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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 18.12.2001
Aktenzeichen: 12 Sa 694/01
Rechtsgebiete: MAVO


Vorschriften:

MAVO § 3
MAVO § 31
Zur Unwirksamkeit der Kündigung eines Leitenden Arztes im Krankenhaus einer kirchlichen Stiftung mangels Beteiligung der Mitarbeitervertretung, da eine wirksame Exemtion (Herausnahmeentscheidung) nicht vorliegt.
Landesarbeitsgericht Niedersachsen

12 Sa 694/01

Verkündet am: 18. Dezember 2001

URTEIL IM NAMEN DES VOLKES

In dem Rechtsstreit

hat die 12. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 18.12.2001 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Röder und die ehrenamtlichen Richter Lerch und Duda

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 21. Februar 2001 abgeändert. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die mit Datum vom 29. August 2000 ausgesprochene fristlose Kündigung aufgelöst worden ist, sondern weiterhin fortbesteht.

Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger zu den bisherigen Bedingungen als Leitenden Arzt für Orthopädie bei ihr bis zum rechtskräftigen Abschluss dieses Verfahrens vorläufig weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte wird verurteilt, die am 29. August 2000 und am 07. September 2000 von ihr ausgesprochenen Hausverbote aufzuheben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Streitwert: unverändert.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung sowie die Verpflichtung der Beklagten, den Kläger weiterzubeschäftigen und die Aufhebung von Hausverboten.

Die Beklagte ist eine kirchliche Stiftung des bürgerlichen Rechts und beschäftigt ca. 700 Arbeitnehmer. Der am 09.01.1944 geborene Kläger ist seit dem 01.10.1985 in dem von der Beklagten betriebenen in Oldenburg aufgrund Dienstvertrages vom 17.08.1985 (Fotokopien Bl. 5 - 22 d. A.) als Leitender Arzt der Abteilung für Orthopädie tätig. Er erzielte zuletzt ein jährliches Gesamteinkommen von etwa 900.000,00 DM.

Mit Schreiben vom 29.08.2000 (Fotokopie Bl. 23 d. A.), dem Kläger zugegangen am 01.09.2000, kündigte die Beklagte das Dienstverhältnis fristlos. Darüber hinaus sprach sie gegenüber dem Kläger am 29.08.2000 und 07.09.2000 Hausverbote aus.

Bei der Beklagten besteht eine Mitarbeitervertretung gemäß der Mitarbeitervertretungs-Ordnung (MAVO). Die streitbefangene Kündigung erfolgte ohne Beteiligung der Mitarbeitervertretung.

Mit seiner am 08.09.2000 beim Arbeitsgericht Oldenburg eingegangenen Klage wendet sich der Kläger gegen die fristlose Kündigung und begehrt seine Weiterbeschäftigung. Des weiteren verlangt er die Aufhebung der Hausverbote.

Der Kläger hat das Vorliegen von Kündigungsgründen bestritten und im übrigen gemeint, die Wirksamkeit der Kündigung scheitere bereits an der fehlenden Beteiligung der Mitarbeitervertretung, denn er sei kein Mitarbeiter in leitender Stellung und außerdem nicht wirksam aus dem Kreis der Arbeitnehmer, für die die MAVO gelte, herausgenommen.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die mit Datum vom 29. August 2000 ausgesprochene, fristlose Kündigung aufgelöst wird, sondern weiterhin fortbesteht.

2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger zu den bisherigen Bedingungen als Leitenden Arzt für Orthopädie bei der Beklagten weiterzubeschäftigen,

3. die Beklagte zu verurteilen, die am 29. August 2000 und 07. September 2000 von der Beklagten ausgesprochenen Hausverbote aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei als sogenannte Druckkündigung gerechtfertigt. Im übrigen lägen auch personenbedingte Gründe (insbesondere autoritärer Führungsstil und mangelhafte Führungsqualitäten) für die Kündigung des Klägers vor. Die Beklagte hat ferner gemeint, die Anhörung der bei ihr bestehenden Mitarbeitervertretung sei vor Ausspruch der Kündigung nicht erforderlich gewesen, denn der Kläger sei als Mitarbeiter in leitender Stellung gemäß § 3 Abs. 2 MAVO vom Anwendungsbereich der MAVO ausgeschlossen.

Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den ausführlichen Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 633 R - 638 d.A.), die erstinstanzlichen Sitzungsniederschriften sowie den Inhalt der zu den Akten erster Instanz gelangten Schriftsätze der Parteien nebst deren Anlagen verwiesen.

Das Arbeitsgericht Oldenburg hat nach Beweisaufnahme (vgl. die Sitzungsniederschriften 1. Instanz vom 24.01.2001 (Bl. 511 - 530 R. d. A.) und 21.02.2001 (Bl. 593 - 602 R. d. A.) durch das am 21.02.2001 verkündete, hiermit in Bezug genommene Urteil (Bl. 633 - 657 d. A.) die Klage kostenpflichtig abgewiesen und den Streitwert auf 301.000,00 DM festgesetzt. Es hat angenommen, die Klage sei unbegründet, denn das Arbeitsverhältnis der Parteien sei durch die fristlose Kündigung vom 29.08.2000 mit sofortiger Wirkung aufgelöst worden. Die Kündigung sei nicht wegen fehlender Beteiligung der Mitarbeitervertretung unwirksam, denn beim Kläger handele es sich um einen vom Anwendungsbereich der MAVO ausgenommenen Mitarbeiter. Als Leiter der Chirurgie habe der Kläger eine leitende Stellung inne, die seine Herausnahme aus dem persönlichen Geltungsbereich der MAVO durch den Dienstgeber zulasse. Die Beklagte habe auch dies Entscheidung getroffen, Chefärzte als leitende Mitarbeiter anzusehen, und damit der Anwendbarkeit der MAVO zu entziehen. Die interne Exemtionsentscheidung habe die Beklagte auch nach außen hin manifestiert. Im übrigen sei auch davon auszugehen, dass der Kläger sich selbst im Einklang mit der von der Beklagten getroffenen Entscheidung als einen aufgrund seiner Chefarztfunktion von der Geltung der MAVO ausgenommenen Mitarbeiter angesehen habe oder jedenfalls nichts gegen eine solche Zuordnung unternommen habe. Es verstoße gegen Treu und Glauben, wenn er nunmehr die fehlende Mitteilung der Herausnahmeentscheidung moniere. Die Exemtionsentscheidung habe auch keiner Genehmigung bedurft, da die Beklagte als Stiftung des Bürgerlichen Rechts nicht der Kirchenaufsicht unterliege.

Die Kündigung sei auch nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme als Druckkündigung aufgrund personen- und verhaltensbedingter Gründe gerechtfertigt. Einer Abmahnung habe es nicht bedurft, da das Fehlverhalten des Klägers den Vertrauensbereich betreffe. Auch sei die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB von der Beklagten eingehalten worden. Schließlich könne auch eine Interessenabwägung nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung führen. Da das Arbeitsverhältnis durch die fristlose Kündigung mit sofortiger Wirkung aufgelöst worden sei, habe der Kläger auch keinen Anspruch auf Weiterbeschäftigung. Schließlich habe er auch keinen Anspruch auf Aufhebung der Hausverbote.

Gegen das ihm am 17.04.2001 zugestellte Urteil hat der Kläger am 14.05.2001 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 16.07.2001 am 12.07.2001 begründet.

Er macht insbesondere geltend:

