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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 25.06.2008
Aktenzeichen: 9 Sa 825/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 242
BGB § 433
BGB § 613a Abs. 5
BGB § 613a Abs. 5 Nr. 1
BGB § 613a Abs. 5 Nr. 2
BGB § 613a Abs. 5 Nr. 3
BGB § 613a Abs. 6
BGB § 613a Abs. 6 Satz 1
Widerspruch gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses gemäß § 613a Abs. 6 BGB.
LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

9 Sa 825/07

Verkündet am: 25. Juni 2008

In dem Rechtsstreit

hat die Neunte Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 18. Juni 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Dunkl sowie die ehrenamtlichen Richter Kaffka und Piesch für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 02.08.2007 - 11 Ca 1303/07 - teilweise abgeändert:

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Beklagten aufgrund des Widerspruchs vom 28.09.2006 nicht zum 01.10.2005 auf die Firma B. übergegangen ist.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger 1/4, die Beklagte 3/4 zu tragen.

II. Von den Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger 1/4, die Beklagte 3/4 zu tragen.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über den Fortbestand ihres Arbeitsverhältnisses.

Der Kläger war seit 01.06.1987 bei der Beklagten als Software-Entwickler im Geschäftsbereich C.M.D. zu einer monatlichen Vergütung von zuletzt € 7.370,40 brutto beschäftigt.

Die Beklagte erzielte zuletzt im Geschäftsbereich C.M.D. Verluste. Mit Vertrag ("Master Sale and Purchase Agreement" = MSPA) vom 06.06.2005 hat die Beklagte den Geschäftsbereich C.M.D. an die Fa. B.. mit Sitz in T. übertragen, hierbei auch Schutzrechte, Patente und Markenrechte. Der MSPA sah vor, dass die Vermögensgegenstände Land für Land in sog. "Local Asset Transfer Agreements" (LATA) im Wege der Einzelübertragung ("Asset Deal") auf hierzu eigens zu gründende Landesgesellschaften übertragen werden.

In Erfüllung des MSPA hat die Beklagte am 30.09.2005 im "German LATA" die "in Deutschland gelegenen Gegenstände des Anlage- und Umlaufvermögens mit den hierauf entfallenden Forderungen und Verbindlichkeiten" (so Schriftsatz der Beklagten vom 30.04.2007) an die von der Fa. B. C. benannte Firma B. übertragen.

Die Beklagte hat im Zusammenhang mit der Übertragung des Geschäftsbereiches C.M.D. keinen Kaufpreis erhalten, sondern hat im Gegenteil an die B. C. einen dreistelligen Millionenbetrag geleistet ("negativer Kaufpreis").

Die Fa. B. mit Sitz in M., hat ihren Gegenstand in der Entwicklung, der Produktion und dem Vertrieb von Mobiltelefonen. Die Gründung erfolgte mit Gesellschaftsvertrag vom 12.09.2005, die erste Eintragung ins Handelsregister erfolgte am 16.09.2005. Persönlich haftende Gesellschafter sind die B. M. sowie die B. W., jeweils mit Sitz in M., mit einem Stammkapital von jeweils € 25.000,00. Die Obergesellschaft der B. Gruppe ist die B. C., T.. Diese wiederum ist alleinige Gesellschafterin der B. M. Holding BV mit Sitz in den N., welche wiederum die jeweils alleinige Gesellschafterin der beiden persönlich haftenden Gesellschafterinnen der B. ist.

Bereits mit Schreiben vom 29.08.2005 hat die Beklagte dem Kläger mitgeteilt, dass der Geschäftsbereich C.M.D., in welchem er beschäftigt war, zum 01.10.2005 auf die B. übergeht. Das Schreiben hat folgenden Wortlaut:

"123500669628

Herrn G.

München, 29. August 2005

Übergang Ihres Arbeitsverhältnisses

Sehr geehrter Herr G.,

wie Ihnen bereits durch verschiedene Mitarbeiterinformationen bekannt ist, werden unsere Aktivitäten des Geschäftsgebietes C.M.D. zum 01.10.2005 in die B. (im Folgenden: B. übertragen.

B. ist ein weltweit führender Anbieter von Consumer-Electronic-Produkten, wie beispielsweise LCD-Bildschirmen, Notebook-Computern, Kameras und Scannern. Und im Handygeschäft wird B. in den nächsten Jahren zu einem führenden globalen Anbieter.

In seinem asiatischen Heimatmarkt zählt B. schon heute zu den am schnellsten wachsenden Anbietern im Handysegment. Durch den Zusammenschluss mit S. kann B. seine ehrgeizigen internationalen Expansionspläne umsetzen. S. bietet B. eine globale Organisation mit führenden Marktpositionen in West- und Osteuropa sowie im Wachstumsmarkt Lateinamerika. Zudem erhält B. durch den Kauf einen starken, weltweit bekannten Markennamen, Mobiltelefontechnologie und Softwarekompetenzen sowie globalen Zugang zu der breiten Kundenbasis von S.. Daneben bekommt B. einen auf drei Kontinenten hervorragenden etablierten Fertigungsverbund von S..

Die Übertragung des Geschäftsgebietes erfolgt auf Grund eines Kaufvertrages im Wege der Einzelrechtsnachfolge auf B. M.. Mit diesem Betriebsübergang wird gem. § 613 BGB B.M. Ihr neuer Arbeitgeber, der in alle Rechte und Pflichten Ihres Arbeitsverhältnisses mit der S. AG eintritt. Es wird also anlässlich des Betriebsübergangs - sofern nicht in der Überleitungsvereinbarung andere Regelungen getroffen sind - unverändert mit B. M. fortgeführt (insbesondere keine Veränderungen bei dem jeweiligen Einkommenssystem, Altersversorgung, Jubiläumsregelung, Dienstzeitregelung).

