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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 21.10.2002
Aktenzeichen: 11 Sa 1039/02
Rechtsgebiete: BAT


Vorschriften:

BAT § 19
BAT § 20
BAT § 50
Zur Frage der Anrechnung von Sonderurlaub aus familiären Gründen nach dem BAT als Dienst- und Jubiläumszeit.
Landesarbeitsgericht Niedersachsen IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

11 Sa 1039/02

Verkündet am: 21. Oktober 2002

In dem Rechtsstreit

hat die 11. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 21.10.2002 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Nimmerjahn und die ehrenamtlichen Richter Wolter und Gerke

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 17.04.2002 - 5 Ca 74/01 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darum, ob Sonderurlaub aus familiären Gründen nach dem Bundesangestelltentarifvertrag des öffentlichen Dienstes (BAT) als Dienst- und Jubiläumszeit angerechnet wird.

Die 42 Jahre alte verheiratete Klägerin, die zwei unterhaltsberechtigte Kinder hat, ist seit dem 01.01.1981 im Alten- und Pflegeheim in L. der Beklagten als Pflegerhelferin eingestellt. Sie erhielt ab dem 23.07.1985 Sonderurlaub ohne Bezüge zum Zwecke der Kindererziehung. In dem Schreiben der Beklagten vom 06.08.1985 heißt es auszugsweise:

Der Sonderurlaub gemäß § 50 Abs. 2 BAT gilt nicht als Beschäftigungs- und Dienstzeit nach den §§ 19 u. 20 BAT.

Der Sonderurlaub endete nach mehrfahrer Verlängerung am 31.01.1998. In sämtlichen Verlängerungsschreiben wurde die Klägerin darauf hingewiesen, dass der Sonderurlaub weiterhin nicht als Beschäftigungs- und Dienstzeit nach den §§ 19 u. 20 BAT gelten könne.

Mit Bescheid vom 06.10.2000 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie ihre Beschäftigungszeit um die Dauer des Sonderurlaubs verschiebe und mithin auf den 12.07.1993 festgesetzt werde. Mit gleichem Bescheid wurde der Beginn der Dienstzeit und der Beginn der Jubiläumsdienstzeit auf den 12.07.1993 festgesetzt.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sowohl die Jubiläums- als auch Dienstzeit sei durch die Beklagte falsch festgesetzt worden. Ihre Dienstzeit werde durch den Sonderurlaub nicht berührt. Der Sonderurlaub habe lediglich Auswirkungen auf die Beschäftigungszeit. Dies ergebe sich schon aus dem Text des Schreiben bezüglich des Sonderurlaubs durch die Beklagte, die auf die Jubiläumszeit nicht hingewiesen habe.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, den Beginn der Dienstzeit und der Jubiläumszeit auf den 23.07.1985 festzusetzen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, während des Sonderurlaubs aus familiären Gründen ruhe das Beschäftigungsverhältnis. Sonderurlaub sei keine Beschäftigungszeit. Dies gelte auch für die Rechnung der Dienst- und die Jubiläumsdienstzeit.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, der Klägerin die Kosten des Rechtsstreits auferlegt und den Streitwert auf 4.090,00 € festgesetzt.

Zur Begründung hat es ausgeführt, Sonderurlaub erstrecke sich nur dann auf die Dienst- und Jubiläumsdienstzeiten, wenn dieser im dienstlichen Interesse genommen werde. Eine solche sei vorliegend nicht gegeben, da der Sonderurlaub im Interesse der Klägerin gelegen habe.

Gegen dieses ihr am 26.06.2002 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 16.07.2002 Berufung eingelegt und diese auch sogleich begründet.

Sie ist weiterhin der Auffassung, die Zeiten des Sonderurlaubs würden bei der Dienst- und Jubiläumszeit mitrechnen. Dies ergebe sich aus § 50 Bundesangestelltentarifvertrag. Hätten die Tarifvertragsparteien Abweichendes gewollt, hätten sie dies ausdrücklich regeln müssen. Die Gewährung von Sonderurlaub führe lediglich zu einem Ruhen der gegenseitigen Pflichten. Davon unberührt bleibe jedoch das Arbeitsverhältnis. Im Zweifel sei § 50 Bundesangestelltentarifvertrag zugunsten der Arbeitnehmer auszulegen.

Die Klägerin und Berufungsklägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 17.04.2002 - 5 Ca 74/01 - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, den Beginn der Dienstzeit und der Jubiläumszeit auf den 23.07.1985 festzusetzen.

Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, nach § 20 BAT umfasse die Dienstzeit auch die Beschäftigungszeit. Er enthalte keine Grundlage dafür, dass Zeiten bei dem selben Arbeitgeber, die nicht in die Beschäftigungszeit einfließen, als Dienstzeit angerechnet würden. Die Voraussetzungen für die Zahlung der Jubiläumszuwendung seien für Niedersachen im bezirklichen Zusatztarifvertrag zu § 39 Abs. 3 vom 24.02.1994 (BZTV) geregelt. § 1 Abs. 1 BZTV stelle auf die Dienstzeit ab, die in § 20 BAT geregelt sei. Dabei seien die Tarifvertragsparteien davon ausgegangen, dass ein Sonderurlaub, der vom Arbeitgeber nicht als dienstlich oder betrieblich von Interesse schriftlich anerkannt worden sei, nicht zur Zahlung einer Jubiläumszuwendung führe.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte und auch insgesamt zulässige Berufung ist unbegründet.

Das Arbeitsgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen.

Die Berufung ist nicht geeignet, zu einem anderen Ergebnis zu gelangen.

Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass ihr die Zeiten des familiären Sonderurlaubs als Dienstzeiten anerkannt werden. Nach § 20 Abs. 1 BAT umfasst die Dienstzeit die Beschäftigungszeit (§ 19 BAT) und die nach den Absätzen 2 - 6 anzurechnenden Zeiten einer früheren Beschäftigung. Beschäftigungszeit ist nach § 19 BAT die nach Vollendung des 18 Lebensjahres in einem Arbeitsverhältnis zurückgelegte Zeit, auch wenn sie unterbrochen ist.

Bei der Auslegung eines Tarifvertrages ist zunächst vom Wortlaut auszugehen. Die Auslegung des normativen Teil eines Tarifvertrags folgt insoweit den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Zu ermitteln ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Buchstaben zu haften. Über den reinen Wortlaut hinaus ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat (vgl. BAG, Urt. v. 28.05.1998 - 6 AZR 349/96 - in AP Nr. 52 zu § 611 BGB Bühnenengagementvertrag m. w. N.; BAG in AP Nr. 128 und 135 zu § 1 TVG - Auslegung).

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist der Wortlaut des Tarifvertrages eindeutig.

Während eines Sonderurlaubs nach § 50 BAT liegt ein ruhendes Arbeitsverhältnis vor (vgl. Urt. des BAG v. 08.11.1978 in AP Nr. 10 zu § 50 BAT). Ein ruhendes Arbeitsverhältnis ist keine Beschäftigung bei demselbem Arbeitgeber und kann deshalb als Beschäftigungszeit nach § 19 BAT nicht gewertet werden. Sie gelten aber auch nicht als Dienstzeit nach § 20 BAT, denn sie sind keine nach den Absätzen 2 bis 6 des § 20 BAT anrechenbare Zeiten früherer Beschäftigung, wie sie in Abs. 1 aufgeführt sind (vgl. Böhm/Spiertz/Sporne/Steinherr, BAT, § 50 R-Nr. 70; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, BAT, § 50 Nr. 3). Insoweit entspricht der Absatz 3 des 50 BAT dem früheren Absatz 2, der ausdrücklich klarstellt, dass ausnahmsweise eine Anrechnung des Sonderurlaubs als Beschäftigungszeit in Fällen des Abs. 1 nicht möglich ist, wenn ein dienstliches oder betriebliches Interesse durch den Arbeitgeber vor Antritt des Sonderurlaubs nicht schriftlich anerkannt wird. Dies entspricht dem geltenden Recht, weil ein dienstliches oder betriebliches Interesse an einem Sonderurlaub aus familiären Gründen nicht denkbar ist.

Auch hinsichtlich der Jubiläumszeit findet eine Anrechnung von Sonderurlaub aus nichtdienstlichen Gründen nicht statt.

Voraussetzung für die Zahlung der Jubiläumszuwendung in Niedersachsen ist der DZTV. Er stellt in § 1 Abs. 1 auf die Dienstzeit ab, die in § 20 BAT geregelt ist. § 1 Abs. 2 BZTV regelt lediglich Sonderfälle, in denen der Arbeitgeber nach § 50 Abs. 2 vor Antritt des Sonderurlaubs ein dienstliches oder betriebliches Interesse an der Beurlaubung schriftlich anerkannt und geregelt hat. In diesen Fällen ist dem Angestellten bei Wiederaufnahme der Arbeit die Jubiläumszuwendung für die zuletzt vollendete Dienstzeit zu gewähren. Dies ist bei der Klägerin unstreitig nicht der Fall, denn sie hat den Sonderurlaub aus familiären Gründen genommen. Ein dienstliches oder betriebliches Intersse für den Sonderurlaub liegt unstreitig nicht vor.

Beschäftigungs- und Dienstzeit ist deshalb um die Zeit des nach § 50 Abs. 1 oder Abs. 2 BAT gewährten Sonderurlaubs hinauszuschieben (vgl. Böhm/Spiertz/Sporne/Steinherr a. a. O.).

Die Berufung ist daher mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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