Die streitbefangene Kündigung sei bereits nach § 31 Abs. 3 MAVO unwirksam, denn das Arbeitsgericht habe zu Unrecht gemeint, der Kläger sei aus dem Geltungsbereich der MAVO als Mitarbeiter in leitender Stellung ausgegrenzt. Es fehle nämlich bereits an einer wirksamen Ausgrenzungsentscheidung der Beklagten als Dienstgeberin. Das Arbeitsgericht habe die Behauptung nicht belegen können, dass die Beklagte die entsprechende Exemtionsentscheidung getroffen habe. Dies folge insbesondere nicht aus der Dienstordnung vom 27.01.1972. Des weiteren ergebe sich keine Exemtionsentscheidung aus der Korrespondenz zwischen dem in und dem aus dem Jahre 1978. Fehle es bereits an einer Exemtionsentscheidung der Beklagten, so könne diese sich auch nicht manifestiert haben. Auch könne dem Kläger nicht als Verstoß gegen Treu und Glauben angelastet werden, dass er im vorliegenden Verfahren die unterbliebende Ausgrenzungsentscheidung aus dem Geltungsbereich der MAVO und die fehlende Mitteilung einer solchen Herausnahmeentscheidung moniere. Selbst wenn man eine Exemtionsentscheidung der Beklagten annehmen wolle, sei diese entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts Oldenburg unwirksam, denn sie bedürfe der Genehmigung des, welche nicht vorliege.

Die Kündigung sei auch nicht im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB gerechtfertigt. Das Arbeitsgericht habe die Voraussetzungen einer Druckkündigung fehlerhaft angenommen. Im übrigen könne sich die Beklagte auf eine Drucksituation rechtlich schon deswegen nicht berufen, weil sie diese selbst in vorwerfbarer Weise herbeigeführt habe. Auch sei durch die Beweisaufnahme die ernsthafte Androhung von Nachteilen für die Beklagte nicht bewiesen worden. Die Voraussetzungen einer "betriebsbedingten" Druckkündigung lägen deshalb nicht vor.

Die Kündigung sei aber auch weder aufgrund personen- noch verhaltensbedingter Gründe gerechtfertigt. Selbst wenn man ein kündigungsrelevantes Verhalten des Klägers annehmen wolle, sei die Kündigung wegen fehlender vorheriger Abmahnung unwirksam. Im übrigen sei auch die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten worden. Die schließlich vorzunehmende umfassende Interessenabwägung ergebe ferner, dass die Kündigung vom 29.08.2000 das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger nicht beendet habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens des Klägers wird auf seine Schriftsätze vom 12.07.2001 (Bl. 769 - 811 d. A. nebst Anlagen Bl. 812 - 844 d. A.) und 06.12.2001 (Bl. 920 - 939 d. A. nebst Anlagen Bl. 940 - 945 d. A.) verwiesen.

Der Kläger beantragt,

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 21.02.2001 wird abgeändert und festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die mit Datum vom 29. August 2000 ausgesprochene, fristlose Kündigung aufgelöst worden ist, sondern weiterhin fortbesteht.

2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger zu den bisherigen Bedingungen als Leitenden Arzt für Orthopädie bei der Beklagten bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens vorläufig weiter zu beschäftigen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, die am 29. Augugst 2000 und am 07. September 2000 von der Beklagten ausgesprochenen Hausverbote aufzuheben.

4. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihrer Schriftsätze vom 06.09.2001 (Bl. 872 - 891 d. A. nebst Anlagen Bl. 892, 893 d. A.) und 17.12.2001 (Bl. 954 - 957 d. A. nebst Anlagen Bl. 958 - 960 d. A.). Hinsichtlich der Beteiligung der Mitarbeitervertretung macht sie insbesondere geltend, sie habe sehr wohl entschieden, sowohl Chefärzte als auch Oberärzte aus dem Geltungsbereich der MAVO herauszunehmen. Daß Mitarbeiter wie der Kläger nicht zu den unter die MAVO fallenden Mitarbeitern zählten, sei selbstverständlich und habe auch zum Selbstverständnis der leitenden Ärzte der Beklagten gehört. Die Exemtionsentscheidung sei auch bei jeder Wahl der Mitarbeitervertretung bestätig worden. Im übrigen bedürfe sie keiner bestimmten Form.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Die fristlose Kündigung ist unwirksam, was zur Folge hat, dass auch dem Kläger ein Weiterbeschäftigungsanspruch zusteht und ein Hausverbot ihm gegenüber nicht ausgesprochen werden darf.

Die gegenüber dem Kläger ausgesprochene fristlose Kündigung ist schon deshalb gemäß § 31 Abs. 3 MAVO unwirksam, weil die bei der Beklagten bestehende Mitarbeitervertretung nicht beteiligt worden ist.

