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Gericht: Landesarbeitsgericht München
Beschluss verkündet am 27.02.2007
Aktenzeichen: 8 TaBV 56/06
Rechtsgebiete: ArbGG, BetrVG


Vorschriften:

ArbGG § 98 Abs. 1 S. 1
BetrVG § 75
BetrVG § 76 Abs. 2 S. 2
BetrVG § 76 Abs. 2 S. 3
BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 1
1. Ein Antrag auf Bestellung eines Einigungsstellenvorsitzenden und die Bestimmung der Zahl der Beisitzer für eine Einigungsstelle mit einem bestimmten Regelungsgegenstand gem. § 98 Abs. 1 S. 1 ArbGG i. V. mit § 76 Abs. 2 S. 2 und 3 BetrVG ist nicht bereits deshalb unzulässig, weil darin Begriffe wie "Mobbing" und "Bossing" genannt sind. Die bloße Tatsache, dass diese Begriffe noch nicht in die Gesetzgebung Eingang gefunden haben steht dem schon deshalb nicht entgegen, weil Gesetze per se durch den Abstraktheitsgrundsatz gekennzeichnet sind, im Unterschied zum Bestimmtheitsgebot des § 253 Abs. 2 Ziff. 2 ZPO. Den Begriff "Mobbing" hat das Bundesarbeitsgericht im Übrigen in seiner Entscheidung vom 15. Januar 1997 (7 ABR 14/96 - AP Nr. 118 zu § 37 BetrVG 1972) dahin definiert, es sei "das systematische Anfeinden, Schikanieren oder Diskriminieren von Arbeitnehmern untereinander oder durch Vorgesetzte". Soweit erkennbar ist der Begriff "Bossing" in seiner Rechtsprechung noch nicht definiert worden, unterfällt aber wohl dem des "Mobbings", denn nach "Rieble/Klumpp" (ZIP 2002, 369 (379)) spricht man von "Bossing" dann, wenn "der Arbeitgeber in Person (oder als Organ, § 31 BGB) mobbt ...", wobei anscheinend gerade das "Bossing" der Regelfall des "Mobbings" ist. Mit dieser Definition des Bundesarbeitsgerichts für "Mobbing" inklusive "Bossing" ist dem Bestimmtheitsgebot des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO durchaus Genüge getan, weil diejenigen, für die Klarheit geschaffen werden soll, nämlich der Gesamtbetriebsrat und die Arbeitgeberin, sich daran orientieren können. Daran ändert es nichts, dass das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 23. Januar 2007 (9 AZR 557/06, n. a. v.) den Begriff des "Mobbings" als zu unbestimmt qualifiziert, weil dies ersichtlich auf die Voraussetzungen eines anderen Streitgegenstandes bezogen ist, nämlich auf ein strittiges Zurückbehaltungsrecht.

2. Es liegt keine offensichtliche Unzuständigkeit der Einigungsstelle bei einem "Regelungsgegenstand partnerschaftliches Verhalten im Betrieb im Zusammenhang mit Diskriminierung und sexueller Belästigung sowie deren Prävention" vor.

2.1. Insoweit genügt eine summarische Prüfung der offensichtlichen Unzuständigkeit der Einigungsstelle im Hinblick auf den Regelungsgegenstand (BAG vom 9. Mai 1995 - 1 ABR 51/94 - AP Nr. 33 zu § 111 BetrVG 1972).

2.2. Dies gilt insbesondere auch im Hinblick auf den Gesetzesvorbehalt des § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG.

§ 75 Abs. 1 BetrVG stellt jedenfalls keine entgegenstehende Gesetzesschranke dar, wenn es darin heißt, dass "Arbeitgeber und Betriebsrat darüber zu wachen haben, dass alle im Betrieb tätigen Personen nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit behandelt werden ..." Selbstverständlich kann hieraus ein Mitbestimmungsrecht unter den Umständen des § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG entstehen, wenn die weiteren Voraussetzungen erfüllt, d. h. Fragen der Ordnung des Betriebes und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb berührt sind. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Diskriminierung von Arbeitnehmern i. S. einer Benachteiligung in ihren dort genannten Rechtsgütern, wozu auch die sexuelle Identität gehört. Darüber hinaus ist gerade im Hinblick auf Letztere noch auf § 1 und § 3 Abs. 4 AGG hinzuweisen. Dabei handelt es sich allerdings nicht um normative Bestimmungen i. S. eines Gesetzesvorbehalts, denn § 12 AGG bestimmt z. B. lediglich, dass die Arbeitgeberin verpflichtet ist, die erforderlichen Maßnahmen zum Schutz von Benachteiligung wegen eines in § 1 genannten Grundes zu treffen und dass dieser Schutz auch vorbeugende Maßnahmen umfasst, also die hier begehrte Prävention. Wie diese Maßnahmen aussehen sollen, ergibt sich insbesondere auch nicht aus § 12 Abs. 3 AGG, sondern dort ist nur davon die Rede, dass die Arbeitgeberin die im Einzelfall geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahmen zur Unterbindung der Benachteiligung wie Abmahnung, Umsetzung, Versetzung oder Kündigung zu ergreifen hat. Es erscheint daher durchaus ein Spielraum für eine kollektive Regelung im Rahmen des § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG möglich. Insoweit wird insbesondere auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zu § 5 Abs. 1 S. 3 EntgeltfortzahlungsG verwiesen, wonach auch dort ein Regelungsspielraum hinsichtlich der Frage besteht, ob und wann die Arbeitsunfähigkeit vor dem 4. Tag nachzuweisen ist, sodass ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bestehen kann (BAG vom 25. Januar 2000 - 1 ABR 3/99 - AP Nr. 34 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebs). Nichts anderes kann hier gelten für einen Regelungsgegenstand des partnerschaftlichen Verhaltens im Betrieb im Zusammenhang mit Diskriminierung, sexueller Belästigung sowie der Prävention.

