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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 21.02.2003
Aktenzeichen: 10 Sa 1683/02
Rechtsgebiete: NachwG


Vorschriften:

NachwG § 2
Gelingt dem Arbeitnehmer der Beweis seiner Behauptung des Abschlusses einer bestimmten Entgeltvereinbarung nicht, ist das Gericht aber auch nicht davon überzeugt, dass die Behauptung des Arbeitnehmers unwahr ist, so geht in dieser Situation des non-liquet die Unmöglichkeit der Tatsachenaufklärung zu Lasten des Arbeitgebers, wenn dieser entgegen § 2 NachwG dem Arbeitnehmer keinen Nachweis der wesentlichen Vertragsbedingungen erteilt hat.
Landesarbeitsgericht Niedersachsen IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

10 Sa 1683/02

Verkündet am: 21. Februar 2003

In dem Rechtsstreit

hat die 10. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 21. Februar 2003 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Spelge und die ehrenamtlichen Richter Kamphausen und Weisbrich

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 30.08.2001 - 4 Ca 133/01 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um Tantiemeansprüche und Erstattung von Umzugskosten.

Der Kläger war vom 1. März 1999 bis zum 30. September 2000 als leitender Angestellter bei der Beklagten tätig. Diese ist das Führungsunternehmen der Unternehmensgruppe, die zu den größten Fleischhandelsunternehmen der Bundesrepublik Deutschland zählt. Ein schriftlicher Vertrag bestand zwischen den Parteien nicht. In der Akte befindet sich nur ein nicht unterschriebener Vertragsentwurf, auf dessen Inhalt (Bl. 6-11 d.A.) Bezug genommen wird. Die darin enthaltenen handschriftlichen Eintragungen stammen vom Kläger.

Der Geschäftsführer der Beklagten bot dem Kläger 1997 eine Stellung an. Zu diesem Zeitpunkt stand der Kläger in Vertragsbeziehungen zu einem anderen Unternehmen, für das er in Shanghai tätig war und bei dem er 204.516,-- € p.A. verdiente. Am 16. August 1998 fanden Vertragsverhandlungen im Haus des Geschäftsführers der Beklagten auf S statt. Auf den Hinweis des Klägers auf sein derzeitiges Gehalt erklärte der Geschäftsführer der Beklagten, diese Gehaltsvorstellung nicht erfüllen zu können, man könne aber über eine Beteiligung am Unternehmen oder erfolgsabhängige Komponenten viel machen. Nach seiner Rückkehr nach Hongkong, wo er zwischenzeitlich tätig war, entschied sich der Kläger, das Angebot anzunehmen und bat den Geschäftsführer der Beklagten, ihm seine Vorstellungen zu Gehalt und Beteiligung sowie erfolgsabhängiger Komponente zukommen zu lassen. Er schlug vor, einen Vertragsentwurf durch den beiden gut bekannten Rechtsanwalt H erstellen zu lassen. Den von dessen Büro erstellten Entwurf, bei dem es sich um die Anlage K 1 (Bl. 6-11 d.A.) handelt, leitete er dem Geschäftsführer der Beklagten per Fax zu.

Am 30. November 1998 fanden weitere Vertragsverhandlungen zwischen dem Kläger und dem Geschäftsführer der Beklagten in B statt. In Gegenwart der Ehefrau des Geschäftsführers der Beklagten wurde der erstellte Vertragsentwurf durchgesprochen. Dabei erfolgten unstreitig zahlreiche Änderungen. So wurde die unter Ziffer 2 vorgesehene Vertragsdauer von fünf Jahren auf zwei Jahre, die Dauer der Zahlung der Bezüge bei Krankheit, Tod oder Unfall gemäß Ziffer 4 von sechs auf drei Monate verkürzt. Die Übernahme der Mietzahlung für die Wohnung des Klägers in Hongkong von 55.000,-- HK$ monatlich (= ca. 8000,-- €) für Januar und Februar 1999 gemäß Ziffer 7.2 wurde ebenso wie die Regelung über die Einräumung der Gesellschafterstellung des Klägers ab dem 1. Januar 2001 in Ziffer 8 gestrichen.

In diesem Gespräch wurde Einigung erzielt, dass das Fixum des Klägers 92.032,54 € p. A. betragen sollte. Streitig ist, ob auch eine Einigung über eine Tantieme sowie über eine Übernahme der Umzugskosten erfolgte. Hinsichtlich der voraussichtlichen Höhe der Umzugskosten erklärte der Kläger, dass er ohne Versicherung und Transport und Zwischenunterkünfte zwischen 10.000,--und 20.000,-- US$ rechnen müsse, er sich darüber aber nicht sicher sei, weil er noch keine Angebote eingeholt habe.

