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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 30.06.2006
Aktenzeichen: 10 Sa 1816/05
Rechtsgebiete: KSchG


Vorschriften:

KSchG § 1 Abs. 3
KSchG § 1 Abs. 5
1. § 1 Abs. 5 KSchG ist verfassungskonform.

2. Für das Vorliegen dringender betrieblicher Interessen an der Weiterbeschäftigung einzelner Arbeitnehmer gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG trägt der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast. Das gilt auch bei einer Kündigung aufgrund eines Interessenausgleichs mit Namensliste gemäß § 1 Abs. 5 KSchG. Zur Erfüllung dieser Darlegungspflicht muss der Arbeitgeber auch darlegen, welche konkreten Erwägungen und Abwägungen zur Herausnahme des Leistungsträgers geführt haben. Dies gilt auch, wenn die Betriebspartner bei der Erstellung der Namensliste zahlreiche Arbeitnehmer aus der Sozialauswahl herausnehmen. Kommt der Arbeitgeber seiner Darlegunslast nicht nach, ist die Kündigung ohne weiteres sozialwidrig, ohne dass es auf den Prüfungsmaßstab der groben Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl noch ankommt.


Landesarbeitsgericht Niedersachsen IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

10 Sa 1816/05

In dem Rechtsstreit

hat die 10. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 30. Juni 2006 durch

die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Spelge, den ehrenamtlichen Richter Herrn Wiemers, die ehrenamtliche Richterin Frau Gärtner

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 26.04.2005 - 3 Ca 856/04 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen nach einem Wert von 11.200,00 €.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung, die auf der Grundlage eines Interessenausgleichs mit Namensliste unter Bildung von Altersgruppen ausgesprochen worden ist.

Der Kläger ist 1957 geboren und seiner Ehefrau und zwei Kindern unterhaltspflichtig. Die 1983 geborene Tochter ist als Epileptikerin behindert mit einem GdB von 100 und wegen täglicher Anfälle auf die Pflege durch ihre Eltern angewiesen. Der Kläger ist seit Beginn seiner Ausbildung als Werkzeugmacher im April 1973 bei der Beklagten beschäftigt. Er war zuletzt als Vorrichtungsbauer II in der Kostenstelle 437/Fertigung VB tätig und ist damit dem Betriebsmittelbau zugeordnet. Die Beklagte entwickelt und produziert Auto-mobile für andere Hersteller. Sie sprach im November 2004 insgesamt 824 Kündigungen aus, u. a. dem Kläger mit Schreiben vom 24.11.2004 zum 30.06.2005. Die Beklagte stützt diese Kündigung auf den für den Betriebsmittelbau am 24.11.2004 geschlossenen Interessenausgleich mit Namensliste (BV 33/04), auf den Bezug genommen wird (Bl. 23 bis 37 d. A.). Danach sollten im Betriebsmittelbau 90 Änderungs- und maximal 120 Beendigungskündigungen ausgesprochen werden. Fester Bestandteil dieser Betriebsvereinbarung ist eine Namensliste, auf der die letztlich 117 Arbeitnehmer, die eine Beendigungskündigung erhalten haben, namentlich aufgeführt sind, unter anderem der Kläger (Bl. 42 d. A.). Bei seiner Auswahl gingen die Betriebspartner wie folgt vor: In der Kostenstelle 437 sollten 17 Vorrichtungsbauer II entlassen werden. Für vergleichbar mit diesen Arbeitnehmern hielten die Betriebspartner die in der Kostenstelle 437 beschäftigten Lehrenbauer I, die Werkzeugmacher III der Kostenstellen 475, 454 und 509 sowie die Vorrichtungsbauer II der Kostenstelle 648 und die Anreißer I der Kostenstelle 444. Sodann erstellten sie eine Liste, in der alle Arbeitnehmer, die in diesen Kostenstellen beschäftigt waren, erfasst wurden. Dabei wurden entsprechend der Regelung in der BV 33/04 fünf Altersgruppen gebildet, nämlich die Altersgruppen A 1 (bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres), A 2 (bis zur Vollendung des 35. Lebensjahres), A 3 (bis zur Vollendung des 45. Lebensjahres), A 4 (bis zur Vollendung des 55. Lebensjahres) sowie A 5 (älter als 55). Aus dieser Zusammenstellung wurde wiederum eine Liste der konkret vergleichbaren Arbeitnehmer dieser Kostenstellen erstellt, in der - abermals geordnet nach Altersgruppen - die vergleichbaren Arbeitnehmer in der Reihenfolge aufgeführt waren, wie sie sich aufgrund der Punktevergabe gemäß der Auswahlrichtlinie unter Ziffer 4 b der BV 33/04 (Bl. 25 d. A.) ergaben. Nach dieser Liste für die Werkzeugmacher III, Vorrichtungsbauer II, Anreißer I und Lehrenbauer I, auf die Bezug genommen wird (Bl. 203 d. A.), war der Kläger an 13. Stelle der Altersgruppe A 4 mit 93,5 Sozialpunkten aufgeführt. Die Betriebspartner nahmen die auf dieser Liste mit einem Kreis gekenn-zeichneten Arbeitnehmer L., B., Bi. mit und S. aus der Sozialauswahl heraus. Der Arbeitnehmer B. ist Ersatzmitglied des Betriebsrates. Er hat seit der letzten Wahl regelmäßig an Betriebsratssitzungen teilgenommen, so auch an den Verhandlungen über die BV 33/04 als Mitglied der Verhandlungskommission des Betriebsrats. Ob er im Zeitpunkt des Abschlusses des Interessenausgleichs mit Namensliste den besonderen Kündigungsschutz als Betriebsratsmitglied genoss, ist zwischen den Parteien streitig geblieben. Der Arbeitnehmer L. wurde von den Betriebspartnern aufgrund besonderer Kundenkontakte und Kenntnisse in der Ersatzteilbeschaffung, wie sie sich im Einzelnen aus den Ausführungen der Beklagten auf Seite 10 f. der Berufungsbegründung (Bl. 251 f. d. A.), auf die Bezug genommen wird, ergeben, aus der Sozialauswahl herausgenommen. Die Arbeitnehmer Bi. und S., die 72,5 bzw. 89,5 Sozialpunkte aufweisen, wurden wegen ihrer auf Seite 11 bis 14 der Berufungsbegründung (Bl. 252 bis 255 d. A.) dargelegten Spezialkenntnisse im Bereich Buckelschweißwerkzeuge aus der Sozialauswahl herausgenommen, der Arbeitnehmer Bi. auch wegen seines Einsatzes in der Lehrlingsausbildung.

