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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 23.10.2003
Aktenzeichen: 7 Ta 174/03
Rechtsgebiete: ZPO, KSchG


Vorschriften:

ZPO § 114
KSchG § 4
KSchG § 5
1. Stellt eine Klagepartei gleichzeitig einen Prozesskostenhilfeantrag und einen für den Fall der Prozesskostenhilfebewilligung bedingten Kündigungsschutzantrag, so kommt einer Prozesskostenhilfebewilligung keine Rückwirkung zu. Wird über den Prozesskostenhilfeantrag erst nach Ablauf der Frist des § 4 KSchG entschieden, steht damit gleichzeitig fest, dass die Erfolgsaussicht der Kündigungsschutzklage fehlt, der Prozesskostenhilfeantrag ist abzuweisen. Es bleibt unentschieden, ob eine Kündigungsschutzklage zulässigerweise unter der Bedingung der Prozesskostenhilfebewilligung erhoben werden kann.

2. Eine Erfolgsaussicht lässt sich bei einer nach Ablauf der Frist des § 4 KSchG erfolgenden Prozesskostenhilfeentscheidung auch nicht mit der Möglichkeit einer nachträglichen Klagezulassung begründen. Die Mittellosigkeit der Klagepartei ist kein Zulassungsgrund, da die Klagepartei ohne Mandatierung eines Rechtsanwalts selbst Kündigungsschutzklage erheben kann und hierfür eine Gebührenvorschusspflicht nicht besteht.

3. Auch die enttäuschte Hoffnung auf eine zeitnahe positive Entscheidung des Arbeitsgerichts über den Prozesskostenhilfeantrag stellt keinen Zulassungsgrund dar.


Landesarbeitsgericht Nürnberg BESCHLUSS

7 Ta 174/03

in dem Rechtsstreit

wegen Kündigung und sonstiges

Die 7. Kammer des Landesarbeitsgerichts Nürnberg hat durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Prof. Dr. Dr. Holzer-Thieser ohne mündliche Verhandlung für Recht erkannt:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Klägerin vom 23.09.2003 gegen die Ablehnung der begehrten Prozesskostenhilfe für die Einreichung einer Kündigungsschutzklage im Beschluss des Arbeitsgerichts Weiden vom 17.09.2003 - 4 Ha 6/03 - wird auf Kosten der Beschwerdeführerin zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt die Gewährung von Prozesskostenhilfe für einen Kündigungsschutzantrag. Die Beklagte hatte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 28.07.2003, der Klägerin zugegangen am 30.07.2003, zum 31.12.2003 gekündigt. Auf das Arbeitsverhältnis ist das Kündigungsschutzgesetz anwendbar, die Klägerin rügt das Fehlen eines sozial rechtfertigenden Grundes gemäß § 1 KSchG.

Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 05.08.2003, eingegangen beim Arbeitsgericht Weiden am selben Tag, beantragte die Klägerin Prozesskostenhilfe und Beiordnung ihres Rechtsanwaltes. Im selben Schriftsatz stellte sie "für den Fall der Bewilligung von Prozesskostenhilfe" unter anderem einen Kündigungsschutzantrag.

Mit Beschluss vom 17.09.2003 wies das Erstgericht die Prozesskostenhilfe- und Beiordnungsanträge mit der Begründung ab, eine Kündigungsschutzklage könne nur unbedingt erhoben werden. Im Zeitpunkt der Entscheidung über die Prozesskostenhilfe- und Beiordnungsanträge habe eine solche unbedingte Klageerhebung nicht vorgelegen und sei im Übrigen die Drei-Wochen-Frist des § 4 KSchG bereits abgelaufen gewesen.

