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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Beschluss verkündet am 10.03.2008
Aktenzeichen: 6 TaBV 87/07
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 18 Abs. 3 Satz 1
BetrVG § 19 Abs. 2
Bei Anfechtung einer Betriebsratswahl ist die Angabe eines Antragsgegners nicht erforderlich (§ 19 BetrVG).

Eine gegenüber dem Wahlausschreiben zeitlich vorgezogene Stimmauszählung, ohne dass vorher Ort und Zeitpunkt dieser Stimmauszählung öffentlich im Betrieb bekannt gemacht worden sind, rechtfertigt die Wahlanfechtung.


LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN

IM NAMEN DES VOLKES

BESCHLUSS

6 TaBV 87/07

Verkündet am: 10. März 2008

In dem Beschlussverfahren

hat die Sechste Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Anhörung vom 10. März 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Staudacher sowie die ehrenamtlichen Richter Raum und Schönfelder

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Beschwerde des Betriebsrats vom 6. August 2007 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 21. Mai 2007 wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit einer Betriebsratswahl.

Im Betrieb der Arbeitgeberin und Beteiligten zu 6) fand in der Zeit vom 18. bis einschließlich 20. April 2006 eine Betriebsratswahl statt.

Nach dem Wahlausschreiben des Wahlvorstands vom 13. März 2006 (Blatt 5/6 der Akte) sollte die öffentliche Stimmauszählung am 23. April 2006 ab 15:30 Uhr im Aufenthaltsraum erfolgen.

Tatsächlich erfolgte die Stimmauszählung jedoch bereits am 20. April 2006. In der Wahlniederschrift mit dem Datum 20. April 2006 (Blatt 7 der Akte) stellte der Wahlvorstand fest, dass 52 Wahlumschläge mit 236 gültigen Stimmen abgegeben und die Herren St., P., C., Sch. und M. in den Betriebsrat gewählt worden sind.

Unstreitig ist weiter, dass während der Wahl am Donnerstag, den 19. April 2006 von 13:15 Uhr bis 13:45 Uhr weder ein Mitglied des Wahlvorstands noch ein von ihm bestellter Wahlhelfer im Wahlraum anwesend war, dass die Wahlurne in dieser Zeit nur vom damaligen und wiedergewählten Betriebsratsmitglied Herrn M. beaufsichtigt worden ist und dass während dessen Aufsicht Stimmabgaben durch Wahlberechtigte erfolgt sind.

Am 27. April 2006 fochten die Beteiligten zu 1) bis 4) zur Niederschrift der Rechtsantragsstelle beim Arbeitsgericht München diese Betriebsratswahl an und gaben dabei als Antragsgegner den Wahlvorstand und dessen Mitglieder an.

Mit Antrag vom 17. Juli 2006 (Blatt 19 der Akte) beantragten die Beteiligten zu 1) bis 4), das Verfahren auch auf den Betriebsrat als weiteren Beteiligten zu erstrecken. Sie sind der Ansicht, dass der Wahlvorstand durch die vorzeitige und nichtöffentliche Auszählung des Wahlergebnisses im Zusammenhang mit dem Umstand, dass die Wahlurne im Wahllokal zeitweise von ihm nicht beaufsichtigt worden war, gegen ganz wesentliche Vorschriften des Wahlverfahrens verstoßen hat und die Wahl deshalb nichtig ist. Sie beantragten vor dem Arbeitsgericht München, die Betriebsratswahl vom 18. bis 20. April 2006 für unwirksam zu erklären, und hatten damit auch Erfolg. Auf die Gründe des Beschlusses vom 21. Mai 2007 wird Bezug genommen.

Mit der am 6. August 2007 beim Landesarbeitsgericht München eingegangenen Beschwerde gegen diese dem Betriebsrat (Beteiligter zu 5) am 9. Juli 2007 zugestellte Entscheidung wird der Abweisungsantrag weiterverfolgt. Die Begründung dazu ist innerhalb der verlängerten Begründungsfrist am 9. Oktober 2007 eingegangen. Darin wird dem Erstgericht vorgehalten, die Wahl für unwirksam erklärt, inhaltlich jedoch nicht die Anfechtung der Wahl, sondern deren Nichtigkeit geprüft und angenommen zu haben. Weiter sei fehlerhaft die Kausalität zwischen Fehler und Beeinflussung des Wahlergebnisses ungeprüft geblieben.

