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Gericht: Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 08.05.2009
Aktenzeichen: 12 Sa 1882/08 E
Rechtsgebiete: AVR DW EKD


Vorschriften:

AVR DW EKD § 3 Abs. 1 der Anlage 8 a
1. Ein Vergütungsanspruch nach § 3 Abs. 1 der Anlage 8 a AVR DW EKD setzt eine formelle Bestellung zum Oberarzt nicht voraus.

2. Die Übertragung medizinischer Verantwortung i. S. der Norm setzt voraus, dass sie sich auf fremdes (fach-) ärztliches Tun bezieht.


LANDESARBEITSGERICHT NIEDERSACHSEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

12 Sa 1882/08 E

In dem Rechtsstreit

hat die 12. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 8. Mai 2009 durch

den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Mestwerdt, den ehrenamtlichen Richter Herr Benner, den ehrenamtlichen Richter Herr Amon für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hameln vom 27.10.2008 - 3 Ca 259/08 E - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über Vergütungsanprüche und die Eingruppierung des Klägers.

Der Kläger ist seit 1988 auf der Grundlage eines Arbeitsvertrages vom 15.11.1988 für die Beklagte tätig. Nach § 2 dieses Vertrages sind die Arbeitsvertragsbedingungen des Diakonischen Werks der Evangelischen Kirche in Deutschland in der jeweils gültigen Fassung vereinbart.

Die Beklagte betreibt ein Krankenhaus. Der Kläger ist in der Abteilung für Anästhesiologie, Intensiv-, Notfallmedizin und Schmerztherapie tätig. In dieser Abteilung werden 13,5 Fachärzte beschäftigt, darunter der Chefarzt Dr. H. sowie vier Oberärzte. Der Kläger leitet seit neun Jahren die der Abteilung Anästhesie zugeordnete Schmerzambulanz. Durch Bescheid vom 00.00.2004 übertrug die Ärztekammer Niedersachsen dem Kläger gemeinsam mit dem Chefarzt der Abteilung Anästhesie die "gemeinsame Ermächtigung zur Weiterbildung im Bereich spezielle Schmerztherapie". Mit Zulassungsbeschluss vom 00.00.2006 (Blatt 78 bis 81 der Gerichtsakte), der auf der Grundlage eines im notwendigen Zusammenwirken mit der Beklagten gestellten Antrags erging, erhielt der Kläger am 00.00.2006 vom Zulassungsausschuss der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen eine KV-Ermächtigung. Danach wurde der Kläger als Krankenhausarzt mit der Gebietsbezeichnung Facharzt für Anästhesiologie und der Zusatzbezeichnung spezielle Schmerztherapie am Evangelischen Krankenhaus A-Stadt gGmbH mit Wirkung vom 00.00.2006 bis zum 00.00.2008 gemäß § 31 a der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte für nachfolgend genannte Leistungen zur Teilnahme an einer vertragsärztlichen Versorgung ermächtigt:

"Auf Überweisung von niedergelassenen Vertragsärzten:

Behandlung chronischer Schmerzzustände, die einer ursächlichen Behandlung nicht mehr zugänglich sind (Schmerztherapie) in enger Zusammenarbeit mit dem behandelnden Arzt.

Erforderliche Voruntersuchungen sind dann abrechnungsfähig, wenn sie von niedergelassenen Vertragsärzten nicht kurzfristig zur Verfügung gestellt werden.

Abrechnungsfähig ist der Ordinationskomplex für ermächtigte Ärzte sowie die im Rahmen des Ermächtigungsumfangs erforderlichen Leistungen gemäß Kapitel 5 EBM.

Mit der KV-Ermächtigung wurde dem Kläger die Einrichtung einer Institutsambulanz ge-stattet. Die Einrichtung der Schmerzambulanz, die Bereitstellung von Räumen, Einrichtungen und Material sowie die Abrechnung der ambulant vom Kläger erbrachten Leistungen regelt der Nebentätigkeitsvertrag zwischen den Parteien vom 00.00.2001 (Blatt 85 bis 88 d. Gerichtsakte). Nach § 1 Abs. 1 dieses Vertrages stellt die Beklagte dem Kläger für dessen Nebentätigkeitsbereich in der Schmerztherapie Räume und Einrichtungen im Rahmen der jeweiligen Möglichkeiten des Krankenhauses und nach Vereinbarung zur Verfügung. Nach § 2 rechnet der Kläger die ambulant erbrachten Leistungen gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung ab und führt die vereinnahmten Honorare zu 100 % an die Beklagte ab.