3. Was die Regelungsgegenstände "Mobbing" und "Bossing" anbelangt, ergibt sich die offensichtliche Unzuständigkeit der Einigungsstelle bereits aus der Differenzierung, die das Bundesarbeitsgericht zum Mitbestimmungsrecht des § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG vorgenommen hat. Es unterscheidet insoweit zwischen einem mitbestimmungsfreien Arbeitsverhalten und einem mitbestimmungspflichtigen Ordnungsverhalten (BAG vom 18. April 2000 - 1 ABR 22/99 - AP Nr. 33 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung). Danach ist das mitbestimmungspflichtige Ordnungsverhalten vom reinen Arbeitsverhalten der Arbeitnehmer zu unterscheiden. Dieses betrifft alle Regeln und Weisungen, die bei der Erbringung der Arbeitsleistung selbst zu beachten sind. Das Arbeitsverhalten ist berührt, wenn die Arbeitgeberin kraft ihrer Organisations- und Leitungsmacht näher bestimmt, welche Arbeiten auszuführen sind und in welcher Weise das geschehen soll. Danach sind mitbestimmungsfrei solche Anordnungen, mit denen die Arbeitspflicht unmittelbar konkretisiert wird. Wenn man mit dem Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 15. Januar 1997 (a. a. O.) in "Mobbing" (inklusive "Bossing") das systematische Anfeinden, Schikanieren und Diskriminieren von Arbeitnehmern untereinander und durch Vorgesetzte erkennt, so wird deutlich, dass eine Regelung, die sich damit befasst, kaum mehr etwas zu tun hat mit der Gestaltung des Betriebs oder der Schaffung verbindlicher Verhaltensregelungen bzw. von Maßnahmen, die das Verhalten der Arbeitnehmer in Bezug auf die betriebliche Ordnung betreffen und berühren; vielmehr betrifft dieser Regelungsgegenstand von vorneherein entweder die Verletzung von Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis durch die Arbeitgeberin unmittelbar oder deren Zulassung; es ist damit ein Regelungsbereich angesprochen, der die Arbeitspflicht unmittelbar berührt. Dieser Bereich ist aber mitbestimmungsfrei. Das Bundesarbeitsgericht hat allerdings in seiner Entscheidung vom 15. Januar 1997 (a. a. O.), zugegebenermaßen bei der Frage von Schulungen zum Thema "Mobbing", durchklingen lassen, dass nicht vorgetragen sei, dass der Betriebsrat aufgrund der bekannt gewordenen Konflikte initiativ werden wollte, um etwa durch Verhandlungen mit der Arbeitgeberin über den Abschluss einer freiwilligen Betriebsvereinbarung weiteren Mobbing-Fällen entgegenzuwirken. Gegen einen Regelungsgegenstand "Mobbing" im Rahmen einer solchen freiwilligen Betriebsvereinbarung und deren Erstellung durch die Einigungsstelle bestünden keinerlei Bedenken, doch fehlt es hier am Einverständnis der Arbeitgeberin.


LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES BESCHLUSS

Verkündet am: 27. Februar 2007

In dem Beschlussverfahren

hat die Achte Kammer des Landesarbeitsgerichts München aufgrund der Anhörung vom 12. Januar 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Kagerer für Recht erkannt:

Tenor:

Der Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 11. April 2006 - Gz.: 8 BV 32/06 - wird geändert wie folgt:

1. Zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand partnerschaftliches Verhalten im Betrieb im Zusammenhang mit Diskriminierung und sexueller Belästigung sowie deren Prävention wird der Direktor des Arbeitsgerichts A., Herr M., eingesetzt.

Die Anzahl der Beisitzer je Seite wird auf drei festgesetzt.

2. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Der Beteiligte zu 1. (künftig: Gesamtbetriebsrat) verlangt die Bestellung des Vorsitzenden einer Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand der Erstellung eines Regelwerkes zum partnerschaftlichen Verhalten im Betrieb im Zusammenhang mit Mobbing, Bossing, Diskriminierung und sexueller Belästigung, der Prävention in diesem Zusammenhang und der Beschwerdemöglichkeit der Beschäftigten sowie die Bestimmung der Zahl der Beisitzer dieser Einigungsstelle; dabei geht es im Kern darum, ob er für einen derartigen Regelungsgegenstand überhaupt zuständig und die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig ist.

Die Beteiligte zu 2. (künftig: Arbeitgeberin) ist eine gemeinnützige Aktiengesellschaft, die im gesamten Bundesgebiet 17 Einrichtungen betreibt, darunter 15 Seniorenheime, eine Klinik und eine Schule, und darin insgesamt ca. 1.800 Arbeitnehmer beschäftigt. Bei den 15 Seniorenheimen handelt es sich um Wohnstifte, in denen sie "intensiv darum bemüht ist, eine qualitativ hochwertige Wohn- und Betreuungssituation für Senioren" zu schaffen. In zehn dieser Seniorenheime gibt es einen Betriebsrat; ferner ist ein Gesamtbetriebsrat, der Beteiligte zu 1., errichtet. Er hat in der Beschwerdeinstanz nach Hinweis in der mündlichen Anhörung die schriftlichen Mitteilungen von neun Betriebsräten mit Ausnahme desjenigen des "K. Stift R." vorgelegt, wonach diese beschlossen hätten, die "Verhandlungs- und Entscheidungsbefugnis" bzw. "Durchsetzung und Durchführung" einer Gesamtbetriebsvereinbarung mit dem Regelungsgegenstand "Partnerschaftliches Verhalten im Betrieb" bzw. "Partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz" bzw. "Partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz/Mobbing" bzw. "Partnerschaftliches Verhalten" zu übertragen; der Betriebsrat des "K. Stift R." hat beschlossen, ihm die Verhandlungen zum Thema "Mobbing" zu übertragen. All diese Übertragungen erfolgten in der Zeit vom 14. Oktober 2005 bis 10. Januar 2006.