Die Höhe und Zusammensetzung des bisherigen Jahreszieleinkommens bleibt anlässlich des Betriebsübergangs unverändert.

Im Einzelnen gilt für Sie die beiliegende, mit dem Gesamtbetriebsrat der S. AG vereinbarte Regelung zur Überleitung der Beschäftigungsbedingungen (Überleitungsvereinbarung), die Bestandteil dieses Schreibens ist.

Die bestehenden Gesamtbetriebsvereinbarungen und örtlichen Betriebsvereinbarungen gelten bis zu einer eventuellen Neuregelung weiter, sofern in der Überleitungsvereinbarung nichts Abweichendes geregelt ist.

B. M. haftet ab dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs unbeschränkt für alle, auch die rückständigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis.

Zusätzlich haftet die S. AG für solche Verpflichtungen, die vor dem Betriebsübergang entstanden sind und spätestens ein Jahr danach fällig werden; soweit sie nach dem 1.10.2005 fällig werden, haftet sie nur zeitanteilig.

Eine Kündigung wegen des Betriebsübergangs ist gesetzlich gem. § 613a Abs. 4 BGB ausgeschlossen; das Recht zu Kündigungen aus anderen Gründen bleibt unberührt.

Sie werden auch nach dem 1.10.2005 durch Ihren bisherigen Betriebsrat weiter betreut; an den Standorten in U., B.t und M. gilt dies solange, bis durch Neuwahlen eigene Betriebsratsgremien gewählt sind, längstens bis zum 31.1.2006.

Für den Standort K.t wurde der örtliche Betriebsrat informiert, dass an diesem Standort aufgrund von Produktivitätssteigerungen in der Fertigung der Abbau von ca. 340 Mitarbeitern im Bereich der Lohngruppen 2 bis 7 geplant ist.

Dem Übergang Ihres Arbeitsverhältnisses auf B. M. können Sie nach § 613a Abs. 6 BGB schriftlich widersprechen. Ihr Widerspruch hätte zur Folge, dass Ihr Arbeitsverhältnis nicht auf B. M. übergeht. Wir möchten Sie jedoch bitten, von diesem Recht nur nach sorgfältiger Abwägung Gebrauch zu machen, denn Ihr Widerspruch sichert Ihnen keinen Arbeitsplatz bei der S. AG, da die C.M.D. - Aktivitäten vollständig auf B. M. übertragen werden und damit diese Arbeitsplätze bei der S. AG entfallen, so dass es letztlich zu betriebsbedingten Beendigungen des Arbeitsverhältnisses kommen kann.

Sollten Sie trotz dieser Überlegungen dennoch widersprechen wollen, bitten wir darum, Ihren etwaigen Widerspruch unverzüglich, jedoch spätestens innerhalb von 1 Monat nach Zugang dieses Schreibens schriftlich an

Herrn B., Com HR CG, M.

oder an

Herrn Dr. E., M. zu richten.

Für Fragen steht Ihnen Ihre Personalorganisation gerne zur Verfügung.

Wir würden uns freuen, wenn Sie mit gleichem Arbeitseinsatz und hoher Motivation Ihre Arbeit bei B. M. weiterführen und wünschen Ihnen weiterhin viel Erfolg.

Mit freundlichen Grüßen

S. Aktiengesellschaft

gez. G.gez. M.r

Anlage Überleitungsregelung AT/FK"

Ab 01.10.2005 hat der Kläger seine Arbeitsleistung für die B.M. erbracht. Am 28.09.2006 hat die Fa. B. Antrag auf Insolvenzeröffnung gestellt. Das Amtsgericht M. hat unter dem Aktenzeichen 1503 IN 3270/06 mit Beschluss vom 01.01.2007 das Insolvenzverfahren eröffnet. Zum Insolvenzverwalter wurde Herr Rechtsanwalt Dr. P. bestellt. Ebenfalls am 01.01.2007 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der persönlich haftenden Gesellschafterinnen der B.M. eröffnet.

Der Kläger hat mit Schreiben vom 28.09.2006 (Bl. 30/32 d.A.) dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die B.M. schriftlich widersprochen.

Mit seiner beim Arbeitsgericht M. am 29.01.2007 eingegangenen Klage hat der Kläger die Feststellung beantragt, dass das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten nicht auf die Fa. B. übergegangen ist, ferner begehrte er die Verurteilung der Beklagten, ihn als Software-Entwickler tatsächlich zu beschäftigen, hilfsweise begehrte er eine Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes.

Er trug zur Begründung vor, sein Widerspruch vom 28.09.2006 habe den Übergang des Arbeitsverhältnisses auf die Fa. B.M. verhindert; der Widerspruch sei rechtzeitig, da die Information über den Betriebsübergang im Sinne des § 613a Abs. 5 BGB nicht ordnungsgemäß erfolgt sei; somit habe die einmonatige Widerspruchsfrist noch nicht zu laufen begonnen. Der Kläger stehe also weiterhin in einem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten und könne die Weiterbeschäftigung verlangen. Wenn das Arbeitsgericht dem Klagebegehren des Klägers nicht stattgebe, so habe dieser zumindest hilfsweise Anspruch auf Zahlung eines Nachteilsausgleiches. Eigentliche Maßnahme der Beklagten sei nämlich die endgültige Schließung des Bereiches C.M.D. und die Entlassung der dort beschäftigten Arbeitnehmer durch die B.M. oder die Aufspaltung und Veräußerung des Betriebes gewesen. Diese Maßnahme stelle eine Betriebsänderung dar. Einen Interessenausgleich habe die Beklagte nicht versucht. Der Kläger könne daher gemäß § 113 BetrVG den Ausgleich der durch die Maßnahme eingetretenen Nachteile verlangen. Wenn der Widerspruch gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses nicht wirksam sei, dann habe der Kläger durch die Insolvenz der B.M. seinen Arbeitsplatz verloren.