Der Kläger zog im Februar 1999 nach Deutschland um, nachdem er zuvor sein bisheriges Vertragsverhältnis gekündigt hatte. Für den Umzug entstanden ihm Kosten von 30.776,48 €.

Der Kläger begann seine Tätigkeit für die Beklagte am 1. März 1999. Eine Bestellung zum Geschäftsführer erfolgte - von ihm akzeptiert - nicht. Das Vertragsverhältnis wurde als Arbeitsverhältnis geführt. Im Übrigen blieb Grundlage für seine Tätigkeit der abgeschlossene Vertrag. Eine Tantieme erhielt der Kläger während des Arbeitsverhältnisses nicht, sondern lediglich das Fixum von 92.032,54 €. Er verlangte mehrfach vergeblich die Aushändigung des nach seiner Darstellung von beiden Parteien am 30. November 1998 unterschriebenen Vertrags. Er machte den Anspruch auf Erstattung der Umzugskosten im Mai 1999, September 1999 und im Mai 2000 mündlich geltend. Im Anschluss an ein Gespräch mit dem Geschäftsführer der Beklagten am 5. September 2000 übersandte der Kläger mit Schreiben vom 13. September 2000, auf das Bezug genommen wird (Bl. 14 d.A.), Belege für die ihm entstandenen Umzugskosten. Der Geschäftsführer der Beklagten bestätigte gegenüber H, dass die Umzugskosten bezahlt würden. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht vom 21. Februar 2003 hat der Geschäftsführer der Beklagten erklärt, dass er am 30. November 1998 gesagt habe, an den Umzugskosten werde es nicht scheitern, das sei aber kein Versprechen gewesen. 60.000,-- DM Umzugskosten hätte er nie akzeptiert.

Mit Schreiben vom 8. November 2000 (Bl. 13 d.A.) und mit Schreiben seines jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 8. Januar 2001 (Bl. 15-16 d.A.) machte der Kläger die Umzugskosten und eine Tantieme von 120.000,-- DM für 1999 geltend. Am 16. Februar 2001 hat er wegen dieser Ansprüche Klage erhoben, die er am 7. April 2001 hinsichtlich der anteiligen Tantieme für 2000 erweitert hat.

Das Arbeitsgericht hat gemäß Beweisbeschluss vom 30. Januar 2002 (Bl. 104/R d.A.) über das Gespräch vom 30. November 1998 Beweis erhoben durch Vernehmung des Geschäftsführers der Beklagten als Partei und seiner Ehefrau als Zeugin. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das Protokoll vom 21. Juni 2002 (Bl. 12 8/R-12 9 d.A.) und vom 30. August 2002 (Bl. 135 f. d.A.). Durch das der Beklagten am 2. Oktober 2002 zugestellte Urteil vom 30. August 2002 hat das Arbeitsgericht der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Aufgrund der Beweisaufnahme ist es zu der Überzeugung gekommen, dass am 30. November 1998 ein Vertrag mit dem Inhalt der vom Kläger vorgelegten Fassung des Vertragsentwurfs einschließlich der vom Kläger festgehaltenen Änderungen und Ergänzungen zustande gekommen ist.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die am 31. Oktober 2002 eingelegt und am 28. November 2002 begründet worden ist.

Die Beklagte behauptet, eine Vereinbarung über eine Tantieme sei nicht getroffen worden. Vereinbart worden sei am 30. November 1998 lediglich, dass der Kläger ein Jahresgehalt von 180.000,-- DM brutto erhalte. Erstattung von Umzugskosten sei ihm nicht zugesagt worden. Dazu habe auch kein Anlass bestanden, weil er ohnehin nach Deutschland habe zurückkehren wollen.