Tatsächlich haben zwischen dem Gesamtbetriebsrat und der Arbeitgeberin entsprechende Verhandlungen stattgefunden, die jedoch gescheitert sind.

Der Gesamtbetriebsrat hat der Arbeitgeberin einen "Entwurf Gesamtbetriebsvereinbarung über partnerschaftliches Verhalten" (künftig "GBV-Entwurf") vorgelegt, in der bestimmte Begriffe definiert, ein "Beschwerderecht" eingeräumt sowie "Maßnahmen", die ergriffen werden sollen, festgelegt sind. Unter § 2a dieses Entwurfs heißt es u. a.: " Unter Mobbing oder Bossing versteht man negative kommunikative Handlungen, die gegen die Selbstachtung einer oder mehrerer Personen gerichtet sind, häufig und über einen längeren Zeitraum hinaus vorkommen und damit die Beziehung zwischen den Betroffenen kennzeichnen." Unter § 2c findet sich nach Aufzählung von Beispielen für "sexuelle Belästigung" u. a. folgende Formulierung:

" Was als sexuelle Belästigung empfunden wird, ist durch das subjektive Empfinden des Betroffenen bestimmt." Bei den zu ergreifenden Maßnahmen werden unter § 6 dieses Entwurfs "als angemessene betriebliche Maßnahmen" beispielhaft "Belehrung &brkbar; Ermahnung &brkbar; Verweis oder arbeitsrechtliche Maßnahmen wie z. B. Abmahnung &brkbar; Umsetzung &brkbar; Versetzung &brkbar; Kündigung" genannt; zuletzt heißt es dort, dass "die Durchführung der Zustimmung des Betriebsrats bedarf".

Am 18. Oktober 2005 hat der Gesamtbetriebsrat beschlossen, das hier zu entscheidende Verfahren einzuleiten und mit dessen Durchführung seinen späteren Verfahrensbevollmächtigten beauftragt. Dieser hat mit Schreiben vom 4. November 2005 die Arbeitgeberin darüber informiert, es bestehe "Bereitschaft ..., bezüglich der Gesamtbetriebsvereinbarung eine Einigungsstelle einzuberufen" mit dem Thema "Partnerschaftliches Verhalten im Betrieb" unter dem Vorsitz des damaligen Vizepräsidenten des Arbeitsgerichts Mü., Herrn M., und mit drei Beisitzern pro Seite. Er forderte sie gleichzeitig auf, bis 16. November 2005 mitzuteilen, ob sie mit diesem Vorschlag einverstanden sei und kündigte nach erfolglosem Ablauf dieser Frist an, ein entsprechendes "Verfahren vor dem Arbeitsgericht anzustrengen". Hierauf teilte die Arbeitgeberin mit Schreiben ihrer späteren Verfahrensbevollmächtigten vom 30. November 2005 mit, sie hätte dieser empfohlen, "trotz der Bereitschaft, mit dem Antragsteller (hier Gesamtbetriebsrat) immer zu verhandeln, in diesem Bereich keine weitergehenden Kompromisse einzugehen ..."

Mit Schriftsatz vom 13. Februar 2006, der am Folgetag am Arbeitsgericht eingegangen ist, hat er dann seinen Antrag gem. § 98 Abs. 1 S. 1 ArbGG angebracht.

Unstreitig sind die Arbeitgeberin und mehrere Arbeitnehmer vor dem Arbeitsgericht München unter dem Gz. 19a Ca 6631/05 von einer früheren Arbeitnehmerin auf Schmerzensgeld in Höhe von € 20.000,-- verklagt worden, wobei dieser Rechtsstreit durch einen Vergleich mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses dieser Klägerin gegen Gewährung einer Abfindung beendet worden ist.

Der Gesamtbetriebsrat hat vor dem Arbeitsgericht vorgetragen, ihm stehe ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht gem. § 87 Abs. 1 Nr. 1 i. V. mit Abs. 2 Nr. 1 BetrVG zur Regelung des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb zu. Da sich die Arbeitgeberin letztlich weigere, mit ihm weiter darüber zu verhandeln, müsse der Vorsitzende einer Einigungsstelle bestimmt werden, und zwar der frühere Vizepräsident des Arbeitsgerichts Mü., nunmehriger Direktor des Arbeitsgerichts A.; darüber hinaus seien für jede Seite dieser Einigungsstelle drei Beisitzer zu bestellen. Der Gegenstand dieser Einigungsstelle, ursprünglich "Abschluss einer Betriebsvereinbarung partnerschaftliches Verhalten im Betrieb" und zuletzt "Erstellung eines Regelwerks zum Verhalten im Betrieb im Zusammenhang mit Mobbing, Bossing, Diskriminierung und sexueller Belästigung sowie der Prävention in diesem Zusammenhang sowie der Beschwerdemöglichkeit der Beschäftigten", betreffe das Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb gem. § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Damit sei die Sicherung eines ungestörten Arbeitsablaufs und des reibungslosen Zusammenlebens/Zusammenwirkens der Arbeitnehmer im Betrieb gemeint.

Für eine derartige Regelung sei er auch zuständig. Insbesondere fehle es an einer offensichtlichen Unzuständigkeit der Einigungsstelle mit einem derartigen Regelungsgegenstand gem. § 98 Abs. 1 S. 2 ArbGG.