Der Kläger beantragte im ersten Rechtszug:

I. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Klagepartei mit der Beklagten aufgrund Widerspruches vom 28.9.2006 nicht zum 1.10.2005 auf die B. übergangen ist.

II. Die Beklagte wird verurteilt, die Klagepartei als Software-Entwickler tatsächlich zu beschäftigen.

Hilfsweise zu I. und II.:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei eine Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, zu bezahlen.

Die Beklagte beantragte dagegen

die kostenpflichtige Zurückweisung der Klage

und machte geltend, der Widerspruch des Klägers sei ein kollektiver Massenwiderspruch, der unzulässig sei. Neben dem Kläger hätten ca. die Hälfte der rund 3.300 Mitarbeiter Widersprüche mit weitestgehend gleichlautenden Schreiben abgegeben. Diese Schreiben seien einem von der IG Metall erstellten Muster nachgebildet. Unabhängig davon sei das Widerspruchsrecht des Klägers gemäß § 242 BGB auch verwirkt. Zudem sei der Widerspruch gemäß § 613a Abs. 6 BGB verfristet, da die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 29.08.2005 ordnungsgemäß unterrichtet habe. Es seien alle vom Gesetzgeber und dem Bundesarbeitsgericht gestellten Voraussetzungen hinsichtlich des Zeitpunktes, des Gegenstandes des Überganges, des Grundes für den Übergang sowie der rechtlichen, sozialen und wirtschaftlichen Folgen erfüllt. Dem Kläger sei auch die Identität des Betriebserwerbers ausreichend mitgeteilt worden. Der Weiterbeschäftigungsantrag sei mangels Bestimmtheit für unzulässig und darüber hinaus für unbegründet zu erachten, da die erforderliche Interessenabwägung zu Gunsten der Beklagten ausfalle.

Das Arbeitsgericht München hat durch Endurteil vom 02.08.2007 die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, das Arbeitsverhältnis sei gemäß § 613a Abs. 1 BGB mit Wirkung zum 01.10.2005 auf die Fa. B.M. übergegangen. Der Widerspruch des Klägers sei nicht fristgerecht erhoben worden, da die Information mit Schreiben vom 28.09.2005 im Sinne des § 613a Abs. 5 BGB ordnungsgemäß gewesen sei.

Bezüglich des Vorbringens der Parteien im ersten Rechtszug und der rechtlichen Erwägungen des Arbeitsgerichtes im Einzelnen wird auf den Inhalt des Endurteils des Arbeitsgerichtes München vom 02.08.2007 (Bl. 292 bis 299 d.A.) verwiesen.

Der Kläger hat gegen dieses Urteil, das ihm am 23.08.2007 zugestellt wurde, am 10.09.2007 Berufung eingelegt und diese am 21.11.2007 innerhalb der verlängerten Frist auch begründet.

Der Kläger trägt im Berufungsverfahren vor, das Informationsschreiben vom 28.09.2005 sei nicht ordnungsgemäß im Sinne des § 613a Abs. 5 BGB. Die Nennung der Adresse des Erwerbes sei erforderlich, das habe das BAG in der Entscheidung vom 13.07.2006 - 8 AZR 305/05 - klargestellt. Im konkreten Fall ergebe sich aus dem Informationsschreiben noch nicht einmal eindeutig, auf wen das Arbeitsverhältnis übergehen sollte. Die Beklagte schildere die angebliche Kompetenz von B. auf dem Gebiet der Consumer Electronic. Sie könne damit nur meinen die B. C., T. Mit dieser habe sie offensichtlich auch den MSPA abgeschlossen. Deshalb sei wohl Erwerber im Sinne des § 613a BGB die B. C. in T.. Diese sei jedoch nicht näher bezeichnet, eine ladungsfähige Anschrift oder ähnliches fehle. Übergehen hätte das Arbeitsverhältnis nach dem Informationsschreiben aber auf die B.M. OHG sollen. Diese sei zum Zeitpunkt des Informationsschreibens noch gar nicht existent gewesen. Sie erst am 16.09.2005 in das Handelsregister eingetragen worden.

Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichtes verstoße das Erfordernis der Benennung einer ladungsfähigen Anschrift des Erwerbers auch nicht gegen das Rückwirkungsverbot. Das Bundesarbeitsgericht habe nämlich nicht ein neues Tatbestandsmerkmal erfunden, es habe lediglich das Tatbestandsmerkmal "rechtliche Folgen des Überganges" konkretisiert. Hierzu gehöre natürlich die Angabe, auf wen das Arbeitsverhältnis übergehen solle und wie und wo der neue Arbeitgeber zu erreichen sei, d.h. die Angabe der ladungsfähigen Anschrift.

