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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 30.11.2005
Aktenzeichen: 7 Sa 569/05
Rechtsgebiete: GewO, BGB


Vorschriften:

GewO § 107 Abs. 2 S. 5 n.F.
BGB § 612 Abs. 2
Ist es im Hinblick auf § 107 Abs. 2 S. 5 GewO n.F. zulässig, als Gegenleistung für eine Hausmeistertätigkeit im Nebenberuf den Sachbezug "Hausmeisterwohnung" zu vereinbaren?
LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

7 Sa 569/05

Verkündet am: 30. November 2005

In dem Rechtsstreit

hat die Siebte Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 26. Oktober 2005 durch die Vizepräsidentin Reuss sowie die ehrenamtlichen Richter Holzamer und Babiak für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Endurteil des Arbeitsgerichts Regensburg vom 25.04.2005 - 3 Ca 1577/04 - abgeändert.

2. Die Klage wird abgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger.

4. Die Revision wird für die Kläger zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über Vergütungsansprüche aus einer Haumeistertätigkeit der Kläger in der Zeit von Mitte April 2003 bis Ende Februar 2004.

Die verheirateten Kläger waren für den zwischenzeitlich verstorbenen Beklagten als Hausmeister für ein Wohnhaus in der H.straße 23 in R. mit 74 1- bis 2-Zimmer-Wohnungen auf vier Stockwerken (mit einem Mietzins zwischen Euro 230,00 und Euro 330,00 inklusive Nebenkosten) tätig.

Dieser Tätigkeit lag ein Hausmeistervertrag vom 26. März 2003 zugrunde, der in Teil I die Hausmeistertätigkeit regelte und in einer "Tätigkeitsbeschreibung des Hausmeisters" die Aufgabenstellung im Einzelnen beschrieb. In § 2 war bestimmt: "Die Vergütung für die Hausmeistertätigkeit richtet sich nach Teil II dieses Vertrages". In diesem zweiten Teil des Hausmeistervertrages war die Überlassung der Hausmeisterwohnung im Einzelnen festgelegt, wobei § 4 Abs. 1 lautete: "Als Gegenleistung für die Durchführung der Hausmeistertätigkeit gemäß Teil I dieses Vertrages wird die Hausmeisterwohnung unentgeltlich überlassen".

Die Hausmeisterwohnung befand sich im Anwesen Herrichstraße 23 und bestand, bei einer Wohnfläche von ca. 55 qm, aus zwei Zimmern Küche, Bad, WC sowie einem daneben gelegenen Apartment. Die Nebenkosten in Höhe von Euro 55,00 monatlich waren von den Klägern gemäß § 4 Abs. 2 des Hausmeistervertrages zu tragen (Bl. 5/17 d.A.).

Der Beklagte kündigte den Hausmeistervertrag außerordentlich mit Schreiben vom 17. Februar 2004 (Bl. 65 d.A.). Mit diesem Tag haben die Kläger ihre Hausmeistertätigkeit eingestellt. Als Beendigungszeitpunkt der Hausmeistertätigkeit wurde von Seiten des Arbeitgebers der 28. Februar 2004 angegeben. Die Hausmeisterwohnung und das Apartment wurden von den Klägern erst am 7. Juli 2004 (großteils geräumt) übergeben. Die verbliebenen restlichen Gegenstände wurden am 8. Juli 2004 vom Gerichtsvollzieher entsorgt.

Die Kläger haben während ihrer Tätigkeit keine (zusätzliche) Vergütung erhalten. Der Sachwert "Wohnung" wurde mit Euro 275,00 monatlich angesetzt.