Die Schmerzambulanz nutzte gemeinsam mit der zum 00.00.2009 aufgegebenen Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) im Krankenhaus der Beklagten abgegrenzte Räume. Für die Schmerzambulanz sowie die TCM arbeiteten insgesamt drei Arzthelferinnen; medizinisch-fachlich waren Schmerzambulanz und TCM voneinander getrennt. In der TCM arbeiteten bis zum 00.00.2009 zwei Ärztinnen, in der Schmerzambulanz neben dem Kläger kein weiterer Arzt. Vorgesetztenfunktion gegenüber anderen Ärzten übt der Kläger nicht aus. Seine Tätigkeit in der Schmerztherapie (ambulante Tätigkeit sowie konsiliarische Tätigkeit) macht ca. 80 % seiner Arbeitszeit aus.

Seit der Reform der AVR mit Wirkung zum 01. Juli 2007 erhält der Kläger eine Vergütung aus Entgeltgruppe 13 der Anlage 1 zu den AVR des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland und damit ein monatliches Bruttoentgelt in Höhe von € 00. Mit Schreiben vom 23.08.2007 (Blatt 16 d. Gerichtsakte) legte der Kläger "Einspruch" gegen die Eingruppierung in die Entgeltgruppe 13 ein und machte eine Vergütung nach § 3 der Anlage 8a geltend.

Mit der am 06.05.2008 beim Arbeitsgericht Hameln erhobenen Klage begehrt der Kläger Zahlung der Differenzbeträge zwischen dem 00.00.2007 und 00.00.2008 und Feststellung einer Vergütungspflicht nach Entgeltgruppe E13, § 3 der Anlage 8 a der AVR nach dreijähriger Ausübung der oberärztlichen Tätigkeit. Er hat die Auffassung vertreten, ihm sei die medizinische Verantwortung für den Bereich der Schmerztherapie von der Beklagten ausdrücklich übertragen worden, da ihm die Leitung dieses Bereiches übertragen worden sei. Medizinische Verantwortung bedeute in diesem Zusammenhang, dass der jeweilige Oberarzt die Befugnis habe, strittige oder unklare Fragen im Zusammenhang mit der Behandlung von Patienten in letzter Instanz zu entscheiden, die Ausübung einer Vorgesetztenfunktion gegenüber nachgeordneten Ärzten sei nicht erforderlich. Die ausdrückliche Übertragung ergebe sich aus der Mitwirkung der Beklagten bei der Erlangung der KV-Ermächtigung.

Die Schmerzambulanz stelle auch einen selbständigen Teil- oder Funktionsbereich dar, da sie ein wissenschaftlich anerkanntes Spezialgebiet innerhalb des ärztlichen Fachgebietes der Anästhesie sei. Es läge auch ein selbständiger Teilbereich vor, da dem Bereich der Schmerztherapie eigens bestimmte Arzthelferinnen zugeordnet seien. Auch räumlich organisatorisch stelle die Schmerztherapie im Krankenhaus der Beklagten eine eigene Einheit dar.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 5.6921,20 brutto zu zahlen zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf jeweils 355,70 € ab dem 01.08.2007, 01.09.2007, 01.10.2007, 01.11.2007, 01.12.2007, 01.01.2008, 01.02.2008, 01.03.2008, 01.04.2008, 01.05.2008, 01.06.2008, 01.07.2008, 01.08.2008, 01.09.2008, 01.10.2008, 01.11.2008,

