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Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 31.01.2006
Aktenzeichen: 8 Sa 986/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 613a Abs. 1 S. 2
1. Zwar ist zuzugeben, dass der Wortlaut des § 613a Abs. 1 S. 2 BGB im Hinblick auf die zu wahrenden Rechte auf die Verhältnisse "zum Zeitpunkt des Übergangs" des Betriebes abstellt; im Hinblick auf die vom Kläger geltend gemachten Vergütungserhöhungsansprüche ab dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs - 1. Mai 2004 - und die Einmalzahlung im November 2004 bedeutet dies jedoch nicht zwingend, dass sie nicht dem Schutzzweck des § 613a Abs. 1 S. 2 BGB unterfallen. In seiner Grundsatzentscheidung zur Tarifgeltung nach Betriebsübergang vom 13. November 1985 (4 AZR 309/84 - AP Nr. 46 zu § 613a BGB) hat das Bundesarbeitsgericht bereits erkannt, dass Ziel des § 613a Abs. 1 S. 2 BGB es ist, dass bestehende Rechte innerhalb eines Jahres nach Betriebsübergang nicht zum Nachteil der Arbeitnehmer geändert werden dürfen. In diesem Zusammenhang hat es von "späteren Tarifnormen", aber auch von "künftigen Tarifverträgen" gesprochen und die Problematik eines Verstoßes einer Bindung der Arbeitgeberin an künftige Tarifverträge gegen Art. 9 Abs. 3 GG angesprochen, die über § 613a Abs. 1 S. 2 BGB ausgeräumt sei. Diese verfassungsrechtlichen Bedenken beruhten darauf, dass ein Arbeitgeber für ihn unkalkulierbare Rechtswirkungen und Rechtseingriffe nicht vorhersehen und in rechtsstaatswidriger Weise betroffen sein könne.

2. Gerade in dieser Richtung erscheinen die entsprechenden verfassungsrechtlichen Rechte einer betriebsübernehmenden nicht tarifgebundenen Arbeitgeberin jedoch jedenfalls dann genügend gewahrt, wenn nach dem Betriebsübergang entstehende Rechte bereits vorher zeitlich gestaffelt in einem Tarifvertrag geregelt sind. Derartige Rechte sind zum einen für die betriebsübernehmende nicht tarifgebundene Arbeitgeberin durchaus erkennbar und kalkulierbar und im Übrigen durch deren Wahrung auch nur auf ein Jahr begrenzt. Dies erscheint zumutbar. Etwas anderes muss selbstverständlich mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gelten für die Fälle, dass Änderungen früherer tariflicher Rechte nach Betriebsübergang durch den Abschluss neuer Tarifverträge oder ggf. auch rückwirkend erfolgen sollten. Diese Konstellationen sind nicht vergleichbar mit der hier zu entscheidenden.


LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

8 Sa 986/05

Verkündet am: 31. Januar 2006

In dem Rechtsstreit

hat die Achte Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 31. Januar 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Kagerer sowie die ehrenamtlichen Richter Hoinkes und Köhler für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 22. Juli 2005 - Gz.: 14 Ca 4409/05 - dahin geändert, dass der Zinsbeginn der 31. März 2005 ist.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.

3. Gegen dieses Urteil wird die Revision seitens der Beklagten zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über Ansprüche des Klägers auf Grund eines arbeitsvertraglich vereinbarten Tarifvertrages, der vor einem Betriebsübergang gem. § 613a Abs. 1 S. 1 und 2 BGB an die Beklagte abgeschlossen worden ist, jedoch Ansprüche auch für die Zeit danach regelt.

Der am 19. September 1960 geborene Kläger hat am 14. Oktober 1999 mit dem B., einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, einen Arbeitsvertrag ("Dienstvertrag") geschlossen, wonach er ab 1. November 1999 in deren B.-Heim M. in K. als Heilerziehungspfleger beschäftigt ist. Nach dessen § 2 "bemisst sich das Beschäftigungsverhältnis nach dem Manteltarifvertrag zur Anwendung des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Arbeitgeber geltenden Fassung. Außerdem finden die für den Arbeitgeber jeweils geltenden sonstigen Tarifverträge Anwendung." Unstreitig hat das B. den Manteltarifvertrag für die Beschäftigten des B. vom 1. Januar 2003 (MTV-B.) angewendet, dessen Partei es war. In § 1 des erwähnten Manteltarifvertrages ist wiederum die Anwendung des BAT und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen sowie die Anwendung der für diesen Arbeitgeber jeweils geltenden sonstigen Tarifverträge vereinbart.

