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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 10.12.2008
Aktenzeichen: 9 Sa 647/08
Rechtsgebiete: BUrlG


Vorschriften:

BUrlG § 7 Abs. 3
BUrlG § 7 Abs. 4
Streit über Urlaubsabgeltung bei andauernder Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende des Übertragungszeitraumes.
Landesarbeitsgericht München Im Namen des Volkes URTEIL

9 Sa 647/08

Verkündet am: 10.12.2008

In dem Rechtsstreit

hat die 9. Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 12. November 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Dunkl und die ehrenamtlichen Richter Abbold und Pirsch

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichtes Rosenheim vom 25.6.2008 - 3 Ca 6782/07 Rei - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über einen Urlaubsabgeltungsanspruch. Der Kläger war bei der Beklagten seit 1972 bis 30.09.2007 als Kfz-Mechaniker beschäftigt gegen einen Stundenlohn von zuletzt € 12,50 brutto und einer Arbeitszeit von 8 Stunden an 5 Tagen pro Woche. Das Arbeitsverhältnis endete durch einen Vergleich vor dem Arbeitsgericht Rosenheim vom 01.10.2007, wonach es einvernehmlich aus gesundheitlichen Gründen, jedoch auf Veranlassung des Arbeitgebers, zum 30.09.2007 beendet wurde.

Der Kläger machte mit seiner Klage vom 30.11.2007 zum Arbeitsgericht Rosenheim geltend, er habe noch ein restliches Urlaubsguthaben von 27 Urlaubstagen. Das von der Beklagten erstellte Urlaubs-Karteiblatt für den Kläger zeige 32 Tage Urlaubsguthaben am Jahresanfang 2007 abzüglich 5 genommener Urlaubstage im Februar 2007 und somit einen Rest von 27 Urlaubstagen. Dieser Anspruch sei nach § 7 Abs. 4 Bundesurlaubsgesetz abzugelten mit € 2.700,-- brutto (27 Urlaubstage x 8 Stunden x 12,50 €).

Das Arbeitsgericht Rosenheim hat die Beklagte durch Versäumnisurteil vom 19.02.2007 verurteilt, € 2.700,-- brutto nebst Zinsen seit 10.12.2007 abzurechnen und den sich ergebenden Nettobetrag an den Kläger auszubezahlen.

Die Beklagte hat gegen dieses Versäumnisurteil, das ihr am 21.12.2007 zugestellt wurde, am 21.12.2007 Einspruch eingelegt und vorgetragen, der geltend gemachte Anspruch bestehe nicht; der Kläger sei nach wie vor und schon seit Frühjahr 2007 durchgehend arbeitsunfähig krank. Die Erfüllbarkeit des zu Grunde liegenden Urlaubsanspruches sei jedoch zwingende tatbestandliche Voraussetzung für den Urlaubsabgeltungsanspruch. Die Darlegungs- und Beweislast trage der Arbeitnehmer. Die Erfüllbarkeit des Urlaubsanspruches sei nicht gegeben, weil der Kläger die vertraglich vorgesehene Arbeit nicht mehr aus gesundheitlichen Gründen erbringen könne und arbeitsunfähig sei. Dies komme auch im vor dem Arbeitsgericht Rosenheim am 01.10.2007 geschlossenen Vergleich zum Ausdruck, wonach das Arbeitsverhältnis einvernehmlich aus gesundheitlichen Gründen beendet worden sei. Der Kläger habe selbst in der damaligen Klage vorgetragen, die Arbeitsleistungen nicht mehr vertragsgerecht erbringen zu können.

Der Kläger hat weder schlüssig vorgetragen noch unter Beweis gestellt, dass er bis zum 31.03.2007 zu irgendeinem Zeitpunkt arbeitsfähig war.

Durch Endurteil vom 25.06.2008 hat das Arbeitsgericht Rosenheim das Versäumnisurteil vom 19.12.2007 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung wird ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf Urlaubsabgeltung, denn nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes sei Voraussetzung für eine Urlaubsabgeltung nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses, dass der Urlaubsanspruch, der dem Urlaubsabgeltungsanspruch zu Grunde liege, in natura hätte genommen werden können. Dies sei hier jedoch nicht der Fall, da Voraussetzung für eine Urlaubsgewährung die Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers sei.

Der Kläger hat gegen dieses Urteil, das ihm am 01.07.2008 zugestellt wurde, am 08.07.2008 Berufung eingelegt und diese gleichzeitig begründet. Er trägt im Berufungsverfahren vor, das Urteil und die ständige Rechtsprechung des BAG würden Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG verletzen. Nach den Schlussanträgen der Generalanwältin T. vom 24.01.2008 im Verfahren EuGH C-350/06 (Schultz-Hoff gegen Deutsche Rentenversicherung Bund, vorgelegt vom LAG Düsseldorf durch Vorlagebeschluss vom 02.08.2006) sei Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG so zu verstehen, dass Arbeitnehmern bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf jeden Fall ein Anspruch auf finanzielle Vergütung als Ersatz für erworbenen und nicht genommenen Urlaub (Urlaubsabgeltung) zustehe. Dem schließe sich der Kläger an.

Der Kläger beantragt im Berufungsverfahren

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 2.700,-- brutto nebst Zinsen seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt dagegen die kostenpflichtige Zurückweisung der Berufung

und trägt vor, ein Verstoß gegen Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG sei nicht gegeben.