Das Arbeitsgericht sei der Ansicht, der Grund für den Übergang des Arbeitsverhältnisses sei mit der Bezeichnung des Vertragstypus "Kaufvertrag" hinreichend wiedergegeben. Das Arbeitsgericht übersehe dabei, dass die Benennung des Vertragstypus alleine nach der Rechtsprechung des BAG nicht ausreichend sei. Erforderlich sei vielmehr auch, die unternehmerischen Gründe/Erwägungen für den Betriebsübergang mitzuteilen, um dem Arbeitnehmer eine sachgerechte Ausübung seines Widerspruchsrechtes zu ermöglichen. Hieran fehle es vorliegend. Die Information: "werden unsere Aktivitäten des Geschäftsgebietes C.M.D. zum 01.10.2005 in die B. übertragen", reiche nicht. Ein Hinweis, dass die Beklagte nach dem Betriebsübergang keinerlei Aktivitäten aus dem Bereich M.D. behalten wollte, fehle. Dies wäre im Übrigen auch unzutreffend gewesen, denn die Beklagte habe nach Übergang des Arbeitsverhältnisses noch Aktivitäten im M-Bereich fortgeführt, beispielsweise bei Vermittlungsstationen für Mobiltelefone.

Auch die Auffassung des Arbeitsgerichtes, die Tatsache, dass für C.M.D. ein negativer Kaufpreis vereinbart worden sei, sei nicht mitteilungspflichtig, denn auch ein Kaufvertrag bei dem ein negativer Kaufpreis bezahlt werde, bleibe ein Kaufvertrag, sei unzutreffend. Die Argumentation der 26. Kammer des Arbeitsgerichtes München (26 Ca 486/07) sei dagegen zutreffend: "Im Hinblick auf die Tatsache, dass die Unterrichtung nach § 613a Abs. 5 BGB den einzigen Zweck habe, den Arbeitnehmern eine ausreichende Wissensgrundlage für die Ausübung oder Nichtausübung des Widerspruchsrechtes zu geben, sei die zumindest missverständliche Verwendung des Begriffes "Kaufvertrag" nicht geeignet, den Erfordernissen des § 613a Abs. 5 BGB zu entsprechen. Es mache für die Bewertung der Zukunftsrisiken einen gravierenden Unterschied, ob für einen Betrieb ein Kaufpreis erzielt werde oder dem Übernehmer noch Geld bezahlt werde, damit er den Betrieb übernehme."

Der Kläger könne bei Fortbestand des Arbeitsverhältnisses auch die Weiterbeschäftigung verlangen.

Auch der Hilfsantrag sei begründet. Es liege eine Betriebsänderung vor. Die eigentliche Maßnahme sei nicht die Fortsetzung der Geschäftstätigkeit des Bereiches C.M.D., sondern die mittelfristige Schließung des Bereiches C.M.D. durch die B. C. oder deren Tochter, die B.M. OHG. Eine solche Maßnahme sei interessenausgleichspflichtig. Ein Interessenausgleich liege unstreitig jedoch nicht vor. Im Übrigen habe das Arbeitsgericht deliktische Ansprüche gegen die Beklagte völlig außer Acht gelassen. Der Kläger habe eine Fülle von Tatsachen vorgetragen, die zwingend zu dem Schluss führten, dass die B. ohne Überlebenschance gewesen sei und dass die Beklagte dies wusste. Dies ergebe sich schon auf den ersten Blick aus dem immensen Restrukturierungsaufwand von rund 4 Milliarden Euro, den die B.M. OHG genauso wenig zu leisten im Stande gewesen sei wie die B. C..

Der Kläger beantragt im Berufungsverfahren:

I. Das Urteil des Arbeitsgerichtes München vom 2. August 2007, Az. 11 Ca 1303/07, wird abgeändert.

II. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Klagepartei mit der Beklagten aufgrund Widerspruches vom 28.09.2006 nicht zum 01.10.2005 auf die B. übergegangen ist.

Hilfsweise zu II.:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei eine Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes, deren Höhe in das Ermessen des Gerichtes gestellt wird, zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt dagegen

die kostenpflichtige Zurückweisung der Berufung

und trägt vor, das Informationsschreiben genüge den Anforderungen des § 613a Abs. 5 BGB. So sei die Identität des Erwerbers mit B. angegeben. Es habe keine Verpflichtung bestanden über die Adresse des Betriebserwerbers zu informieren. Im Übrigen sei für die Arbeitnehmer hinreichend deutlich, dass es sich bei der Angabe M. um die Adresse von B.M. handelte. Die Adresse sei offensichtlich deshalb genannt worden, um den Arbeitnehmern Gelegenheit zu geben, den Widerspruch wahlweise auch beim Betriebserwerber geltend zu machen. Hinzu komme, dass sich am H.-Platz auch vor dem Betriebsübergang die Verwaltung des Bereiches C.M.D. befunden habe. Es sei deshalb für die Mitarbeiter des Bereiches C.M.D., also auch für den Kläger klar gewesen, dass es sich dabei nach dem Betriebsübergang um die Adresse von B.M. handeln würde. Hinzu komme, dass der Kläger spätestens durch das Schreiben vom 19.01.2006 über die Adresse von B.M. informiert worden sei. In diesem Schreiben sei dem Kläger mitgeteilt worden, in welcher Höhe sich sein Jahreszieleinkommen und die beitragsorientierte Altersversorgung zusammen setze. Auf diesem Schreiben sei im Briefkopf die Adresse von B.M. angegeben. Weiterhin lasse sich dem Schreiben der Firmensitz und die Handelsregisternummer vom B.M. entnehmen.