Ebenfalls keine Kündigung erhielt der Arbeitnehmer F.. Dieser hat ausweislich der Auswahlliste 90,5 Punkte. Tatsächlich stehen ihm nur 85,5 Punkte zu, weil er seit Januar 2003 verwitwet ist. Ursprünglich beabsichtigten die Betriebspartner, ihm eine Kündigung auszusprechen. Der Betriebsrat widersprach jedoch mit Schreiben vom 19.11.2004, auf das Bezug genommen wird (Bl. 78 f. d. A.), dieser beabsichtigten Kündigung unter Hinweis auf eine seit Anfang der 80er Jahre bestehende Alkoholsucht des Arbeitnehmers F. und der im Falle eines Arbeitsplatzverlustes bei ihm bestehenden Rückfall- und Suizidgefahr. Halt und Sicherheit finde Herr F., der zwischenzeitlich seine Ehefrau bis zu ihrem Tod gepflegt habe, ohne wieder im Alkohol Zuflucht zu suchen, in der Arbeit und bei seinen Arbeitskollegen. Der Betriebsrat verwies insoweit auf die vereinbarte Härte-fallregelung in der BV 33/04. Der Kläger hatte den Betriebsrat vor den abschließenden Beratungen über die auf der Namensliste aufzuführenden Arbeitnehmer auf die Behinderung seiner Tochter hingewiesen. Die Betriebspartner kamen jedoch in den abschließenden Beratungen zu dem Ergebnis, dass aufgrund dieses Umstandes keine zusätzliche zu berücksichtigende Betroffenheit vorliege.

Abschließend legten die Betriebspartner die von der Personalmaßnahme tatsächlich betroffenen Arbeitnehmer fest und entschieden, welcher Arbeitnehmer eine Änderungs- und welcher eine Beendigungskündigung erhält. In der Vergleichs- und Altersgruppe des Klägers erhielten die Arbeitnehmer Sc. mit 75,5 Sozialpunkten, J. mit 79,5 Punkten, Ri. mit 84 Punkten sowie D. mit 93,5 Punkten eine Änderungskündigung. Dies beruhte auf der Regelung unter Ziffer 4 a der BV 33/04 (Bl. 25 d. A.), wonach nach Möglichkeit solche Arbeitnehmer eine Änderungskündigung erhalten sollten, die schon längere Zeit aus dem Betriebsmittelbau versetzt, formell aber noch diesem Bereich zugeordnet waren. Eine Änderungskündigung erhielt auch der Arbeitnehmer R., der der Kostenstelle 437 zugeordnet und Vorrichtungsbauer I ist, der Altersgruppe A 3 angehört und 77,5 Punkte aufweist. Streitig ist, ob er mit dem Kläger vergleichbar ist.

Durch die Einteilung in Altergruppen gelang es den Betriebspartnern, die bestehende Altersstruktur im Wesentlichen beizubehalten (Bl. 277 d. A.).

Der Betriebsrat erklärte mit Schreiben vom 24.11.2004 (Bl. 74 d. A.), dass er in seiner Sitzung vom selben Tag die eingereichten 117 Beendigungs- und 99 Änderungs-kündigungen zur Kenntnis genommen habe, damit die Auswahl nach der Betriebs-vereinbarung 33/04 korrekt erfolgt sei und somit die Namensliste Bestandteil des Interessenausgleichs sei. Zugleich übersandte er mit diesem Schreiben die von ihm unterzeichnete Namensliste. Ob damit eine ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung erfolgt ist, ist zwischen den Parteien streitig.

