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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 10.12.2003
Aktenzeichen: 9 Sa 178/03
Rechtsgebiete: BGB, TVG, ArbGG, ArbSchG, BUrlG, BeschSchG


Vorschriften:

BGB § 134
BGB § 138
BGB § 612a
TVG § 12a
ArbGG § 5
ArbSchG § 2 Abs. 2 Nr. 3
BUrlG § 2
BeschSchG § 1 Abs. 2
§ 612a BGB ist bei arbeitnehmerähnlichen Personen zumindest dann nicht anwendbar, wenn die Maßnahme des Arbeitgebers in einer Kündigung des Vertragsverhältnisses besteht.
LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

9 Sa 178/03

Verkündet am: 10.12.2003

In dem Rechtsstreit

hat die neunte Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 19.11.2003 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Dunkl sowie die ehrenamtlichen Richter Bacher und Kunert

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 12.2.2003 - 26 Ca 15660/01 - wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Beendigung ihres Vertragsverhältnisses als freie Mitarbeiterin.

Die Klägerin ist seit 1.1.1985 nach anfänglicher dreimonatiger Hospitanz als freie Mitarbeiterin und dann als sogenannte feste freie Mitarbeiterin für den Beklagten tätig, und zwar für die Redaktion "..." und seit Herbst 1991 auch für die Redaktion ... . Beim Beklagten existiert ein Tarifvertrag für arbeitnehmerähnliche Personen i.S. des § 12a TVG. Die Klägerin ist Mitglied im Bayerischen Journalistenverband, der Tarifvertragspartei ist.

Nach der Geburt eines Kindes lief die Mutterschutzfrist der Klägerin am 12.9.1997 ab.

Mit Schreiben vom 18.8.1997 hat die Klägerin dem Beklagten mitgeteilt, "dass sie nach Ablauf der Mutterschutzfrist einen ganzjährigen Erziehungsurlaub in Anspruch nehmen möchte".

Die Klägerin war zwar nach dem 12.9.1997 geringfügig für die Redaktion "..." tätig, aber nicht mehr für die Redaktion ...

Ab Oktober 1998 hat die Klägerin ihre Tätigkeit auch wieder für die Redaktion ... angeboten, wurde dort aber zunächst nicht, später dann nur in geringem Umfange wieder eingesetzt. Die Klägerin hat deshalb mit der Klage zum Arbeitsgericht München vom 24.4.2001 einen Ausgleichsanspruch in Höhe von 132.948,26 DM für die Zeit von Oktober 1998 bis Ende 1999 gem. Ziff. 4.3 des Tarifvertrages für arbeitnehmerähnliche Personen geltend gemacht. Durch Urteil des LAG München vom 6.11.2002 - 9 Sa 174/02 - wurde der Beklagte zur Zahlung von 84.809,01 DM = 43.362,16 Euro verurteilt.

Mit Schreiben vom 13.9.2001, der Klägerin zugegangen am 27.9.2001, hat der Beklagte das Rechtsverhältnis mit der Klägerin zum 31.3.2002, hilfsweise zum tariflich nächstzulässigen Termin gekündigt. Die für die Klägerin maßgebliche Kündigungsfrist gem. Ziff. 4.2.1 des Tarifvertrages für arbeitnehmerähnliche Personen beträgt 15 Monate.

Die Klägerin trägt vor, die Kündigung des Dienstverhältnisses sei unwirksam, da sie gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB verstoße. Die Kündigung sei auch sittenwidrig.

Die Kündigung sei eine Reaktion darauf, dass die Klägerin auf ihre tarifvertraglichen Rechte auf Ausgleichszahlung bestanden habe. Der Beklagte habe die Klägerin schon im Dezember 2000 wissen lassen, dass sie mit einer Kündigung rechnen müsse, wenn sie auf Ausgleichsansprüche in der vollen von ihr geltend gemachten Höhe beharre.