Das Arbeitsgericht München habe auch zutreffend festgestellt, dass es der Grundsatz des Vertrauensschutzes verbiete, das von der Rechtsprechung des BAG neu aufgestellte Erfordernis der Information über die Adresse rückwirkend anzuwenden.

Auch über den Grund des Betriebsüberganges sei ausreichend informiert worden. Sinn und Zweck der Unterrichtungspflicht sei es, dem Arbeitnehmer eine ausreichende Wissensgrundlage für die Nichtausübung oder Ausübung seines Widerspruchsrechtes zu geben. Wie das BAG bereits entschieden habe, genüge es hierzu, dass dem Arbeitnehmer diejenigen unternehmerischen Gründe mitgeteilt werden, die sich im Falle seines Widerspruches gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf seinen Arbeitsplatz auswirken können. Eine darüber hinausgehende Verpflichtung, die wirtschaftlichen Gründe mitzuteilen, sehe das BAG zu Recht nicht. Die Beklagte habe den Rechtsgrund für den Betriebsübergang, nämlich den Kaufvertrag, angegeben. Zutreffend stelle das Arbeitsgericht fest, dass der Kläger nicht über den Kaufpreis und dementsprechend auch nicht über die Zahlung eines negativen Kaufpreises zu informieren gewesen sei. Zahlungen des Verkäufers an den Käufer für die Übernahme von Verbindlichkeiten oder sonstigen Belastungen seien in der Praxis des Unternehmenskaufes durchaus üblich. Derartige Zahlungen würden auch nichts an der Rechtsnatur des Kaufvertrages ändern, insbesondere verliere das Geschäft auch nicht seinen entgeltlichen Charakter. Folglich mache die Zahlung der Beklagten den Kaufvertrag nicht zu einer Schenkung, sondern stelle lediglich eine atypische, vom gesetzlichen Grundtypus abweichende Gestaltung des Kaufvertrages dar. Eine Schenkung scheide schon deshalb aus, weil die von B.M. für die Übernahme des Geschäftsgebietes C.M.D. erbrachte Gegenleistung bereits objektiv angemessen und äquivalent gewesen sei. Darüber hinaus werde im Unterrichtungsschreiben vom 29.08.2005 der Kläger ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ihm ein Widerspruch keinen Arbeitsplatz bei der Fa. S. sichere, da die C.M.D. Aktivitäten vollständig auf B.M. übertragen werden. Damit habe die Beklagte dem Kläger jene unternehmerischen Gründe für den Betriebsübergang mitgeteilt, die sich im Falle des Widerspruches auf seinen Arbeitsplatz auswirken können. Der Kläger habe aufgrund dieser Mitteilung gewusst, dass (1) unternehmerischer Grund für den Betriebsübergang die vollständige Übertragung der C.M.D. Aktivitäten auf B.M. sei, (2) sämtliche Arbeitsplätze dieses Bereiches bei der Beklagten entfallen würden und damit (3) sein Widerspruch unter Umständen die betriebsbedingte Kündigung seines Arbeitsverhältnisses zur Folge haben könnte.

Im Übrigen wäre eine Verwirkung des Widerspruchrechtes anzunehmen. In der Rechtsprechung sei anerkannt, dass auch das Widerspruchsrecht gemäß § 613a Abs. 6 BGB nach § 242 BGB verwirken könne, wenn es der Berechtigte längere Zeit nicht ausübe und er mit seinem Verhalten den Eindruck erweckt habe, dass er es nicht mehr ausüben werde. Der Kläger habe erst 12 Monate nach Kenntnis des Betriebsüberganges von der Beklagten auf B.M. und 13 Monate nach Zugang des Unterrichtungsschreibens dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses widersprochen. Bei der Berechnung des Zeitmomentes sei auf den Zugang des Informationsschreibens abzustellen. Im Übrigen sei auch das Umstandsmoment der Verwirkung erfüllt. Der Widerspruch des Klägers gegen den Betriebsübergang sei im Anbetracht der Erhöhung des Jahreszieleinkommens des Klägers für das Geschäftsjahr 2004/2005 mit Wirkung ab 01.10.2005 auf € 82.541,00, der Festlegung eines Betrag für die BSAV in Höhe von € 3.647,00 und der Erhöhung des Monatsgehaltes des Klägers auf € 6.146,00 ein widersprüchliches Verhalten und das Widerspruchsrecht sei verwirkt. Die Beklagte habe darauf vertrauen können, der Kläger werde dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses nicht mehr widersprechen. Der Beklagten seien diese Vertragsänderungen im Zeitpunkt ihrer Umsetzung bekannt geworden. Sie habe seit dem Betriebsübergang des Bereiches C.M.D. auf B.M. am 01.10.2005 die Personalakten für B.M. auf der Grundlage eines Dienstleistungsvertrages geführt. Durch die Erklärung des Widerspruches verhalte sich der Kläger widersprüchlich.

Der Antrag des Klägers auf Weiterbeschäftigung als Software-Entwickler sei unzulässig und auch unbegründet.

Die Anregung zur Vorlage der gestellten Fragen an den EuGH erfolge nur hilfsweise, weil nach zutreffender inhaltlicher Würdigung auch im Hinblick auf die Identität des Betriebserwerbers ordnungsgemäß informiert wurde. Nur für den Fall, dass das Gericht der Auffassung sein sollte, dass die Adresse im Informationsschreiben der Beklagten vom 29.08.2005 nicht genannt wurde und die Begründetheit der Klage von der Nennung der Adresse des Erwerbers im Informationsschreiben abhänge, müssten die Fragen dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt werden.