Mit der vorliegenden Klage haben die Kläger Vergütungsansprüche für ihre Hausmeistertätigkeit in Höhe von insgesamt Euro 24.306,44 brutto geltend gemacht. Die Kläger haben hierzu vorgetragen, dass aufgrund des Umfangs der übertragenen Hausmeistertätigkeiten eine monatliche Vergütung von Euro 2.200,00 angemessen gewesen wäre. Für die Zeit vom 15. April 2003 bis 17. März 2004 ergebe sich damit ein Vergütungsanspruch in der vorgenannten Höhe (wegen der Auflistung der einzelnen Tätigkeiten in der Zeit von Januar/Februar 2004 wird auf die Anlage zum Schriftsatz vom 14. Juni 2004 - Bl. 42 d.A. - und des weiteren auf die Ausführungen im Schriftsatz vom 13. Januar 2005 - Bl. 100/102 d.A. - verwiesen).

Der Beklagte hat sich darauf berufen, die Hausmeistertätigkeiten der Kläger hätten lediglich eine zeitliche Beanspruchung von etwa 18 Stunden monatlich ausgemacht. Als Gegenleistung sei die unentgeltliche Wohnungsüberlassung vereinbart worden. Der Mietwert dieser Wohnung auf dem Mietmarkt (Kaltmiete) belaufe sich auf etwa Euro 350,00. Damit sei die Hausmeistertätigkeit der Kläger angemessen vergütet (zu den einzelnen Tätigkeiten hat sich der Beklagte auf Seite 1 - 8 des Schriftsatzes vom 4. November 2004 - Bl. 55/62 d.A. - und im Schriftsatz vom 10. Februar 2005 - Bl. 106/111 d.A. - im Einzelnen geäußert).

Der Beklagte hat noch hilfsweise auf Gegenforderungen gegenüber den Klägern in Höhe von über Euro 3.500,00 hingewiesen (Aufstellung Seite 9 des Schriftsatzes vom 4. November 2004 - Bl. 63 d.A.) und vorsorglich mit diesen Gegenforderungen Aufrechnung erklärt.

Das Arbeitsgericht hat mit Endurteil vom 25. April 2005 den Beklagten verurteilt, an die Kläger als Gesamtgläubiger Euro 2.887,50 brutto als Hausmeisterlohn für die Zeit vom 15. April 2003 bis 28. Februar 2004 zu bezahlen. Im Übrigen hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen.

Das Arbeitsgericht hat angenommen, die Vergütung der Kläger für die Hausmeistertätigkeit in Höhe des Werts des Sachbezuges von Euro 275,00 monatlich verstoße nicht gegen die guten Sitten und sei auch im Hinblick auf § 612 Abs. 2 BGB angemessen. Dabei ist das Arbeitsgericht von einem zeitlichen Aufwand für die Hausmeistertätigkeit mit monatlich 27 Stunden und einem Stundenlohn von Euro 10,00 ausgegangen. Das Arbeitsgericht hat jedoch eine Verrechnung dieses an sich angemessenen Lohnes von Euro 275,00 monatlich mit dem Sachbezug Wohnung für unzulässig erachtet, weil zum einen die Verrechnung gegen die Pfändungsschutzbestimmungen bei Arbeitsentgelt verstoße, zum anderen § 107 Abs. 2 S. 5 GewO entgegenstehe.

Auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts wird im Einzelnen ergänzend verwiesen.

Gegen dieses Urteil, das ihm am 6. Mai 2005 zugestellt wurde, wendet sich der Beklagte mit seiner am 3. Juni 2005 eingelegten und am 4. Juli 2005 begründeten Berufung.

Der Beklagte macht geltend, dass die Hausmeistertätigkeit lediglich als Nebentätigkeit vereinbart gewesen sei, da der Kläger zu 1. bei seiner Bewerbung angegeben habe, anderweitig tätig zu sein. Daher sei die Vereinbarung eines Sachbezugs uneingeschränkt zulässig.

Auch im Berufungsverfahren hat der Beklagte vorsorglich mit Gegenforderungen gegen die Kläger in Höhe von nunmehr etwa Euro 4.000,00 aufgerechnet (siehe Aufstellung S. 6 der Berufungsbegründung vom 30. Juni 2005 - Bl. 76 d.A.).