Der von ihm vorgeschlagene Vorsitzende dieser Einigungsstelle sei ein erfahrener Einigungsstellenvorsitzender und unparteiisch. Da es sich um einen Regelungsgegenstand durchschnittlichen Schwierigkeitsgrades handle, sei die Anzahl der Beisitzer auf drei je Seite festzusetzen.

Dem hat die Arbeitgeberin entgegengehalten,

der Gesamtbetriebsrat habe es sich zur Gewohnheit gemacht, die Regelungen des § 40 BetrVG dafür auszunutzen, um in extensiver Art und Weise Kosten zu produzieren, was auch für die hier angestrebte Einigungsstelle gelte. Es fehle bereits an seinem entsprechenden Mitbestimmungsrecht gem. § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, denn dieses stehe unter dem Gesetzesvorbehalt dessen Eingangssatzes. So gehöre es zu den Aufgaben des Betriebsrats gem. § 75 Abs. 1 BetrVG, darüber zu wachen, dass alle im Betrieb tätigen Personen nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit behandelt werden, insbesondere, dass jede Benachteiligung von Personen ihrer Rasse oder wegen ihrer ethnischen Herkunft, ihrer Abstammung oder sonstigen Herkunft, ihrer Nationalität, ihrer Religion oder Weltanschauung, ihrer Behinderung, ihres Alters, ihrer politischen oder gewerkschaftlichen Betätigung oder Einstellung oder wegen ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Identität unterbleibt und nach dessen Abs. 2 S. 1 die freie Entfaltung der Persönlichkeit der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer zu schützen und zu fördern. Diese Aufgabe des Betriebsrats sei unveräußerlich und könne nicht auf andere Institutionen abgewälzt werden. Auch das Prozedere der Konfliktlösung in derartigen Fällen sei in den §§ 82 ff., insbesondere in den §§ 84 und 85 BetrVG in dem dort angesprochenen Beschwerderecht und dessen Behandlung gesetzlich geregelt.

Es sei auch nicht recht einzusehen, weshalb als Einigungsstellenvorsitzender nicht der Richter am Arbeitsgericht Mü., Herr Ka., bestellt werden solle, der in zwei anderen Einigungsstellenverfahren benannt sei; "dessen ungeachtet bestehe ... kein Einwand gegen die Person des Vizepräsidenten des Arbeitsgerichts Mü. als Vorsitzenden der Einigungsstelle".

Im Übrigen reichten hier für den Verfahrensgegenstand dieser Einigungsstelle durchaus zwei Beisitzer auf jeder Seite. Insoweit müssten auch finanzielle Aspekte bei deren Bezahlung berücksichtigt werden, denn die Kosten der Einigungsstelle trüge die Arbeitgeberin.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 11. April 2006, der dem Gesamtbetriebsrat am 2. Mai 2006 zugestellt worden ist, den Antrag zurückgewiesen. Auf die darin getroffenen tatsächlichen Feststellungen und angestellten rechtlichen Erwägungen wird verwiesen. Es hat den gestellten Antrag als unzulässig qualifiziert, weil er nicht genügend bestimmt und bestimmbar sei. Dies gelte auch für den nach Nachbesserung in der mündlichen Anhörung zuletzt gestellten Antrag, denn die darin vorkommenden Begriffe wie Mobbing und Bossing hätten in der Gesetzgebung noch keinen Niederschlag gefunden.

Dagegen hat der Gesamtbetriebsrat mit einem am 16. Mai 2006 am Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt und sie zugleich begründet.

Unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Sachvortrags führt er insbesondere aus, zum einen stelle der angegriffene Beschluss eine unzulässige Überraschungsentscheidung dar, weil das Arbeitsgericht seiner Verpflichtung zur Gewährung rechtlichen Gehörs nicht nachgekommen sei. Dessen Vorsitzender habe ihm, dem Verfahrensvertreter des Gesamtbetriebsrats, "vielmehr signalisiert, ... dass er dem Antrag stattgeben würde, wenn dieser den ursprünglich in der Antragsschrift vom 13. Februar 2006 gestellten Antrag entsprechend ergänzen würde"; genau dem sei zwar entsprochen, aber dennoch der Antrag als unzulässig abgewiesen worden. Zum anderen sei der zuletzt gestellte Antrag vor dem Arbeitsgericht, der im Beschwerdeverfahren weiterverfolgt werde, auch ausreichend bestimmt und bestimmbar. Der Regelungsgegenstand einer Einigungsstelle, für die gem. § 98 Abs. 1 S. 1 ArbGG der Vorsitzende bestellt und die Zahl der Beisitzer bestimmt werden solle, müsse zwar hinreichend bestimmt werden, doch genüge es, dass in einem nachfolgenden Einigungsstellenverfahren und einer evtl. gerichtlichen Überprüfung der Zuständigkeit der Einigungsstelle oder deren Spruchs klar sei, für welche Regelungsfragen sie eingesetzt war. Diesen Anforderungen entspreche der gestellte Antrag.

Im Übrigen bleibe es dabei, dass dieser Regelungsgegenstand unter das Mitbestimmungsrecht des § 87 Abs. 1 Nr. 1 i. V. mit Abs. 2 BetrVG falle, dem keine abschließende gesetzliche Regelung vorgehe. Insoweit müsse vor allem berücksichtigt werden, dass der Antrag auf Bestellung des Vorsitzenden einer Einigungsstelle und die Bestimmung der Zahl ihrer Beisitzer gem. § 98 Abs. 1 S. 1 ArbGG i. V. mit § 76 Abs. 2 S. 2 und 3 BetrVG nach § 98 Abs. 1 S. 2 ArbGG wegen fehlender Zuständigkeit der Einigungsstelle (deren Voraussetzung ein Mitbestimmungsrecht ist) nur zurückgewiesen werden kann, wenn diese offensichtlich unzuständig sei. Das aber sei hier nicht der Fall. Der vorgenannte Offenkundigkeitsmaßstab sei nicht nur im Hinblick auf entsprechende Mitbestimmungsrechte anzulegen, sondern gelte auch im Hinblick darauf, ob er, der Gesamtbetriebsrat, oder die örtlichen Betriebsräte sie geltend machen könnten. Das sei hier der Fall, denn eine Regelung über "Partnerschaftliches Verhalten im Betrieb" betreffe das Gesamtunternehmen der Arbeitgeberin.