Die Klägerin beantragte im ersten Rechtszug:

1. Es wird festgestellt, dass das Dienstverhältnis der Klägerin durch die schriftliche Kündigung des Beklagten mit Schreiben vom 13.9.2001, zugegangen am 27.9.2001, weder zum 31.3.2002 noch zum 31.12.2002 aufgelöst wird.

2. Es wird festgestellt, dass das Dienstverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 31.3.2002 sowie den 31.12.2002 hinaus fortbesteht.

Der Beklagte ist dagegen der Auffassung, dass die Kündigung nicht gegen das Maßregelungsverbot verstoße. Die Kündigung sei nicht ausgesprochen worden, weil die Klägerin für die Vergangenheit einen Ausgleichsanspruch geltend gemacht habe. Vielmehr sei sie ausgesprochen worden, um zu verhindern, dass in der Zukunft weitere Ausgleichsansprüche entstünden. Seit der Rückkehr der Klägerin aus ihrem "Erziehungsurlaub" habe es Schwierigkeiten gegeben sie einzusetzen. Da der Einsatz nur noch in reduziertem Umfange möglich gewesen sei, seien beim Beklagten seit Mai 2000 Überlegungen angestellt worden, wie zukünftig Ausgleichszahlungen vermieden werden könnten. Man habe dann im September 2001 die Beendigungskündigung gewählt, da sowohl der Redaktionsleiter von ..., Herr ... als auch der Redaktionsleiter von ... Herr ... erklärt hätten, dass kein Interesse mehr an einer Mitarbeit der Klägerin bestünde.

Somit habe der Beklagte reagieren müssen, um zu verhindern, dass in Zukunft weitere erhebliche Ausgleichszahlungen entstehen würden.

Das Arbeitsgericht München hat durch Endurteil vom 12.2.2003 festgestellt, dass das Dienstverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 13.9.2001 nicht zum 31.3.2002, sondern zum 31.12.2002 aufgelöst wurde und hat im übrigen die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, § 612a BGB sei zwar auch auf arbeitnehmerähnliche Personen anwendbar, der Beklagte habe jedoch mit der Kündigung vom 13.9.2001 nicht gegen das Maßregelungsverbot verstoßen. Die Klägerin habe nicht darlegen können, dass das maßgebliche Motiv der Kündigung ihre Rechtsausübung gewesen sei. Zwischen der Klageerhebung und der Kündigung lägen fast 5 Monate, damit fehle es an einem engen zeitlichen Zusammenhang. Zwar stelle die Kündigung eine Benachteiligung i. S. von § 612a BGB dar, die Klägerin habe jedoch nicht darlegen können, dass diese Maßnahme der Kündigung wegen ihrer Geltendmachung von Ausgleichsansprüchen erfolgt sei.

Zwar sei zwischen den Parteien unstreitig, dass die Verpflichtung des Beklagten zur Leistung von Ausgleichszahlungen an die Klägerin das Motiv für den Ausspruch der Kündigung gewesen sei. Jedoch liege darin kein Verstoß gegen § 612a BGB. Es sei für diesen Zusammenhang nämlich zu beachten, dass der Beklagte grundsätzlich jederzeit das Recht hatte, das Dienstverhältnis mit der Klägerin zu kündigen. Weder gebe es einschränkende gesetzliche Regelungen wie das Kündigungsschutzgesetz, noch schränke der auf das Dienstverhältnis anwendbare Tarifvertrag die Berechtigung des Beklagten ein, das Vertragsverhältnis zu beenden. Wenn nun ein Dienstgeber dieses Recht in Anspruch nimmt, um zu verhindern, dass in Zukunft Zahlungsansprüche entstünden, so nehme er sein ihm zustehendes Recht in Anspruch, um Belastungen für die Zukunft zu vermeiden. Eine andere Betrachtungsweise würde dazu führen, dass der Beklagte niemals Beschäftigte kündigen dürfte, die Ausgleichsansprüche nach dem Tarifvertrag haben.