Die Beklagte erstattete unter dem 24.11.2004 und 02.03.2005 Massenentlassungs-anzeigen (Bl. 92 bis 96 und 155 bis 157 d. A.). Auf die Bescheide der Agentur für Arbeit vom 13.12.2004 und 18.03.2005 (Bl. 185, 153 f. d. A.) wird Bezug genommen.

Der Kläger hat am 02.12.2004 Kündigungsschutzklage erhoben und diese mit Schriftsatz vom 20.04.2005 (Bl. 189 d. A.) um einen Weiterbeschäftigungsantrag erweitert. Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 26.04.2005 der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Das Urteil ist der Beklagten am 22.09.2005 zugestellt worden. Diese hat den Kläger über den Ablauf der Kündigungsfrist am 30.06.2005 hinaus ohne Unterbrechung weiter beschäftigt. Sie hat ihm mit Schreiben vom 02.06.2005, auf das Bezug genommen wird (Bl. 298 d. A.), mitgeteilt, dass sie ihn unter Berücksichtigung des Urteils des Arbeitsgerichts vorläufig weiterbeschäftigen werde. Zwischen den Parteien ist streitig, ob dieses an die letzte der Beklagten bekannte Anschrift gerichtete Schreiben den Kläger tatsächlich erreicht hat. Dieser ist spätestens im April 2005 umgezogen, was er der Beklagten erst Ende Juni 2005 mitgeteilt hat. Im Termin vom 30.06.2006 hat der Kläger erklärt, er habe keinen Nachsendeantrag gestellt.

Die Beklagte hat am 18.10.2005 Berufung eingelegt und diese nach Fristverlängerung bis zum 23. 01.2006 am 20.01.2006 begründet. Die Beklagte ist der Auffassung, dass der Kläger das Vorliegen dringender betrieblicher Erfordernisse nicht widerlegt habe und ihre Sozialauswahl nicht zu beanstanden sei. Herrn B. habe sie als Betriebsratsmitglied zu Recht von der Sozialauswahl ausgenommen. Die Spezialkenntnisse der Arbeitnehmer L., Bi. und S. rechtfertigten ebenfalls ihre Herausnahme aus der Sozialauswahl. Sie verweist darauf, dass die Betriebspartner den Arbeitnehmer F. auf Wunsch des Betriebsrats aus der Sozialauswahl herausgenommen hätten. Sie meint, jedenfalls liege keine grobe Fehlerhaftigkeit durch die Herausnahme der genannten Arbeitnehmer vor.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht Niedersachsen vom 30.06.2006 hat sie erklärt, dass generell in jedem Einzelfall vor der abschließenden Entscheidung über die Herausnahme auf die Abstände in den Sozialpunkten gekuckt worden ist, ob diese nicht zu groß sind, und erst dann abschließend über die Herausnahme endgültig entschieden worden ist. Es sei sicher, dass auch im Fall des Klägers über diese Abwägung mit den anderen, weniger schutzwürdigen Arbeitnehmern gesprochen worden sei. Aufgrund der Vielzahl der Gespräche und des Zeitablaufes könne jedoch der Inhalt der Abwägung nicht mehr wiedergegeben werden. Hinsichtlich der Einzelheiten des gerichtlichen Hinweises und des Vortrages der Beklagten wird auf das Protokoll vom 30.06.2006 (Bl. 304 d.A.) Bezug genommen.

Hinsichtlich der Einzelheiten des Vorbringens der Beklagten wird auf die Klagerwiderung (Bl. 7 bis 9 d. A.), ihre Schriftsätze vom 29.12.2004 (Bl. 40 d. A.), 04.02.2005 (Bl. 49 d. A.), 09.03.2005 (Bl. 54 bis 59 d. A.), 18.03.2005 (Bl. 80 bis 82 d. A.), 31.03.2005 (Bl. 85 bis 90 d. A.), 25. 04.2005 (Bl. 200 bis 202 d. A.), ihre Berufungsbegründung (Bl. 242 bis 262 d. A.) sowie ihre Schriftsätze vom 25.01.2006 (Bl. 273 bis 276 d. A.), 24.04.2006 (Bl. 294 bis 297 d. A.), 17.05.2006 (Bl. 299 d. A.) und 13.06.2006 (Bl. 302 d. A.) verwiesen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 26.04.2005 - 3 Ca 856/04 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger vertritt die Auffassung, dass er bereits aufgrund der formlosen Weiterbeschäftigung in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis stehe. Er hält § 1 Abs. 5 KSchG für verfassungswidrig. Er meint, die Herausnahme der Arbeitnehmer B., Bi. und S. sowie L. aus der Sozialauswahl sei grob fehlerhaft. § 1 Abs. 3 KSchG gebe den Betriebspartnern keine Handhabe, den Arbeitnehmer F. aus sozialen Gründen aus der Sozialauswahl herauszunehmen. Hinsichtlich der Einzelheiten seines Vorbringens und seiner weiteren Rügen der Darlegung der dringenden betrieblichen Erfordernisse, der groben Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl, der ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrats und der Verletzung des § 17 KSchG wird auf seine Schriftsätze vom 23.02.2005 (Bl. 50 bis 53 d. A.) und 20.04.2005 (Bl. 189 bis 196 d. A.) sowie seine Berufungserwiderung (Bl. 287 bis 293 d. A.) und den Schriftsatz vom 01.06.2006 (Bl. 300 f. d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist statthaft, sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und somit zulässig (§§ 64, 66 ArbGG, 519, 520 Abs. 3 ZPO). Sie ist jedoch unbegründet. Die Kündigung der Beklagten vom 24.11.2004 ist auch unter Beachtung des § 1 Abs. 5 KSchG nicht sozial gerechtfertigt, weil sie die Erwägungen, die zur Kündigung des Klägers statt der Arbeitnehmer Bi. und/oder F. geführt haben, nicht ausreichend konkret dargelegt hat. Auf die weiteren, vom Kläger gerügten Gründe, die zur Unwirksamkeit der Kündigung führen könnten, kam es daher nicht an.