Deshalb stellt der Gesamtbetriebsrat folgende Anträge:

1. Der Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 11. April 2006 - Gz.: 8 BV 32/06 - wird aufgehoben.

2. Zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle, der ein Regelwerk aufstellen möge zum partnerschaftlichen Verhalten im Betrieb im Zusammenhang mit Mobbing, Bossing, Diskriminierung und sexueller Belästigung sowie der Prävention in diesem Zusammenhang und der Beschwerdemöglichkeit der Beschäftigten, wird der Vizepräsident des Arbeitsgerichts Mü., Herr M., eingesetzt.

Die Anzahl der Beisitzer je Seite wird auf drei festgesetzt. Die Arbeitgeberin beantragt:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Sie hält das angegriffene Urteil für richtig und wiederholt und vertieft ebenfalls ihren erstinstanzlichen Sachvortrag. Insbesondere führt sie aus,

es bleibe dabei, dass bereits der gestellte Antrag des Gesamtbetriebsrats unzulässig sei, denn aus ihm müsse klar entnommen werden können, mit welcher konkreten Thematik sich die Einigungsstelle befassen solle. Das Arbeitsgericht habe richtig erkannt, dass Begriffe wie "Mobbing" bzw. "Bossing" zum einen bisher keinen Niederschlag in der Gesetzgebung bzw. Rechts- oder Umgangssprache gefunden hätten und zum anderen sei nicht erkennbar, was mit einer "Prävention" in dem angestrebten Regelwerk beabsichtigt sei. Des Weiteren bestehe für den Gesamtbetriebsrat für das behauptete Mitbestimmungsrecht keine originäre Zuständigkeit gem. § 50 Abs. 1 BetrVG oder im Wege des Auftrags gem. § 50 Abs. 2 BetrVG. Insoweit liege insbesondere keine überbetriebliche Angelegenheit gem. § 50 Abs. 1 S. 1 BetrVG vor; es fehle insoweit an dem zwingenden Ergebnis für eine betriebsübergreifende Regelung; eine bloße Zweckmäßigkeit einer unternehmenseinheitlichen Regelung reiche nicht aus.

Darüber hinaus sei der gestellte Antrag unbegründet. Auch insoweit werde wieder auf die fehlende Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats für das geltend gemachte Mitbestimmungsrecht Bezug genommen.

Außerdem habe das Mitbestimmungsrecht betreffend die Fragen der betrieblichen Ordnung gem. § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG nur eine Abwehrfunktion, nicht aber ein Initiativrecht. Nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 15. Januar 1997 (7 ABR 7/96 - AP Nr. 118 zu § 37 BetrVG 1972) komme für den Themenbereich partnerschaftliches Verhalten bzw. Mobbing allenfalls der Abschluss einer freiwilligen Betriebsvereinbarung in Betracht, wobei es jedoch an ihrem, der Arbeitgeberin, Einverständnis fehle. Es bleibe dabei, dass das hier geltend gemachte Mitbestimmungsrecht deshalb nicht bestehe, weil abschließende gesetzliche Regelungen in den §§ 75, 84 und 85 BetrVG vorlägen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsprotokolle, die Schriftsätze der Beteiligten und den sonstigen Akteninhalt beider Rechtszüge verwiesen.

II.

Die Beschwerde ist zwar zulässig, jedoch nur zum Teil begründet. Unbegründet ist sie insoweit, als der Antrag im Regelungsgegenstand der Einigungsstelle eines "Partnerschaftlichen Verhaltens im Betrieb" einen Zusammenhang mit "Mobbing" und "Bossing" herstellt und darin auch ein "Beschwerderecht" der Beschäftigten geregelt werden soll.

1. Die Beschwerde ist zulässig.

Sie ist statthaft gem. § 98 Abs. 2 S. 1 ArbGG, denn sie richtet sich gegen eine Entscheidung des Arbeitsgerichts gem. § 98 Abs. 1 S. 1 ArbGG, in der es um die Bestimmung der Person eines Einigungsstellenvorsitzenden und der Zahl der von beiden Seiten zu bestellenden Beisitzer gem. § 76 Abs. 2 S. 2 und 3 BetrVG geht. Sie ist auch in der richtigen Form (§ 98 Abs. 2 S. 3 i. V. mit § 87 Abs. 2 i. V. mit § 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG i. V. mit § 519 Abs. 1 ZPO) und rechtzeitig (§ 98 Abs. 2 S. 2 ArbGG) eingelegt worden.

2. Begründet ist die Beschwerde nur im tenorierten Umfang, denn lediglich insoweit ist der erstinstanzlich zuletzt gestellte Antrag des Gesamtbetriebsrats zulässig und begründet.

2.1 Gegen die Antragsbefugnis des Gesamtbetriebsrats bestehen im Hinblick auf § 50 Abs. 2 BetrVG keine Bedenken; insgesamt wird auf unten 2.3.1 verwiesen.