Die Kläger haben sich wiederum darauf berufen, dass die Hausmeistertätigkeit so umfangreich gewesen sei, dass sie nicht nebenberuflich habe ausgeübt werden können. Das Arbeitsgericht habe daher zu Recht eine Verrechnung mit dem Sachbezug gegen die Entgeltforderung als unzulässig angesehen. Eine Aufrechnung mit Gegenforderungen scheide ohnehin aus.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist begründet.

Sie führt zur Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils und zur Abweisung der Klage auch insoweit, als das Arbeitsgericht dem Klagebegehren in Höhe von Euro 2.887,50 brutto entsprochen hat.

Die Kläger haben keinen Anspruch auf eine entgeltliche Vergütung ihrer Hausmeistertätigkeit für die Zeit vom 15. April 2003 mit 28. Februar 2004. Denn die Vergütungsansprüche der Kläger aus ihrer Tätigkeit sind vollständig erfüllt.

1. Die Parteien haben in dem Hausmeistervertrag vom 26. März 2003 als Gegenleistung für ihre Tätigkeit, die sie gemeinsam übernommen haben, einen Sachbezug, nämlich die unentgeltliche Überlassung der Hausmeisterwohnung zuzüglich eines daneben liegenden Apartments vereinbart (Teil I § 2 i.V.m. Teil II § 4 des Hausmeistervertrages).

Das Arbeitsgericht hat mit zutreffenden Gründen angenommen, dass nach dem Vorbringen der Parteien der zeitliche Umfang für die Hausmeistertätigkeit mit 27 Stunden monatlich angesetzt werden könne und dass die Bewertung des Sachbezugs "Wohnung" im Hinblick auf deren Größe, Lage und Beschaffenheit mit Euro 275,00 monatlich angemessen sei. Nach der zutreffenden Annahme des Arbeitsgerichts ergibt sich hieraus ein Stundenlohn von Euro 10,00 netto. Diese Feststellungen und Bewertungen durch das Arbeitsgericht haben die Kläger nicht mit konkretem Vorbringen angegriffen. Die Berufungskammer folgt dem Arbeitsgericht auch insoweit, als dieses darauf abgestellt hat, dass ein Stundenlohn von Euro 10,00 netto sich nicht als sittenwidrig gemäß § 138 Abs. 1 BGB (Lohnwucher) erweist und ein Lohn in dieser Höhe für die geschuldete Hausmeistertätigkeit auch als angemessen im Sinne des § 612 Abs. 2 BGB gewertet werden kann. Insoweit kann vergleichsweise auf die Lohnregelungen für die gewerblich Beschäftigten in der Gebäudereinigung abgestellt werden: Nach dem Lohntarifvertrag vom 04.10.2003 liegen die Löhne in den Lohngruppen 1 - 9 zwischen Beträgen von Euro 7,68 brutto bis Euro 12,98 brutto in der höchsten Lohngruppe seit dem 1. April 2004. Auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts nimmt die Berufungskammer im einzelnen Bezug.

2. Die Parteien haben als Gegenleistung für die Hausmeistertätigkeit (lediglich) einen Sachbezug, nämlich die unentgeltliche Überlassung der Hausmeisterwohnung zuzüglich des Apartments vereinbart. Sachbezüge sind die Leistung des Arbeitgebers, die dem Arbeitnehmer als Gegenleistung für die geleisteten Dienste nicht in Geld gewährt werden.

§ 107 Abs. 1 GewO n.F. bestimmt allerdings, dass das Arbeitsentgelt in Euro zu berechnen und auszubezahlen ist.

Nach § 107 Abs. 2 S. 1 GewO n.F. können jedoch Arbeitgeber und Arbeitnehmer Sachbezüge als Teil des Arbeitsentgelts vereinbaren, wenn dies dem Interesse des Arbeitnehmers oder der Eigenart des Arbeitsverhältnisses entspricht.