Die Beklagte wendet sich nach Maßgabe der Ausführungen in ihrer Berufungsschrift, auf die Bezug genommen wird (Bl. 168-171 d.A.), gegen die Beweiswürdigung des Arbeitsgerichts.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 30. August 2002 - 4 Ca 133/01 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger behauptet, bei dem Thema Gehalt habe der Geschäftsführer der Beklagten am 30. November 1998 daran erinnert, dass er keine 400.000,-- DM wie bisher verdienen könne. Er habe deshalb 180.000,-- DM mit einer festen Tantieme von 100.000,-- DM vorgeschlagen und erklärt, dass er mit all seinen Geschäftsführern die gleiche Regelung habe. Der Kläger habe darauf erwidert, dass er minimal eine Gesamtvergütung von 300.000,-- DM erwarte, worauf der Geschäftsführer der Beklagten ihm per Handschlag weitere 20.000,-- DM zugesagt habe, die jedoch außerhalb der Firma gezahlt werden müssten, damit die anderen Geschäftsführer dies nicht mitbekämen. Auch diese Regelung (180.000,-- DM plus 100.000,-- DM plus 20.000,-- DM) habe der Geschäftsführer der Beklagten vor den Augen des Klägers auf die vor ihm liegende Vertragskopie des Entwurfes (Anlage K 1, Bl. 6-11 d.A.) geschrieben. Die Umzugskosten habe der Geschäftsführer der Beklagten sofort akzeptiert. Am Ende der Verhandlungen habe der Geschäftsführer der Beklagten seine Kopie mit den darin enthaltenen handschriftlichen Änderungen unterschrieben und den Kläger aufgefordert, diese Kopie ebenfalls zu unterschreiben, was der Kläger getan habe. Dann habe der Geschäftsführer die unterschriebene Kopie an sich genommen und zu seiner Frau gesagt, dass die Änderungen von (H) eingearbeitet werden sollten und ihm - dem Kläger - dann eine unterschriebene Kopie zugeleitet werden solle. Anschließend hätten sowohl der Geschäftsführer der Beklagten als auch dessen Ehefrau dem Kläger die Hand geschüttelt und ihm gratuliert.

Der Kläger verteidigt die Beweiswürdigung des Arbeitsgerichts nach Maßgabe seiner Berufungserwiderung, auf die verwiesen wird (Bl. 182-188 d.A.).

Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen hat gemäß Beschluss vom 21. Februar 2003 (Bl. 190 d.A.) Beweis erhoben durch Vernehmung des Geschäftsführers der Beklagten und des Klägers als Parteien. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das Protokoll vom 21. Februar 2003 (Bl. 191-200 d.A.). Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 5. Februar 2002 (Bl. 105 d.A.) der Parteivernehmung des Klägers widersprochen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist statthaft, sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und somit zulässig (§§ 64, 66 ArbGG, § 519, § 520 Abs. 3 ZPO). Sie ist jedoch unbegründet. Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung einer Tantieme von 92.032,54 € brutto für die Zeit des Bestands des Arbeitsverhältnisses und auf Erstattung von Umzugskosten von 30.766,48 € netto.

A. Dem Kläger steht eine Tantiemezahlung von 92.032,54 € brutto zu. Zwar hat die Kammer weder die erforderliche Gewissheit gewinnen können, dass die Behauptung des Klägers, es sei eine feste Tantieme von 61.355,03 € brutto p.A. vereinbart worden, zutrifft, noch hat sie den nötigen Grad an Gewissheit erlangt, dass diese Behauptung nicht zutrifft. In dieser Situation des non-liquet geht jedoch die Unmöglichkeit der Tatsachenaufklärung zu Lasten der Beklagten, weil sie gegen ihre Verpflichtung aus § 2 NachwG verstoßen hat.

I. Den Kläger trifft für die ihm günstige Behauptung, es sei neben einem Fixum von 92.032,54 € brutto eine "feste", also garantierte Tantieme von 61.355,03 € brutto p.A. vereinbart worden, die Beweislast. Weder die Beweisaufnahme vor dem Arbeitsgericht noch die am 21. Februar 2003 von ihr selbst durchgeführte Beweisaufnahme haben der Kammer die erforderliche persönliche Gewissheit (vgl. BGH, 17.2.1970, III ZR 139/67, BGHZ 53, 245 <256>) vermittelt, dass diese Behauptung des Klägers zutrifft.

1. Der Geschäftsführer der Beklagten hat im Rahmen seiner Parteivernehmung vor der Kammer am 21. Februar 2003 diese Behauptung des Klägers nicht bestätigt. Er hat lediglich bestätigt, dass der Entwurf K 1 (Bl. 6-11 d.A.) am 30. November 1998 von ihm und dem Kläger durchgesprochen worden ist. Er hat bekundet, er habe nur 120.000,-- DM zahlen wollen. Weil der Kläger mehr verdienen wollte, habe man sich auf 180.000,-- DM inklusive Tantieme geeinigt. Bei Erfolg habe dann freiwillig eine Tantieme gezahlt werden können. Er wisse nicht mehr, ob er sich Notizen gemacht habe. Er sei nie im Besitz eines Exemplars der Anlage K 1 gewesen. Er hat immer wieder betont, wie wichtig für ihn der Aufbau eines Vertrauensverhältnisses zum Kläger gewesen sei und dass in seiner Firmengruppe die Leistung für die Vergütungshöhe ausschlaggebend sei.