2.2 Verfahrensgegenstand ist hier die Bestellung eines Einigungsstellenvorsitzenden und die Bestimmung der Zahl der Beisitzer für eine Einigungsstelle mit einem bestimmten Regelungsgegenstand (§ 98 Abs. 1 S. 1 ArbGG i. V. mit § 76 Abs. 2 S. 2 und 3 BetrVG). Dabei kann gem. § 98 Abs. 1 S. 2 ArbGG der Antrag nicht wegen fehlender Zuständigkeit der Einigungsstelle zurückgewiesen werden, wenn diese nicht offensichtlich unzuständig ist.

Auch ein derartiger Antrag steht, insbesondere im Hinblick auf den Regelungsgegenstand der Einigungsstelle, unter dem Gebot der Bestimmtheit des § 253 Abs. 2 Ziff. 2 ZPO. Dabei muss der Antrag, in dem es um ein Mitbestimmungsrecht geht, so genau bezeichnet werden, dass mit der Entscheidung feststeht, für welche konkrete Maßnahme oder welchen konkreten Vorgang ein Mitbestimmungsrecht geltend gemacht wird (BAG vom 4. Dezember 1990 - 1 ABR 10/90 - AP Nr. 1 zu § 97 BetrVG 1972 und vom 1. August 1989 - 1 ABR 51/88 - AP Nr. 17 zu § 95 BetrVG 1972 m. w. N.).

Unzulässig ist er jedoch entgegen der Rechtsauffassung des Erstgerichts nicht bereits deshalb, weil darin Begriffe wie "Mobbing" und "Bossing" genannt sind. Die bloße Tatsache, dass diese Begriffe noch nicht in die Gesetzgebung Eingang gefunden haben, steht dem schon deshalb nicht entgegen, weil Gesetze per se durch den Abstraktheitsgrundsatz gekennzeichnet sind - im Unterschied zum Bestimmtheitsgebot des § 253 Abs. 2 Ziff. 2 ZPO. Den Begriff "Mobbing" hat das Bundesarbeitsgericht im Übrigen in seiner Entscheidung vom 15. Januar 1997 (7 ABR 14/96 - AP Nr. 118 zu § 37 BetrVG 1972) dahin definiert, es sei "das systematische Anfeinden, Schikanieren oder Diskriminieren von Arbeitnehmern untereinander oder durch Vorgesetzte." Soweit erkennbar ist der Begriff "Bossing" in seiner Rechtsprechung noch nicht definiert worden, unterfällt aber wohl dem des "Mobbings", denn nach "Rieble/Klumpp" (ZIP 2002, 369 (379)) spricht man von "Bossing" dann, wenn "der Arbeitgeber in Person (oder als Organ, § 31 BGB) mobbt ...", wobei anscheinend gerade das "Bossing" der Regelfall des "Mobbings" ist. Mit dieser Definition des Bundesarbeitsgerichts für "Mobbing" inklusive "Bossing" ist dem Bestimmtheitsgebot des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO durchaus Genüge getan, weil diejenigen, für die Klarheit geschaffen werden soll, nämlich der Gesamtbetriebsrat und die Arbeitgeberin, sich daran orientieren können. Daran ändert es nichts, dass das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 23. Januar 2007 (9 AZR 557/06, n. a. v.) den Begriff des "Mobbings" als zu unbestimmt qualifiziert, weil dies ersichtlich auf die Voraussetzungen eines anderen Streitgegenstandes bezogen ist, nämlich auf ein strittiges Zurückbehaltungsrecht.

2.3 Im tenorierten Umfang ist die Beschwerde deshalb begründet, weil auch der gestellte Antrag insoweit begründet ist.

2.3.1 Dies gilt im Hinblick auf die Aktivlegitimation des Gesamtbetriebsrats, ohne dass seine originäre Zuständigkeit gem. § 50 Abs. 1 S. 1 BetrVG überhaupt geprüft werden muss schon deshalb, weil nach § 50 Abs. 2 S. 1 BetrVG der Betriebsrat mit der Mehrheit der Stimmen seiner Mitglieder den Gesamtbetriebsrat beauftragen kann, eine Angelegenheit für ihn zu behandeln. Dies ist hier bei neun von zehn der Betriebsräte ganz ohne Zweifel der Fall, ohne dass dies näher erörtert zu werden braucht. Zwar hat der zehnte, der Betriebsrat des "K. Stift R.", am 25. November 2005 beschlossen, "die Verhandlungen zum Thema Mobbing auf den Gesamtbetriebsrat zu übertragen", doch enthält dies keine Beschränkung des Regelungsgegenstandes gegenüber demjenigen, den hier die Einigungsstelle behandeln soll. Dieser Beschluss ist daher entsprechend auszulegen, wobei davon auszugehen ist, dass dieser Betriebsrat das Anliegen in seiner Gesamtheit wohl kannte und lediglich eine aus seiner Sicht griffige Formulierung gewählt hat.