Die Kündigung beende das Dienstverhältnis jedoch erst zum 31.12.2002. Zuletzt sei zwischen den Parteien unstreitig gewesen, dass für die Klägerin aufgrund ihrer Tätigkeit seit 1985 eine Kündigungsfrist von 15 Monaten zum Monatsende gem. Ziff. 4.2.1 des Tarifvertrages für arbeitnehmerähnliche Personen gelte. Somit ende das Dienstverhältnis nicht zum 31.3.2002, sondern zum 31.12.2002.

Bezüglich des Vorbringens der Parteien im ersten Rechtszug und der rechtlichen Erwägungen des Arbeitsgerichtes im einzelnen wird auf den Inhalt des Endurteils vom 12.2.2003 (Blatt 177 bis 187 der Akte) verwiesen.

Die Klägerin hat gegen dieses Urteil, das ihr am 18.2.2003 zugestellt wurde, am 4.3.2003 Berufung eingelegt und diese am 12.5.2003 innerhalb der verlängerten Frist auch begründet.

Sie trägt vor, die Kündigung vom 13.9.2001 verstoße gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB. Da die Klägerin seit Oktober 1998 in weitaus geringerem Umfange als in den Jahren zuvor beschäftigt worden sei, habe sie zunächst anteilig für das Jahr 1998 und dann für 1999 Ausgleichszahlungen gem. Ziff. 4.3 des Tarifvertrages geltend gemacht. Nach weiteren mehrmaligen erfolglosen Bemühungen sei der Klägerin von dem Beklagten mit Schreiben vom 20.9.2000 mitgeteilt worden, dass ihr nach den Honoraren der Kostenstelle ARTE aus den Jahren 1993 bis 1997 ein Ausgleichsanspruch in einer Gesamthöhe von 116.520,-- DM zustehe. Der Klägerin sei aber dann Anfang Dezember 2000 durch einen Abteilungsleiter mitgeteilt worden, dass der Beklagte lediglich bereit sei, weitaus geringere Ausgleichszahlungen als von der Klägerin gefordert zu leisten und dass sie, wenn sie auf der vollen Höhe der von ihr geltend gemachten Forderung beharre, mit einer Kündigung rechnen müsse. Nachdem der Beklagte aber auch in der Folgezeit keine Bereitschaft gezeigt habe, an die Klägerin konkrete Zahlungen zu veranlassen, habe sie schließlich mit Schriftsatz vom 24.2.2001 Zahlungsklage zum Arbeitsgericht München erhoben. In der Güteverhandlung am 21.5.2001 habe der stellvertretende Justitiar des Beklagten, Herr ..., erklärt, dass entweder ein Ausgleichsbetrag in Höhe von 40.000,-- DM bis 50.000,-- DM zur Abgeltung aller finanziellen Ansprüche der Klägerin bezahlt werde und für die Klägerin es eine Zukunft beim Beklagten gebe, allerdings mit einem verminderten Beschäftigungsvolumen oder dass auf die weitere Mitarbeit der Klägerin verzichtet werden müsse, da der Beklagte Ausgleichszahlungen in der für die Vergangenheit geltend gemachten Höhe nicht hinnehmen werde. Es werde vielmehr bei Beibehaltung der Forderung eine Beendigung der Mitarbeit der Klägerin beim Beklagten erfolgen. Daher müsse sich die Klägerin entscheiden, ob sie eine Perspektive habe oder Kasse machen möchte.