Aus diesen Bekundungen ergibt sich die Vereinbarung einer "festen" Tantieme von 61.355,03 € p.A. nicht.

2. Die Zeugin G hat die Behauptung des Klägers über die Vereinbarung einer fixen Tantieme ebenfalls nicht bestätigt. Zwar hat sie bekundet, dass die in der ihr vorgelegten Anlage K 1 (Bl. 6-11 d.A.) enthaltenen handschriftlichen Änderungen nach ihrem Verständnis das wiedergäben, was die Parteien zuvor besprochen und auf was sie sich geeinigt hätten. Sie hat jedoch zugleich wiederholt bekundet, dass sie sich an den Inhalt der handschriftlichen Änderungen nicht erinnere beziehungsweise weder den Inhalt des Entwurfs noch der Änderungen kenne. Sie hat ferner ausgesagt, dass sie sich an irgendwelche Beträge im Hinblick auf den Verdienst des Klägers nicht erinnere und sich nur erinnern könne, dass über eine Tantieme gesprochen worden sei, aber nicht wisse, wie hoch diese sein solle. Auf Vorhalt der Anlage K 1 (Bl. 6-11 d.A.) hat sie abermals bestätigt, dass über eine Tantieme gesprochen worden sei und dass auch über die Zahlen "wahrscheinlich natürlich so gesprochen worden" sei. Auf Vorhalt der Aussage ihres Ehemanns, des Geschäftsführers der Beklagten, wonach ein Betrag von 180.000,-- DM mit Tantieme vereinbart worden sei, hat sie schließlich bekundet, dass diese Aussage sicherlich zutreffe. Sie hat auch die Behauptung des Klägers, am Ende des Gesprächs sei das Vertragsexemplar des Geschäftsführers der Beklagten von beiden Seiten unterzeichnet und die Zuleitung eines unterschriebenen Exemplars an den Kläger in Aussicht gestellt worden, nicht bestätigt.

Aus dem Gesamtzusammenhang der Aussage der Zeugin G folgt, dass diese zum Inhalt der Vereinbarungen der Parteien bezüglich einer Tantieme gerade keine konkreten Angaben machen konnte. Soweit sie angegeben hat, die Änderungen auf dem Vertragsentwurf gäben das wieder, worauf die Parteien sich geeinigt hätten, handelt es sich bei Einordnung dieser Aussage in den Zusammenhang der gesamten Aussage offenkundig um die Einschätzung der Zeugin über die allgemeine Bedeutung derartiger Änderungen in Vertragsentwürfen. Eine Bestätigung, dass die Änderungen in der Anlage K 1 den konkreten Inhalt der Einigung der Parteien wiedergeben, lässt sich daraus im Hinblick auf ihre anschließende Bekundung, dass ihr die Änderungen inhaltlich nicht bekannt seien und sie nicht wisse, wie hoch die Tantieme sein solle, nicht entnehmen. Aus ihrer weiteren Einlassung, dass über die aus der Anlage K 1 ersichtlichen Zahlen "wahrscheinlich natürlich so gesprochen worden" sei, folgt eine Einigung auf diese Zahlen gerade nicht.

Die Kammer konnte die Aussage der Zeugin G abweichend vom Arbeitsgericht würdigen, ohne sie erneut vernehmen zu müssen. Aus dem Grundsatz der Einheit der mündlichen Verhandlung ergibt sich, dass die Beweisaufnahme erster Instanz ihren Wert auch für die Berufungsinstanz behält. Es steht daher im Ermessen des Berufungsgerichts, ob es die erstinstanzlich vernommenen Zeugen erneut hört (§ 398, § 64 Abs. 6 ArbGG, 525 ZPO). Geboten ist die erneute Vernehmung nur dann, wenn das Berufungsgericht die persönliche Glaubwürdigkeit eines Zeugen anders als die Vorinstanz beurteilen will oder seinen Bekundungen eine andere Tragweite oder ein anderes Gewicht beilegen will (BAG, 18.11.1999, 2 AZR 852/98, AP Nr. 160 zu § 626 BGB <II 4 a d.Gr.>; BGH, 10.3.1998, VI ZR 30/97, NJW 1998, 2222 <II Alb) d.Gr.> m.w.N.). Dabei ist das Berufungsgericht bei der Auslegung von Zeugenaussagen als Akt rechtlicher Würdigung grundsätzlich nicht an die Ansicht des erstinstanzlichen Gerichts gebunden, wenn der objektive Erklärungswert einer Willenserklärung vom Empfängerhorizont her zu ermitteln ist und sich das Berufungsgericht für seine von der Vorinstanz abweichende Würdigung der Aussage nur auf solche Umstände stützt, die weder die Urteilsfähigkeit, das Erinnerungsvermögen oder die Wahrheitsliebe des Zeugen noch die Vollständigkeit oder Widerspruchsfreiheit seiner Aussage betreffen (BGH, NJW 1998, 2222 <II Alb) d.Gr.> m.w.N.).

Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die Kammer hat hier lediglich den objektiven Erklärungswert der Aussagen der Zeugin abweichend gewürdigt, ohne vom Erklärungstatbestand, nämlich den vom Arbeitsgericht niedergelegten Bekundungen der Zeugin, abzuweichen oder die Glaubhaftigkeit dieser Bekundungen oder die Glaubwürdigkeit der Zeugin abweichend zu würdigen. Eine erneute Beweisaufnahme war daher entbehrlich.

3. a) Die Kammer hat den Kläger als Partei von Amts wegen (§ 448 ZPO) vernommen. Unabhängig von der Frage, ob hier der Gesichtspunkt der prozessualen Waffengleichheit (vgl. dazu BAG, 6.12.2001, 2 AZR 396/00, AP Nr. 33 zu § 286 ZPO und BGH, 19.4.2002, V ZR 90/01, BGHZ 150, 334) die Vernehmung des Klägers ungeachtet des Umstands gebietet, dass die Ehefrau des Geschäftsführers der Beklagten ebenfalls am Gespräch teilgenommen hat, also gerade kein Vier-Augengespräch stattgefunden hat, war die Vernehmung des Klägers als Partei angezeigt. Das Gericht kann eine Parteivernehmung der beweispflichtigen Partei anordnen, wenn nach dem Ergebnis der bisherigen Verhandlung und Beweisaufnahme eine non-liquet-Situation besteht, aber eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit der streitigen Behauptung spricht (BGH, 19.4.2002, BGHZ 150, 334 <II 4 b bb d.Gr.>; BAG, 16.9.1999, 2 AZR 712/98, AP Nr. 1 zu Art. 4 GrO katholische Kirchen <II 2 f dd d.Gr.>).

Diese Voraussetzungen waren hier erfüllt. Die Aussagen der Zeugin G und des Geschäftsführers der Beklagten hatten die Behauptung des Klägers nicht bestätigt. Aufgrund der unstreitigen Vorgeschichte der Verhandlungen vom 30. November 1998 bestand jedoch eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass die Sachdarstellung des Klägers über den Inhalt des Gesprächs vom 30. November 1998 zutraf (vgl. BAG, a.a.O.).

b) Der Kläger hat bei seiner Vernehmung als Partei bekundet, dass er 300.000,-- DM als Jahresgehalt als angemessenes Gehalt bei den Verhandlungen am 30. November 1998 im Hinterkopf gehabt habe, wobei ein Teil leistungsbezogen hätte gezahlt werden sollen. Angesichts der kurzen Vertragslaufzeit von nur zwei Jahren habe er jedoch eine feste Tantieme von 120.000,-- DM p.A. für diesen Zeitraum verlangt. Der Geschäftsführer der Beklagten habe ihm dann zunächst 100.000,-- DM, auf sein Beharren dann weitere 20.000,-- DM geboten. Anschließend habe man sich die Hand gegeben. Am Ende des Gesprächs hätten beide das Vertragsexemplar des Geschäftsführers der Beklagten unterschrieben und der Geschäftsführer habe zu seiner Frau gesagt, das werde jetzt (H) zur Überprüfung oder Einarbeitung der Änderungen gegeben. Er habe im Mai 1999 erstmals ein Vertragsexemplar verlangt.

Diese Bekundungen bestätigen den Prozessvortrag des Klägers in vollem Umfang. Sie vermochten der Kammer jedoch nicht das erforderliche Maß an Gewissheit ihrer Richtigkeit zu vermitteln. Aus Sicht der Kammer ist nämlich der Verhalten des Klägers angesichts des von ihm bekundeten Verhandlungsablaufs nicht nachvollziehbar.