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger ab dem 01.07.2007 nach der Entgeltgruppe 13, § 3 der Anlage 8 a der AVR als Oberarzt nach dreijähriger Ausübung der oberärztlichen Tätigkeit zu vergüten und die anfallenden monatlichen Bruttonachzahlungsbeträge ab dem jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt mit 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz zu verzinsen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen

und die Auffassung vertreten, keine der tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Vergütung nach § 3 Abs. 1 der Anlage 8 a der AVR liege vor. Dem Kläger fehle die notwendige Bestellung zum Oberarzt und es sei ihm nicht die erforderliche medizinische Verantwortung übertragen worden. Dies setze voraus, dass dem Kläger Ärzte nachgeordnet seien. Die Schmerztherapie sei weder selbständiger Funktions- noch Teilbereich; auch liege eine ausdrückliche Übertragung nicht vor, da die Beklagte mehrfach die Ernennung zum Oberarzt verweigert habe.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 27.10.2008 - 3 Ca 259/08 E -, auf welches vollinhaltlich Bezug genommen wird, abgewiesen und sich darauf gestützt, dass die Schmerzambulanz kein selbständiger Funktions- oder Teilbereich in der Abteilung Anästhesie sei. Ein Funktionsbereich liege nicht vor, weil die Schmerztherapie eine interdisziplinäre Aufgabe sei, für einen selbständigen Teilbereich der Abteilung fehle zumindest die Selbständigkeit, da die Schmerzambulanz organisatorisch eine Einheit mit der TCM gebildet habe.

Der Kläger hat gegen das ihm am 11.11.2008 zugestellte Urteil am 11.12.2008 Berufung eingelegt und diese am Montag, den 12. Januar 2009 begründet. Das Arbeitsgericht habe den Begriff des Funktionsbereiches verkannt. § 3 der Anlage 8 a definiere die Mindestanforderungen, die ein Arzt zu erfüllen habe, um als Oberarzt eingestuft zu werden. Die Schmerztherapie sei ein wissenschaftlich anerkanntes Spezialgebiet. Unschädlich sei, dass die Schmerztherapie sich sowohl in ihren wissenschaftlichen Grundlagen wie auch therapeutischen Methoden nicht auf ein ärztliches Fachgebiet beschränke. Die Schmerztherapie als interdisziplinäres Spezialgebiet sei nicht ein Minus gegenüber dem wissenschaftlich anerkannten Spezialgebiet innerhalb eines ärztlichen Fachgebietes sondern gegenüber dem in § 3 geforderten Funktionsbereich ein "Mehr". Es sei unschädlich, wenn der Kläger über das Fachgebiet der Anästhesie hinausgehende fachliche Anforderungen zu erfüllen habe und darüber hinaus umfängliche Fachkenntnisse anderer ärztlicher Fachgebiete in seine Arbeit einbeziehen müsse. Der Teilbereich sei selbständig, weil es maßgeblich auf die Freiheit von Weisungen bzw. die eigenständige Entscheidungskompetenz ankomme. Darüber hinaus liege aber auch eine räumliche und personelle Abgrenzbarkeit gegenüber dem Bereich TCM vor, da eine einheitliche Leitung beider Bereiche nicht vorhanden gewesen sei. Zudem seien die Behandlungsräume auf Grund ihrer Ausstattung vorrangig einerseits für die Schmerzambulanz und andererseits für TCM vorgesehen gewesen. Zwischen der Schmerzambulanz und der TCM habe es vor der Schließung der TCM keinerlei verzahnte oder sich gegenseitig bedingende Arbeitsabläufe gegeben. Die Schmerzambulanz habe ihre internen Arbeitsabläufe stets eigenständig ohne Berücksichtigung der TCM geregelt. Der Kläger trage die alleinige Verantwortung für die gesamte Arbeit in der Schmerzambulanz; ihm sei damit auch die medizinische Verantwortung übertragen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Hameln abzuändern und nach den erstinstanzlichen Klageanträgen zu erkennen

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen

und verteidigt das angefochtene Urteil.

Bezüglich des weiteren Vorbringens der Parteien wird Bezug genommen auf die Berufungsbegründung des Klägers vom 12. Januar 2009 sowie den weiteren Schriftsatz vom 15. April 2009 und auf die Berufungserwiderung der Beklagten vom 18.02.2009 sowie auf die Erörterung in der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und begründete und damit zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Die anspruchsbegründenden Voraussetzungen von § 3 Abs. 1 der Anlage 8 a der AVR DW EKG liegen nicht vor. Dies ergibt die Auslegung der Norm.