Die Annahme des Erstgerichts, die Stimmauszählung habe unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattgefunden, wird mit Nachdruck bestritten. Für die Dauer der gesamten Stimmauszählung seien stets Arbeitnehmer da gewesen und man habe auch keinem Arbeitnehmer den Zutritt zum Auszählungsraum verweigert. Auch sei die Auszählung durch Fenster von außen, insbesondere für die gerade tätigen Tankwarte, einsehbar gewesen. Des Weiteren liege dieser Raum direkt neben dem Schichtführerraum, sei mit diesem durch eine stets offen stehende Tür verbunden. Diese Räumlichkeiten würden "wie ein Raum" genützt. Im Übrigen sei dieser Vorwurf neu und gemäß § 19 Abs. 2 BetrVG präkludiert gewesen.

Da kein Arbeitnehmer die nachträgliche Briefwahl beantragt hatte, sei der Wahlvorstand bemüht gewesen, dem Wortlaut des Gesetzes Folge zu leisten. Nach § 13 Wahlordnung ist die Stimmauszählung unverzüglich nach Abschluss der Wahl durchzuführen. Nichts anderes habe der Wahlvorstand gemacht. Eine Beeinflussung des Wahlergebnisses sei durch diese Vorverlegung der Auszählung ebenfalls nicht eingetreten. Eine Beteiligung der drei Nichtwähler hätte auch zu keinem anderen Ergebnis führen können.

Aber selbst wenn insoweit ein Fehlverhalten vorliegen sollte, könnte dies nach Ansicht des Beschwerdeführers noch keineswegs zur Nichtigkeit der Wahl führen. Dies findet man im Folgenden dann auch näher begründet. Im Übrigen lässt der Beschwerdeführer weiterhin betonen, dass es bei der Stimmauszählung zu Unregelmäßigkeiten nicht gekommen sei, und stellt das auch unter Beweis.

Zu den prozessualen Streitfragen wird vorgetragen, gemäß § 21 Abs. 2 BetrVG beginne die Amtszeit des Betriebsrats mit der Bekanntgabe des Wahlergebnisses. Dies sei hier der 25. April 2006 gewesen. Die Wahlanfechtung datiere vom 27. April 2006. Zu diesem Zeitpunkt habe sich der Betriebsrat bereits zwei Tage im Amt befunden. Der Wahlvorstand habe mit Bekanntgabe des Wahlergebnisses aufgehört zu existieren. Die Zustellung der Antragsschrift an eine nicht existente Rechtsperson sei nicht möglich.

Den Betriebsrat habe das Erstgericht erst deutlich nach Ablauf der Frist des § 19 Abs. 2 BetrVG an diesem Anfechtungsverfahren beteiligt und damit nicht mehr "demnächst". Ausführungen dazu sowie zu den Folgen dieser falschen Antragsgegnerbezeichnung schließen sich an.

Soweit das Arbeitsgericht davon ausgegangen war, der Wahlvorstand habe die Wahlurnen nicht durchgängig beaufsichtigt, wird auf den Vortrag im Schriftsatz vom 13. März 2007 verwiesen. Danach habe das damalige und jetzige Betriebsratsmitglied Herr M. die Urne nur am 19. April 2006 von 13:15 Uhr bis 13:45 Uhr alleine beaufsichtigt. Auch diesbezüglich wird wieder die vom Erstgericht nicht geprüfte Kausalität angesprochen. Die Beschwerdeanträge lauten damit:

Der Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 21. Mai 2007 (Az. 19a BV 167/06) wird abgeändert und der Antrag der Antragsteller vom 27. April 2006 zurückgewiesen.

Die Beschwerdegegner lassen beantragen:

Die Beschwerde des Beteiligten zu 5) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 21. Mai 2007, Az. 19 a BV 167/06, wird zurückgewiesen.

Hilfsweise:

Der Beschluss des Arbeitsgerichts München, Az. 19a BV 167/06, wird dahingehend abgeändert, dass festgestellt wird, dass die vom 18. April bis 20. April 2006 durchgeführte Betriebsratswahl nichtig ist.

Den Überlegungen des Erstgerichts schließen sie sich an, den Ausführungen in der Beschwerdebegründung treten sie entgegen. Ergänzend dazu wird ausgeführt, die Tatsache, dass die am 27. April 2006 zu Protokoll der Rechtsantragstelle erklärte Anfechtung gegen den Wahlvorstand gerichtet gewesen sei, stehe ihrem Erfolg ebenfalls nicht entgegen. Die Frist des § 19 BetrVG sei allein dadurch schon gewahrt, dass ein Anfechtungsberechtigter den Anfechtungsgrund bei Gericht fristgerecht einreiche.

