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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 16.12.1998
Aktenzeichen: 5 Sa 710/98
Rechtsgebiete: KSchG, BeschSchG


Vorschriften:

KSchG § 1 Abs. 1
BeschSchG § 2
BeschSchG § 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
5 Sa 710/98

wegen Kündigung

Die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Nürnberg hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Landesarbeitsgericht Malkmus als Vorsitzender und der ehrenamtlichen Richter Ziegler und Margner aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 16. Dezember 1998

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg/Gerichtstag Ansbach vom 13.01.1998, Aktenzeichen 3 Ca 4513/97 A, wird auf Kosten der Berufungsführerin zurückgewiesen.

Tatbestand:

Gegenstand des Rechtsstreits ist die Frage der Wirksamkeit einer mit Schreiben vom 09.05.1997 zum 31.12.1997 ausgesprochenen ordentlichen verhaltensbedingten Arbeitgeberkündigung.

Der 1954 geborene Kläger war seit 01.12.1982 bei der Beklagten, zuletzt als Leiter der Filiale X... mit 14 Arbeitnehmern gegen ein Bruttomonatsgehalt von DM 8.062,-- beschäftigt.

Die streitgegenständliche Kündigung wird auf den Vorwurf gestützt, der Kläger habe Mitarbeiterinnen, insbesondere Frau H..., sexuell belästigt.

Das Arbeitsgericht hat der Klage auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung vom 09.05.1997 nicht beendet worden sei, mit der Begründung stattgegeben, mit Ausnahme eines Vorfalls im Juni 1991 lasse sich ein Fehlverhalten des Klägers im Sinne des Beschäftigtenschutzgesetzes nicht feststellen, da nicht erwiesen sei, dass die betroffenen Mitarbeiterinnen das Verhalten und die Bemerkungen des Klägers erkennbar abgelehnt hätten; hinsichtlich des Vorfalls vom Juni 1991 sei die Kündigung als Ultima Ratio nicht erforderlich. Auf den Inhalt des arbeitsgerichtlichen Urteils wird, auch hinsichtlich des erstinstanzlichen Parteivorbringens, im Einzelnen Bezug genommen.

Zur Begründung ihrer dagegen gerichteten Berufung lässt die Beklagte vorbringen, dem Kläger sei aufgrund der Vermeidungsreaktionen der Mitarbeiterinnen deren Ablehnung seines Verhaltens erkennbar gewesen. Zu berücksichtigen sei dabei die prekäre Situation einer sexuellen Belästigung und das äußerst begrenzte Reaktionsinstrumentarium, das einer weiblichen Arbeitnehmerin zur Verfügung stehe. § 2 Abs. 2 BeschSchG sei vom Gericht falsch ausgelegt worden. Auch ohne erkennbare Ablehnung könne ein Verhalten eine sexuelle Belästigung darstellen, wenn es den Tatbestand des § 2 Abs. 2 Satz 1 BeschSchG erfülle. Die dem Kläger wegen des Vorwurfs der sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz im Jahre 1989 erteilte Abmahnung könne jedenfalls herangezogen werden, auch wenn der Kläger den Wahrheitsgehalt der erhobenen Vorwürfe bestreite. Auch wenn diese Abmahnung sachlich nicht gerechtfertigt gewesen sein sollte, so hätte der Kläger sensibilisiert und gewarnt sein müssen. Im Übrigen sei vorliegend auch ohne vorherigen Ausspruch einer Abmahnung die Kündigung gerechtfertigt. Eine Möglichkeit, den Kläger in eine andere Filiale zu versetzen, habe nicht bestanden, da die Beklagte über keinen anderweitigen freien Arbeitsplatz verfüge. Hilfsweise müsse das Arbeitsverhältnis des Klägers aufgelöst werden, weil er sich in der mündlichen Berufungsverhandlung dahingehend geäußert habe, es habe gegen ihn ein Komplott stattgefunden.

Die Beklagte hat beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 13.01.1998, Aktenzeichen 3 Ca 4513/97 A, abzuändern und die Klage abzuweisen.

Hilfsweise hat die Beklagte beantragt,

das Arbeitsverhältnis des Klägers gegen Zahlung einer Abfindung zum 31.12.1997 aufzulösen.

Der Kläger hat beantragt:

1.

Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 13.01.1998, Aktenzeichen 3 Ca 4513/97 A, wird zurückgewiesen.