Der Kläger ist bei der Beklagten nach den vorgelegten "Lohn-/Gehaltsabrechnungen" nach der "Tariftabelle BAT-W" in "Vergütungsgruppe Vb mD(10)" vergütet worden.

Nach seinem in der Berufungsverhandlung seitens der Beklagten unwidersprochen gebliebenen Sachvortrag ist er seit 1. April 2003 "Mitglied der tarifschließenden Partei des Manteltarifvertrages zur Anwendung des BAT".

Unstreitig sind in der Tarifrunde des öffentlichen Dienstes im Vergütungstarifvertrag Nr. 35 zum BAT vom 31. Januar 2003 (künftig: Vergütungs-TV Nr. 35) in § 4 die Grundvergütungen bzw. Gesamtvergütungen angehoben worden, und zwar soweit dies den Kläger betrifft wie folgt:

01.01.2003 bzw. 01.04.2003 Erhöhung der Einkommen um 2,4 % weitere Erhöhung der Einkommen um jeweils 1 % zum 01.01.2004 und zum 01.05.2004

Insoweit wird auch auf die darin genannten Anlagen verwiesen.

Darüber hinaus ist in dessen § 3 Abs. 2 eine "Einmalzahlung" im November 2004 in Höhe von € 50,-- geregelt.

Das B. hat dem Kläger die 2,4%ige Gehaltserhöhung nach dem Vergütungs-TV Nr. 35 am 1. April 2003 und die entsprechende 1%ige am 1. Januar 2004 noch gezahlt.

Mit Wirkung zum 1. Mai 2004 ist unstreitig das B.-Heim M. in K., in dem der Kläger tätig ist, gem. § 613a BGB auf die Beklagte übergegangen. Diese weigert sich, die 1%ige Gesamtvergütungserhöhung ab 1. Mai bis 31. Dezember 2004 in Höhe von unstreitig € 108,40 sowie die Einmalzahlung in Höhe von € 50,-- im November 2004 an den Kläger zu zahlen.

Dieser hat vor dem Arbeitsgericht vorgetragen, die Beklagte sei gem. § 613a Abs. 1 S. 2 BGB infolge der arbeitsvertraglich vereinbarten Verweisung auf den Vergütungs-TV Nr. 35 verpflichtet, ihm die 1%ige Erhöhung seines Einkommens ab 1. Mai 2004 sowie die Einmalzahlung im November 2004 in Höhe von € 50,-- zu gewähren. Sie könne sich nicht darauf berufen, dass sie nicht tarifgebunden und der vorerwähnte Vergütungs-TV im Übrigen zum 31. Dezember 2004 gekündigt worden sei. Er sei vielmehr bereits bei Betriebsübergang von seinem alten Arbeitgeber auf sie, die Beklagte, Inhalt seines Arbeitsvertrages gewesen, weshalb sie ihn auch erfüllen müsse. Es gelte die Bestandsgarantie des § 613a Abs. 1 S. 1 BGB, wonach eine zwingende einzelvertragliche Regelung im ersten Jahr nach der Betriebsübernahme nicht zum Nachteil des Arbeitnehmers geändert werden könne. Insoweit liege eine sog. Besitzstandswahrung auf arbeitsvertraglicher Ebene vor. Die im Übrigen nach § 613a Abs. 1 S. 2 BGB angeordnete "statische Transformation" bedeute nur, dass spätere Änderungen der Tarifnorm ohne Bedeutung seien. Damit seien jedoch nicht Ansprüche gemeint, die sich aus dem Tarifvertrag ergäben, wie er zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs Bestand gehabt habe.

Deshalb hat der Kläger folgenden Antrag gestellt:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 158,40 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt:

Die Klage wird abgewiesen.

Sie hat vorgetragen, der Kläger habe keinen Anspruch auf die geltend gemachten Tariferhöhungen, denn zum einen sei sie nicht tarifgebunden und zum anderen stünde seinen Ansprüchen § 613a Abs. 1 S. 2 BGB entgegen. Der dortige Bestandsschutz sei statisch zu verstehen. Für die Zeit ab Betriebsübergang an sie könne er sich auf die Fortentwicklung des Vergütungs-TV Nr. 35 nicht mehr berufen. Insoweit verweist sie auf die Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts vom 29. August 2001 (4 AZR 332/00 - AP Nr. 17 zu § 1 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag) und vom 20. Juni 2001 (4 AZR 295/00 - AP Nr. 18 zu § 1 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag).