Der Öffentlichkeitsgrundsatz wird bei der Stimmauszählung weiterhin als verletzt angesehen. Öffentlich im Sinne der Vorschriften sei nicht die allgemeine Öffentlichkeit, sondern die Betriebsöffentlichkeit. Das Gebot der Öffentlichkeit bei der Stimmauszählung erfordere, dass Ort und Zeit der Auszählung vorher öffentlich bekannt gemacht worden sind. Nach dem Wahlausschreiben habe die Stimmauszählung am 23. April 2006 ab 15:30 Uhr im Aufenthaltsraum erfolgen sollen. Tatsächlich sei die Stimmauszählung aber bereits am 20. April 2006 erfolgt. Unerheblich müsse sein, dass während dieser vorgezogenen Stimmauszählung stets Arbeitnehmer da gewesen waren. Die Vielzahl der Arbeitnehmer habe dadurch auf jeden Fall keine Möglichkeit gehabt, der Auszählung beizuwohnen.

Hinzu komme, dass damit auch die Wahlurne vorzeitig geöffnet worden und die Stimmauszählung entgegen der Ankündigung nicht im Aufenthaltsraum vorgenommen worden sei.

In Übereinstimmung mit dem Erstgericht sind die Beschwerdegegner ebenfalls der Ansicht, dass dieser schwerwiegende und offensichtliche Verstoß gegen Wahlvorschriften dazu führe, die Wahl als nichtig anzusehen.

Zum Einsatz des Wahlhelfers am 19. April 2006 wird dem Beschwerdeführer entgegengehalten, dass auch nach seinem Vortrag die Wahlurne an diesem Tag zwischen 13:15 Uhr und 13:45 Uhr allein vom Beteiligten Herrn M. beaufsichtigt worden war. Die Sicherstellung der geheimen Stimmabgabe, die Anwesenheit zweier stimmberechtigter Mitglieder des Wahlvorstandes oder eines stimmberechtigten Mitglieds und eines Wahlhelfers seien ebenfalls wesentliche Verfahrensbestimmungen im Sinne von § 19 BetrVG. Dieser Verstoß wiege umso schwerer, als in dieser Zeit ein Mitglied des Wahlvorstandes auch im Raum nicht anwesend gewesen war. Wenn der Wahlvorstand die Beaufsichtigung der Wahl einem unbeteiligten Dritten überlasse, sei der Manipulation Tür und Tor geöffnet.

Zur Ergänzung des Beteiligtenvorbringens in diesem Beschwerdeverfahren wird Bezug genommen auf die Beschwerdebegründung vom 9. Oktober 2007 (Blatt 116 bis 128 der Akte), auf die Beschwerdebeantwortung vom 19. November 2007 (Blatt 148 bis 158 der Akte) sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 10. März 2008 (Blatt 171 bis 175 der Akte).

II.

Die statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde (§ 98 Abs. 2 ArbGG) mit dem Ziel, die angefochtene Betriebsratswahl gerichtlich bestätigt zu bekommen, muss erfolglos bleiben. Die Entscheidung des Erstgerichts ist im Ergebnis und in weiten Teilen ihrer Begründung rechtlich nicht zu beanstanden. Ihre zu Recht gerügten formalen Mängel können nichts daran ändern, die vom 18. bis 20. April 2006 bei der Beteiligten zu 6) durchgeführte Betriebsratswahl ist unwirksam. Verstoßen hat der Wahlvorstand vor allem gegen die in § 18 Abs. 3 Satz 1 BetrVG vorgeschriebene Öffentlichkeit der Stimmauszählung; diese erfordert, daß Ort und Zeitpunkt der Stimmauszählung vorher im Betrieb öffentlich bekannt gemacht werden. Nach dem Wahlausschreiben sollte die Stimmauszählung am 23. April 2006 ab 15:30 Uhr im Aufenthaltsraum vorgenommen werden. Tatsächlich war sie aber bereits am 20. April 2006 erfolgt.

Weiter hatte die Wahlurne am 19. April 2006 zwischen 13:15 Uhr und 13:45 Uhr nur Herr M. beaufsichtigt, der nicht Mitglied des Wahlvorstandes gewesen war und es hatte sich in dieser Zeit auch kein Wahlvorstandsmitglied im Raum aufgehalten. Nach § 12 Abs. 2 der Wahlordnung müssen immer mindestens zwei stimmberechtigte Mitglieder des Wahlvorstandes im Wahlraum anwesend sein. Sind Wahlhelfer bestellt, so genügt die Anwesenheit eines stimmberechtigten Mitglieds des Wahlvorstandes und einer Wahlhelferin oder eines Wahlhelfers. Dass Herr M. nach Maßgabe von § 1 Abs. 2 Wahlordnung zum Wahlhelfer bestellt worden war, kann dem Beteiligtenvortrag nicht entnommen werden. Auf jeden Fall fehlte in dieser Zeit ein stimmberechtigtes Mitglied des Wahlvorstands zur Überwachung der Wahlurne. Der darin liegende Verstoß gegen § 12 Abs. 2 der Wahlordnung ist ebenfalls erheblich, hatten in dieser halben Stunde nach Angaben von Herrn M. (Blatt 51 der Akte) doch Arbeitnehmer/innen ihre Stimme abgegeben.