Dieses Ansinnen des Beklagten habe die Klägerin zurückgewiesen. Nachdem infolge des Schriftsatzes der Klägerin vom 30.8.2001 feststand, dass sie eine vergleichsweise Einigung in der vom Beklagten vorgestellten Weise nicht akzeptieren werde, sei der Klägerin durch Schreiben vom 13.1.2001 zum 31.3.2002, höchstvorsorglich zum tariflich nächstzulässigen Termin gekündigt worden. Aufgrund des unmittelbaren zeitlichen Zusammenhanges sei klar geworden, dass der Beklagte der Klägerin in allererster Linie deswegen gekündigt habe, weil sie sich dem rechtswidrigen Versuch des Beklagten, sie zur freiwilligen Aufgabe berechtigter Ansprüche zu bewegen, nicht beugen wollte. Der Beklagte habe im weiteren Verlauf des vorliegenden Rechtsstreites insbesondere in seinem Schriftsatz vom 14.2.2002 bestätigt, dass tragender Grund für die Kündigung die Geltendmachung von Ausgleichsansprüchen gewesen sei.

Des weiteren sei die Kündigung auch sittenwidrig i.S. des § 138 BGB. Die Kündigung sei einzig und allein aus dem Grunde erklärt worden, da die Klägerin auf den ihr zustehenden Rechten aus dem Tarifvertrag beharrte. Der Versuch der Disziplinierung der Klägerin sei sittenwidrig, da der Klägerin trotz ihres rechtmäßigen Verhaltens eine Kündigung angedroht wurde und diese sogar aus den vorbezeichneten Gründen in die Tat umgesetzt wurde.

Bezüglich des weiteren Vorbringens der Klägerin im Berufungsverfahren wird auf den Inhalt der Schriftsätze vom 9.5.2003 (Blatt 222 bis 237 der Akte), vom 10.11.2003 (Blatt 282 bis 291 der Akte) und vom 1.12.2002 (Blatt 295 bis 299 der Akte) verwiesen.

Die Klägerin beantragt im Berufungsverfahren:

1. Das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 12.2.2003, Az.: 26 Ca 15660/01, zugestellt am 18.2.2003, wird aufgehoben.

2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin durch die schriftliche Kündigung des Beklagten mit Schreiben vom 13.9.2001, zugegangen am 27.9.2001, weder zum 31.3.2002 noch zum 31.12.2002 aufgelöst wird.

3. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 31.3.2002 sowie den 31.12.2002 hinaus fortbesteht.

4. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Der Beklagte beantragt dagegen

die kostenpflichtige Abweisung der Berufung

und trägt vor, das Arbeitsgericht habe die Klage im Ergebnis und in der Begründung zu Recht abgewiesen. Der Beklagte habe grundsätzlich jederzeit das Recht gehabt, das Dienstverhältnis mit der Klägerin zu kündigen. Weder gäbe es einschränkende gesetzliche Regelungen wie das Kündigungsschutzgesetz, noch schränke der auf das Dienstverhältnis anwendbare Tarifvertrag die Kündigungsbefugnis ein. Wenn nun ein Dienstgeber dieses Recht in Anspruch nehme, um zu verhindern, dass in Zukunft Zahlungsansprüche entstehen und erfüllt werden müssen, so nehme der Dienstgeber sein ihm zustehendes Recht in Anspruch, um Belastungen in Zukunft zu vermeiden. Die Klägerin habe jedoch weder darlegen noch beweisen können, dass die Geltendmachung der Ausgleichsansprüche für die Jahre 1998 und 1999 das tragende Motiv der Kündigung gewesen sei.

Bezüglich des weiteren Vorbringens des Beklagten im Berufungsverfahren wird auf den Inhalt des Schriftsatzes vom 11.7.2003 (Blatt 242 bis 252 der Akte) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Arbeitsgerichtes München vom 12.2.2003 ist zulässig, aber unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zumindest im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

1. Die Kündigung vom 13.9.2001 ist nicht gem. §§ 612a, 134 BGB unwirksam; § 612a BGB ist nämlich nach Auffassung des Berufungsgerichtes bei arbeitnehmerähnlichen Personen zumindest dann nicht anwendbar, wenn die Maßnahme des Arbeitgebers in einer Kündigung des Vertragsverhältnisses liegt.