A

Allerdings ist zwischen den Parteien nicht etwa eine mangels Wahrung der Schriftform des § 14 Abs. 4 TzBfG unwirksame Befristung durch die Weiterbeschäftigung des Klägers über den 30.06.2005 hinaus geschlossen worden, die dazu führen würde, dass das Arbeitsverhältnis nicht beendet worden ist, sondern zeitlich unbeschränkt fortbesteht. Zwar findet das Schriftformerfordernis des § 14 Abs. 4 TzBfG auch Anwendung auf vertragliche Vereinbarungen über befristete Weiterbeschäftigungen während des Kündigungsschutzprozesses. Entbehren solche Vereinbarungen der Schriftform, ist die Befristung unwirksam, so dass das Arbeitsverhältnis unabhängig von der Wirksamkeit der Kündigung (unbefristet) fortbesteht. Dies gilt jedoch nicht, wenn der Arbeitnehmer die Verurteilung des Arbeitgebers zur Weiterbeschäftigung erstritten hat und die Weiterbeschäftigung nur zur Abwendung der Zwangsvollstreckung erfolgt (vgl. BAG, 22.10.2003, 7 AZR 113/03, AP Nr. 6 zu § 14 TzBfG <II 1 c bb d. Gr.>). In diesem Fall fehlt es an einer vertraglichen Grundlage und damit am Anknüpfungspunkt für das Schriftformerfordernis des § 14 Abs. 4 TzBfG.

Hier ist die Weiterbeschäftigung des Klägers nach Verkündung des erstinstanzlichen Urteils, durch das die Beklagte verurteilt wurde, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens unverändert weiterzubeschäftigen, und damit offensichtlich lediglich in Erfüllung des arbeitsgerichtlichen Urteils und zur Abwendung der Zwangsvollstreckung erfolgt. Unabhängig davon, ob das Schreiben vom 02.06.2005 dem Kläger zugegangen ist, war aufgrund des bereits erlassenen, wenn auch noch nicht zugestellten Urteils auch für ihn erkennbar das Verhalten der Beklagten ausschließlich vom Willen bestimmt, den Kläger zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung aus dem Urteil zu beschäftigen.

B

Die Kündigung ist am Maßstab des § 1 Abs. 5 KSchG in Verbindung mit § 1 Abs. 2 KSchG zu messen. Trotz dieses eingeschränkten Prüfungsmaßstabes ist die Kündigung sozial ungerechtfertigt.

I.

Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 5 KSchG in der Fassung des Gesetzes zur Reform am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 (BGBl I, S. 3002) sind erfüllt.

1.

Die Kündigung wurde aufgrund einer Betriebsänderung gemäß § 111 BetrVG aus-gesprochen. Eine wesentliche Einschränkung des ganzen Betriebs oder wesentlicher Betriebsteile im Sinne von § 111 Abs. 1 Satz 3 BetrVG kann auch ein bloßer Personal-abbau sein. Bei Großbetrieben, die wie die Beklagte mehr als 600 Arbeitnehmer beschäftigen, ist dafür ein Personalabbau von 5 % der Gesamtbelegschaft erforderlich. Maßgeblich ist dabei die Gesamtzahl der Arbeitnehmer, die - wenn auch in mehreren Wellen - betroffen ist, auch wenn zwischen dem Ablauf der Kündigungsfrist der unterschiedlichen Arbeitnehmer mehrere Monate liegen (vgl. BAG, 22.01.2004, 2 AZR 111/02, AP Nr. 1 zu § 112 BetrVG 1972 - Namensliste <C III 1 d. Gr.>).