1. Nach § 3 Abs. 1 der Anlage 8 a AVR erhält ein Oberarzt bzw. eine Oberärztin, der bzw. dem die medizinische Verantwortung für selbständige Teil- oder Funktionsbereiche der Klinik bzw. Abteilung von der Dienstgeberin bzw. dem Dienstgeber ausdrücklich übertragen worden sind, als Entgelt einen Betrag in Höhe von monatlich € 4.960,--. Nach dreijähriger Ausübung der oberärztlichen Tätigkeit erhält die Oberärztin bzw. der Oberarzt ein Entgelt von € 5.280,--. Nach der Anmerkung zu § 3 sind Funktionsbereiche wissenschaftlich anerkannte Spezialgebiete innerhalb eines ärztlichen Fachgebietes, z.B. Nephrologie, Handchirurgie, Neuroradiologie, Elektroencephalographie, Herzkatheterisierung.

2. Die Arbeitsvertragsrichtlinien entfalten nach ständiger Rechtsprechung des BAGs keine normative Wirkung sondern bedürfen der einzelvertraglichen Inbezugnahme, um auf ein Arbeitsverhältnis Anwendung zu finden. Gleichwohl erfolgt die Auslegung dieser Richtlinie nach den gleichen Grundsätzen, die für die Tarifauslegung gelten. Danach ist vom Wortlaut der AVR auszugehen und dabei deren maßgeblicher Sinn zu erforschen, ohne am Wortlaut zu haften. Der wirkliche Wille der Richtliniengeber und der damit von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Bestimmungen ist mit zu berücksichtigen, soweit sie in den Richtlinien ihren Niederschlag gefunden haben. Auch auf den systematischen Zusammenhang der AVR ist abzustellen (ständige Rechtsprechung BAG 17. Juli 2008 - 6 AZR 635/07 -; 14. Januar 2004 - 10 AZR 188/03 -).

a). Entgegen der Auffassung der Beklagten steht dem geltend gemachten Zahlungsanspruch nicht entgegen, dass der Kläger durch die Beklagte nicht formell zum Oberarzt bestellt worden ist. Dem Wortlaut nach ist zwar eine Auslegung vertretbar, dass Voraussetzung für die Zahlung der Vergütung eines Oberarztes § 3 der Anlage 8 a AVR auch die tatsächliche Bestellung zum Oberarzt ist ("ein Oberarzt, der ...). Darin unterscheidet sich die Vorschrift dem Wortlaut nach von den Parallelvorschriften in § 16 TV Ärzte-VKA bzw. § 12 des Tarifvertrages für Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken vom 30. Oktober 2006. In beiden Tarifwerken wird der Oberarzt über die Übertragung der medizinischen Verantwortung für selbständige Teil- oder Funktionsbereiche definiert, ohne dass zusätzlich die ausdrückliche Bestellung als Oberarzt für einen Vergütungsanspruch erforderlich wäre.

Nach der Systematik der AVR ergibt sich für § 3 Abs. 1 der Anlage 8 a AVR dasselbe Ergebnis. Die AVR regeln nicht, wann ein Anspruch auf Bestellung zum Oberarzt besteht. Der Arbeitgeber hätte es deshalb in der Hand, trotz ausdrücklicher Übertragung von medizinischer Verantwortung für einen selbständigen Teil- oder Funktionsbereich einen höheren Vergütungsanspruch dadurch zu umgehen, dass er die formelle Bestellung zum Oberarzt unterlässt. Da nach § 3 der Anlage 8a AVR wie bei § 16 TV-Ärzte/ VKA bzw. § 12 TVR Ärzte die Übernahme zusätzlicher medizinischer Verantwortung vergütet werden soll, kann es nach Sinn und Zweck der AVR wie in den anderen Tarifwerken allein darauf ankommen, ob der Arbeitgeber die medizinische Verantwortung für die benannten Bereiche tatsächlich übertragen hat.

b). Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts geht die Berufungskammer mit dem Kläger davon aus, dass die Schmerztherapie ein selbständiger Teilbereich der Klinik der Beklagten ist.

aa). Zwar liegt kein selbständiger Funktionsbereich vor, weil es sich bei der Schmerztherapie nicht um ein wissenschaftlich anerkanntes Spezialgebiet innerhalb eines ärztlichen Fachgebietes entsprechend der Anmerkung zu § 3 handelt sondern die Schmerztherapie interdisziplinär angelegt ist.

bb). Die Schmerztherapie erfüllt aber die Voraussetzungen des selbständigen Teilbereichs einer Klinik.