Mit Schriftsatz vom 23.09.2003, beim Arbeitsgericht Weiden am 24.09.2003 eingegangen, hat der Klägerinvertreter gegen den Beschluss vom 17.09.2003 sofortige Beschwerde eingelegt und diese damit begründet, eine bedingte Klageerhebung sei zulässig gewesen, einer Prozesskostenhilfebewilligung komme rückwirkende Kraft zum Zeitpunkt der Einreichung des Schriftsatzes vom 05.08.2003 zu und es könne nicht zum Nachteil der Klägerin gereichen, dass das Erstgericht erst ca. sechs Wochen nach Antragstellung über den Prozesskostenhilfeantrag entschieden habe.

Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

II.

Die gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO n.F. statthafte sofortige Beschwerde ist unbegründet.

Die von der Klägerin erstinstanzlich beabsichtigte Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung vom 28.07.2003 hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg geboten (§ 114 ZPO).

1. Die Klägerin greift den Beschluss des Erstgerichts, mit dem Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Kündigungsschutzklage abgelehnt worden ist, mit dem Argument an, dass eine bedingte Klageeinreichung vorliege und einer Bewilligung der Prozesskostenhilfe rückwirkende Kraft für die erklärte Kündigungsschutzklage zukomme. Die Rechtsfolge einer Prozesskostenhilfe-Bewilligung im vorliegenden Fall wäre eine am 05.08.2003 beim Arbeitsgericht Weiden eingegangene Klageschrift und damit eine rechtzeitige Klageeinreichung gewesen.

Das Beschwerdegericht teilt die Auffassung der Klägerin nicht.

Es kann zugunsten der Klägerin angenommen werden, dass Prozesskostenhilfeantrag und Klage gleichzeitig bei Gericht eingereicht und so in ein Hilfsverhältnis zueinander gestellt werden können, dass die Klage bedingt durch die Prozesskostenhilfe-Bewilligung erklärt sein soll (für die Zulässigkeit: Baumbach u.a., ZPO-Komm., 61. Aufl., Rdnr. 8 zu § 117 m.w.N.; Zöller u.a., ZPO-Komm., 23. Aufl., Rdnr. 10 zu § 117; OLG München, MDR 88, 972; gegen die Zulässigkeit: Thomas-Putzo, ZPO-Komm., 25. Aufl., Rdnr. 4 zu § 117). Dieses Ergebnis lässt sich damit begründen, dass keine echte, sondern nur eine Rechtsbedingung (innerprozessuale Bedingung) vorliegt. Es kann zugunsten der Klägerin weiter unterstellt werden, dass eine solche bedingte Klageerhebung auch bei einer Kündigungsschutzklage möglich ist (was im vorliegenden Fall nicht entschieden zu werden braucht).

Eine Erfolgsaussicht für die Kündigungsschutzklage fehlt nämlich bereits deshalb, weil der Bewilligung entgegen der Meinung der Klägerin keine rückwirkende Kraft zukommt. Dies ergibt sich schon aus der rechtlichen Konstruktion einer bedingten Klage. Die Klage soll erst mit Bewilligung der Prozesskostenhilfe ihre Wirkung entfalten und bis dahin rechtlich nicht existent sein. Damit soll also eine aufschiebende Bedingung vorliegen. Dann aber kann eine existente Klage erst zu dem Zeitpunkt angenommen werden, zu dem die Bedingung eintritt. So bestimmt dies § 158 Abs. 1 BGB ausdrücklich für die in dieser Vorschrift geregelte echte Bedingung. Der Rechtsgedanke des § 158 Abs. 1 BGB ist auf die Rechtsbedingung übertragbar. Dem Bedingungseintritt kommt keine rückwirkende Kraft zu (Palandt, BGB-Komm., 62. Aufl., Rdnr. 1 zu § 159 m.w.N.; so auch für den im vorliegenden Rechtsstreit zu prüfenden Fall der Prozesskostenhilfe-Bewilligung im Hinblick auf eine Klage, mit der - wie dies § 167 ZPO vorsieht - eine Frist gewahrt werden soll, Zöller u.a., a.a.O., Rdnr. 10 zu § 117).