Bezüglich des Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf den Inhalt des Schriftsatzes des Klägers vom 21.11.2007 (Bl. 367 bis 375 d.A.) und auf den Schriftsatz der Beklagten vom 28.01.2008 (Bl. 416 bis 436 d.A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichtes München vom 02.08.2007 ist zulässig und - soweit sie aufrecht erhalten wurde - auch begründet.

Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist nicht zum 01.10.2005 auf die Fa. B. übergegangen, da der Kläger rechtswirksam gemäß § 613a Abs. 6 BGB dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf diese Firma widersprochen hat.

1. Das Berufungsgericht geht anhand des Sachvortrages der Parteien davon aus, dass der Betrieb der Beklagten, in welchem der Kläger bis 30.09.2005 beschäftigt war, ab 01.10.2005 durch Rechtsgeschäft (Vertrag vom 30.09.2005) auf die Fa. B. übergegangen ist.

2. Gemäß § 613a Abs. 1 BGB tritt im Falle einer rechtsgeschäftlichen Übertragung eines Betriebes oder Betriebsteiles, der Übernehmer als neuer Arbeitgeber in die bestehenden Arbeitsverhältnisse ein. Gemäß § 613a Abs. 6 BGB kann jedoch ein betroffener Arbeitnehmer dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Monates nach Zugang der Unterrichtung über den Betriebsübergang, die den Erfordernissen in § 613a Abs. 5 BGB entspricht, schriftlich widersprechen.

3. Der Kläger hat dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses von der Beklagten auf die Fa. B. rechtswirksam widersprochen.

a) Der Widerspruch des Klägers erfolgte mit Schreiben vom 28.09.2006; es ist in diesem Schreiben ausdrücklich ausgeführt, dass der Kläger dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die B. widerspricht. Entgegen der Auffassung der Beklagten liegt auch kein gemäß § 242 BGB unzulässiger kollektiver Massenwiderspruch vor. Zwar hat das BAG in der von der Beklagten zitierten Entscheidung vom 30.09.2004 (AP Nr. 275 zu § 613a BGB) vertreten, dass ein kollektiver Widerspruch nach § 242 BGB rechtsmissbräuchlich und damit unwirksam sein kann, wenn er institutionell missbraucht wird und zur Erreichung unzulässiger Ziele dient. Dabei ist davon auszugehen, dass eine Rechtsausübung dann missbräuchlich sein kann, wenn kein schutzwürdiges Eigeninteresse zugrunde liegt, sie lediglich als Vorwand für die Erreichung vertragsfremder und unlauterer Zwecke dient, um so dem anderen einen Schaden zuzufügen. Übt eine Vielzahl von Arbeitnehmern das Widerspruchsrecht aus, kann sich demgemäß aus der Zweckrichtung der Widerspruchsausübung, soweit sie nicht im Schwerpunkt auf die Verhinderung des Arbeitgeberwechsels zielt, sondern beispielsweise von der Motivation getragen ist, dem Betriebsübergang als solchen zu verhindern oder aber Vergünstigungen zu erzielen, auf die die Arbeitnehmer keinen Rechtsanspruch haben, ein rechtsmissbräuchliches Handeln ergeben.

Unter Anwendung dieser Grundsätze kann (in Übereinstimmung mit dem Urteil des LAG München vom 25.06.2008 - 11 Sa 861/07 - und teilweiser Übernahme der dortigen Entscheidungsgründe) nicht festgestellt werden, dass der Widerspruch des Klägers unwirksam ist. So fehlt es schon am Vortrag der Beklagten, dass ein schutzwürdiges Eigeninteresse des Klägers nicht vorliegt. Der Kläger hat vielmehr dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Stellung des Insolvenzantrages durch B.M. widersprochen. Zu diesem Zeitpunkt war aus seiner Sicht die Fortführung des Betriebes mehr als gefährdet. Allein der Umstand, dass zur Widerspruchseinlegung von dritter Seite Formulierungshilfen geleistet bzw. ein Großteil der Widersprüche gebündelt abgegeben wurde, spricht nicht gegen ein schutzwürdiges Eigeninteresse des Klägers. Sofern von dritter Seite mit der Einlegung der Widersprüche Druck auf die Beklagte ausgeübt werden sollte und somit auch andere Ziele verfolgt sein könnten, ist aus dem Vortrag der Beklagten nicht ersichtlich, dass der Kläger an einem derartigem Vorhaben beteiligt war oder aufgrund dieser Motivation gehandelt hat. Der Kläger verfolgte mit der Einlegung des Widerspruches die Sicherung seiner arbeitsvertraglichen Rechte. Im übrigen handelt es sich um einen naheliegenden Geschehensablauf, wenn ein Arbeitnehmer aufgrund der Tatsache, dass auch viele Arbeitskollegen von derselben Situation betroffen sind, seinen Widerspruch gleichzeitig mit diesen Kollegen abgibt und bei der Formulierung auf Formulierungshilfen der im Betrieb vertretenen Gewerkschaft zurückgreift. Dies führt nicht zu einem institutionellen Missbrauch des Widerspruchsrechtes.