2.

Der Auflösungsantrag wird zurückgewiesen.

3.

Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Der Kläger ist der Ansicht, auch das Berufungsvorbringen genüge den Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast nicht; der Vortrag der Beklagten beschränke sich auf allgemeine Studien und vage Andeutungen. Er habe Mitarbeiterinnen nicht sexuell belästigt, die ihm gegenüber erhobenen Vorwürfe seien ungerechtfertigt. Selbst bei unterstelltem Fehlverhalten sei nicht erkennbar, weshalb nicht eine Abmahnung oder Versetzung möglich gewesen wäre.

Wegen des weiteren Berufungsvorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf den Inhalt der Berufungsbegründung und der Berufungserwiderung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg; die Voraussetzungen für den Ausspruch einer ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung liegen nicht vor.

Dass eine sexuelle Belästigung von Mitarbeiter/innen geeignet sein kann, einen Grund für den Ausspruch einer ordentlichen Kündigung abzugeben, lässt bereits die gesetzliche Regelung des § 4 Abs. 1 Nr. 1 BeschSchG erkennen (vgl. auch LAG Hamm, AP Nr. 136 zu § 626 BGB). Danach hat der Arbeitgeber bei sexueller Belästigung die im Einzelfall angemessenen arbeitsrechtlichen Maßnahmen wie Abmahnung, Umsetzung, Versetzung oder Kündigung zu ergreifen. Der Oberbegriff "Kündigung" umfasst sowohl die Möglichkeit ordentlich wie auch außerordentlich zu kündigen. § 4 Abs. 1 BeschSchG stellt allerdings keine Rechtsgrundlage für den Ausspruch der genannten Maßnahme dar; als Maßstab für deren Zulässigkeit und Wirksamkeit verbleibt es vielmehr bei den einschlägigen Rechtsnormen, z.B. des § 1 Abs. 1 und 2 KSchG oder des § 626 BGB.

Nach § 1 Abs. 1 und 2 KSchG kann eine Kündigung u.a. sozial gerechtfertigt sein, wenn sie durch Gründe bedingt ist, die in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen. Es muss sich um ein Verhalten des Arbeitnehmers handeln, durch das das Arbeitsverhältnis konkret beeinträchtigt wird (BAG, AP Nr. 27 zu § 1 KSchG 1969 verhaltensbedingte Kündigung). Es kommt die Verletzung vertraglicher Haupt- und Nebenpflichten in Betracht. Entscheidend für die Qualität einer Pflichtverletzung als Kündigungsgrund sind die Umstände des Einzelfalles; sie müssen bei verständiger Würdigung in Abwägung der Interessen des Arbeitnehmers und des Arbeitgebers sowie des Betriebs die Kündigung als billigenswert und angemessen erscheinen lassen (BAG, AP Nr. 26 zu § 1 KSchG 1969 verhaltensbedingte Kündigung).

Für das Vorliegen sämtlicher Tatsachen, die einen Kündigungsgrund abgeben sollen, ist die Beklagte darlegungs- und im Bestreitensfalle beweispflichtig, was auch für das Fehlen von Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründen gilt. Zutreffend hat das Arbeitsgericht deshalb festgestellt, dass es zur Darlegungspflicht der Beklagten gehört, die Äußerungen und Verhaltensweisen des Klägers im Einzelnen -zumindest sinngemäß - wiederzugeben und das Geschehen zeitlich zu konkretisieren.

Zur Begründung der streitgegenständlichen Kündigung lässt die Beklagte zunächst die von Frau H... gegenüber dem Kläger erhobenen Anschuldigungen zusammengefasst wiedergeben:

Der Kläger habe permanent alles getan, um sie von anderen Mitarbeitern zu isolieren.

Er habe Türeingänge so blockiert, dass sie nur durch körperliche Berührung mit dem Kläger und ein Vorbeizwängen an ihm den Raum habe verlassen können.

Er habe in seiner Rolle als Vorgesetzter von Frau H... oft Aufgaben und deren Erledigung so gewählt, dass er die Möglichkeit gehabt habe, allein mit ihr sein zu können.

Er habe Frau H... angeboten, bei der Prüfung von Bankkrediten weniger formal zu sein, falls dafür ihm gegenüber Frau H... zu Gegenleistungen bereit sei.

