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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 23.05.2006
Aktenzeichen: 4 Ta 73/06
Rechtsgebiete: RVG, BetrVG


Vorschriften:

RVG § 23
RVG § 32
RVG § 33
BetrVG § 101
Wurden in einem Beschlussverfahren gleichzeitig 55 Aufhebungsverträge im Rahmen des § 101 Satz 1 BetrVG geltend gemacht und endete das Verfahren wegen der nur kurzzeitigen Dauer der personellen Maßnahmen noch vor Durchführung einer Anhörung vor der Kammer, ist es nicht ermessensfehlerhaft, wenn das Arbeitsgericht im Rahmen der Wertfestsetzung gemäß § 33 Abs. 1 RVG nur für einen Fall den vollen Hilfswert des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG und für alle weiteren 54 Fälle lediglich je 1/40 davon in Ansatz bringt (ergibt Gegenstandswert von EUR 9.400,--).
LANDESARBEITSGERICHT NÜRNBERG BESCHLUSS

4 Ta 73/06

in dem Beschlussverfahren

wegen: Sonstiges

hier: Gegenstandswertfestsetzung

Die 4. Kammer des Landesarbeitsgerichts Nürnberg hat durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Roth ohne mündliche Verhandlung

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Würzburg - Kammer Aschaffenburg - vom 23.02.2006, Az.: 5 BV 27/05 A, wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Der Antragsteller hat mit Schriftsatz vom 07.12.2005 beantragt, die vorübergehende Beschäftigung von 55 Leiharbeitnehmern im Lager in B... in den Monaten Dezember 2005 und Januar 2006 aufzuheben, § 101 Satz 1 BetrVG.

In dem Gütetermin vom 09.02.2006 ist nach beidseitiger Erledigterklärung das Beschlussverfahren noch vor Durchführung einer Anhörung vor der Kammer gemäß § 83a Abs. 2 ArbGG eingestellt worden.

Das Arbeitsgericht hat den Gegenstandswert zum Zwecke der anwaltlichen Gebührenberechnung durch Beschluss vom 23.02.2006 auf EUR 9.400,-- festgesetzt.

Gegen diesen ihnen am 08.03.2006 zugeleiteten Beschluss haben die Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers mit Telefax vom 13.03.2006 beim Arbeitsgericht Würzburg - Kammer Aschaffenburg - Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdeführer halten einen Gegenstandswert von EUR 55.000,-- für sachgerecht und angemessen.

Das Erstgericht hat mit Beschluss vom 12.04.2006 der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht Nürnberg zur Entscheidung vorgelegt.

II.

1. Die Beschwerde ist zulässig.

Sie ist statthaft, § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG, denn sie richtet sich gegen einen Beschluss, durch den der Gegenstandswert für die anwaltliche Tätigkeit gemäß § 33 Abs. 1 RVG festgesetzt worden ist.

Die Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers sind beschwerdeberechtigt gemäß § 32 Abs. 2 Satz 1 RVG.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt EUR 200,--, denn bereits die einfache Gebührendifferenz zwischen dem festgesetzten und dem begehrten Gebührenstreitwert beträgt nach der Anlage 2 zum RVG EUR 637,--.

Die Frist von zwei Wochen für die Einlegung der Beschwerde nach § 33 Abs. 3 Satz 3 RVG wurde gewahrt. Dies obwohl der Beschluss vom 23.02.2006 eine falsche Rechtsmittelbelehrung enthielt und nicht förmlich zugestellt worden ist.

2. Die Beschwerde ist sachlich nicht begründet.

Die vom Erstgericht bei der Gegenstandswertfestsetzung nach § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG zu treffende Ermessensentscheidung erfolgte fehlerfrei. Das Erstgericht hat die bei der gebührenrechtlichen Bewertung eines i.R.d. § 101 Satz 1 BetrVG geführten Beschlussverfahrens zu berücksichtigenden Umstände ausreichend gewürdigt.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Beschwerdegerichts kann die Ermessensentscheidung des Erstgerichts nur auf Ermessensfehler überprüft werden, wohingegen das Beschwerdegericht keine eigene hiervon unabhängige Ermessensentscheidung zu treffen hat (so LAG Nürnberg vom 05.05.1986 - 1 Ta 3/85 - LAGE Nr. 53 zu § 12 ArbGG 1979 Streitwert, vom 07.04.1999 - 6 Ta 61/99 - NZA 1999,840; vom 27.11.2003 - 9 Ta 154/03 - AR-Blattei ES 160.13, Nr. 256; vom 02.12.2003 - 9 Ta 190/03 - AR-Blattei ES 160.13, Nr. 255).

b) Das Erstgericht geht in seiner Entscheidung vom 23.02.2006 und der Nichtabhilfeentscheidung vom 12.04.2006 zutreffend davon aus, dass es sich bei einem Beschlussverfahren im Rahmen des § 101 BetrVG um eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeiten i.S.d. § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG handelt und die gebührenrechtliche Bewertung nach dieser Vorschrift vorzunehmen ist.