b) Der schriftliche Widerspruch vom 28.09.2006 gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses erfolgte zwar ca. 13 Monate nach dem Zugang des Unterrichtungsschreibens vom 29.08.2005, er ist aber dennoch nicht verfristet; denn die Ein-Monats-Frist des § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB beginnt nicht zu laufen, wenn die Unterrichtung gemäß § 613a Abs. 5 BGB nicht ordnungsgemäß ist (BAG vom 13.07.2006 - 8 AZR 305/05, NJW 2007, 246). Das Informationsschreiben vom 29.08.2005 erfüllt zumindest nicht die Anforderungen des § 613a Abs. 5 Nr. 2 BGB. Nach dieser Bestimmung ist der betroffene Arbeitnehmer über den Grund für den Betriebsübergang zu informieren. Hier ist zumindest die Angabe der formalen (vertraglichen) Rechtsgrundlage für den Betriebsübergang, wie z.B. Kaufvertrag, Pachtvertrag etc., gemeint; im Hinblick auf den Sinn und Zweck der Unterrichtung, dem vom Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmer eine ausreichende Wissensgrundlage für seine Entscheidung über die Ausübung oder Nichtausübung des Widerspruchsrechtes zu geben, ist auch die wenigstens allgemeine oder schlagwortartige Angabe der dem Betriebsübergang zugrunde liegenden unternehmerischen Erwägungen erforderlich, sofern sie sich im Falle eines Widerspruches auf den Arbeitsplatz auswirken können (vgl. BAG vom 13.07.2006 - 8 AZR 305/06, AP Nr. 112 zu § 613a BGB; vom 14.12.2006 - 8 AZR 763/05).

Die Beklagte hat zwar dem Kläger (im 4. Absatz des Informationsschreibens vom 29.08.2005) mitgeteilt, dass die Übertragung des Geschäftsgebietes aufgrund eines Kaufvertrages im Wege der Einzelrechtsnachfolge auf B.M. erfolgt. Es hätte aber hier einer weiteren Information bedurft, da mit dem "Kaufvertrag" besondere Umstände verbunden waren, insbesondere ein sog. "negativer Kaufpreis". Der Durchschnittsarbeitnehmer, der mit Betriebsveräußerungen im Regelfalle nichts zu tun hat, verbindet mit einem Kaufvertrag eine normale Austauschbeziehung im Sinne des § 433 BGB, nämlich die Veräußerung des Verkaufsgegenstandes gegen Zahlung einer Summe. Auch wenn es durchaus in der Praxis des Betriebsverkaufes nicht unüblich sein mag, dass der "Verkäufer" für die Betriebsübertragung sogar noch finanzielle Leistungen erbringt, wenn unter Umständen Verbindlichkeiten mit übergehen, die den Wert des Betriebes übersteigen, so ist dies mit Sicherheit nicht der Normalfall, zumindest nicht aus der Sicht von Arbeitnehmern, die mit der Praxis von Betriebsveräußerungen keine Erfahrungen haben. Es hätte also der Information bedurft, dass es sich insoweit nicht um einen typischen, "normalen" Kaufvertrag handelt, für den der Übernehmer einen Kaufpreis bezahlt, sondern um einen Vertrag, bei dem der Verkäufer - wegen bestehender und zu übernehmender Risiken und Verbindlichkeiten - sogar noch eine Zahlung erbringt. Mit dieser Information wäre die Entscheidungsbasis der informierten Arbeitnehmer hinsichtlich ihres Widerspruchsrechtes durchaus eine andere gewesen: sie hätten gewusst, dass hier an sich ein Betrieb ohne substantiellen Gegenwert übertragen wurde und damit das erhebliche Risiko bestand, dass der Erwerber den Betrieb überhaupt erhalten und die übernommenen Verbindlichkeiten bedienen kann. Ferner hätte es im vorliegenden Falle der Erläuterung bedurft, dass der mitgeteilte Kaufvertrag mit der Fa. B. lediglich Teil und Folge einer Vertragsvereinbarung (Master Sale and Purchase Agreement) zwischen der Beklagten und der B. C., T., war zur Übernahme des Geschäftsgebietes "C.M.D, wonach die Vermögensgegenstände Land für Land im Wege der Einzelübertragung auf eigens hierfür gegründet Landesgesellschaften übertragen werden sollten und deshalb auf die B. "die in Deutschland gelegenen Gegenstände des Anlage- und Umlaufsvermögens und die hierauf entfallenden Forderungen und Verbindlichkeiten" (so Schriftsatz der Beklagten vom 30.04.2007, Seite 8) übertragen werden. Dies war den betroffenen Arbeitnehmern nicht ersichtlich. Die betroffenen Arbeitnehmer mussten nach der Information im Schreiben vom 29.08.2005 davon ausgehen, dass die Übertragung des Geschäftsgebietes "aufgrund eines Kaufvertrages im Wege der Einzelrechtsnachfolge auf die Fa. B.M." erfolgte, was aber nach dem eigenen Vortrag der Beklagten nicht zutreffend ist: Die Übernahme des Geschäftsgebietes "C.M.D. geschah durch die B. C. (Schriftsatz der Beklagten vom 30.04.2007, Seite 3 und 4) und die Fa. B. hat lediglich "neben den in Deutschland gelegenen Gegenständen des Anlage- und Umlaufvermögens die hierauf entfallenen Forderungen und Verbindlichkeiten" (Schriftsatz der Beklagten vom 30.04.2007, Seite 8) übernommen. Die Information, dass die Übertragung des Geschäftsgebietes aufgrund eines Kaufvertrages an die Fa. B. erfolgt ist, ist somit eindeutig unrichtig.

Damit liegt eine unrichtige bzw. unvollständige und somit nicht ordnungsgemäße Unterrichtung im Rahmen des § 613a Abs. 5 Nr. 2 BGB vor (zumindest im Ergebnis ebenso LAG München - 4 Sa 1063/07 - vom 17.04.2008 und - 11 Sa 861/07 - vom 25.06.2008).