Der Kläger hat bekundet, er habe das Vertragsexemplar des Geschäftsführers der Beklagten im Anschluss an die Verhandlungen "blind" unterzeichnet, weil er dem Geschäftsführer hundertprozentig vertraut habe. Er hat ferner bekundet, dass er nicht mehr wisse, wie und an welcher Stelle der Geschäftsführer der Beklagten die Einigung über die Tantieme im Vertrag vermerkt habe. Er wisse nur noch, dass dieser dort Änderungen vorgenommen habe. Er habe sein bisheriges Arbeitsverhältnis beendet, obwohl keine schriftlichen Unterlagen über den Vertrag mit der Beklagten vorgelegen hätten, weil er über H gehört habe, dieser sei im Gespräch mit dem Geschäftsführer der Beklagten über die Gründung eines Beirats, durch den die Nachfolgeregelung in die Wege geleitet werden solle.

Für die Kammer ist nicht nachvollziehbar, wieso ein geschäftserfahrener Vertragspartner wie der Kläger im bloßen Vertrauen auf einen ihm bisher nur flüchtig bekannten Verhandlungspartner einen von diesem vervollständigten beziehungsweise geänderten Vertrag unterzeichnet, ohne ihn zumindest noch einmal durchzulesen, wenn er nur weiß, dass im entscheidenden Punkt der Gehaltshöhe Änderungen vorgenommen worden sind, nicht aber, welche Änderungen das sind. Es wäre dann in der Tat nahe liegend gewesen, worauf der Prozessbevollmächtigte der Beklagten zutreffend hingewiesen hat, zunächst sein eigenes Vertragsexemplar zu unterschreiben und es anschließend auch von der Gegenseite abzeichnen zu lassen. Noch unverständlicher wird das Verhalten des Klägers im Anschluss an die Verhandlungen vom 30. November 1998. Ohne schriftliche Unterlagen über seine Rechtsbeziehung zur Beklagten zu haben, insbesondere ohne jede schriftliche Zusage einer Vergütung, hat er sein bisheriges Vertragsverhältnis gekündigt, ist nach Deutschland gezogen und hat erstmals im Mai 1999 einen schriftlichen Vertrag verlangt. Für sein Verhalten hat der Kläger keine rational verständliche Erklärung geben können. Im Hinblick darauf verbleiben für die Kammer Zweifel an der Aussage des Klägers.

II. Diese Zweifel und die Bekundungen des Geschäftsführers der Beklagten vermögen der Kammer jedoch auch nicht die erforderliche Gewissheit zu vermitteln, dass die Parteien am 30. November 1998 lediglich ein Fixum von 92.032,54 € brutto ohne jede konkrete Regelung über eine Tantieme vereinbart haben, die entgegenstehende Behauptung des Klägers also unwahr ist.

Aus dem insoweit unstreitigen Verhandlungsablauf ergibt sich nämlich, dass der Geschäftsführer der Beklagten, der über zwei Jahre hinweg wiederholt Kontakt zum Kläger aufgenommen und versucht hat, ihn "abzuwerben", außerordentlich daran interessiert war, den Kläger für seine Unternehmensgruppe zu gewinnen. Aus seinen Bekundungen ergibt sich, dass die leitenden Angestellten und Geschäftsführer dieser Gruppe aus den eigenen Mitarbeitern rekrutiert worden sind, also eine "eingefahrene Crew" sind und noch nie jemand direkt als Geschäftsführer eingestellt worden ist. Der Kläger sollte aber direkt in leitender Position in die Unternehmensgruppe eintreten. Er genoss also insoweit eine Sonderstellung. Anders als andere leitende Angestellte der Unternehmensgruppe stand er in einem ungekündigten Vertragsverhältnis, in dem er - auch unter Beachtung der hohen Lebenshaltungskosten in Hongkong - außerordentlich gut verdiente. Es ist daher nachvollziehbar, dass der Kläger sich als Gehaltsvorstellung einen Betrag von 153.387,56 € gesetzt hatte. Es ist aber nicht nachvollziehbar, warum der Kläger angesichts dieser Ausgangssituation, nur um nach Deutschland zurückkehren zu können, mit einem Gehaltsanspruch von lediglich 92.032,54 € brutto p.A. ohne jeden Anspruch auf weitere Leistungen und ohne jeden Anhaltspunkt, nach welchen Kriterien eine freiwillige Tantieme zu zahlen wäre, einverstanden gewesen sein sollte, zumal die Vertragslaufzeit mit zwei Jahren sehr kurz war.