Macht ein kirchlicher Arbeitnehmer geltend, eine Kündigung des kirchlichen Arbeitgebers sei unwirksam, weil er die kirchliche Mitarbeitervertretung nicht ordnungsgemäß beteiligt habe, so haben die Arbeitsgerichte auch dies zu überprüfen (vgl. etwa BAG NZA 93, 593 ff.; NZA 95, 1197 ff.). Wie das Arbeitsgericht auf Seite 12 des angefochtenen Urteils dargelegt hat - und was zwischen den Parteien auch nicht streitig ist - unterfällt das von der Beklagten betriebene in, an dem der Kläger tätig ist, dem sachlichen und räumlichen Anwendungsbereich der Mitarbeitervertretungs-Ordnung für das Gemäß § 31 Abs. 1 MAVO ist der Mitarbeitervertretung vor einer außerordentlichen Kündigung nach Ablauf der Probezeit durch den Dienstgeber schriftlich die Absicht der Kündigung mitzuteilen. Wird dies Verfahren nicht eingehalten, so ist die Kündigung gemäß § 31 Abs. 3 MAVO unwirksam. Unstreitig hat die Beklagte das in § 31 MAVO vorgesehene Anhörungs- und Mitberatungsverfahren bei außerordentlicher Kündigung nach Ablauf der Probezeit nicht eingeleitet. Die streitbefangene Kündigung kann deshalb nur dann Wirksamkeit entfalten, wenn es sich beim Kläger um einen vom Anwendungsbereich der MAVO für das Bistum Münster ausgenommenen Mitarbeiter handelt. Die Ausgrenzung von Mitarbeitern aus der MAVO bestimmt sich nach § 3 Abs. 2 MAVO. Wie das Arbeitsgericht, dem die Kammer insoweit folgt, zutreffend ausgeführt hat (Bl. 13 und 14 des angefochtenen Urteils) handelt es sich beim Kläger um einen sonstigen Mitarbeiter in leitender Stellung gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 4. MAVO.

