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Gericht: Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Beschluss verkündet am 07.08.2002
Aktenzeichen: 10 Ta 242/02
Rechtsgebiete: ZPO, KSchG


Vorschriften:

ZPO § 270 Abs. 3
ZPO § 167
KSchG § 4
Die Stellung des Prozesskostenhilfeantrags unter gleichzeitiger Einreichung des Entwurfs der Klagschrift und vollständiger Prozesskostenhilfeunterlagen wahrt rückwirkend die Frist des § 4 KSchG, sofern unverzüglich nach positiver oder negativer rechtskräftiger Entscheidung über das Prozesskostengesuch die Klage zugestellt wird. Dies ergibt sich aus einer verfassungskonformen Auslegung des § 270 Abs. 3 ZPO (jetzt: § 167 ZPO).
Landesarbeitsgericht Beschluss

Hannover, den 07.08.2002

10 Ta 242/02

In dem Rechtsstreit

Tenor:

wird die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Hannover vom 05.06.2002 -8 Ha 3/02 - kostenpflichtig nach einem Wert von 7.079,40 € zurückgewiesen.

Gründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde des Antragstellers ist unbegründet. Die Klage, für deren Erhebung der Antragsteller Bewilligung von Prozesskostenhilfe begehrt, hat keine hinreichende Erfolgsaussicht, so dass Prozesskostenhilfe zu versagen ist (§ 114 ZPO). Das hat das Arbeitsgericht im Ergebnis richtig erkannt.

I.

Das Prozesskostenhilfeverfahren ist durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Arbeitgeberin des Antragstellers am 06.06. 2002 nicht unterbrochen worden. Bereits am 14.05.2002, d. h. vor Antragstellung, ist durch Beschluss des Amtsgerichts Hannover (Bl. 17 d. A.) die vorläufige Verwaltung des Vermögens der Arbeitgeberin des Antragstellers angeordnet und die Verfügungsbefugnis auf den vorläufigen Insolvenzverwalter übergeleitet worden. Der Antrag war daher von Anfang an gegen den vorläufigen Insolvenzverwalter zu richten. Dies hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 11.05.2002 nachgeholt. Auf die Frage, ob das Insolvenzverfahren überhaupt zu einer Unterbrechung des Prozesskostenhilfeverfahrens führt (ausführlich: LAG Hamm, 03.02.1999, 4 Sa 1050/98), kommt es daher nicht an.

II.

Die beabsichtigte Kündigungsschutzklage hat keine hinreichende Erfolgsaussicht. Das Arbeitsverhältnis des Antragstellers mit der Schuldnerin ist durch die Kündigung vom 29.04.2002 mit dem 16.05.2002 beendet worden.

1.

Allerdings gelten die mit der beabsichtigten Kündigungsschutzklage anzugreifenden Kündigungen der Schuldnerin vom 24. und 29.04.2002 nicht bereits gemäß § 4 in Verbindung mit § 7 KSchG als wirksam. Zwar hat der Antragsteller eindeutig klargestellt, dass er den angekündigten Klagantrag nur unter der Bedingung stellen wolle, dass ihm Prozesskostenhilfe bewilligt werde und er zunächst lediglich eine Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch begehre. Die Kündigungsschutzklage war daher - was das Arbeitsgericht richtig erkannt hat - zunächst durch die Einreichung des Antrags und dessen formlose Übersendung an die Schuldnerin zur Stellungnahme nicht rechtshängig geworden (vgl. LAG Niedersachsen, 25.03.1999, 16 a Ta 119/99, LAGE § 4 TVG Ausschlussfristen Nr. 50 <B I 2 a der Gründe>). Die Stellung des Prozesskostenhilfeantrags unter gleichzeitiger Einreichung des Entwurfs der Klagschrift und vollständiger Prozesskostenhilfeunterlagen wahrt jedoch rückwirkend die Frist des § 4 KSchG, sofern unverzüglich nach positiver oder negativer rechtskräftiger Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch die Klage zugestellt wird. Dies ergibt sich aus einer verfassungskonformen Auslegung des § 270 Abs. 3 ZPO (jetzt § 167 ZPO). Die Verzögerung durch ein Prozesskostenhilfeverfahren ist einer unbemittelten Partei nicht zuzurechnen, wenn bereits mit dem Antrag der Entwurf der Klagschrift eingereicht wird und dem Antrag vollständige Prozesskostenhilfeunterlagen beigefügt sind. Dann haben die unbemittelte Partei und ihr Prozessbevollmächtigter das ihnen Zumutbare getan, um für eine alsbaldige Zustellung Sorge zu tragen (ausführlich: LAG Niedersachsen, a.a.O. <B II 2 b bb der Gründe>).