Für die Kammer verbleiben daher auch Zweifel, ob die Parteien am 30. November 1998 - wie der Geschäftsführer der Beklagten bekundet hat - tatsächlich nur ein Fixum von 92.032,54 € brutto ohne jeden weiteren Tantieme Anspruch vereinbart haben.

III. Die Kammer konnte angesichts dieser Gesamtumstände nur die hinreichende persönliche Gewissheit erlangen, dass die Parteien am 30. November 1998 eine Einigung über ihre Vertragsbeziehung erzielt haben, nicht aber, welchen Inhalt diese Einigung hatte. Der Vertragsinhalt lässt sich hinsichtlich der Gehaltsvereinbarungen nicht mehr aufklären. Weder die Wahrheit noch die Unwahrheit der Behauptung des Klägers, ihm sei neben einem Fixum eine feste Tantieme von 61.355,03 € brutto zugesagt worden, steht fest.

In dieser Situation des non-liquet geht die Unmöglichkeit der Tatsachenaufklärung zu Lasten der Beklagten, weil sie ihre Pflicht zum Nachweis der Vertragsbedingungen nicht erfüllt hat.

1. Die Beklagte hat dem Kläger, obwohl dieser sie erstmals im Mai 1999 dazu aufgefordert hat, keinen Nachweis der wesentlichen Vertragsbedingungen erteilt. Sie hat ihm insbesondere nicht die Zusammensetzung und die Höhe des Arbeitsentgelts mitgeteilt und damit ihre Pflicht aus § 2 NachwG, insbesondere die aus § 2 Abs. 1 Nr. 6 NachwG verletzt. Das Nachweisgesetz gilt für alle Arbeitnehmer, auch für leitende Angestellte (ErfK-Preis, 3. Aufl., 2003, § 1 NachwG, Rz. 2).

2. Das Nachweisgesetz setzt die Vorgaben der Richtlinie 91/533/EWG (Nachweisrichtlinie) um. Sanktionen für den Fall der Verletzung der Nachweispflicht schreibt die Richtlinie jedoch nicht vor. Die Sanktionen sind vielmehr dem nationalen Prozessrecht zu entnehmen (vgl. EuGH, 8.1.2001, Rs. C-350/99, AP Nr. 4 zu § 2 NachwG - Lange <Rdnr. 34>).

a) Das Nachweisgesetz soll Rechtssicherheit und Klarheit im Arbeitsverhältnis schaffen (BTDs 13/668, S. 8). Die Verletzung der Nachweispflicht führt zu einer erheblichen Erschwerung der Beweisführung des Arbeitnehmers über den Inhalt der getroffenen Vereinbarungen und damit zu erheblichen Beweisrisiken. Zwar besteht auch bei Erfüllung der Nachweispflicht die Möglichkeit des Arbeitgebers, das Verhandlungsergebnis einseitig zu seinen Gunsten darzustellen. Es kann jedoch keinesfalls unterstellt werden, dass ein Arbeitgeber, der etwa wegen fehlerhafter Erinnerung eine vom Arbeitnehmer behauptete Vereinbarung nach Ablauf eines längeren Zeitraums seit Vertragsschluss bestreitet, dies auch schon bei Beschäftigungsbeginn getan hätte. Darüber hinaus wird bei Erfüllung der Nachweispflicht dem Arbeitnehmer die Möglichkeit eröffnet, bereits vor Entstehung der konkreten Streitigkeit auf die Korrektur eines aus seiner Sicht fehlerhaften Nachweises hinzuwirken (Müller-Glöge, RdA 2001, Sonderbeilage Heft 5, S. 46 <52 f.>).

b) Angesichts dieser Interessenlage ist bei Nichterteilung des Nachweises auf die Grundsätze der Beweis-Vereitelung zurück zu greifen (Müller-Glöge, a.a.O.; ErfK-Preis, a.a.O., Einführung zum NachwG, Rz. 22). Diese Grundsätze finden nämlich allgemein in den Fällen Anwendung, in denen der eine Vertragspartner dem beweispflichtigen Vertragspartner die Beweisführung schuldhaft, d.h. vorsätzlich oder fahrlässig, unmöglich macht, indem er zum Beispiel bereits vorhandene Beweismittel vernichtet oder vorenthält oder das Schaffen von Beweismitteln verhindert (BGH, 15.11.1984, IX ZR 157/83, NJW 1986, S. 59 <II 2 b d.Gr.>). Diese Grundsätze gehen auf den in § 444 ZPO enthaltenen Rechtsgedanken zurück, wonach derjenige, der entgegen einer ihm obliegenden Rechtspflicht dem Gegner die Benutzung von zur Beweisführung benötigten Unterlagen schuldhaft unmöglich macht, im Rechtsstreit aus diesem Verhalten keine beweisrechtlichen Vorteile ziehen darf (BGH, 27.9.2001, IX ZR 281/00, NJW 2002, S. 825 <III 2 a d.Gr.>).