Zwar erreichte der auf der BV 33/04 beruhende Personalabbau von insgesamt 120 Arbeitnehmern im Betriebsmittelbau für sich allein nicht die 5 %-Schwelle. Hinzuzurechnen sind jedoch die zeitgleich aufgrund der BV 32/04 im Bereich Fahrzeugbau gekündigten mehr als 700 Arbeitnehmer. Für das Vorliegen einer Betriebsänderung macht es keinen Unterschied, ob die Betriebspartner in einer Betriebsvereinbarung den Personalabbau in mehreren Bereichen regeln oder - wie hier - zur besseren Übersicht in verschiedenen, zeitnah geschlossenen Betriebs-vereinbarungen. Dies gilt umso mehr, als beide Maßnahmen durch den Ausspruch von Änderungskündigungen vom Betriebsmittelbau in den Bereich Fahrzeugbau hinein ineinander greifen.

2.

Unstreitig ist das Schriftformerfordernis des § 112 Abs. 1 Satz 1 BetrVG in Verbindung mit §§ 125, 126 BGB gewahrt, wofür es bereits ausreicht, wenn - wie hier - die Namensliste von der Betriebspartnern unterzeichnet und im Interessenausgleich auf sie Bezug genommen wird (vgl. BAG, AP Nr. 1 zu § 112 BetrVG - Namensliste <C III 4 a d. Gr.>).

II.

§ 1 Abs. 5 KSchG ist verfassungskonform.

1. Art. 12 Abs. 1 GG schützt unter anderem die freie Wahl des Arbeitsplatzes. Diese umfasst neben der Entscheidung für eine konkrete Beschäftigung auch den Willen des Einzelnen, den Arbeitsplatz beizubehalten. Das Grundrecht entfaltet seinen Schutz gegen alle staatlichen Maßnahmen, die diese Wahlfreiheit beschränken. Allerdings ist damit weder ein Anspruch auf Bereitstellung eines Arbeitsplatzes eigener Wahl noch eine Bestandsgarantie für den einmal gewählten Arbeitsplatz verbunden. Ebenso wenig verleiht das Grundrecht unmittelbaren Schutz gegen den Verlust eines Arbeitsplatzes. Dem Staat obliegt aber insoweit eine aus Art. 12 Abs. 1 GG folgende Schutzpflicht, der er durch Kündigungsvorschriften Rechnung zu tragen hat (BVerfG, stRspr seit Urteil vom 21.02.1995, 1 BvR 1397/93, BVerfGE 92, 140 <C I d.Gr.>).

Bei der Festlegung des Umfanges und der Grenzen dieser Schutzpflicht ist bei privat-rechtlichen Regelungen, die der Vertragsfreiheit Grenzen setzen, zu berücksichtigen, dass es bei solchen Regelungen um den Ausgleich widerstreitender Interessen geht, die regelmäßig beide grundrechtlich verankert sind. Dem durch Art. 2 und 12 Abs. 1 GG geschützten Interesse des Arbeitnehmers an der Erhaltung seines Arbeitsplatzes steht das ebenfalls durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Interesse des Arbeitgebers gegenüber, in seinem Unternehmen nur Mitarbeiter zu beschäftigen, die seinen Vorstellungen entsprechen, und ihre Zahl auf das von ihm bestimmte Maß zu beschränken (vgl. BVerfG, 27.01.1998, 1 BvL 15/87, BVerfGE 97, 169 <176>). Die kollidierenden Grundrechts-positionen sind in ihrer Wechselwirkung zu erfassen und so zu begrenzen, dass sie für alle Beteiligten möglichst weitgehend wirksam werden (vgl. BVerfG, 19.10.1993, 1 BvR 567/89, 1 BvR 1044/89, BVerfGE 89, 214 <232>; BVerfGE 97, 169 <176>). Dabei lassen sich den kollidierenden Grundrechtspositionen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer abstrakt keine Maßstäbe dafür entnehmen, welches Maß der Einschränkung seiner Arbeitsplatz-freiheit der Arbeitnehmer letztlich hinnehmen muss, um der Kündigungsfreiheit des Arbeitgebers im Rahmen des von beiden Parteien freiwillig eingegangenen Vertrags-verhältnisses noch hinreichend Rechnung zu tragen. Vielmehr bedarf es einer Abwägung der wechselseitig geschützten Grundrechtspositionen der Vertragspartner in jedem Einzelfall, deren Ergebnis durch die Verfassung selbst nicht abschließend vorgegeben ist. Es ist deshalb in erster Linie Sache der Fachgerichte, bezogen auf den konkreten Streitfall und das je betroffene Arbeitsverhältnis abzuwägen, ob im Einzelfall eine Kündigung sozial gerechtfertigt ist (vgl. BVerfG, 30.07.2003, 1 BvR 792/03, NZA 2003, S. 959). Für die Verwirklichung des Grundrechts des Arbeitnehmers aus Art. 12 Abs. 1 GG ist dabei eine dem Grundrechtsschutz angemessene Verfahrensgestaltung, die auch den kollidierenden Grundrechten des Arbeitgebers angemessen Rechnung trägt, erforderlich und entscheidend. Der objektive Gehalt der Grundrechte erlangt so durch das Verfahrens-recht Bedeutung. Die Fachgerichte haben dafür Sorge zu tragen, dass der gerichtlichen Durchsetzung von Grundrechtspositionen keine praktisch unüberwindlichen Hindernisse entgegenstehen. Dem ist durch eine sachgerechte Verteilung der Darlegungs- und Beweislast Rechnung zu tragen (vgl. BVerfG, 27.01.1998, 1 BvL 15/87, BVerfGE 97, 169 <B I 3 b d.Gr.>; BVerfG, 22.10.2004, 1 BvR 1944/01, NZA 2005, S. 41 <II 3 d.Gr.>).