Die diesbezüglichen Erwägungen stellt der Kläger mit seiner Berufung auch nicht in Frage. Dem Arbeitsgericht kann jedoch nicht gefolgt werden, wenn es angenommen hat, vorliegend sei eine Exemtion des Klägers aus dem Anwendungsbereich der MAVO im Bistum Münster als Mitarbeiter in leitender Stellung durch Entscheidung des Dienstgebers gegeben. Zwar ist die Bekanntgabe an den betroffenen Mitarbeiter keine Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Exemtion (vgl. BAG NZA 95, 1197 ff.), zu fordern ist aber auf jeden Fall eine Exemtionsentscheidung. Ob eine interne Exemtionsentscheidung des Dienstgebers zumindest manifest geworden sein muss, kann hier offenbleiben, denn die Beklagte hat - worauf der Kläger mit Recht hinweist - nicht substantiiert dargelegt, dass überhaupt hinsichtlich seiner Person oder auch nur in Bezug auf die Chefärzte überhaupt eine Exemtion vorgenommen worden ist. Es fehlt insoweit an einer substantiierten und nachvollziehbaren Darlegung der Exemtion. Wie sich aus § 3 Abs. 2 Satz 2 MAVO ergibt, trifft die Entscheidung über die Ausgrenzung von Mitarbeitern in leitender Stellung der Dienstgeber. Dienstgeber ist gemäß § 2 Abs. 1 MAVO der Rechtsträger der Einrichtung. Für diesen handelt dessen vertretungsberechtigtes Organ oder die von ihm bestellte Leitung. Rechtsträger der Einrichtung des und damit Dienstgeber ist die beklagte Stiftung. Deren vertretungsberechtigtes Organ im Sinne von § 2 Abs. 2 MAVO ist das Kuratorium. Hieraus ergibt sich, dass die Exemtionsentscheidung durch das Kuratorium oder die von ihm bestellte Leitung getroffen worden sein muss. Dem Vortrag der Beklagten ist aber nicht zu entnehmen, wann, durch wen und wo die Exemtionsentscheidung getroffen worden sein soll. Der Vortrag der Beklagten, nach ihrer Bestimmung hätten alle Oberärzte und Chefärzte den Status von Mitarbeitern in leitender Stellung im Sinne der MAVO und entsprechend werde seit Jahrzehnten verfahren, belegt nicht die grundsätzlich getroffene Exemtionsentscheidung. Dies ist lediglich ein Indiz, genügt aber nicht zum Beweis dafür, dass eine Exemtionsentscheidung überhaupt und in welchem Umfang getroffen worden ist. Das gleiche gilt auch zum Vortrag der Beklagten, es bestehe zwischen ihr und der Mitarbeitervertretung seit jeher Einvernehmen, dass die Chefärzte als Mitarbeiter in leitender Stellung nicht dem Geltungsbereich der MAVO unterlägen. Dass der Kläger in den Listen der Mitarbeiter zur Erstellung des Wählerverzeichnisses, die dem Wahlausschuss jeweils zugeleitet worden sind, als leitender Mitarbeiter im Sinne von § 3 Abs. 2 MAVO gekennzeichnet worden ist, belegt auch nicht mittelbar die Exemtionsentscheidung, denn es ist nicht ersichtlich, dass diese Entscheidung durch das vertretungsberechtigte Organ oder die von ihm bestellte Leitung getroffen worden ist. Nur wenn sich das Kuratorium der Beklagten oder eine von ihm bestellte Leitung mit der Erstellung der Wählerverzeichnisse selbst befasst hätte, könnte man darin auch mittelbar eine Exemtionsentscheidung sehen. Die von der Beklagten vorgelegte Dienstordnung vom 27.01.1972 ist ebenfalls nicht geeignet, als Grundlage einer Ausgrenzungsentscheidung des Dienstgebers zu dienen. Dies folgt bereits aus dem Umstand, dass es im Jahre 1972 noch keine MAVO gab und demzufolge auch noch keine bewußte Exemtionsentscheidung getroffen werden konnte. Auch aus dem Briefwechsel im Jahre 1978 zwischen der Beklagten und dem in läßt sich nicht eindeutig eine Exemtionsentscheidung herleiten. Das Schreiben der Beklagten vom 12.06.1978 stellt lediglich die Rechtsauffassung der "Verwaltung" dar und belegt nicht konkret eine vom zuständigen Organ der Beklagten getroffene Exemtionsentscheidung hinsichtlich der Chefärzte und leitenden Fachärzte.

Auch wenn die MAVO in § 3 Abs. 2 Satz 2 dem Dienstgeber die generelle Entscheidung darüber einräumt, wer sonstiger Mitarbeiter in leitender Stellung (§ 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 MAVO) ist, so kann doch nicht darauf verzichtet werden, dass eindeutig feststellbar ist, wann genau und durch wen eine derartige Entscheidung getroffen worden ist. Dies läßt sich im Streitfall nicht feststellen, da die insoweit darlegungs- und beweispflichtige Beklagte keine hinreichenden Tatsachen für die genaue Exemtionsentscheidung, sei es generell für alle Chefärzte, sei es speziell für den Kläger, vorgetragen hat. Es besteht auch keine Veranlassung, den Geschäftsführer als Partei "zur Bestätigung der Ausgrenzungsentscheidung nach § 3 MAVO betreffend die Chefärzte" zu vernehmen. Mangels substantiierten Vortrags hätte sich eine derartige Vernehmung als unzulässiger Ausforschungsbeweis erwiesen.

Nach alledem muss davon ausgegangen werden, dass die streitbefangene fristlose Kündigung bereits mangels Beteiligung der Mitarbeitervertretung gemäß § 31 Abs. 3 MAVO formell unwirksam ist. Dies hat zur Folge, dass die Beklagte zur Weiterbeschäftigung des Klägers verpflichtet ist (vgl. BAG NJW 85, 2968) und demgemäß auch die ausgesprochenen Hausverbote keinen Bestand mehr haben können.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Zulassung der Revision folgt aus § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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