Er habe Eifersucht auf Kunden von Frau H... bekundet.

Der Kläger habe beständig beschämende und anzügliche Kommentare mit zum größten Teil sexistischem Inhalt verlautbart.

An Einzelvorwürfen - Frau H... betreffend - hat die Beklagte vortragen lassen:

Schon während des Einstellungsgesprächs im Juni 1994 habe sich der Kläger Frau H... gegenüber anzüglich und entwürdigend verhalten, er habe die Bürotür hinter sich geschlossen, Frau H... in aller Ruhe von Kopf bis Fuß betrachtet und ihr beständig auf die Brust gestarrt und habe sie gefragt: "Wie ernsthaft wollen Sie den Job?!".

Bis September 1994 habe Frau H... keinen näheren Kontakt mit dem Kläger gehabt, von Oktober 1994 bis Sommer 1995 sei dieser Kontakt stärker geworden, da Frau H... zeitweise den Leiter der Kundenberater habe vertreten müssen. In diesem Zeitraum habe der Kläger bereits sehr häufig das Büro von Frau H... besucht und sie in ausschweifende Unterhaltungen verwickelt, wobei er wiederum auf die Brust von Frau H... gestarrt und sie von Kopf bis Fuß gemustert habe, während sie stand oder ging.

Des Weiteren habe der Kläger stets betont, dass eine mögliche Beförderung von Frau H... von seinem Entgegenkommen und seiner Empfehlung abhängig sei.

Später habe der Kläger gesagt, dass der übergeordnete Vorgesetzte schon zwei Akten über Frau H... auf dem Schreibtisch habe und sie eine Beförderung vergessen könne; auch würde Frau H... von dem übergeordneten Vorgesetzten nur als eine Nummer angesehen und er hätte kein Interesse daran, ihr zuzuhören.

Bei einem Vorfall im Juli 1995 habe der Kläger zur großen Überraschung von Frau H... unaufgefordert begonnen, ihren Nacken zu massieren; in der darauffolgenden Zeit habe der Kläger begonnen, vor dem Büro von Frau H... hin- und herzulaufen, wann immer sie männliche Kunden alleine in ihrem Büro empfangen habe. Auf die Frage, warum er das tue, habe der Kläger geantwortet, er sei auf alle Kunden und den Ehegatten von Frau H... eifersüchtig.

Als ab April 1996 Frau H...s Ehegatte nach Bosnien abkommandiert worden sei, seien die ohnehin schon sehr langen aufgezwungenen Gespräche des Klägers mit Frau H... noch länger geworden, auch habe er persönliche Dinge wissen wollen und sehr persönliche Bemerkungen abgegeben.

Habe der Kläger schon bisher öfter seine Hand auf diejenige von Frau H..., ihren Arm oder Rücken gelegt, so habe er ab dieser Zeit damit begonnen, ihr physisch noch näher zu kommen.

Bei geschäftlichen Einkäufen im Juli 1996 habe der Kläger darauf bestanden, dass Frau H... ihn begleite; im Geschäft angekommen, habe er sie aber plötzlich gebeten, Damenkleidung für ihn anzuziehen, was Frau H... abgelehnt habe.

Der Kläger habe beständig versucht, möglichst viel Zeit mit Frau H... alleine zu verbringen, was sie zu vermeiden gesucht habe; auch habe er sie wiederholt angerufen, alleine um, wie er gesagt habe, ihre Stimme zu hören.

Vor seinem Urlaub im August 1996 habe der Kläger gesagt, dass er sie auch nach der Arbeit sehen, sie zu Hause besuchen und mit ihr zusammen sein möchte; er habe den Wunsch geäußert, mit Frau H... verheiratet zu sein.

Im September 1996 habe er unerwartet Frau H... besucht, als sie beim Karateunterricht ihres Kindes zugegen gewesen sei; er habe gesagt, dass er sie nur habe sehen wollen. Im September 1996 habe der Kläger Frau H... auch den Ausgang aus dem Frühstücksraum versperrt und sie zu umarmen versucht, was Frau H... aber zu verhindern gelungen sei. Frau H... habe dem Kläger klar gemacht, dass sie gegen ihn vorgehen würde, wenn er weiter auf ein solches Verhalten bestünde.

In den darauffolgenden Wochen habe der Kläger Frau H... wie eine Aussätzige behandelt, jedwede Kommunikation habe, wenn überhaupt, nur schriftlich stattgefunden.