1. Die formellen Voraussetzungen der Wahlanfechtung sind erfüllt. Die nach § 19 Abs. 2 Satz 1, 1. Alternative BetrVG anfechtungsberechtigten Beteiligten zu 1) bis 4) haben die Wahl am 27. April 2006 rechtzeitig innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG angefochten. § 19 BetrVG schreibt nicht im Einzelnen vor, welchen Inhalt die Anfechtungserklärung haben muss. Es genügt daher, wenn aus der Erklärung zu ersehen ist, welche Wahl - gegebenenfalls in welchem Umfang - angefochten wird. Streitgegenstand des Wahlanfechtungsverfahrens ist die Wirksamkeit der angefochtenen Wahl, sei es, daß die Wahl des Organs im Ganzen oder nur die Wahl einer Gruppe von Vertretern oder nur die Wahl eines einzelnen Organmitgliedes angefochten wird. Ist die angefochtene Wahl bestimmt bezeichnet, steht der Streitgegenstand des Verfahrens fest. Die namentliche Bezeichnung der gewählten Personen und deren Kennzeichnung als Antragsgegner sind nicht erforderlich, allenfalls würde es der Angabe des Namens dann bedürfen, wenn gerade die Wahl eines einzelnen Mitgliedes angefochten werden soll. Die Vorschriften des Arbeitsgerichtsgesetzes über das Beschlussverfahren kennen den Begriff des Antragsgegners nicht. Die Rede ist vielmehr vom Antragsteller und den Beteiligten. Wer neben dem Antragsteller Beteiligter des Verfahrens ist, bestimmt sich nach § 83 Abs. 3 ArbGG. Auch wenn die Amtszeit des neu gewählten Betriebsrats bereits mit Verkündung des Wahlergebnisses am 25. April 2006 begonnen hatte, schadet Benennung des Wahlvorstandes und seiner Mitglieder als Antragsgegner in der Niederschrift damit nicht. Entgegen § 253 Abs. 2 Nr. 1 ZPO müssen die übrigen Beteiligten in der Antragsschrift weder genannt werden noch ist ihre Benennung bindend. Das Gericht hat von Amts wegen zu ermitteln, wer am Verfahren zu beteiligen ist. Gegebenenfalls ist der Antragsteller nach § 139 ZPO und § 83 Abs. 1 und 1a ArbGG zur Ergänzung seines Antrags aufzufordern.

2. Ein Verstoß gegen wesentliche Vorschriften, der das Wahlergebnis beeinflusst haben konnte und damit die Wahlanfechtung rechtfertigt, liegt hier bereits in der Verletzung der §§ 18 Abs. 3 Satz 1 BetrVG, 13 WahlO. Denn die Stimmauszählung ist nicht öffentlich erfolgt. Zu diesem Ergebnis war bereits das Erstgericht gekommen. Seiner sorgfältig abgefassten Begründung dazu schließt sich die Beschwerdekammer an (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Ergänzend dazu wird auf die vom Erstgericht bereits angesprochene Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 15. November 2000 - 7 ABR 53/99 (AP Nr. 10 zu § 18 BetrVG 1972) hingewiesen dahin, dass die in § 18 Abs. 3 S. 1 BetrVG vorgeschriebene Öffentlichkeit der Stimmauszählung erfordert, dass Ort und Zeitpunkt der Stimmauszählung vorher im Betrieb öffentlich bekannt gemacht worden sind.

Gerade daran fehlte es im Streitfall, der Wahlvorstand hatte die vorgezogene Stimmauszählung am 20. April 2006 nicht vorher im Betrieb öffentlich bekannt gemacht. Das hätte später noch geschehen können, besondere Förmlichkeiten wären dabei nicht zu beachten gewesen.