Damit hätte eine am 17.09.2003 beschlossene Prozesskostenhilfe-Bewilligung nicht zu einer rechtzeitigen Klageerhebung führen können. Eine erst am 17.09.2003 anzunehmende Klageerhebung wäre verspätet gewesen (§§ 4, 7 KSchG) und hätte schon deshalb keine Erfolgsaussicht gehabt (§ 114 ZPO).

2. Die Erfolgsaussicht der Kündigungsschutzklage kann auch nicht mit der Überlegung bejaht werden, die Klägerin könne nach Bewilligung der Prozesskostenhilfe nachträglich Klagezulassung gemäß § 5 KSchG beantragen und damit die Fristversäumung heilen.

a) § 5 Abs. 1 KSchG setzt voraus, dass ein Arbeitnehmer trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert ist, die Klage innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung zu erheben.

b) Ein ausreichender Zulassungsgrund ist im vorliegenden Fall nicht erkennbar.

aa) Die Mittellosigkeit der Klägerin kommt als Hindernis für eine rechtzeitige Klageerhebung nicht in Betracht, weil die Klageerhebung beim Arbeitsgericht inhaltlich nur geringe Anforderungen stellt, die Hilfe einer Rechtsantragsstelle des Arbeitsgerichts offen steht und der Arbeitnehmer auch nicht mit einem Gebührenvorschuss belastet wird, § 12 Abs. 4 Satz 2 ArbGG (einhellige Meinung, z.B. LAG Köln, LAGE Nr. 34 zu § 4 KSchG; Bader/Bram/Dörner/Wenzel, Kommentar zum KSchG, Rdnr. 141 zu § 5; Grosskommentar zum Kündigungsrecht, Rdnr. 47 zu § 5 KSchG; von Hoyningen-Huene/Linck, Kommentar zum KSchG, 13. Aufl., Rdnr. 9 zu § 5; KR-Friedrich, 6. Aufl., Rdnr. 28 zu § 5; Dorndorf/Weller/Hauck, Kommentar zum KSchG, Rdnr. 54 zu § 5). Zumutbare Sorgfalt der Klägerin hätte, weil andere Hindernisse nicht behauptet werden, unter diesen Umständen die Fristwahrung ermöglicht.

bb) Ob die Klägerin und ihr Prozessbevollmächtigter fahrlässig davon ausgegangen sind, eine nachträgliche Zulassung könnte auch noch nach der Bewilligung der Prozesskostenhilfe erfolgen und ob die Klägerin sich auf einen solchen Zulassungsgrund stützen möchte, ist nicht erkennbar und kann damit nicht in die Prüfung einbezogen werden. Im Übrigen wäre ein Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten, das darin liegen könnte, dass er seiner Mandantin nicht zur persönlichen Klageerhebung geraten hat, nach herrschender Meinung der Klägerin in entsprechender Anwendung des § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen (z.B. von Hoyningen-Huene/ Linck, a.a.O., Rdnr. 15 zu § 5).

cc) Auch die enttäuschte Hoffnung auf eine zeitnahe positive Entscheidung des Arbeitsgerichts über den Prozesskostenhilfeantrag stellt keinen Zulassungsgrund dar. Denn es war der Klagepartei zumutbar, jedenfalls kurz vor Ablauf der Drei-Wochen-Frist Kündigungsschutzklage einzureichen. Zu einer entsprechenden Fristenüberwachung bestand schon deshalb Veranlassung, weil die beklagte Partei zum Prozesskostenhilfeantrag zwingend zu hören war (§ 118 ZPO) und damit schon bei Einreichung des Prozesskostenhilfeantrags absehbar war, dass eine Entscheidung über diesen Antrag möglicherweise erst nach dem 20.08.2003 ergehen werde.

3. Damit ist die Beschwerde mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.

III.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar; für die Zulassung der Rechtsbeschwerde besteht kein gesetzlich begründeter Anlass (§§ 78 Satz 2, 72 Abs. 2 ArbGG).



Ende der Entscheidung

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