Diese Voraussetzungen liegen hier vor: Die unentgeltliche Überlassung von Wohnraum liegt regelmäßig im Interesse des Arbeitnehmers, diese Handhabung entspricht auch der Eigenart einer Hausmeistertätigkeit. Allerdings bestimmt § 107 Abs. 2 S. 5 GewO n.F. - zum Schutz des Arbeitnehmers -, dass der Wert der vereinbarten Sachbezüge die Höhe des pfändbaren Teils des Arbeitsentgelts nicht übersteigen darf. Dem Arbeitnehmer muss danach mindestens die Vergütung in Höhe des unpfändbaren Betrages verbleiben. Ein Verstoß gegen diese gesetzliche Regelung soll nach wohl herrschender Meinung zur Folge haben, dass der Anspruch auf Leistung des Arbeitsentgelts bestehen bleibt (vgl. hierzu Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht/Preis, 6. Aufl., Rz. 7 zu § 107 GewO; Schaub, 11. Aufl., § 68 Rz. 1 mit weiteren Nachw.; siehe hierzu auch Bauer/Opolony-BB 2002, 1590 ff.). Diese Vorschrift findet bei richtigem Verständnis des Schutzzwecks keine Anwendung, wenn es sich bei der Tätigkeit wie im vorliegenden Fall um eine (reine) Nebentätigkeit handelt, die üblicher Weise neben eine entgeltlichen Haupttätigkeit ausgeübt wird.

Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Die Hausmeistertätigkeit hatte nach den zutreffenden Feststellungen des Arbeitsgerichts, deren die Kläger in der Berufungsinstanz auch nicht mit konkretem Tatsachenvortrag entgegengetreten sind, einen Umfang von 27 Stunden monatlich, was einer wöchentlichen Arbeitszeit von nicht einmal 6 1/2 Stunden entspricht. Sie liegt damit im Bereich der geringfügigen Beschäftigung im Sinne von § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV. Die Hausmeisterstelle war als nebenberufliche Tätigkeit ausgeschrieben. Der Kläger zu 1., der von Beruf Werkzeugmacher ist, hatte sich auf diese Stelle mit Schreiben vom 3. März 2003 ausdrücklich mit dem Hinweis auf die Ausschreibung als "nebenberuflich" beworben und dazu angegeben, dass er zur Zeit in der Marktforschung tätig sei und sich "das gut ergänzen" würde. Den Klägern war für diese nebenberufliche Hausmeistertätigkeit eine Wohnung mit einem zusätzliches Apartment zur Verfügung gestellt worden, die die Familie unentgeltlich bewohnen konnte. Die überlasse Wohnung stellt somit einen Teil der Lebensgrundlage für die Kläger und deren Familie dar, wobei davon auszugehen ist, dass im Übrigen der Lebensunterhalt aus den Einkünften im Hauptarbeitsverhältnis bestritten wird.

§ 107 Abs. 2 S. 5 GewO n.F. steht daher der Vereinbarung eines Sachbezugs "Wohnung" im vorliegenden Fall nicht entgegen. Mit dem gewählten Sachbezug werden die Vergütungsansprüche des Klägers entgegen der Regelung des § 107 Abs. 1 GewO n.F. erfüllt (§ 362 BGB). Darüber hinausgehende Zahlungsansprüche bestehen nicht mehr.

Auf die Frage, ob den Klägern, die den Sachbezug in Anspruch genommen und darüber hinaus in erheblichem Umfang aus dieser Wohnraumüberlassung Gegenansprüche des Beklagten verursacht haben, aus dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben verwehrt sein müsste, sich auf die Bestimmung des § 107 Abs. 2 S. 5 GewO n.F. zu berufen, kann dahingestellt bleiben.

Die Berufung des Beklagten führte daher zur Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils und zur vollständigen Klageabweisung.

3. Die Kosten des Rechtsstreits haben die unterlegenen Kläger gem. § 91 ZPO zu tragen.

Die Revision wird für die Kläger zugelassen.

Ende der Entscheidung

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