Das Arbeitsgericht hat mit Endurteil vom 22. Juli 2005, das der Beklagten am 26. August 2005 zugestellt worden ist, der Klage vollinhaltlich entsprochen. Auf die darin getroffenen tatsächlichen Feststellungen und angestellten rechtlichen Erwägungen wird verwiesen.

Dagegen hat die Beklagte mit einem am 22. September 2005 am Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und sie mit einem hier am 26. Oktober 2005 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Sachvortrags und Verweisung auf weitere Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sowie Willemsen/Ho-henstadt/Schweibert/Seibt: Umstrukturierung und Übertragung von Unternehmen, Arbeitsrechtliches Handbuch, 2. Aufl., 2003 E II. Rn. 116/117, MüKo BGB/Müller-Glöge, 4. Aufl., 2005, § 613a Rn. 134, Willemsen/Müller/Bonanni: Arbeitsrechtskommentar 2004, § 613a Rn. 265 und Leinemann/Wagner/Worzella: Handbuch des Fachanwalts für Arbeitsrecht, Schiefer, Kapitel 1, Rn. 1981 stellt sie folgenden Antrag:

Das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 22. Juli 2005 - Gz.: 14 Ca 4409/05 - wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Der Kläger hat beantragt:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Er hält das angegriffene Urteil für richtig und wiederholt und vertieft ebenfalls seinen erstinstanzlichen Sachvortrag.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsprotokolle, die Schriftsätze der Parteien und den sonstigen Akteninhalt beider Rechtszüge verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zwar zulässig, jedoch nur insoweit begründet, als der Zinsbeginn der 31. März 2005 ist.

I.

Die Berufung ist zulässig.

Sie ist statthaft, denn sie richtet sich gegen ein arbeitsgerichtliches Urteil, gegen das nicht nach § 78 ArbGG das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist (§ 64 Abs. 1 ArbGG); zwar ist der Beschwerdewert in Höhe von € 600,-- nicht erreicht (§ 64 Abs. 2 lit. b ArbGG), doch hat das Arbeitsgericht die Berufung zugelassen (§ 64 Abs. 3 Nr. 1 ArbGG).

Sie ist auch in der richtigen Form und rechtzeitig eingelegt und begründet worden (§ 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, §§ 519 Abs. 2, 520 Abs. 3 ZPO, § 66 Abs. 1 S. 1 und 2 ArbGG).

II.

Die Berufung ist zwar zulässig, jedoch im weit überwiegenden Teil unbegründet; lediglich im Hinblick auf den Zinsbeginn der geltend gemachten Forderung ist sie begründet (Verschiebung um einen Tag).

Die zulässige Klage ist begründet gem. § 613a Abs. 1 S. 2 BGB i. V. mit dem Vergütungs-TV Nr. 35.

1. Andere Anspruchsgrundlagen scheiden aus.

1.1 Insbesondere kann der Kläger die geltend gemachten Ansprüche nicht auf § 4 Abs. 1 S. 1 i. V. mit § 3 Abs. 1 TVG i. V. mit §§ 4 und 3 Abs. 2 des Vergütungs-TV Nr. 35 stützen, weil zwar er, der Kläger, nicht aber die Beklagte, im Unterschied zu deren Rechtsvorgängerin, tarifgebunden ist.

1.2 Auch über § 2 des "Dienstvertrages" i. V. mit dem Vergütungs-TV Nr. 35 vermag er seine Ansprüche nicht zu begründen, denn dieser "Dienstvertrag" ist nicht mit der Beklagten, sondern deren Rechtsvorgängerin geschlossen worden.

1.2.1 Insoweit kann der Kläger sich auch nicht auf § 613a Abs. 1 S. 1 BGB berufen, wonach dann, wenn ein Betrieb durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber übergeht, dieser in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen eintritt.