2.3.2 Im tenorierten Umfang ist in die Einigungsstelle auch nicht offensichtlich unzuständig.

- Das ist dann der Fall, wenn bei fachkundiger Beurteilung durch das Gericht sofort erkennbar ist, dass unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats in der fraglichen Angelegenheit in Betracht kommt (Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, 5. Aufl., § 98 Rz. 11 m. w. N.). Davon ist auszugehen, wenn aus dem zur Begründung des Antrags vorgetragenen Sachverhalt oder dem übereinstimmenden Vorbringen der Beteiligten für das Gericht ohne weiteres Nachprüfen erkennbar ist, dass aus ihm die beantragte Rechtsfolge nicht hergeleitet werden kann, was jedoch nicht bedeutet, dass alle Rechtsfragen mit dem paraten Wissen des Beurteilers gelöst werden müssen. Entscheidend ist vielmehr, dass sich ihm die Unbegründetheit des Antrags ohne weiteres aufdrängt und ein Blick in einen Kommentar zu dem Ergebnis führt, dass der Antrag nach gefestigter Rechtsprechung der Obergerichte keinen Erfolg haben kann (LAG Brandenburg vom 8. Juli 1997 - 7 TaBV 9/97 - A. i. B. 1997, 727). Der Zweck des § 98 Abs. 1 S. 1 ArbGG liegt gerade nicht darin, Einigungsstellenverfahren zu beschränken. Das Bundesarbeitsgericht hat in seiner Entscheidung vom 25. April 1989 (1 ABR 91/87 -AP Nr. 3 zu § 98 ArbGG 1979) den Sinn des Bestellungsverfahrens nach § 98 ArbGG darin erkannt, dass der Betriebsrat, der in einer bestimmten Angelegenheit ein Mitbestimmungsrecht in Anspruch nimmt und über die erstrebte Regelung keine Einigung mit der Arbeitgeberin erzielt, die Einigungsstelle auch dann anrufen können soll, wenn das Mitbestimmungsrecht selbst zwischen den Betriebspartnern umstritten ist. In seiner Entscheidung vom 9. Mai 1995 (1 ABR 51/94 - AP Nr. 33 zu § 111 BetrVG 1972) hat es das Verfahren gem. § 98 Abs. 1 ArbGG als summarisch gekennzeichnet, das ein Verfahren über das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts nicht ausschließt. Im Übrigen hat die Einigungsstelle selbst ihre Zuständigkeit als Vorfrage zu prüfen und sich ggf. für unzuständig zu erklären, wenn sie für die Zuständigkeit nicht weggegeben wird (BAG v. 22. Januar 1980 - 1 ABR 48/77 - AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung).

- Hier liegt bei summarischer Prüfung eine offensichtliche Unzuständigkeit der Einigungsstelle im tenorierten Regelungsumfang nicht vor. Dies gilt insbesondere auch im Hinblick auf den Gesetzesvorbehalt des § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG. § 75 Abs. 1 BetrVG stellt jedenfalls keine entgegenstehende Gesetzesschranke dar, wenn es darin heißt, dass "Arbeitgeber und Betriebsrat darüber zu wachen haben, dass alle im Betrieb tätigen Personen nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit behandelt werden ..." Selbstverständlich kann hieraus ein Mitbestimmungsrecht unter den Umständen des § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG entstehen, wenn die weiteren Voraussetzungen erfüllt, d. h. Fragen der Ordnung des Betriebes und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb berührt sind. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Diskriminierung von Arbeitnehmern i. S. einer Benachteiligung in ihren dort genannten Rechtsgütern, wozu auch die sexuelle Identität gehört. Darüber hinaus ist gerade im Hinblick auf Letztere noch auf § 1 und § 3 Abs. 4 AGG hinzuweisen. Dabei handelt es sich allerdings nicht um normative Bestimmungen i. S. eines Gesetzesvorbehalts, denn § 12 AGG bestimmt z. B. lediglich, dass die Arbeitgeberin verpflichtet ist, die erforderlichen Maßnahmen zum Schutz von Benachteiligung wegen eines in § 1 genannten Grundes zu treffen und dass dieser Schutz auch vorbeugende Maßnahmen umfasst, also die hier begehrte Prävention. Wie diese Maßnahmen aussehen sollen, ergibt sich insbesondere auch nicht aus § 12 Abs. 3 AGG, sondern dort ist nur davon die Rede, dass die Arbeitgeberin die im Einzelfall geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahmen zur Unterbindung der Benachteiligung wie Abmahnung, Umsetzung, Versetzung oder Kündigung zu ergreifen hat. Es erscheint daher durchaus ein Spielraum für eine kollektive Regelung im Rahmen des § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG möglich. Insoweit wird insbesondere auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zu § 5 Abs. 1 S. 3 EntgeltfortzahlungsG verwiesen, wonach auch dort ein Regelungsspielraum hinsichtlich der Frage besteht, ob und wann die Arbeitsunfähigkeit vor dem 4. Tag nachzuweisen ist, sodass ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bestehen kann (BAG vom 25. Januar 2000 -1 ABR 3/99 - AP Nr. 34 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebs). Nichts anderes kann hier gelten für einen Regelungsgegenstand des partnerschaftlichen Verhaltens im Betrieb im Zusammenhang mit Diskriminierung, sexueller Belästigung sowie der Prävention, wobei die Einigungsstelle auch hier auf die Grenzen ihrer Zuständigkeit zu achten hat, um etwaige Auswüchse zu verhindern, wie sie dem Gesamtbetriebsrat in seinem "GBV-Entwurf" vorschweben, in dem er festlegte, dass das, was als sexuelle Belästigung empfunden wird, "durch das subjektive Empfinden des Betroffenen bestimmt werde" und daraus wohl Folgen ableiten will. Hier genügt der Hinweis, dass es insoweit nicht auf die subjektiven Befindlichkeiten des Betroffenen ankommt, sondern auf die Betrachtungsweise eines vernünftigen Dritten.

2.3.3 Im tenorierten Umfang ist aber die Beschwerde nicht nur begründet was den Regelungsgegenstand der Einigungsstelle als solchen anbelangt, sondern auch, was die Person des zu bestellenden Vorsitzenden betrifft. Gegen dessen Unparteilichkeit selbst hat die Arbeitgeberin ausdrücklich keine Vorbehalte erhoben. Deshalb steht nichts entgegen, ihn entsprechend zu benennen. Er ist gerichtsbekannt ein erfahrener Einigungsstellenvorsitzender.