Bezüglich des Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 07.07.2008 (Bl. 73 bis 75 d. A.) und auf den Schriftsatz der Beklagten vom 15.07.2008 (Bl. 84 bis 86 d. A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichtes Rosenheim vom 25.06.2008 ist zulässig, aber unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

1. Das Berufungsgericht schließt sich ebenfalls wie das Arbeitsgericht der ständigen Rechtsprechung des BAG an, dass der Urlaubsanspruch gemäß § 7 Abs. 3 Bundesurlaubsgesetz spätestens mit Ende des Übertragungszeitraumes 31.03. des Folgejahres erlischt, ohne dass ein Schadensersatzanspruch auf Ersatzurlaub besteht, wenn der Urlaubsanspruch bis zum Ende des Übertragungszeitraumes wegen Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers nicht erfüllt werden konnte (vgl. BAG NZA 2006, 232; NZA 2004, 1064).

Da der gesetzliche Urlaubsabgeltungsanspruch nach § 7 Abs. 4 Bundesurlaubsgesetz als Ersatz für den wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr erfüllbaren Anspruch auf Urlaubserteilung in natura entsteht, ist der Abgeltungsanspruch neben der Beendigung des Arbeitsverhältnisses an dieselben Voraussetzungen gebunden wie der Urlaubsanspruch selbst. Der Abgeltungsanspruch des bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses arbeitsunfähig erkrankten Arbeitnehmers erlischt daher bei Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende des Übertragungszeitraumes ersatzlos (ständige Rechtsprechung des BAG, NZA - RR 2006, 112; NZA 1993, 29). Für die Erfüllbarkeit des Urlaubsanspruches trägt der Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast (BAG NZA - RR 2006, 112).

Da der Kläger nicht dargelegt hat, dass er nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 30.09.2007 bis zum Ende des Übertragungszeitraumes 31.03.2008 noch die Arbeitsfähigkeit erlangt hat, also bei Fortbestand des Arbeitsverhältnisses den ihm noch zustehenden Urlaub in natura hätte einbringen können, so besteht nach der Rechtsprechung des BAG für den Kläger auch kein Urlaubsabgeltungsanspruch gemäß § 7 Abs. 4 Bundesurlaubsgesetz.

2. Das Berufungsgericht teilt weder die Zweifel des LAG Düsseldorf im Vorlagebeschluss vom 02.08.2006 NZA - RR 2006, 629, ob es mit Artikel 7 der Richtlinie 2003/88/EG vereinbar ist, anzunehmen, dass der gesetzliche Mindestjahresurlaubsanspruch zum Ende des Übertragungszeitraumes erlischt und der Urlaub bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht abzugelten ist, wenn der Arbeitnehmer anschließend bis zum Ende des Übertragungszeitraumes Arbeitsunfähig krank ist; noch teilt es die Auffassung der Generalanwältin in diesem Vorlageverfahren in den Schlussanträgen vom 24.01.2008, dass nationale Vorschriften, nach denen der Mindesturlaub verfällt, wenn ihn der Arbeitnehmer nicht wegen Krankheit nehmen konnte, gegen Artikel 7 der Richtlinie 2003/88/EG verstößt und deshalb der Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf jeden Fall einen Anspruch auf finanzielle Vergütung als Ersatz für erworbenen und nicht genommenen Urlaub habe. Diese Auffassung überdehnt die Regelung in Artikel 7 der Richtlinie 2003/88 EG, die lautet:

"Jahresurlaub

(1) Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit jeder Arbeitnehmer einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen nach Maßgabe der Bedingungen für die Inanspruchnahme und die Gewährung erhält, die in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder nach den einzelstaatlichen Gepflogenheiten vorgesehen sind.

(2) Der bezahlte Mindestjahresurlaub darf außer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht durch eine finanzielle Vergütung ersetzt werden."

Nach Absatz 1. dieser Vorschrift haben die Mitgliedsstaaten nur die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, dass jeder Arbeitnehmer einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen erhält; gemeint sein kann damit nur pro Urlaubsjahr im Urlaubsjahr. Die Richtlinie kann und will aber den Arbeitgeber nicht verpflichten, dass ein Arbeitnehmer auch dann den bezahlten Mindesturlaub von 4 Wochen erhält, wenn er ihn aus Umständen, die nicht in der Sphäre des Arbeitgebers liegen, gar nicht in natura nehmen kann, z. B. bei Arbeitsunfähigkeit.

Ferner ist in Absatz 2 dieser Bestimmung nicht ausgesprochen, dass der bezahlte Mindestjahresurlaub bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch eine finanzielle Vergütung zu ersetzen ist; es ist lediglich der Fall geregelt, dass der bezahlte Mindesturlaub außer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht durch eine Vergütung ersetzt werden darf. Dies bedeutet aber nicht, dass er bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses in jedem Falle durch eine finanzielle Vergütung ersetzt werden muss.

3. Der Kläger hat die Kosten seiner erfolglosen Berufung zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Revision wurde zugelassen, da in Kürze die Entscheidung des EuGH im Vorlageverfahren zu erwarten ist und der Ausgang des Verfahrens offen ist und somit nicht ausgeschlossen werden kann, dass evtl. eine Korrektur der bisherigen ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes zum Urlaubsabgeltungsanspruch erfolgt.

Ende der Entscheidung

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