§ 2 des "Dienstvertrages" enthält eine Bezugnahmeklausel, die nach der bisherigen ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts dann, wenn die Bezugnahme auf einen Tarifvertrag in einem von einer tarifgebundenen Arbeitgeberin vorformulierten Arbeitsvertrag zielt, regelmäßig als Gleichstellungsabrede auszulegen ist, wenn andere für die Auslegung dieser vertraglichen Bezugnahme gem. §§ 133, 157 BGB bedeutsamen Umstände dem nicht entgegenstehen. Insoweit wird auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 14. Dezember 2005 (4 AZR 536/04, mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen) verwiesen. Diese Auslegungsregel wird damit begründet, dass mit einer derartigen Vertragsklausel nur eine etwaige fehlende Tarifgebundenheit des Arbeitnehmers ersetzt werden soll; sie soll zur schuldrechtlichen Anwendung der Tarifverträge auf das Arbeitsverhältnis mit dem Inhalt führen, wie er für die tarifgebundenen Arbeitnehmer gilt. Damit nimmt ein Arbeitnehmer auf Grund einer derartigen Gleichstellungsabrede grundsätzlich an der Tarifentwicklung der in Bezug genommenen einschlägigen Tarifverträge teil, wobei jedoch diese vertragliche Anbindung an die - dynamische - Entwicklung der tariflich geregelten Arbeitsbedingungen endet, wenn sie tarifrechtlich auch für einen tarifgebundenen Arbeitnehmer endet, z. B. durch den Austritt der Arbeitgeberin aus dem zuständigen Arbeitgeberverband, durch das Herausfallen des Betriebs aus dem Geltungsbereich oder durch den Übergang des Betriebs, in dem der betroffene Arbeitnehmer beschäftigt ist, auf eine nicht tarifgebundene neue Arbeitgeberin.

1.2.2 Allerdings hat der dafür zuständige Senat des Bundesarbeitsgerichts in der vorzitierten Entscheidung darauf hingewiesen, dass er beabsichtige, diese Auslegungsregel nicht auf die ab dem 1. Januar 2002 abgeschlossenen Arbeitsverträge anzuwenden; hier liegt jedoch noch ein "Altfall" vor, weil der Arbeitsvertrag des Klägers mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten als "Dienstvertrag" am 14. Oktober 1999 geschlossen worden ist. Zum damaligen Zeitpunkt war seine damalige Arbeitgeberin tarifgebunden und er selbst noch nicht. § 2 des "Dienstvertrages" ist daher als Gleichstellungsabrede auszulegen mit der Konsequenz, dass die vertragliche Anbindung an die dynamische Entwicklung der tariflich geregelten Arbeitsbedingungen endet, wenn sie tarifrechtlich auch für die tarifgebundenen Arbeitnehmer endet, z. B. im Fall eines Betriebsübergangs auf eine nicht tarifgebundene neue Arbeitgeberin, wie hier.

- Es sind keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass § 2 des "Dienstvertrages" des Klägers mit seiner alten Arbeitgeberin gem. §§ 133, 157 BGB dahingehend auszulegen ist, künftige tarifliche Entwicklungen sollten unbeschadet der vorerwähnten Gleichstellungsabrede Inhalt des zwischen den damaligen Parteien vereinbarten Arbeitsverhältnisses sein.

2. Die Ansprüche des Klägers sind mangels Tarifbindung der Beklagten ab 1. Mai 2004 über § 613a Abs. 1 S. 2 BGB begründet, allerdings nicht mehr als tarifliche Ansprüche, sondern sie sind zum Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen ihm und der Beklagten (also auf individualrechtlicher Ebene) geworden.

Daran ändert die Tatsache der lediglich statischen Weiterwirkung der Bestimmungen des Tarifvertrages, auf dem sie beruhen, nichts. Dieser Tarifvertrag ist der Vergütungs-TV Nr. 35 zum BAT vom 31. Januar 2003, galt also zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs am 1. Mai 2004 bereits. Er enthielt eine zeitliche Staffelung der Vergütungsansprüche, die sich sowohl für Zeiten vor dem Betriebsübergang am 1. Mai 2004 als auch danach auswirkte.

Der Kläger macht zugegebenermaßen hier Ansprüche geltend, die zum einen (monatliche Vergütungsansprüche) erstmals mit dem Tag des Betriebsübergangs und zum anderen einige Monate danach (Einmalzahlung im November 2004) entstanden sind. Soweit der Berufungskammer erkennbar, hat das Bundesarbeitsgericht sich mit einer derartigen Konstellation noch nicht auseinandersetzen müssen.