Den Begriff "Teilbereich" gab es im bisherigen Tarifrecht der Ärzte nicht. Aus der Wortwahl in § 3 Abs. 1 "Teil- oder Funktionsbereich" ergibt sich zunächst, dass Teil- und Funktionsbereiche nicht identisch sind. Ein Teilbereich kann deshalb auch etwas anderes als eine fachliche Untergliederung innerhalb eines ärztlichen Fachgebietes sein (a.A. Anton ZTR 2008, 184 ff).

Die Bezugnahme sowohl auf "Klinik" wie auf "Abteilung" verdeutlicht weiter, dass auch abteilungsübergreifende selbständige Teilbereiche die Voraussetzungen von § 3 der Anlage 8a AVR erfüllen können. Was eine Klinik im Sinne von § 3 der Anlage 8a AVR ist, definieren die AVR nicht. Nach allgemeiner Definition ist eine Klinik ein Krankenhaus (Pschyrembel Klinisches Wörterbuch 260 Aufl.; nach Ableitung aus dem Griechischen "kline" eher Bettenhaus). Es hängt deshalb alleine von der Organisation der Klinik ab, ob lediglich eine Fachabteilung oder - bei kleineren Krankenhäusern - mehrere Fachabteilungen gebildet sind. Sind in einer Klinik mehrere Fachabteilungen gebildet, können abteilungsübergreifende - interdisziplinäre - Bereiche selbständige Teilbereiche der Klinik nach § 3 Anlage 8a AVR sein.

cc) Ein Teilbereich liegt immer dann vor, wenn eine organisatorische Untergliederung einer Gesamteinheit (nicht notwendig einer Abteilung) durch zugewiesene räumliche, personelle und sachliche Ausstattung festgestellt werden kann (so auch LAG Sachsen, Urteil vom 04.06.2008 - 9 Sa 658/07 -; LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 01.04.2009 - 9 Sa 66/08 -). Selbständig ist der Teilbereich dann, wenn er innerhalb der Abteilung bzw. der Klinik organisatorisch abgrenzbar ist und eine gewisse Unabhängigkeit von anderen Teilbereichen hat. Die Unabhängigkeit kann dabei durch eine eigene Funktionalität aber auch durch eine eigene Leitungsfunktion in Bezug auf die Aufgaben des Teilbereiches erzeugt werden (LAG Baden-Württemberg a. a. O. Rn. 47).

dd). Die Beklagte hat sich dem Kläger gegenüber nach § 1 des Nebentätigkeitsvertrags vom 09.08.2001 verpflichtet, Räume und Einrichtungen zur Verfügung zu stellen. Für diese Räume schuldet der Kläger der Beklagten nach § 2 des Vertrages ein Nutzungsentgelt. Die Schmerztherapie ist vertragsgemäß in separaten Räumen untergebracht und ermöglicht die Behandlung in eigenen dafür vorgesehenen Behandlungszimmern. Die Schmerztherapie verfügt über Arzthelferinnen, die die Terminkoordination wahrnehmen und ggf. bei der Behandlung assistieren; insoweit schuldet der Kläger die Erstattung der Personalkosten. Die Schmerztherapie verfügt durch die Behandlungsform über eine eigene interdisziplinäre abteilungsübergreifende Funktionalität, die sie von anderen Fachgebieten bzw. Abteilungen abgrenzt. Schließlich streitet für das Vorliegen eines selbständigen Teilbereichs die Finanzierung; diese vollzieht sich überwiegend über die kassenärztliche Versorgung und nicht über die stationäre Behandlung.

ee). Dass bis zum 31.03.2009 die TCM dort mitangesiedelt war, steht der Annahme eines selbständigen Teilbereichs nicht entgegen. Der Kläger ist ausschließlich für die Schmerztherapie zuständig; ihm untersteht dieser Bereich als allein dort praktizierender Arzt, während die Behandlung in der TCM bis zum 31.03.2009 von zwei weiteren Ärzten wahrgenommen wurde. Dass beide Bereiche über eine gemeinsame Terminsverwaltung miteinander verzahnt waren, ist demgegenüber nicht erheblich.