a) Die Klägerin war für den Beklagten nicht als Arbeitnehmerin, sondern als freie Mitarbeiterin tätig und hatte hierbei den Status als arbeitnehmerähnliche Person, denn ihr Vertragsverhältnis unterfällt unstreitig dem Geltungsbereich des beim Beklagten bestehenden Tarifvertrags für arbeitnehmerähnliche Personen vom 25.5./3.6.1992, der am 1.1.1992 in Kraft trat. Gem. Ziff. 1.1 gilt dieser Tarifvertrag für arbeitnehmerähnliche Personen i.S. des § 12a TVG, die Mitglieder der diesen Tarifvertrag abschließenden Gewerkschaften sind und in den letzten 6 Monaten Honorareinkünfte vom Beklagten in Höhe von mindestens 5.000,-- DM hatten oder einen Ausgleichsanspruch entsprechend Ziff. 4.3.

Vom Vorliegen dieser Voraussetzungen geht auch die Klägerin aus, da sie gegen den Beklagten einen Ausgleichsanspruch gem. Ziff. 4.3 dieses Tarifvertrages klageweise geltend gemacht hat und auch mit einem Betrag von 43.362,16 Euro obsiegt hat (LAG München 9 Sa 174/02, Urteil vom 4.12.2002).

Voraussetzung für das Obsiegen war der Status der Klägerin als arbeitnehmerähnliche Person i.S. des § 12a TVG. Unter § 12a TVG fallen aber keine Arbeitnehmer, also nicht Personen, die ihre Dienste in persönlicher Abhängigkeit erbringen, sondern Personen, die (nur) wirtschaftlich abhängig sind und vergleichbar einem Arbeitnehmer sozial schutzbedürftig sind.

b) § 612a BGB, der regelt, dass ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme nicht benachteiligen darf, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt, ist nach seinem Wortlaut nur für Arbeitnehmer anwendbar. Arbeitsrechtliche Vorschriften finden auf die Rechtsverhältnisse arbeitnehmerähnlicher Personen unmittelbar keine Anwendung, da sie das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses voraussetzen, es sei denn, sie werden von einer arbeitsrechtlichen Schutznorm in den persönlichen Geltungsbereich einbezogen, wie z.B. in § 5 ArbGG, § 2 Abs. 2 Nr. 3 ArbSchG, § 2 BUrlG und § 1 Abs. 2 BeschSchG.

Arbeitnehmerähnliche Personen sind aber in § 612a BGB nicht genannt. Die Frage, ob eine arbeitsrechtliche Norm, insbesondere eine Schutzvorschrift, auch auf arbeitnehmerähnliche Personen entsprechend anwendbar ist, obwohl die Norm dies nicht ausdrücklich regelt, kann somit nur bejaht werden, wenn die vergleichbare soziale Lage eine entsprechende Anwendung der Bestimmung erfordert und rechtfertigt (vgl. KR-Rost, arbeitnehmerähnliche Personen, Rz. 32 m.w.N.; Schaub, Handbuch des Arbeitsrechtes § 9 II 1; Hromodka, NZA 1997, 1254) bzw. eine entsprechende Anwendung von Arbeitnehmerschutzvorschriften kommt nur dann in Betracht, wenn die gesetzliche Regelung planwidrig lückenhaft erscheint und insbesondere der allgemeine Gleichheitssatz sie gebietet (vgl. BAG AP Nr. 178 zu § 613a BGB).