Ob darüber hinaus auch die Unterrichtung nach § 613a Abs. 5 Nr. 1 und 3 BetrVG nicht ordnungsgemäß ist, wie der Kläger geltend macht, kann dahinstellt bleiben.

c) Das Widerspruchsrechts des Klägers war auch nicht verwirkt.

Die Verwirkung ist ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung. Mit der Verwirkung wird die illoyal verspätete Geltendmachung von Rechten ausgeschlossen. Sie dient dem Vertrauensschutz und verfolgt nicht den Zweck, den Schuldner stets dann von seiner Verpflichtung zu befreien, wenn dessen Gläubiger längere Zeit seine Rechte nicht geltend gemacht hat. Der Berechtigte muss vielmehr unter Umständen untätig geblieben sein, die den Eindruck erweckten, dass er sein Recht nicht mehr geltend machen wolle, so dass der Verpflichtete sich darauf einstellen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden. Hierbei muss das Erfordernis des Vertrauensschutzes auf Seiten des Verpflichteten das Interesse des Berechtigen derart überwiegen, dass ihm die Erfüllung des Anspruches nicht mehr zuzumuten ist (ständige Rechtsprechung des BAG, vgl. vom 14.12.2006 - 8 AZR 763/05). Auch das Widerspruchsrecht nach § 613a Abs. 5 BGB kann wegen Verwirkung ausgeschlossen sein (BAG vom 14.12.2006 - 8 AZR 763/05). In Übereinstimmung mit der Entscheidung des LAG München vom 25.06.2008 - 11 Sa 861/07 - in einem Parallelverfahren geht die Kammer davon aus, dass der Kläger sein Widerspruchsrecht nicht verwirkt hat. Dabei kann dahinstehen, ob das Zeitmoment erfüllt ist, da es jedenfalls am erforderlichen Umstandsmoment fehlt. Der Kläger hat mit Ausnahme der Tatsache der Weiterarbeit bei der Fa. B.M. ab 01.10.2005 keine Umstände gesetzt, die ein Vertrauen der Beklagten auf die Nichtausübung des Widerspruchrechtes rechtfertigen könnten. Die bloße Weiterarbeit ist aber nicht geeignet, dass Umstandsmoment zu verwirklichen (BAG vom 14.12.2006 - 8 AZR 763/05). Auch der Umstand, dass der Kläger bei B.M. die Erhöhung des Jahreszieleinkommens, die Festlegung eines Beitrages für die BSAV und der Erhöhung seines Monatsgehaltes akzeptiert hat, sind keine besonderen Umstände, die ein Vertrauen der Beklagten auf eine künftige Nichtausübung des Widerspruchsrechtes rechtfertigen könnten. Durch die Entgegennahme routinemäßiger Gehaltserhöhungen, auch wenn diese formaljuristisch in einer Vereinbarung bestehen, will kein Arbeitnehmer ein Arbeitsverhältnis bestätigen, sofern es gar nicht besteht und der Arbeitnehmer auch noch keine Erkenntnis hat, dass dieses Arbeitsverhältnis rechtswirksam nicht besteht. Solange der Arbeitnehmer nicht positiv weiß, dass - anders als bisher angenommen - rechtswirksam ein Arbeitsverhältnis mit dem Betriebserwerber gar nicht besteht, kann ihm kein Wille zur Bestätigung des nicht bestehenden Arbeitsverhältnisses unterstellt werden. Angesichts der von der Beklagten den Arbeitnehmern erteilten irreführenden Information bzgl. des Betriebsüberganges erscheint im übrigen das von der Beklagten behauptete Vertrauen in das Ausbleiben von späteren Widersprüchen nach Ablauf der ursprünglichen Widerspruchsfrist auch nicht schutzwürdig. Zumindest überwiegt vor dem bezeichneten Hintergrund das Interesse des Vertrauensschutzes der Beklagten nicht das Interesse des Klägers an der Ausübung des Widerspruchsrechtes (ebenso LAG München vom 17.04.2008 - 4 Sa 1063/07).

d) Auch wenn der Widerspruch erst nach dem Betriebsübergang erklärt wird, verhindert er das Entstehen des Arbeitsverhältnisses zu dem Erwerber. Der Widerspruch wirkt zurück auf den Zeitpunkt des Betriebsüberganges (ständige Rechtsprechung des BAG, vgl. vom 13.07.2006 - 8 AZR 382/05). Damit war dem Feststellungsantrag des Klägers, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Beklagten aufgrund des Widerspruches vom 28.09.2006 nicht zum 01.10.2005 auf die Fa. B. übergegangen ist, stattzugeben und das klageabweisende Endurteil des Arbeitsgerichtes München vom 02.08.2007 insoweit abzuändern.

Über den Weiterbeschäftigungsanspruch war nicht mehr zu entscheiden, da insoweit der Kläger die Berufung zurückgenommen hat. Die angeregte Vorlage der gestellten Fragen an den EuGH war schon deswegen nicht veranlasst, weil es von der Kammer offen gelassen wurde, ob es § 613a Abs. 5 Nr. 1 BGB erfordert, dass die Adresse des Betriebserwerbers im Informationsschreiben ausdrücklich genannt wird.

4. Die Kostenentscheidung beruht unter Berücksichtigung der teilweisen Berufungsrücknahme auf § 92 Abs. 1 ZPO.

Gegen dieses Urteil ist für die Beklagte das Rechtsmittel der Revision statthaft.

Ende der Entscheidung

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