Was die Zahl der Beisitzer der Einigungsstelle anbelangt, ist diese, nicht nur wie von der Arbeitgeberin verlangt, mit je zwei von beiden Seiten zu bestimmen, sondern auf je drei festzusetzen. Dabei ist nämlich zu berücksichtigen, dass immerhin Regelungen für insgesamt zehn Betriebe getroffen werden sollen und ca. 1.800 Arbeitnehmer betroffen sind. Zwar ist der Arbeitgeberin zuzubilligen, dass, gerade was die Zahl der Einigungsstellenbeisitzer anbelangt, ebenfalls die dadurch veranlassten Kosten eine Rolle spielen können, denn sie werden gem. § 76a Abs. 1 BetrVG von der Arbeitgeberin getragen. Diesem Gesichtspunkt hat allerdings auch der Gesamtbetriebsrat Rechnung zu tragen und insoweit ist § 76a Abs. 2 S. 2 i. V. mit S. 1 BetrVG zu berücksichtigen.

3. Die Beschwerde ist jedoch insoweit unbegründet, als der Gesamtbetriebsrat im Rahmen des Regelungsgegenstandes der Einigungsstelle, für die der unparteiische Vorsitzende bestellt und die Zahl der Beisitzer jeder Seite bestimmt werden soll, ein Regelwerk im Zusammenhang mit "Mobbing" und "Bossing" und entsprechender Beschwerdemöglichkeiten aufstellen soll.

Insoweit bestehen tatsächlich entsprechende gesetzliche Schranken gem. § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG.

3.1 Im Hinblick auf den Regelungsgegenstand "Beschwerderecht" ergibt sich dies ohne weiteres aus §§ 84, 85 BetrVG und § 13 Abs. 1 AGG, ohne dass dies näherer Erörterungen bedarf. Daran ändert auch § 13 Abs. 2 AGG nichts, denn insoweit kommen wieder §§ 84, 85 BetrVG zum Zuge. Offensichtlich hat der Gesamtbetriebsrat hier eine Tendenz zu einer Regelungsverdichtung, die nicht durch das Gesetz gedeckt ist.

3.2 Was die Regelungsgegenstände "Mobbing" und "Bossing" anbelangt, ergibt sich die offensichtliche Unzuständigkeit der Einigungsstelle bereits aus der Differenzierung, die das Bundesarbeitsgericht zum Mitbestimmungsrecht des § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG vorgenommen hat. Es unterscheidet insoweit zwischen einem mitbestimmungsfreien Arbeitsverhalten und einem mitbestimmungspflichtigen Ordnungsverhalten (BAG vom 18. April 2000 - 1 ABR 22/99 - AP Nr. 33 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung). Danach ist das mitbestimmungspflichtige Ordnungsverhalten vom reinen Arbeitsverhalten der Arbeitnehmer zu unterscheiden. Dieses betrifft alle Regeln und Weisungen, die bei der Erbringung der Arbeitsleistung selbst zu beachten sind. Das Arbeitsverhalten ist berührt, wenn die Arbeitgeberin kraft ihrer Organisations- und Leitungsmacht näher bestimmt, welche Arbeiten auszuführen sind und in welcher Weise das geschehen soll. Danach sind mitbestimmungsfreie solche Anordnungen, mit denen die Arbeitspflicht unmittelbar konkretisiert wird. Wenn man mit dem Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 15. Januar 1997 (a. a. O.) in "Mobbing" (inklusive "Bossing") das systematische Anfeinden, Schikanieren und Diskriminieren von Arbeitnehmern untereinander und durch Vorgesetzte erkennt, so wird deutlich, dass eine Regelung, die sich damit befasst, kaum mehr etwas zu tun hat mit der Gestaltung des Betriebs oder der Schaffung verbindlicher Verhaltensregelungen bzw. von Maßnahmen, die das Verhalten der Arbeitnehmer in Bezug auf die betriebliche Ordnung betreffen und berühren, vielmehr betrifft dieser Regelungsgegenstand von vorneherein entweder die Verletzung von Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis durch die Arbeitgeberin unmittelbar oder deren Zulassung; es ist damit ein Regelungsbereich angesprochen, der die Arbeitspflicht unmittelbar berührt. Dieser Bereich ist aber mitbestimmungsfrei. Das Bundesarbeitsgericht hat allerdings in seiner Entscheidung vom 15. Januar 1997 (a. a. O.), zugegebenermaßen bei der Frage von Schulungen zum Thema "Mobbing", durchklingen lassen, dass nicht vorgetragen sei, dass der Betriebsrat aufgrund der bekannt gewordenen Konflikte initiativ werden wollte, um etwa durch Verhandlungen mit der Arbeitgeberin über den Abschluss einer freiwilligen Betriebsvereinbarung weiteren Mobbing-Fällen entgegenzuwirken. Gegen einen Regelungsgegenstand "Mobbing" im Rahmen einer solchen freiwilligen Betriebsvereinbarung und deren Erstellung durch die Einigungsstelle bestünden keinerlei Bedenken, doch fehlt es hier am Einverständnis der Arbeitgeberin.

Deshalb vermochte sich der Vorsitzende der Beschwerdekammer auch nicht der Rechtsauffassung des Vorsitzenden der 4. Kammer des Landesarbeitsgerichts München anzuschließen, der im Verfahren unter dem Az. 4 TaBV 61/05 zu dem Ergebnis kam, dass eine Einigungsstelle mit dem Gegenstand "Betriebsvereinbarung Mobbing" jedenfalls nicht offensichtlich unzuständig sei.

III.

Gem. § 2 Abs. 2 GKG werden im Beschlussverfahren keine Kosten erhoben. Gegen diesen Beschluss findet kein Rechtsmittel statt (§ 98 Abs. 2 l. S. ArbGG).

Ende der Entscheidung

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