Diese Voraussetzungen sind jedoch bei § 612a BGB zumindest im Hinblick auf eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Auftraggeber nicht erfüllt. Es liegt keine vergleichbare soziale Lage zwischen Arbeitnehmer und arbeitnehmerähnlicher Person vor, die eine entsprechende Anwendung des § 612a BGB auf Kündigungen des Arbeitgebers gegenüber einer arbeitnehmerähnlichen Person erfordern würde. Eine arbeitnehmerähnliche Person muss nur auf dem Gebiet wie ein Arbeitnehmer geschützt werden, wo sie ähnlich schutzbedürftig ist wie ein Arbeitnehmer. Dort, wo diese Schutzbedürftigkeit nicht besteht, bedarf sie auch nicht eines Schutzes. Bei der Feststellung der Schutzbedürftigkeit muss der Unterschied zwischen Arbeitnehmer und arbeitnehmerähnlicher Person beachtet werden. Der Hauptunterschied liegt darin, dass die arbeitnehmerähnliche Person trotz der einem Arbeitnehmer ähnlichen wirtschaftlichen Abhängigkeit von seinem Auftraggeber ein Selbständiger ist (vgl. Hromadka, NZA 1997, 1253), der also anders als ein Arbeitnehmer Art, Ort und Zeit seiner Tätigkeit bestimmen kann. Er kann also auf dem Arbeitsmarkt für beliebig viele Auftraggeber tätig werden und kann den Umfang und den Inhalt seiner Tätigkeit in freier Vereinbarung festlegen und unterliegt hierbei keinem Direktionsrecht. Dabei hat der Umstand, dass sich der Selbständige die Aufträge auf dem Arbeitsmarkt suchen muss und dass er evtl. zu bestimmten Zeiten nicht im erforderlichen Umfange Aufträge erlangen kann, keine Auswirkungen auf die Stellung als Selbständiger. So wie der Selbständige als Auftragnehmer frei ist, Aufträge anzunehmen, so muss auch der Auftraggeber frei sein, Aufträge zu erteilen und kann somit nicht verpflichtet sein, immer wieder neue Aufträge zu erteilen. Mit der Selbständigkeit ist also der Schutz vor Beendigung eines Auftrages und damit der Zwang zur Erteilung immer neuer Folgeaufträge unvereinbar.

Würde man den Auftraggeber an den Auftragnehmer binden, dann müsste man ihm zwangsläufig auch das Weisungsrecht geben; er müsste dann auch Zeit, Art und Ort der Tätigkeit des Auftragnehmers bestimmen können, denn nur so könnte man seine Bindung an den Auftragnehmer rechtfertigen, weil man ihn sonst seiner unternehmerischen Entscheidungsmöglichkeit berauben würde. Damit würde aber aus der arbeitnehmerähnlichen Person ein Arbeitnehmer und damit würde es den Rechtsstatus einer arbeitnehmerähnlichen Person nicht mehr geben (s. hierzu Hromadka in Anmerkung zu BAG AP Nr. 178 zu § 613a BGB). Deshalb wird zwangsläufig einhellig vertreten, dass die für Arbeitnehmer geltenden Schutzbestimmungen vor Kündigungen auf arbeitnehmerähnliche Personen nicht anwendbar sind: So ist insbesondere unanwendbar das Kündigungsschutzgesetz (vgl. KR-Rost a.a.O. Rz. 34), sind unanwendbar die Kündigungsschutzbestimmungen der einzelnen Sondergesetze für schutzbedürftige Personen wie § 9 MuSchG, §§ 85 ff. SGB IX (früher § 15 SchwbG), § 2 ArbPlSchG (vgl. KR-Rost a.a.O. Rz. 35, § 6l3a BGB (BAG vom 24.3.1998 AP Nr. 178 zu § 613a BGB), da der Status einer arbeitnehmerähnlichen Person als Selbständiger weder den allgemeinen noch den besonderen Kündigungsschutz als Arbeitnehmer erfordert.