Der Kläger habe versucht, gegenüber der zentralen Personalabteilung in F. eine Beförderung ohne nachvollziehbaren sachlichen Grund durchzuführen; damit müsse der Eindruck entstehen, dass der Kläger mit seinen Bemühungen, eine Beförderung von Frau H... durchzusetzen, dieser einen Gefallen habe tun wollen, für den er aufgrund seiner persönlichen Wünsche und Träume die entsprechende Gegenleistung erwartet habe.

Der Kläger habe auch versucht, das Eheleben von Frau H... negativ zu beeinflussen. So habe der Kläger die Kontaktaufnahme des Ehemannes von Frau H... zu ihr bezüglich seiner Heimkehr unmöglich gemacht.

Seitdem sei der Kläger wieder zu seinen alten Gewohnheiten zurückgekehrt, so habe er seine Phantasien artikuliert, in denen er und Frau H... verheiratet seien und zusammenarbeiteten.

Im Rahmen der aufgrund der Vorwürfe von Frau H... eingeleiteten Untersuchung seien zwei weitere Fälle der sexuellen Belästigung von Mitarbeiterinnen bekannt geworden. So habe der Kläger anlässlich einer Konferenz der Niederlassungsleiter im Juni 1991 die Mitarbeiterin und Niederlassungsleiterin Frau S... in ihrem Hotelzimmer aufgesucht. Er habe an die Tür geklopft und habe sich nach dem Öffnen den Zutritt zum Zimmer erzwungen, sei zum Bett gegangen und habe sich in dieses gelegt. Der Kläger habe Frau S... aufgefordert, sich zu ihm ins Bett zu legen. Frau S... habe den Kläger aufgefordert, sofort ihr Bett und das Zimmer zu verlassen. Dies sei erst gelungen, nachdem zufälligerweise der Niederlassungsleiter B... hinzugekommen sei. Darüber hinaus habe der Kläger während seiner Tätigkeit in der Niederlassung E. die Mitarbeiterin Frau F... in der Zeit zwischen Mai 1992 und September 1993 durch anzügliche und beschämende Äußerungen sexistischen Inhalts belästigt. Frau F... habe berichtet, dass seitens des Klägers anzügliche Bemerkungen sexistischen Inhalts gemacht worden seien: "Sie sind der Sonnenschein meines Tages!" (beim Betreten seines Büros); "Oh, ich wünschte, Sie würden auf Knien in mein Büro kommen!"; "Ich schätze, wir sind gerade so, wie die Schöne und das Biest!" und "Oh, Sie tragen das, um mir zu zeigen, was ich in X. vermissen werde!" (am letzten Tag vor der Fahrt nach X., als F... einen roten Anzug trug). Bei einem Aufenthalt anlässlich eines Konversationstrainings in Bad Kissingen im Herbst 1996 habe der Kläger Frau F... unaufgefordert umarmt.

Ungeachtet der Frage, inwieweit die erhobenen Vorwürfe den Tatbestand einer sexuellen Belästigung im Sinne des Beschäftigtenschutzgesetzes im Einzelnen erfüllen und durch einen einer Beweisaufnahme überhaupt zugänglichen Sachvortrag belegt sind, vermögen die geschilderten Sachverhalte keinen Grund im Sinne des § 1 Abs. 1 und 2 KSchG abzugeben. Die erhobenen Vorwürfe sind nicht so schwerwiegend und liegen zum Teil schon so lange zurück, dass sie ohne Ausspruch einer vorherigen Abmahnung eine Kündigung rechtfertigen könnten. Das Abmahnungserfordernis ist bei jeder Kündigung zu prüfen, die wegen eines steuerbaren Verhaltens des Arbeitnehmers oder aus einem Grund in seiner Person ausgesprochen wurde, den er durch sein steuerbares Verhalten beseitigen, wenn also eine Wiederherstellung des Vertrauens erwartet werden konnte (BAG, Urteil vom 04.06.1997, SAE 98, 310 ff).

