niederkunft (§ 62 Abs. 3 Nr. 2 lit. b BAT) die Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses zum Ende der Elternzeit ausgesprochen hatte, zeigt sie damit selbst, dass auch sie die tariflichen Bestimmungen einhalten wollte. Die Beklagte hatte trotz ihrer Eigeninteressen in diesem Zusammenhang keinerlei Anlass, der Klägerin etwas zuzusagen, was ihr nicht aufgrund von § 62 BAT (a.F.) zustand. Wegen der Bindung des öffentlich-rechtlich verfassten Arbeitgebers an haushaltsrechtliche Bestimmungen kann der Arbeitnehmer grundsätzlich nicht davon ausgehen, dass ihm der Arbeitgeber eine Leistung zusagen will, die nicht einzelvertraglich oder tariflich vorgesehen ist (in Anlehnung an LAG Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg Urteil vom 15. März 2007 - 3 Sa 51/06, zitiert nach Juris).

4. Die Beklagte hatte die Klägerin über die Voraussetzungen dieses Anspruchs schließlich auch nicht unzutreffend aufgeklärt. Die Klägerin führt keinen Sachverhalt an, der Anlass zur Annahme gäbe, die Beklagte oder ihre handelnden Bediensteten hätten gewusst oder mindestens erwartet, dass sich die Tariflage zu Lasten der Klägerin ändern wird.

Damit kann die gegenteilige Entscheidung des Arbeitsgerichts München nicht bestehen bleiben. Mit der Kostenfolge aus § 91 Abs. 1 ZPO ist die Klage abzuweisen.

Für die Klägerin wird die Revision zugelassen (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG).

Ende der Entscheidung

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