Damit ist es auch nicht vereinbar, über § 612a BGB arbeitnehmerähnliche Personen vor Maßnahmekündigungen zu schützen. Anders als Arbeitnehmer sind sie nicht mit ihrer ganzen oder annähernd ganzen Arbeitskraft an einen Vertragspartner gebunden und haben die Möglichkeit, sich um Aufträge bei anderen Auftraggebern zu bemühen. Dabei ist die Klägerin nicht auf einen Rundfunk- und Fernsehsender eingeschränkt, sondern ihr steht das gesamte Spektrum journalistischer Arbeit zur Verfügung. Es ist daher nicht erforderlich, dem Vertragspartner einer arbeitnehmerähnlichen Person die Schutzpflicht vor einer Kündigung des Vertragsverhältnisses aufzuerlegen.

Eine gewisse Schutzbedürftigkeit ist bei arbeitnehmerähnlichen Personen bei Beendigung des Vertragsverhältnisses insoweit gegeben, als sie bisher überwiegend für einen Auftraggeber tätig waren oder überwiegend ihre wirtschaftliche Existenzgrundlage aus Einkünften von einem Auftraggeber bestritten haben. Insoweit ist aber als Schutz ausreichend, dass der arbeitnehmerähnlichen Person ausreichend Zeit gegeben wird, sich um neue Aufträge und damit um eine neue Existenzgrundlage zu bemühen. Hierzu bedarf es aber keines Schutzes vor der Beendigung des Auftragsverhältnisses, sondern die Einräumung einer Frist zur Beendigung ist ausreichend. Gem. Ziff. 4.2.1 Satz 2 des Tarifvertrages für arbeitnehmerähnliche Personen beträgt die Kündigungsfrist bei einem Vertragsverhältnis, das mehr als 10 Jahre bestanden hat, bis zu 15 Monate. Diese Frist liegt weit über der längsten gesetzlichen Kündigungsfrist für ein Arbeitsverhältnis gem. § 622 Abs. 2 BGB und ist reichlich bemessen, um in dieser Zeit sich um neue Aufträge zu kümmern. Würde man daneben noch die für Arbeitnehmer geltenden Kündigungsbeschränkungen anwenden, wäre die arbeitnehmerähnliche Person, obwohl selbständig, noch besser gestellt als ein Arbeitnehmer - ein paradoxes Ergebnis.

Würde man den § 612a BGB auf eine Maßnahmekündigung gegenüber einer arbeitnehmerähnlichen Person ausdehnen, so könnte dies auch zu dem Ergebnis führen, dass ein ansonsten frei kündbares Vertragsverhältnis auf Dauer unkündbar wäre. Will der Beklagte die Klägerin nicht mehr mit Aufgaben beschäftigen, z.B. weil die Redaktionsleiter mit ihren Leistungen nicht mehr zufrieden sind oder weil sie mit ihrer Persönlichkeit und ihrem Verhalten nicht zu Recht kommen oder weil sich der Publikumsgeschmack bei der Art der Moderation einer Sendung geändert hat, und muss er deshalb der Klägerin zwangsläufig während des Fortbestehens des Vertragsverhältnisses gem. Ziff. 4.3 des Tarifvertrages Ausgleichszahlungen leisten, könnte somit ohne Verstoß gegen § 612a BGB das Vertrags-Verhältnis nie mehr beendet werden; denn letztlich wäre Beweggrund für den Ausspruch der Kündigung, dass die Klägerin die Ausgleichszahlung verlangt und der Beklagte deshalb das Vertrags-Verhältnis beenden will. Obwohl in einem frei kündbaren Vertragsverhältnis beschäftigt, würde die Klägerin einen unkündbaren Status erwerben. Es war aber ganz sicherlich nicht Wille des Gesetzgebers, frei kündbaren Beschäftigten letztlich den Status der Unkündbarkeit zu geben. Aus diesen Erwägungen heraus ist davon auszugehen, dass § 612a BGB auf arbeitnehmerähnliche Personen zumindest dann nicht anwendbar ist, wenn die Maßnahme des Arbeitgebers als Reaktion auf eine zulässige Rechtsausübung eine rechtlich zulässige Kündigung darstellt.