2. Die Regelung des § 1 Abs. 5 KSchG ist nach diesen Maßgaben verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. § 1 Abs. 5 KSchG verfolgt vielmehr das berechtigte Ziel, bei Massenentlassungen für alle Beteiligten Rechtssicherheit zu schaffen (BTDrucks. 15/1204, S. 11). Der Gesetzgeber geht zu Recht davon aus, dass die Interessen der Arbeitnehmer durch die Beteiligung des Betriebsrats, die auch nicht über die Einigungsstelle erzwungen werden kann, angemessen gewahrt sind (vgl. BAG, 07.05.1998, 2 AZR 536/97, AP Nr. 94 zu § 1 KSchG 1969 - Betriebsbedingte Kündigung <zur inhaltsgleichen Vorgängerreglung>). Zudem steht dem Arbeitnehmer auch in den Fällen des § 1 Abs. 5 KSchG eine Fülle von Möglichkeiten zur Verfügung, die Unwirk-samkeit der Kündigung feststellen zu lassen. Die Vermutungswirkung entfällt, wenn dem Interessenausgleich mit Namensliste durch eine wesentliche Änderung der Sachlage die Geschäftsgrundlage entzogen ist. Auch bei Fortdauer der Vermutungswirkung des § 1 Abs. 5 KSchG kann der Arbeitnehmer diese entkräften. Die Arbeitsgerichte haben bei der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast dabei der wertsetzenden Bedeutung der Arbeitsplatzfreiheit des Arbeitnehmers Rechnung zu tragen. Dementsprechend trifft den Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 1 Abs. 5 KSchG, d.h. das Vorliegen einer Betriebsänderung und eines ordnungsgemäß zustandegekommenen Interessenausgleichs mit Namensliste. Der Arbeitgeber bleibt auch in den Fällen des § 1 Abs. 5 KSchG verpflichtet, dem Arbeitnehmer auf dessen Verlangen hin Auskunft über die Entscheidung zur sozialen Auswahl zu erteilen. Er muss also dem Arbeitnehmer auf dessen Verlangen die Gründe mitteilen, die ihn zu der getroffenen Sozialauswahl bewegt haben, d.h. er muss substantiiert die Gründe vortragen, die ihn zu seiner Auswahl veranlasst haben. Kommt der Arbeitgeber dem Verlangen des Arbeitnehmers nicht nach, ist die streitige Kündigung ohne weiteres als sozialwidrig anzusehen. Erst nach Erfüllung der Auskunftspflicht trägt der Arbeitnehmer die volle Darlegungslast für die Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl (BAG, stRspr, zuletzt 22.01.2204, 2 AZR 111/02, AP Nr. 1 zu § 112 BetrVG 1972 - Namensliste <C IV d.Gr.>). Das gilt auch bei einer Herausnahme von Leistungsträgern aus der Sozialauswahl gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG, bei der für das Vorliegen des berechtigten Interesses der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast trägt (BAG, 10.02.1999, 2 AZR 716/98, AP Nr. 40 zu § 1 KSchG 1969 - Soziale Auswahl <II 2 b d.Gr.>). Der einzige Unterschied zu einer nicht auf einer Namensliste basierenden Kündigung ist also im Bereich der Sozial-auswahl, dass der Arbeitnehmer nach Erfüllung der Auskunftspflicht des Arbeitgebers nicht nur darlegen muss, dass die Sozialauswahl fehlerhaft ist (§ 1 Abs. 3 Satz 3 KSchG), sondern die "grobe" Fehlerhaftigkeit nachweisen muss. Je nach den Umständen des Einzelfalles ist dem Arbeitgeber im Übrigen eine sekundäre Darlegungslast aufzuerlegen, um ausreichenden Schutz vor einer rechtsmissbräuchlichen Gestaltung durch die Betriebspartner zu gewährleisten.

Bei Wahrung dieser Grundsätze ist keine Einschränkung der Arbeitsplatzfreiheit des Arbeitnehmers gegeben, die die Regelung des § 1 Abs. 5 KSchG verfassungswidrig macht (i.E. ebenso LAG Rheinland-Pfalz, 02.02.2006, 1 Sa 673/05, juris <B II 1 d.Gr.>; LAG Berlin, 05.11.2004, 6 Sa 1544/04, AuA 2005, S. 48 <2.1.1.1 d.Gr.>; APS-Kiel, 2. Aufl., § 1 KSchG, Rz. 785 b).

III.