Diese Anforderungen ergeben sich - so das Bundesarbeitsgericht in der zitierten Entscheidung - aus Sinn und Zweck des Öffentlichkeitsgebots. Das in § 18 Abs. 3 BetrVG statuierte Erfordernis der Öffentlichkeit entspricht der Bedeutung, die der Feststellung des Wahlergebnisses in einem demokratischen Rechtsstaat zukommt (Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung, zu BT-Drucks. VI/2729 S 21). Interessierte Personen sollen die Möglichkeit erhalten, die Ordnungsmäßigkeit der Feststellung des Wahlergebnisses beobachten zu können, damit der Verdacht von Wahlergebnismanipulationen "hinter verschlossenen Türen" nicht aufkommen kann. Zur Herstellung dieser Beobachtungsmöglichkeit genügt es nicht, daß ein Interessierter auf Nachfrage beim Wahlvorstand hätte erfahren können, wann und wo die Stimmen ausgezählt werden. Informiert der Wahlvorstand die Betriebsöffentlichkeit von sich aus weder über den Umstand, daß die Stimmen früher öffentlich ausgezählt werden, noch über Ort und Zeit der Auszählung, hat die Betriebsöffentlichkeit nicht den erforderlichen ungehinderten Zugang zur Beobachtung der Auszählung. Es hängt dann von Zufällen ab, ob der Einzelne überhaupt von der Stimmauszählung erfährt, z.B., weil er sich zufällig gerade im Zimmer der Stimmauszählung aufhält. Nichts Anderes gilt für den Einwand des Beschwerdeführers, die gerade tätigen Tankwarte hätten durch die Fenster von außen die Stimmauszählung sehen können.

3. Die Anfechtung dieser Wahl wegen Verletzung des § 18 Abs. 3 Satz 1 BetrVG, 13 WahlO ist nicht nach § 19 Abs. 1 letzter Halbsatz BetrVG ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift berechtigen Verstöße gegen wesentliche Wahlvorschriften ausnahmsweise dann nicht zur Anfechtung der Wahl, wenn ein solcher Verstoß das Wahlergebnis objektiv weder ändern noch beeinflussen konnte. Nach der Rechtsprechung (BAG 31. Mai 2000 - 7 ABR 78/98 -, zu B IV 6 a der Gründe) ist in diesem Zusammenhang entscheidend, ob bei einer hypothetischen Betrachtung eine ohne den Verstoß durchgeführte Wahl zwingend zu demselben Ergebnis geführt hätte.

Das kann bei einem Verstoß gegen das Gebot der öffentlichen Stimmauszählung jedoch nicht angenommen werden. Es ist nicht auszuschließen, daß es während der Stimmauszählung zu Fehlern gekommen ist, die im Falle der öffentlichen Auszählung nicht unterlaufen wären. Es kommt nicht darauf an, ob tatsächlich objektive Anhaltspunkte für solche Fehler vorliegen. Die Vorschrift des § 18 Abs. 3 Satz 1 BetrVG ist gerade dadurch gekennzeichnet, daß sie der Minderung abstrakter Gefährdungen dient (BAG Beschluss vom 15. November 2000 - 7 ABR 53/99, a.a.O.). So hat es auch das Erstgericht bereits beurteilt und zutreffend darauf hingewiesen, dass bei einer solchermaßen vorgezogenen Stimmauszählung Manipulationen Tür und Tor geöffnet sind. Diese Möglichkeit erstreckt sich auch auf die Behandlung der Stimmzettel durch Mitglieder des Wahlvorstands.

4. Nichts Anderes gilt für den Verstoß gegen § 12 Abs. 2 der Wahlordnung

5. Die angefochtene Betriebsratswahl ist damit - wie in der Entscheidung des Erstgerichts schon tenoriert - unwirksam. Ausreichende Anhaltspunkte für eine Nichtigkeit dieser Wahl liegen nach Ansicht der Beschwerdekammer nicht vor. Die Nichtigkeit einer Betriebsratswahl ist nur in ganz besonderen Ausnahmefällen anzunehmen, in denen gegen allgemeine Grundsätze jeder ordnungsgemäßen Wahl in so hohem Maße verstoßen worden ist, dass auch der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht mehr vorliegt (BAG 15. November 2000 - 7 ABR 23/99 -, zu B I der Gründe; 22. März 2000 - 7 ABR 34/98 - BAGE 94, 144 = AP AÜG § 14 Nr. 8 = EzA AÜG § 14 Nr. 4, zu B I 2 a der Gründe). Es muss ein sowohl offensichtlicher als auch besonders grober Verstoß gegen Wahlvorschriften vorliegen. Davon kann im Streitfall nicht ausgegangen werden.

6. Damit verbleibt es im Ergebnis bei der angefochtenen Entscheidung.

Gem. § 2 Abs. 2 GKG werden im Beschlussverfahren Kosten nicht erhoben.

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde war nicht veranlasst (§ 92 Abs. 1 ArbGG). Auf § 92 a ArbGG wird hingewiesen.



Ende der Entscheidung

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