2. Auf die Rechtsverhältnisse der arbeitnehmerähnlichen Personen finden aber die Generalklauseln der §§ 138, 242 BGB Anwendung; über sie ist auch für arbeitnehmerähnliche Personen nach den grundgesetzlichen Schutzpflichten aus Art. 12 Abs. 1 GG ein Mindestkündigungsschutz zu gewährleisten (vgl. KR-Rost a.a.O. Rz. 148 BAG AP Nr. 178 zu § 613a BGB; NZA 2001, 833).

Dies darf aber nicht dazu führen, dass die Sozialwidrigkeitsgrundsätze des § 1 KSchG oder andere Kündigungsschutztatbestände für Arbeitnehmer über die bürgerrechtlichen Generalklauseln doch zur Anwendung kommen (vgl. BAG NZA 2001, 833).

Die Sittenwidrigkeit einer Kündigung ist an einem strengen Maßstab zu messen, sie kann nicht auf Gründe gestützt werden, die in den Schutzbereich des Kündigungsschutzgesetzes fallen. § 138 BGB verlangt nur die Einhaltung eines ethischen Minimums; der schwere Vorwurf der Sittenwidrigkeit kann somit nur in besonders krassen Fällen erhoben werden (vgl. BAG NZA 2001, 833 m.w.N.).

§ 242 BGB ist auf Kündigungen nur in beschränktem Umfange anwendbar. Umstände, die im Rahmen des § 1 KSchG die Kündigung sozial ungerechtfertigt erscheinen lassen, kommen grundsätzlich nicht in Betracht. Typische Tatbestände der treuwidrigen Kündigung sind insbesondere ein widersprüchliches Verhalten des Arbeitgebers, der Ausspruch einer Kündigung zur Unzeit oder eine ehrverletzende oder diskriminierende Kündigung (vgl. BAG NZA 2001, 833 m.w.N.).

Die Kündigung vom 13.9.2001 ist aber weder sittenwidrig noch treuwidrig. Der Beklagte hat zwar mit der Kündigung vom 13.9.2001 auf das rechtmäßige Verhalten der Klägerin, die Ausgleichszahlungen zu verlangen, reagiert; jedoch ist zu berücksichtigen, dass er mit einem erlaubten Mittel reagiert hat, da er das Vertragsverhältnis frei kündigen konnte. Hält sich jemand mit einer Maßnahme im rechtlich zulässigen Bereich, so kann dies - sofern nicht eine besondere Vorschrift des § 612a BGB eine Maßnahme als Reaktion auf ein rechtmäßiges Verhalten verbietet - grundsätzlich nicht als sittenwidrig oder treuwidrig angesehen werden, sofern nicht besondere Umstände hinzutreten, z.B. ein besonders verwerfliches Motiv. Die Kündigung vom 13.9.2001 war aber als Reaktion auf das Ausgleichszahlungsverlangen der Klägerin nicht verwerflich, sondern es ist das legitime Interesse des Beklagten, sich in Zukunft vor weiteren Ausgleichszahlungen zu schützen, was er aber - wenn er die Klägerin in Zukunft nur in eingeschränkter Weise beschäftigen will, wozu er im Rahmen eines arbeitnehmerähnlichen Vertragsverhältnisses berechtigt ist - nur durch die Beendigung des Vertrags -Verhältnisses erreichen kann. Die Sittenwidrigkeit oder Treuwidrigkeit scheitert schon daran, dass in diesem Falle das Vertragsverhältnis nicht mit sofortiger Wirkung beendet wird, sondern die Klägerin noch einen Schutz von 15 Monaten genießt, in welchem über den Ausgleichsanspruch die Existenzgrundlage gesichert war und sie die großzügige Möglichkeit hatte, neue Aufträge von anderen Auftraggebern zu erlangen.

3. Die Klägerin hat die Kosten ihrer erfolglosen Berufung zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.

Gegen dieses Urteil kann die Klägerin Revision einlegen.

Für den Beklagten ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.

Ende der Entscheidung

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