Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Beschluss verkündet am 09.03.2006
Aktenzeichen: 6 TaBV 72/05
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 23 Abs. 3
BetrVG § 100
Bei oder kurz nach Einleitung des Zustimmungsersetzungsverfahrens waren die Kurzzeitarbeitnehmer schon nicht mehr beschäftigt.

Die eingeleiteten Verfahren werden daraufhin vom Arbeitsgericht eingestellt.


LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES BESCHLUSS

6 TaBV 72/05

Verkündet am: 9. März 2006

In dem Beschlussverfahren

hat die Sechste Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Anhörung vom 9. März 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Staudacher sowie die ehrenamtlichen Richter Raum und Auhuber für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Beschwerde des Betriebsrats vom 21. Oktober 2005 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 1. August 2005 wird zurückgewiesen.

2. Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung der Arbeitgeberin, vorgenommene Einstellungen aufzuheben in Verbindung mit einem Unterlassungsantrag nebst einer Androhung von Ordnungsgeld.

Antragsteller (Beteiligter zu 1) ist der Betriebsrat bei der Arbeitgeberin (Beteiligte zu 2). Diese hatte bezogen auf die in der Antragsschrift genannten Arbeitnehmer ihren Betriebsrat zu vorläufigen personellen Maßnahmen gemäß § 100 BetrVG angehört. Die Anhörungsschreiben datierten vom 24. Juni 2004 (Blatt 7 bis 13 der Akte), eingegangen beim Betriebsrat am 28. Juni 2004. Die Arbeitnehmer sollten allesamt kurzfristig als Schreiner beschäftigt werden, und zwar teils vom 28. Juni bis 2. Juli 2004, teils vom 29. Juni bis 2. Juli 2004 und einer vom 28. Juni bis 16. Juli 2004.

Der Betriebsrat hatte mit Schreiben vom 29. Juni 2004 (Blatt 14 der Akte) in all diesen Fällen der Beschäftigung widersprochen. Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 100 Abs. 2 BetrVG sind nicht eingeleitet worden.

Weiter erfuhr der Betriebsrat, dass die Arbeitgeberin für die Produktion ... den Arbeitnehmer M. beschäftigt hatte. Auf Nachfrage ist ihm mitgeteilt worden, dass dies ohne Beteiligung nach § 99 BetrVG in Form einer Arbeitnehmerüberlassung geschehen war.

Der Betriebsrat rügt die Verletzung seiner Mitbestimmungsrechte und verlangt Aufhebung dieser Einstellungen, gegebenenfalls Feststellung der Hauptsacheerledigung im Hinblick auf die zwischenzeitlich eingetretene Beendigung dieser Arbeitsverhältnisse.

Weiter erachtet er einen Unterlassungsanspruch als gegeben. Mit anwaltschaftlichem Schriftsatz vom 13. August 2004 hat er das vorliegende Beschlussverfahren einleiten lassen mit den Anträgen:

I. Der Beteiligten wird aufgegeben, die Einstellung folgender Arbeitnehmer:

- B.

- D.

- E.

- E.

- H.

- R.

- W.

- W.

- M.

in ihrem Betrieb aufzuheben.

II. Der Beteiligten wird aufgegeben, es zu unterlassen, Arbeitnehmer in ihrem Betrieb zu beschäftigen, ohne dass der Antragsteller deren Einstellung zugestimmt hat bzw. dessen Zustimmung durch das Arbeitsgericht ersetzt ist.

III. Der Beteiligten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gemäß Ziffer II. ein Ordnungsgeld angedroht.

Vor dem angerufenen Arbeitsgericht München sind diese Begehren erfolglos geblieben. Auf die Begründung des Beschlusses vom 1. August 2005 wird Bezug genommen.