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist auch noch innerhalb der zu wahrenden Frist gestellt worden. Da der für den Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung darlegungspflichtige Antragsgegner zum Zugang der Kündigungserklärung vom 24.04.2002 nichts vorgetragen hat, ist zugunsten des Antragstellers davon auszugehen, dass diese Kündigungserklärung, die den Poststempel vom 25.04.2002 trägt, ihm frühestens am Samstag, den 27.04.2002 zugegangen ist. Dann ist der am 21.05.2002, dem Dienstag nach Pfingsten, beim Arbeitsgericht eingegangene Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe noch innerhalb von drei Wochen nach Zugang beider Kündigungserklärungen gestellt worden.

2.

Die Kündigungen vom 24. und 29.04.2002 sind jedoch aus dringenden betrieblichen Gründen im Sinne von § 1 KSchG sozial gerechtfertigt. Der Betrieb der Schuldnerin ist am 10.05.2002 eingestellt worden. Zwischenzeitlich ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet worden. Damit ist die zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern bestehende Betriebs- und Produktionsgemeinschaft aufgelöst worden, weil die Schuldnerin die wirtschaftliche Betätigung in der ernstlichen Absicht eingestellt hat, den bisherigen Betriebszweck dauernd oder für eine ihrer Dauer nach unbestimmte, wirtschaftlich nicht unerhebliche Zeitspanne nicht weiter zu verfolgen, und damit den Betrieb stillgelegt hat (vgl. BAG, ständige Rechtsprechung, zuletzt 21.06.2001, 2 AZR 137/00, NZA 2002, S. 212 <II 1 a der Gründe>). Die Stilllegung des Betriebes ist ein dringendes betriebliches Erfordernis, das gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG die Kündigung sozial rechtfertigt (vgl. BAG, ständige Rechtsprechung, vgl. nur: 05.04.2001, 2 AZR 696/99, NZA 2001, Seite 949 <II 1 der Gründe>). Eine Sozialauswahl war wegen der Betriebsstillegung ebenfalls nicht mehr durchzuführen.

3.

Die Kündigungen sind auch nicht mangels Kündigungsbefugnis von Rechtsanwalt S, der für die Schuldnerin die Kündigungen ausgesprochen hat, unwirksam. Im Zeitpunkt der Erklärung beider Kündigungen war noch keine vorläufige Verwaltung über das Vermögen der Schuldnerin angeordnet, so dass diese noch handlungsbefugt war und den Ausspruch der Kündigungen veranlassen konnte.

4.

Das Arbeitsverhältnis ist aufgrund der Kündigung vom 29.04.2002 mit dem 16.05.2002 beendet worden.

Auf das Arbeitsverhältnis fand der Rahmentarifvertrag für das Maler- und Lackiererhandwerk für die Bundesrepublik ohne das Saarland vom 30.03.1992 in der Fassung vom 15.06.1999, der seit dem 01.04.1999 allgemeinverbindlich ist, Anwendung. Gemäß § 45 Ziffer 1 RTV konnte das Arbeitsverhältnis daher mit einer Kündigungsfrist von 12 Werktagen, d. h. nach dem am 30.04. 2002 erfolgten Zugang der Kündigungserklärung vom 29.04.2002, mit dem 16.05.2002 beendet werden. Die für den Kläger günstigere Kündigungsfrist des § 12 Ziffer 1.2 des Bundesrahmentarifvertrages für das Baugewerbe für die Bundesrepublik Deutschland vom 03.02.1981 in der Fassung vom 15.05. 2001, der seit dem 01.06.2001 allgemein-verbindlich ist und der nach dreijährigem Bestand des Arbeitsverhältnisses eine Kündigungsfrist von einem Monat zum Monatsende vorsieht, fand keine Anwendung. Der Betrieb der Schuldnerin wurde vom betrieblichen Geltungsbereich des BRTV-Bau nur erfasst, wenn in ihm arbeitszeitlich überwiegend Tätigkeiten ausgeführt worden wären, die unter die Abschnitte I bis V des § 1 Abs. 2 BRTV-Bau fielen (vgl. BAG, ständige Rechtsprechung, vgl. nur: 22. 01.1997, 10 AZR 223/96, AP Nr. 9 zu § 1 TVG-Tarifverträge Maler <II 1 a der Gründe>).

Dass dies der Fall ist, hat der Antragsteller nicht ausreichend dargelegt. Er trägt lediglich sowohl in der Antragsschrift als auch in der Beschwerdebegründung vor, dass zu einem gleich hohen, wenn nicht sogar zu einem höheren Anteil Trockenbauarbeiten und damit Tätigkeiten gemäß § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 37 BRTV-Bau verrichtet worden seien. Aus diesem Vortrag ist gerade nicht mit der erforderlichen Gewissheit ersichtlich, dass arbeitszeitlich überwiegend Tätigkeiten im Bereich des Trockenbaus ausgeführt worden sind.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

IV.

Der Wert wurde in Anwendung des § 12 Abs. 7 ArbGG auf 3 Bruttomonatsentgelte des Antragstellers festgesetzt.

Gründe, die Rechtsbeschwerde zuzulassen (§§ 78 Satz 1 ArbGG, 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO, 72 Abs. 2 ArbGG), lagen nicht vor. Gegen diesen Beschluss ist daher kein Rechtsmittel gegeben.

Ende der Entscheidung

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