2.1 Hohenstadt (Willemsen/Hohenstadt/Schweibert/Seibt: Umstrukturierung und Übertragung von Unternehmen - Arbeitsrechtliches Handbuch, 2. Aufl., 2003, E II. Rn. 116) hat sich für derartige Fälle gegen eine "gewissermaßen eingeschränkt dynamische Fortgeltung ursprünglicher Vorschriften" gem. § 613a Abs. 1 S. 2 BGB ausgesprochen und sie damit begründet, es würde gegen den Grundsatz verstoßen, dass diese Norm nicht die Fortgeltung von Tarifnormen regelt, sondern lediglich die Aufrechterhaltung der zum Zeitpunkt der Übergangs geltenden Arbeitsbedingungen. Insoweit hat er auf vom Bundesarbeitsgericht geäußerte verfassungsrechtliche Bedenken unter dem Gesichtspunkt der negativen Koalitionsfreiheit hingewiesen, wenn der Betriebserwerber faktisch an künftige Tarifentwicklungen in den kraft Betriebsübergang übergegangenen Arbeitsverhältnissen gebunden wäre, ohne die Möglichkeit zu haben, sich hiervon durch Verbandsaustritt oder Kündigung des Firmenvertrages zu lösen. Er vergisst dabei allerdings nicht darauf hinzuweisen, in der Vorauflage noch die gegenteilige Auffassung vertreten zu haben.

2.2 Dem vermag die erkennende Berufungskammer jedoch nicht zu folgen. Zwar ist zuzugeben, dass der Wortlaut des § 613a Abs. 1 S. 2 BGB im Hinblick auf die zu wahrenden Rechte auf die Verhältnisse "zum Zeitpunkt des Übergangs" des Betriebes abstellt; im Hinblick auf die vom Kläger geltend gemachten Vergütungserhöhungsansprüche ab dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs - 1. Mai 2004 - und die Einmalzahlung im November 2004 bedeutet dies jedoch nicht zwingend, dass sie nicht dem Schutzzweck des § 613a Abs. 1 S. 2 BGB unterfallen. In seiner Grundsatzentscheidung zur Tarifgeltung nach Betriebsübergang vom 13. November 1985 (4 AZR 309/84 - AP Nr. 46 zu § 613a BGB) hat das Bundesarbeitsgericht bereits erkannt, dass Ziel des § 613a Abs. 1 S. 2 BGB es ist, dass bestehende Rechte innerhalb eines Jahres nach Betriebsübergang nicht zum Nachteil der Arbeitnehmer geändert werden dürfen. In diesem Zusammenhang hat es von "späteren Tarifnormen", aber auch von "künftigen Tarifverträgen" gesprochen und die Problematik eines Verstoßes einer Bindung der Arbeitgeberin an künftige Tarifverträge gegen Art. 9 Abs. 3 GG angesprochen, die über § 613a Abs. 1 S. 2 BGB ausgeräumt sei. Diese verfassungsrechtlichen Bedenken beruhten darauf, dass ein Arbeitgeber für ihn unkalkulierbare Rechtswirkungen und Rechtseingriffe nicht vorhersehen und in rechtsstaatswidriger Weise betroffen sein könne.

Gerade in dieser Richtung erscheinen die entsprechenden verfassungsrechtlichen Rechte einer betriebsübernehmenden nicht tarifgebundenen Arbeitgeberin jedoch jedenfalls dann genügend gewahrt, wenn nach dem Betriebsübergang entstehende Rechte bereits vorher zeitlich gestaffelt in einem Tarifvertrag geregelt sind. Derartige Rechte sind zum einen für die betriebsübernehmende nicht tarifgebundene Arbeitgeberin durchaus erkennbar und kalkulierbar und im Übrigen durch deren Wahrung auch nur auf ein Jahr begrenzt. Dies erscheint zumutbar. Etwas anderes muss selbstverständlich mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gelten für die Fälle, dass Änderungen früherer tariflicher Rechte nach Betriebsübergang durch den Abschluss neuer Tarifverträge oder ggf. auch rückwirkend erfolgen sollten. Diese Konstellationen sind nicht vergleichbar mit der hier zu entscheidenden.

Nach alledem ist die Beklagte verpflichtet, dem Kläger die geltend gemachten Gesamtvergütungserhöhungen sowie die Einmalzahlung gem. §§ 4 und 3 Abs. 2 Vergütungs-TV Nr. 35 auf Grund § 613a Abs. 1 S. 2 BGB zu erfüllen.

3. Der geltend gemachte Zinsanspruch beruht auf § 288 Abs. 1 BGB, ist jedoch für einen Tag zuviel verlangt.

Der Kläger verlangt Zinsen ab Rechtshängigkeit; diese ist zwar am 30. März 2005 mit Zustellung der Klage eingetreten, jedoch wird gem. § 187 Abs. 1 BGB gerade dieser Tag nicht mitgerechnet, weshalb die Zinslast erst am 31. März 2005 beginnt. Insoweit ist die Berufung der Beklagten deshalb begründet.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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