Mit der am 21. Oktober 2005 beim Landesarbeitsgericht München eingegangenen Beschwerde gegen diese seinen Verfahrensbevollmächtigten am 21. September 2005 zugestellte Entscheidung verfolgt der Betriebsrat die Anträge II. und III. weiter. Die Begründung dazu ist innerhalb der verlängerten Begründungsfrist am 21. Dezember 2005 eingegangen. Darin wird der den Anträgen zu Grunde liegende Sachverhalt noch einmal dargestellt sowie auf eine Vielzahl ähnlicher vor dem Arbeitsgericht München anhängiger Verfahren hingewiesen. In all diesen Fällen habe die Antragsgegnerin den Betriebsrat nicht rechtzeitig im Sinne von § 99 BetrVG beteiligt und so sei es diesem regelmäßig auch nicht möglich gewesen, die Wochenfrist gem. § 99 Abs. 3 BetrVG auszuschöpfen. In den folgenden Beschlussverfahren habe die Arbeitgeberin dann regelmäßig Hauptsacheerledigung erreicht und nicht etwa die Anträge zurückgenommen. Als Anspruchsgrundlage für den Unterlassungsantrag wird auf § 23 Abs. 3 BetrVG abgestellt und der Beteiligten zu 2) ein grober Verstoß gegen Pflichten aus dem Betriebsverfassungsgesetz vorgehalten. Die Arbeitgeberin beschäftige im kurzfristigen Einsatz eine größere Zahl von Mitarbeitern, ohne dass vorher der Betriebsrat zugestimmt hätte. Sie leitete sodann ein gerichtliches Verfahren ein, wohl wissend, dass zu diesem Zeitpunkt entweder der entsprechende Mitarbeiter das Unternehmen schon wieder verlassen habe oder jedenfalls im Laufe des Verfahrens verlassen werde. Dieses Verhalten wertet der Betriebsrat als grob rechtsmissbräuchlich, weil so die Beteiligungsrechte nach § 99 BetrVG bei kurzfristigen Einstellungen und Beschäftigungen ins Leere liefen. Die Beschwerdeanträge lauten damit:

Der Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 1. August 2005, Az.: 23 BV 307/04, wird insoweit abgeändert, als er die Anträge des Antragstellers II. (Unterlassung) und III. (Ordnungsgeld) zurückweist und es wird wie folgt entschieden:

1. Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, es zu unterlassen, Arbeitnehmer in ihrem Bereich zu beschäftigen, ohne dass der Antragsteller deren Einstellung zugestimmt hat bzw. dessen Zustimmung durch das Arbeitsgericht ersetzt ist oder ein Fall des § 100 BetrVG vorliegt.

2. Der Antragsgegnerin wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gemäß Ziffer 1. ein Ordnungsgeld angedroht.

Die Arbeitgeberin lässt beantragen:

Die Beschwerde des Antragstellers und Beschwerdeführers vom 21. Dezember 2005 wird zurückgewiesen.

Dem Unterlassungsantrag wird entgegengehalten, dass es der Beschwerdegegnerin gemäß den gesetzlichen Bestimmungen ohne weiteres möglich gewesen sei, Mitarbeiter gemäß § 100 Abs. 1 Satz 1 BetrVG vorläufig zu beschäftigen. Das könne selbst dann geschehen, wenn der Betriebsrat der Einstellung nicht zugestimmt habe bzw. die Zustimmung durch das Arbeitsgericht nicht ersetzt worden ist. Die gesetzliche Bestimmung des § 100 Absatz. 1 Satz 1 BetrVG sehe gerade die Möglichkeit vor, Arbeitnehmer sogar dann vorläufig zu beschäftigen, wenn der Betriebsrat seine Zustimmung verweigert habe. Nach Ansicht der Arbeitgeberin würde der zur Entscheidung gestellte Unterlassungsantrag diese gesetzlichen Befugnisse einschränken.

Im Übrigen sei der Antragsteller/Betriebsrat zu den streitbefangenen Einstellungen auch ordnungsgemäß angehört worden. Den Mitteilungen könne zwar der Wortlaut "gemäß § 100 BetrVG" entnommen werden, die Anhörung nach § 99 BetrVG sei damit aber ebenfalls erfolgt. Die Arbeitgeberin habe in der Vergangenheit die Rechte des Betriebsrats stets beachtet, Gegenteiliges trage auch der Antragsteller nicht vor. Damit könne es aus Sicht der Arbeitgeberin aber eine Rechtfertigung für diesen Unterlassungsanspruch nicht geben. Die kurzfristige Beschäftigung der streitgegenständlichen Mitarbeiter wird damit begründet, dass am 28. Juni 2004 mit den Vorbereitungen zu einer neuen Produktion begonnen worden sei, am 29. Juni 2004 habe man mit dem Vorbau angefangen, die Grunddekoration sollte bis 23. Juli 2004 fertig sein, da anschließend die Malerarbeiten, das Einleuchten und Einrichten geplant gewesen seien. Bei diesen Arbeiten hätten die verantwortlichen Mitarbeiter der Arbeitgeberin festgestellt, dass das beschäftigte Personal mit Ausnahme eines Mitarbeiters ab 28. Juni 2004 zur Ausführung dieses Auftrags nicht zur Verfügung gestanden habe. Da der Antragsteller in der Vergangenheit bei parallel laufenden Projekten im Bereich Dekorationsbau seine Zustimmung zu personellen Maßnahmen nie verweigert hatte, seien diese Mitarbeiter eben entsprechend eingesetzt worden. Eine Verzögerung des Baubeginns hätte erhebliche wirtschaftliche Konsequenzen für die Arbeitgeberin nach sich gezogen. Der Einwand, dass eigene Fachkräfte hätten eingesetzt werden können, wird von der Antragstellerin zurückgewiesen, aus ihrer Sicht waren eigene Mitarbeiter für diese Arbeiten in der Zeit vom 28. Juni bis 4. Juli 2004 durchgehend nicht verfügbar.