Die Kündigung ist im konkreten Fall des Klägers sozialwidrig, weil die Betriebspartner den Arbeitnehmer Bi. als Leistungsträger aus der Sozialauswahl gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG und den Arbeitnehmer F. aus sozialen Gründen als Härtefall aus der Sozialaus-wahl ausgenommen haben, ohne eine hinreichende Abwägung mit den sozialen Schutzinteressen des Klägers zu treffen. Auf die weiteren vom Kläger angesprochenen Gesichtspunkte, unter denen seiner Auffassung nach die Sozialauswahl grob fehlerhaft ist, kam es daher nicht mehr an.

1.

Die Vermutungswirkung des § 1 Abs. 5 KSchG erstreckt sich nicht nur auf die sozialen Indikatoren und deren Gewichtung selbst oder auf die von den Betriebspartnern durchgeführte Bildung der auswahlrelevanten Gruppen (vgl. dazu BAG, 07.05.1998, 2 AZR 536/97, AP Nr. 94 zu § 1 KSchG 1969 - Betriebsbedingte Kündigung zu § 1 Abs. 5 KSchG in der Fassung des arbeitsrechtlichen Beschäftigungsförderungsgesetzes vom 25.09.1996 (BGBl I, S. 1476), sondern nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers auch auf die Herausnahme einzelner Arbeitnehmer (BT-Drucks. 15/1204, S. 12; APS-Kiel, 2. Aufl., § 1 KSchG, Rz. 785 i).

2.

Die Sozialauswahl ist grob fehlerhaft, wenn die Gewichtung der Kriterien jede Ausgewogenheit vermissen lässt (BAG, 21.07.2005, 6 AZR 592/04, AP Nr. 50 zu § 113 BetrVG 1972 <Rz. 25>), wenn also ein evidenter, ins Auge springender schwerer Fehler vorliegt und der Interessenausgleich jede Ausgewogenheit vermissen lässt bzw. tragende Gesichtspunkte nicht in die Bewertung einbezogen worden sind. Die Bewertung ist auch dann grob fehlerhaft, wenn bei der Bestimmung des Kreises vergleichbarer Arbeitnehmer die Austauschbarkeit offensichtlich verkannt worden ist und bei der Anwendung des Aus-nahmetatbestandes des § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG die betrieblichen Interessen augenfällig überdehnt worden sind (BAG, 17.11.2005, 6 AZR 107/05, AP Nr. 19 zu § 113 InsO <Rz. 30> für § 125 InsO). Aus Gründen der Rechtssicherheit wird den Betriebspartnern bei der Beurteilung und Bewertung der sozialen Auswahl also eine hohe Präferenz eingeräumt. Ihnen wird ein erheblicher Beurteilungsspielraum eingeräumt, der den noch übersteigt, der dem Arbeitgeber bei der Sozialauswahl ohnehin schon zukommt, weil vom Gesetzgeber unterstellt wird, dass sie hinsichtlich der Vergleichbarkeit von Arbeitnehmern des Betriebes über besondere Erfahrungen verfügen (BAG, 07.05.1998, 2 AZR 536/97, AP Nr. 94 zu § 1 KSchG 1969 - betriebsbedingte Kündigung; BAG, 21.02.2002, 2 AZR 581/00, EzA § 1 KSchG Interessenausgleich Nr. 10).

3.

An diesem Maßstab gemessen, ist die Kündigung unter zwei Aspekten sozialwidrig:

a)

Die Herausnahme des Arbeitnehmers Bi. aus der Sozialauswahl führt zur Sozialwidrigkeit der Kündigung.