3. Der geltend gemachte Anspruch besteht jedoch deshalb nicht, weil dem Kläger nicht die medizinische Verantwortung für einen selbständigen Teilbereich ausdrücklich übertragen worden ist.

a). Dem Kläger obliegt nicht die notwendige medizinische Verantwortung im Sinne von § 3 Anlage 8a AVR. Nach Auffassung der Kammer setzt ein Vergütungsanspruch aus dieser Bestimmung voraus, dass sich die übertragene medizinische Verantwortung auf fremdes fachärztliches Tun bezieht (vgl. LAG Düsseldorf, 24.04.2008 - 13 Sa 1910/07 - zu § 16 TV Ärzte - VKA; einschränkend LAG Baden-Württemberg 01.04.2009 - 9 Sa 66/08 - zu § 16 TV Ärzte/VKA). Dies ergibt die systematische Auslegung der Entgeltstruktur der AVR. Der Kläger wird vergütet aus der Entgeltgruppe E13 der Anlage 1 AVR (Mitarbeiter mit Tätigkeiten, die vertiefte oder erweiterte wissenschaftliche Kenntnisse und Methodenkompetenz voraussetzen). Dazu gehören u.a. "Mitarbeiter mit schwierigen und komplexen verantwortlich wahrzunehmenden Aufgaben und Leitungsaufgaben, die ein wissenschaftliches Hochschulstudium und in der Regel eine zusätzliche Qualifikation voraussetzen". Als Richtbeispiel wird der Facharzt mit abgeschlossener Facharztweiterbildung genannt. Dies zeigt, dass die verantwortlich wahrzunehmende Facharzttätigkeit, die die ärztliche Verantwortung für das eigene fachärztliche Handeln beinhaltet, nach der Systematik der AVR nach E13 vergütet werden soll. Sieht § 3 der Anlage 8 a AVR eine höhere Vergütung bei Übertragung von medizinischer Verantwortung vor, so muss diese Verantwortung nach der Systematik der AVR weitergehend sein als im Rahmen des eigenen fachärztlichen Handelns; es muss sich aber nach wie vor um eine "medizinische" Verantwortung handeln. Daraus ergibt sich, dass nur die medizinische Verantwortung für nachgeordnete Ärzte den höheren Vergütungsanspruch auslösen kann (LAG Düsseldorf, 24.04.2008 - 13 Sa 1910/07 -; LAG Rheinland-Pfalz 26.08.2008 - 3 Sa 768/07 -), nicht aber eine rein organisatorische Leitungsfunktion. Eine medizinische Verantwortung in diesem Sinne ist dem Kläger unstreitig nicht übertragen worden, da keine weiteren Ärzte in der Schmerztherapie tätig sind, für die er die medizinische Gesamtverantwortung tragen könnte.

b). Entgegen der Auffassung des Klägers ergibt sich aus der Ermächtigung zur Teilnahme an der kassenärztlichen Versorgung nicht, dass dem Kläger eine besondere medizinische Verantwortung i. S. von § 3 der Anlage 8 a zu den AVR übertragen worden ist. Die Ermächtigung zur Teilnahme an der kassenärztlichen Versorgung berechtigt den Kläger, eigene (kassen-)ärztliche Leistungen gegenüber ambulanten Patienten zu erbringen. Sie erweitert somit lediglich den Kreis der vom Kläger eigenverantwortlich fachärztlich zu behandelnden Patienten, ohne zusätzliche medizinische Verantwortung in dem dargestellten Sinn zu übertragen.

c). Unabhängig davon fehlt es auch an einer ausdrücklichen Übertragung durch den Dienstgeber. Nach ständiger Rechtsprechung des BAG zum Begriff der "ausdrücklichen Anordnung" im BAT bedarf es der ausdrücklichen Anordnung durch das zuständige Organ des jeweiligen Arbeitgebers (BAG 25.02.1987 - 4 AZR 217/86 -; 25.10.1995 - 4 AZR 479/94 -). Zwar hat die Beklagte bei der Beantragung der Ermächtigung zur Teilnahme an der kassenärztlichen Versorgung mitgewirkt. Dieser Beitrag beschränkte sich aber darauf, die notwendigen Voraussetzungen für die Teilnahme an der kassenärztlichen Versorgung zu schaffen. Eine darüber hinausgehende ausdrückliche Übertragung von medizinischer Verantwortung für fremdes fachärztliches Tun war damit nicht verbunden.

Die Berufung des Klägers war deshalb mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Zulassung der Revision folgt aus § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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