Eine Abmahnung ist vor Ausspruch einer Kündigung dann nicht zu fordern, wenn sie ihrer Funktion entsprechend nicht geeignet ist, die für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderlichen Grundlagen, wie z.B. das Vertrauen in die pflichtgemäße Erfüllung der sich aus dem Arbeitsvertrag ergebenden Pflichten wiederherzustellen. Dies ist etwa dann der Fall, wenn die Pflichtverletzung so schwerwiegend ist, dass sie nicht nur zu einer Störung, sondern zu einer nicht wiederherstellbaren Zerstörung des Vertrauens in die Herbeiführung eines unbelasteten Arbeitsverhältnisses führt. Von einer solchen Fallgestaltung kann vorliegend indes nicht ausgegangen werden. Bei dem Vorwurf, er habe Frau S... im Jahr 1991 belästigt, ist zu berücksichtigen, dass der Vorfall - seine Richtigkeit unterstellt - zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruches bereits 6 Jahre zurückliegen würde. Auch die von der Beklagten im Übrigen dargestellten Pflichtverletzungen des Klägers wären - ebenfalls ihre Richtigkeit unterstellt - nicht derart, dass eine Änderung des Verhaltens des Klägers und die Wiederherstellung der für die vom Kläger vertraglich geschuldeten Leistung erforderliche Eignung und Zuverlässigkeit nicht mehr zu erwarten wäre. Dies gilt auch vor dem Hintergrund der von der Beklagten hervorgehobenen Umstände, dass bei ihr die Wertvorstellungen der amerikanischen Militärangehörigen besondere Bedeutung fänden und Frau H... Staatsangehörige der Vereinigten Staaten von Amerika sei. Demgegenüber wäre zu Gunsten des Klägers zu berücksichtigen, dass Frau H... im August 1996 ihm gegenüber ihre Zuneigung offenbart habe (Seite 5 des Schriftsatzes vom 13.10.1997). Diesen Vortrag hat die Beklagte konkret nicht bestreiten lassen. Sie selbst macht sich diese Ausführungen des Klägers insoweit zu eigen und geht in ihrem Schriftsatz vom 16.12.1997 davon aus, dass sich zwischen dem Kläger und der Mitarbeiterin H... zeitweilig ein Flirt entwickelt habe. Im Hinblick auf diese Umstände verlangt der Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung jedenfalls eine vorausgehende Abmahnung.

Davon, dass der Kläger in einer den Erfordernissen der Rechtsprechung entsprechenden Weise bereits abgemahnt worden war, kann nicht ausgegangen werden. Auch wenn der Kläger schon im Jahre 1989 eine Abmahnung wegen des Vorwurfs sexueller Belästigung am Arbeitsplatz erhalten hat, so kann die Beklagte im vorliegenden Zusammenhang hierauf nicht abstellen. Der Kläger hat den Wahrheitsgehalt der damals erhobenen Vorwürfe bestreiten lassen. Die hierfür darlegungs- und beweispflichtige Beklagte hat nicht unter Beweisantritt dargestellt, um welche Vorwürfe es sich damals im Einzelnen gehandelt hat; sie lässt lediglich vorbringen, im Februar 1989 habe sich eine Kassiererin der Filiale über den Kläger beschwert, weil er ständig körperliche Nähe und Körperkontakt in aufdringlicher Weise gesucht habe, Witze und andere unangebrachte Bemerkungen sexistischen Inhalts von sich gegeben habe. Steht damit nicht fest, dass die Abmahnung aus dem Jahre 1989 inhaltlich gerechtfertigt war, so kann die damalige Abmahnung, die für den Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung erforderliche Warnfunktion entgegen der Auffassung der Beklagten nicht entfalten. Dies gilt im Übrigen auch schon deshalb, weil die Abmahnung zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs bereits acht Jahre zurücklag und damit ihre warnende Wirkung verloren hatte.

Keinen Erfolg konnte die Berufung auch insoweit haben, als die Beklagte im Termin zur Berufungsverhandlung hilfsweise den Antrag gestellt hat, das Arbeitsverhältnis gemäß § 9 KSchG gegen Zahlung einer Abfindung zum Ablauf der Kündigungsfrist aufzulösen. Die von der Beklagten hierzu als Begründung herangezogene Äußerung des Klägers im Termin, es habe gegen ihn ein Komplott stattgefunden, ist durch die Wahrnehmung berechtigter Interessen des Klägers gedeckt und kann so nicht als Auflösungsgrund herangezogen werden (vgl. grundlegend: KR-Spilger, 4. Aufl., § 9 RdNr. 56).

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Gegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel nicht gegeben; auf § 72 a ArbGG wird hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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