Der Betriebsrat tritt diesen Ausführungen wiederum entgegen.

Zur Ergänzung des Beteiligtenvorbringens in diesem Beschwerdeverfahren wird Bezug genommen auf die Beschwerdebegründung vom 21. Dezember 2005 (Blatt 73 bis 78 der Akte), auf die Beschwerdeerwiderung vom 25. Januar 2006 (Blatt 97 bis 101 der Akte) mit Anlagen, auf den Schriftsatz der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats vom 20. Februar 2006 (Blatt 114 bis 118 der Akte), auf den Schriftsatz der Verfahrensbevollmächtigten der Arbeitgeberin vom 3. März 2006 (Blatt 119 bis 121 der Akte), auf den Schriftsatz der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats vom 8. März 2006 (Blatt 122/123 der Akte) mit Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 9. März 2006 (Blatt 128/129 der Akte).

II.

Die statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§§ 87, 89 ArbGG, § 66 ArbGG) muss erfolglos bleiben. Die angefochtene Entscheidung ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Das Erstgericht hat der Antragsgegnerin zu Recht Verletzung von Mitbestimmungsrecht aus den §§ 99, 100 und 101 BetrVG angelastet, diese sind jedoch nicht von solchem Gewicht, um daraus den Unterlassungsanspruch aus § 23 Abs. 3 BetrVG ableiten zu können. Die groben Pflichtverletzungen im Sinne dieser Bestimmung müssen objektiv erheblich und offensichtlich schwerwiegend sein (Fitting/Kaiser/Heither/Engels/Schmidt BetrVG, 21. Auflage, § 23 Rn 62 mit weiteren Nachweisen). Dieses Gewicht erlangen die der Antragsgegnerin im Streitfall angelasteten Verstöße noch nicht, ist es doch zunächst einmal nur um die kurzfristige Beschäftigung von insgesamt neun Arbeitnehmern gegangen und die Arbeitgeberin hatte bei zumindest sieben davon dem Betriebsrat eine geplante vorläufige personelle Maßnahme (§ 100 BetrVG) angezeigt. In der Vergangenheit waren die betriebsverfassungsrechtlichen Beteiligungsrechte von der Arbeitgeberin regelmäßig beachtet worden und der Betriebsrat hatte sich kooperativ verhalten. Soweit er in diesem Beschwerdeverfahren mit Schriftsatz vom 8. März 2006, beim Landesarbeitsgericht eingegangen als Fax um 17:03 Uhr und damit nach Dienstschluss, auf rund 3 Seiten aufgelistete Beschlussverfahren hat nachschieben lassen, konnten diese bei der Anhörung am 9. März 2006 zulasten der Arbeitgeberin nicht mehr berücksichtigt werden, zumal die Verfahren schriftsätzlich nicht näher dargestellt worden sind (§ 87 Abs. 3 Sätze 3 und 4 ArbGG).

Die Beschwerdekammer folgt dem Erstgericht auch bei seiner abschließenden Bemerkung, der Antragsgegnerin müsse klar sein, dass ein grober Verstoß gemäß § 23 Abs. 3 BetrVG im Wiederholungsfall zu bejahen wäre. Im Streitfall reichen die vorgetragenen Verstöße dazu jedoch noch nicht aus und so muss das Rechtsmittel erfolglos bleiben.

Gem. § 12 Abs. 5 ArbGG a.F. werden im Beschlussverfahren Kosten nicht erhoben.

Gegen diesen Beschluss wird die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht nicht zugelassen (§ 92 Abs. 1 Satz 1 ArbGG). Die grundsätzliche Bedeutung einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage ist nicht ersichtlich (§ 92 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG). Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde wird verwiesen (§ 92 a ArbGG).

Ende der Entscheidung

Zurück