Bei einer Herausnahme von Arbeitnehmern aus der Sozialauswahl gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG müssen die Betriebspartner das Interesse des sozial schwächeren Arbeitnehmers gegen das betriebliche Interesse an der Herausnahme des Leistungs-trägers abwägen. Je schwerer dabei das soziale Interesse wiegt, umso gewichtiger müssen die Gründe für die Ausklammerung des Leistungsträgers sein (vgl. BAG, 12.04.2002, 2 AZR 706/00, AP Nr. 56 zu § 1 KSchG 1969 - Soziale Auswahl <II 4 b bb d. Gr.>). Zu einer derartigen Abwägung hätte gerade im Fall des Klägers, der im Vorfeld der Verhandlungen über den Abschluss des Interessenausgleichs die Betriebspartner noch ausdrücklich auf seine besondere soziale Lage durch die Verantwortung für seine auf Dauer schwerbehinderte Tochter und sein sich daraus ergebendes besonderes Interesse am Erhalt des Arbeitsplatzes hingewiesen hatte, besonderer Anlass bestanden. Die für die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG darlegungspflichtige Beklagte (BAG, 10.02.1999, 2 AZR 716/98, AP Nr. 40 zu § 1 KSchG 1969 - Soziale Auswahl <II 2 b d.Gr.>) hat jedoch auch auf Hinweis der Kammer im Termin vom 30.06. 2006 derartige konkrete Erwägungen nicht darlegen können. Der pauschale Hinweis, man habe die Interessen abgewogen und sei sich einig gewesen, wegen der Tochter des Klägers bestehe keine zusätzliche zu berücksichtigende Betroffenheit, reicht zur Darlegung, mit welchen Erwägungen die erforderliche Abwägung stattgefunden hat, nicht aus. Dabei kann der Beklagten nicht zugute kommen, dass unstreitig eine Fülle schwerwiegender Entscheidungen in größter Eile getroffen werden musste und deswegen den Beteiligten nach der Einlassung der Beklagten im Termin vom 30.06.2006 nicht mehr erinnerlich ist, welche Abwägungen im Einzelfall maßgeblich waren. Wenn die Betriebspartner von der vom Gesetzgeber auch im Geltungsbereich des § 1 Abs. 5 KSchG als Ausnahme konzipierten Möglichkeit der Herausnahme von Leistungsträgern wie im vorliegenden Fall umfangreich Gebrauch machen (in der Vergleichsgruppe des Klägers bei drei von zwölf weniger schutzwürdigeren Arbeitnehmern, insgesamt bei rund 200 Kündigungen bei 27 Arbeitnehmern), müssen sie dafür Sorge tragen, dass ihre Erwägungen einem ein-heitlichen Maßstab folgen und diese dokumentieren. Dies gilt umso mehr, als die Spezialkenntnisse, die zur Herausnahme des Herrn Bi. aus der Sozialauswahl geführt haben, nach dem Vortrag der Beklagten in gleichem Umfang bei dem ebenfalls aus der Sozialauswahl herausgenommenen Arbeitnehmer S. vorliegen. Diese besonderen Kenntnisse sind zumindest also noch einmal im Betrieb vorhanden, wobei nicht ersichtlich ist, dass im Hinblick auf die Reduzierung des Betriebsmittelbaus noch das Vorhalten von zwei Arbeitnehmern mit derartigen Spezialkenntnissen erforderlich ist bzw. den betrieblichen Interessen nicht noch hinreichend dadurch Rechnung getragen worden wäre, dass der Arbeitnehmer S. einen weiteren Arbeitnehmer angelernt hätte. Die Beklagte hat damit der ihr für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG obliegenden Darlegungslast nicht genügt. Die Kündigung ist deshalb sozialwidrig, ohne dass es auf den Prüfungsmaßstab der groben Fehlerhaftigkeit in Bezug auf den Arbeitnehmer Bi. noch ankäme (vgl. BAG, AP Nr. 40 zu § 1 KSchG 1969 - Soziale Auswahl <II 1 d.Gr.>).

b)

Die Betriebspartner haben in Ziffer 4 d der BV 33/04 eine Härtefallregelung getroffen, was grundsätzlich zulässig ist (vgl. APS-Kiel, a.a.O., Rz. 711 a) und unter Berufung darauf den Arbeitnehmer F. aus der Sozialauswahl ausgenommen. Nach Auffassung der Kammer ist dann, wenn - wie hier - mehrere Arbeitnehmer sich darauf berufen, dass ein sozialer Härtefall vorliegt, ebenso wie im Bereich des § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG eine Abwägung der Betriebspartner zwischen den jeweiligen geltend gemachten sozialen Belangen erforderlich. Dass dies hier der Fall ist, ist von der Beklagten im Prozess ebenfalls auch auf Hinweis im Termin vom 30.06.2006 nicht dargelegt worden. Dabei wäre zu berücksichtigen gewesen, dass der Arbeitnehmer F., ungeachtet seiner nach wie vor bestehenden Alkoholsucht, auch erhebliche Stresssituationen wie den Tod seiner Ehefrau im Januar 2003 bewältigt hat, ohne rückfällig zu werden. Welche Erwägungen die Betriebspartner dazu bewogen haben, das erhebliche soziale Interesse des Klägers, wegen seiner pflegebedürftigen Tochter seinen Arbeitsplatz zu behalten, gegenüber der befürchteten Rückfallgefahr bei dem Arbeitnehmer F. zurücktreten zu lassen, ist nicht erkennbar. Aus den vorstehend dargelegten Gründen ist die Kündigung daher auch deshalb sozialwidrig, weil die Erwägungen, die den Ausschlag zugunsten des Arbeitnehmers F. gegeben haben, nicht dargelegt sind und die Beklagte daher ihrer Auskunftspflicht, welche Gründe sie zur getroffenen Sozialauswahl bewogen haben, nicht in vollem Umfang nachgekommen ist, so dass es auf den Prüfungsmaßstab der groben Fehlerhaftigkeit nicht ankommt.

c)

Da der Kläger der sozial schutzwürdigste Arbeitnehmer seiner Vergleichsgruppe ist, der noch eine Kündigung erhalten hat, wirken sich die dargelegten Fehler in der Sozialauswahl auch tatsächlich aus. Wären der Arbeitnehmer Bi. und/oder der Arbeitnehmer F. nicht aus der Sozialauswahl herausgenommen worden, hätte der Kläger keine Kündigung erhalten.

C

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

E

Der Streitwert war auf vier Bruttomonatsgehälter des Klägers festzusetzen.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 72 Abs. 2 ArbGG), lagen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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