c) Der Kläger hat vorliegend substantiiert den Ablauf der Vertragsverhandlungen dargestellt und seine Behauptung, es sei am 30. November 1998 neben einem Fixum eine feste Tantieme von 61.355,03 € brutto vereinbart worden, unter Beweis gestellt. Er hat damit den Tatsacheninstanzen eine umfassende Würdigung des Einzelfalles ermöglicht. Trotzdem hat der Kläger aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme den Beweis der Richtigkeit seiner Behauptung nicht geführt (s.o. A I und II der Gründe). Es lässt sich jedoch nicht ausschließen, dass ihm bei ordnungsgemäß erteiltem Nachweis der Nachweis der behaupteten Vertragsbedingung gelungen wäre, weil beiderseits die Erinnerung an die tatsächlich getroffenen Vereinbarungen zu Beginn des Arbeitsverhältnisses noch in vollem Umfang vorhanden und es zu Streitigkeiten über die Fähigkeiten des Klägers noch nicht gekommen war. Der Umstand, dass die Beweisführung dem Kläger nicht gelungen ist, beruht also möglicherweise auf der von der Beklagten zu verantwortenden, zugleich eine Verletzung gesetzlicher Pflichten darstellenden Beweisvereitelung. In dieser Situation ist es angemessen, die Unmöglichkeit der Tatsachenaufklärung rechtlich zu Lasten der Beklagten ausschlagen zu lassen, die ihren gesetzlichen Pflichten nicht nachgekommen ist (vgl. BGH, NJW 2002, S. 825 2 b d.Gr.>).

IV. Die "feste" Tantieme ist in das Austauschverhältnis von Arbeitsleistung und Entgelt einbezogen und damit Arbeitsentgelt. Sie ist daher für jedes Kalenderjahr anteilig geschuldet. Dem Kläger stehen mindestens die geltend gemachten 92.032,54 € brutto zu.

B. Der Kläger hat auch Anspruch auf Umzugskostenerstattung von 30.766,48 €.

I. Dem Kläger ist am 30. November 1998 die Erstattung der für den Umzug nach Deutschland entstehenden Umzugskosten zugesagt worden.

Die Zeugin G hat bekundet, über die Frage der Umzugskosten sei gesprochen und so abgenickt worden. Der Geschäftsführer der Beklagten hat in seiner Vernehmung vor dem Arbeitsgericht ebenfalls bekundet, die Zahlung von 180.000,-- DM p. A. zuzüglich Auto zuzüglich Umzugskosten sei ein ordentliches Angebot gewesen. Im Rahmen der Parteianhörung nach § 141 ZPO hat er vor dem Landesarbeitsgericht erklärt, er habe am 30. November 1998 gesagt, an den Umzugskosten werde es nicht scheitern. Auch wenn der Geschäftsführer diese Aussage nicht als Versprechen gewertet wissen will, so kann daraus vom Empfängerhorizont nur die Zusage einer Umzugskostenerstattung verstanden werden. Dementsprechend hat der Geschäftsführer der Beklagten auch gegenüber H- bestätigt, dass die Umzugskosten bezahlt würden und sich so auch gegenüber dem Kläger am 5. September 2000 geäußert, der ihm darauf hin die Belege übersandt hat.

II. Die Umzugskosten sind in der vollen entstandenen Höhe von 30.776,48 € zu erstatten.

Die Beklagte hat - wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat - die Höhe und Angemessenheit der Umzugskosten ungeachtet der ihr vorliegenden Belege nicht substantiiert bestritten und die Ausführungen des Arbeitsgerichts zur Höhe der zu erstattenden Umzugskosten mit der Berufung nicht angegriffen.

Der Kläger hat in dem Gespräch vom 30. November 1998 unstreitig darauf hingewiesen, dass er zur Höhe der zu erwartenden Kosten keine Angaben machen könne. Wenn der Geschäftsführer der Beklagten eine Maximalhöhe hätte festsetzen wollen, hätte er dies am 30. November 1998 deutlich machen müssen.

C. Die Zinsentscheidung folgt aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1, 247 BGB.

D. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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