Insoweit kann auf die zur Vorgängerregelung (§ 8 Abs. 2 Satz 2 BRAGO) ergangene Rechtsprechung verwiesen werden (so LAG Nürnberg vom 21.07.2005 - 9 Ta 137/05 - LAGE Nr. 1 zu § 23 RVG; vgl. hierzu auch: LAG Bremen vom 19.07.2001 - 4 Ta 33/01 - LAGE Nr. 51 zu § 8 BRAGO; LAG Berlin vom 21.10.2002 - 17 Ta (Kost) 6085/02 - NZA-RR 2003, 383; LAG Berlin vom 18.03.2003 - 17 Ta (Kost) 6009/03 - NZA 2004, 342). Sie betraf zwar Zustimmungsersetzungsverfahren gem. § 99 Abs. 4 BetrVG und Feststellungsverfahren gem. § 100 Abs. 2 Satz 3 BetrVG (vgl. LAG Nürnberg vom 21.07.2005, aaO) aber auch für den im vorliegenden Verfahren geltend gemachten Anspruch, eine mitbestimmungswidrige vorläufige Beschäftigung gem. § 101 Satz 1 BetrVG aufzuheben, kann nichts anderes gelten.

In Streit stehen in all diesen Verfahren die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates und die von ihm herangezogenen Zustimmungsverweigerungsgründe. Diese Streitgegenstände sind nicht unmittelbar abhängig von der Dauer des individualrechtlichen Arbeitsverhältnisses und der Höhe des konkret zu zahlenden Gehalts. Aus diesem Grund kann bei der Wertfestsetzung nicht auf die gebührenrechtliche Regelung im früheren § 12 Abs. 7 Satz 1 ArbGG, bzw. der jetzigen Regelung in § 42 Abs. 4 Satz 1 GKG, zurückgegriffen werden (so LAG Nürnberg vom 21.07.2005, aaO., vgl. LAG Berlin vom 19.09.2002 - 17 Ta (Kost) 6081/02 - n.v.).

c) Bei der Bemessung des Gegenstandswerts gemäß § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG sind alle Umstände des Einzelfalles, insbesondere der Umfang und die Bedeutung der Sache zu berücksichtigen. Hierzu zählen auch die wirtschaftlichen Auswirkungen des Rechtsstreits und die rechtlichen und tatsächlichen Besonderheiten des Falles.

Bei einem Beschlussverfahren, das mehrere personelle Einzelmaßnahmen betrifft, die wiederum auf einer einheitlichen unternehmerischen Vorgehensweise beruhen und im Rahmen eines gemeinsam durchgeführten Mitwirkungsverfahrens vom Betriebsrat behandelt worden sind, kann eine angemessene Herabsetzung des Wertes für jede einzelne personelle Maßnahme geboten sein. Alleine durch die Bündelung der Verfahren und die gleich gelagerte Argumentation im Hinblick auf die einheitliche unternehmerische Vorgehensweise tritt ein Synergieeffekt im Rahmen der Prozessführung auf, der schon für sich eine erhebliche Reduzierung des Hilfswertes für jeden Einzelfall rechtfertigt.

Weiter kann berücksichtigt werden, wenn bei nur vorübergehender kurzzeitiger Beschäftigung von Aushilfskräften noch vor Durchführung einer Anhörung vor der Kammer infolge übereinstimmender Erledigterklärung eine Einstellung des Verfahrens gemäß § 83a Abs. 2 ArbGG erfolgt ist, ohne dass es einer intensiven Aufbereitung des Prozessstoffes bedurfte.

Schließlich sind auch die geringeren wirtschaftlichen Auswirkungen bei nur kurzzeitiger Beschäftigung von Aushilfskräften angemessen zu bewerten.

All diese Umstände können bei der Ermessensbetätigung des Gerichts dazu führen, dass der Hilfswert des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG pro betroffener Einzelmaßnahme auf einen Bruchteil reduziert wird (z.B. auf 1/8 oder 1/16 wie in der Entscheidung des LAG Nürnberg vom 21.07.2005, aaO.; vgl. auch LAG Bremen vom 19.07.2001, a.a.O.; LAG Berlin vom 21.10.2002, a.a.O.).

d) Das Erstgericht hat in Übereinstimmung mit den zitierten Entscheidungen der Landesarbeitsgerichte Nürnberg, Berlin und Bremen lediglich einen der insgesamt 55 Aufhebungsanträge mit dem vollen Hilfswert des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG von EUR 4.000,-- bewertet. Für die im selben Verfahren geltend gemachten weiteren 54 Aufhebungsanträge konnte es für jeden Einzelfall nur einen Bruchteil dieses Wertes in Ansatz bringen.

Dieser Bruchteil wurde im Rahmen des dem Erstgericht eingeräumten Ermessens auf je 1/40 des Hilfswertes festgesetzt. In seiner Nichtabhilfeentscheidung hat es alle hierfür wesentlichen Kriterien angesprochen und keine sachfremden Erwägungen einfließen lassen.

Der Bruchteil von 1/40 erscheint unter Berücksichtigung all dieser Kriterien nicht als unangemessen gering.

Insoweit kann ein Ermessensfehler des Erstgerichts nicht festgestellt werden.

III.

Die Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung durch den Vorsitzenden alleine ergehen, vgl. § 78 Satz 3 ArbGG.

Für eine Kostenentscheidung besteht kein Anlass, da das Beschwerdeverfahren gebührenfrei ist und keine Kostenerstattung stattfindet, § 33 Abs. 9 RVG.

Ende der Entscheidung

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