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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 17.09.2002
Aktenzeichen: 13 Sa 605/02
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 611
BGB § 613 a
ZPO § 256
1. Das Feststellungsinteresse für eine Statusklage entfällt nicht bei einem Betriebsinhaberwechsel gemäß § 613 a BGB nach Rechtshängigkeit.

2. Zur Arbeitnehmereigenschaft von Dozenten an einer staatlich anerkannten privaten Schule für Physiotherapie und Massage, die vergleichbar einer Lehrkraft an allgemein bildenden Schulen in die Unterrichtsorganisation eingebunden sind.


Landesarbeitsgericht Niedersachsen IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

13 Sa 605/02

Verkündet am: 17.09.2002

In dem Rechtsstreit

hat die 13. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 17.09.2002 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Rosenkötter und die ehrenamtlichen Richter Henschel und Weisweber

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 07.03.2002, 4 Ca 229/01, abgeändert.

Es wird festgestellt, dass zwischen den Parteien mindestens seit dem 01.01.1995 bis zum 28.02.2002 ein Arbeitsverhältnis bestanden hat.

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis über den 01.04.2001 hinausgehend mit einer Arbeitszeit von mindestens 20 Unterrichtsstunden wöchentlich bezogen auf 42 Unterrichtswochen im Jahr bis zum 28.02.2002 fortbestanden hat.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Der Wert des erstinstanzlichen Verfahrens und des Berufungsverfahrens bis teilweiser Erledigung der Hauptsache am 17.09.2002 wird auf 7.976,15 € festgesetzt, der Wert des weiteren Berufungsverfahrens auf 5.982,12 €.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beklagte ist Träger einer Vielzahl von privaten Schulen. U.a. betrieb sie bis zum 28.02.2002 in B und H Schulen für Physiotherapie und Massage. Diese Schulen für Physiotherapie und Massage sind mit Wirkung vom 01.03.2002 auf eine neu gegründete GmbH übertragen worden.

Der Kläger, ausgebildeter Masseur und medizinischer Bademeister, ist seit

dem 01.12.1986 als Lehrkraft an der Schule in F tätig, und zwar als Honorarkraft für zuletzt 40,-- DM Vergütung pro Unterrichtsstunde. Der Kläger vertritt die Auffassung, dass er als Arbeitnehmer für die Beklagte tätig war und begehrt die Feststellungen, dass mindestens seit dem 01.01.1995 zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis bestanden hat und dass das Arbeitsverhältnis über den 01.04.2001 hinaus mit einer Arbeitszeit von 20 Unterrichtsstunden bestanden hat.

Die letzte schriftliche Vereinbarung der Parteien datiert auf den 01.10.1990 (Bl. 79 d.A.) und bestimmt u.a.:

"1. Die Einstellung erfolgt als Lehrer (Honorarkraft) ab 01.10.90 für die Fächer in der Fachschule für Massage. Er verpflichtet sich, die mit ihm bis zu einer Höchststundenzahl von 20 Wochenstunden jeweils vereinbarten Stunden nach bestem Können das ganze Schulhalbjahr hindurch zu erteilen, bei jedem(r) Schüler(in) aufgrund der vorgeschriebenen Anzahl von Klassenarbeiten zu einer gerechten Gesamtnote zu kommen und den vorgeschriebenen Lehrstoff den Schüler(innen) im Unterricht zu vermitteln.

2. Er verpflichtet sich, über alle Dinge, die er aufgrund der Tätigkeit an der Schule erfährt, Stillschweigen gegenüber Dritten zu bewahren, die Interessen der Schule wahrzunehmen und sich den Weisungen der Schulleitung zu fügen."

Grundlage der Ausbildung in den Fächern Physiotherapie und Massage sind das Gesetz über die Berufe in der Physiotherapie vom 26.05.1994 (BGBL I 1994, S. 1084) und die darauf basierenden Verordnungen über Ausbildung und Prüfung vom 06.12.1994 (BGBL I 1994, S. 3770 und 3786). Masseure und medizinische Bademeister erhalten eine zweijährige Ausbildung an staatlich anerkannten Schulen, die mit einer staatlichen Prüfung abschließt und an die sich ein 6-monatiges Praktikum anschließt. Die Ausbildung zum Physiotherapeuten umfasst einen dreijährigen Lehrgang an staatlich anerkannten Schulen, in den die praktische Ausbildung integriert ist. Zum Abschluss erfolgt eine staatliche Prüfung.

Die Schulen der Beklagten für Physiotherapie und Massage waren staatlich anerkannt. Es handelt sich gemäß § 1 Abs. 5 Nds. Schulgesetz nicht um Schulen im Sinne des Schulgesetzes, die der staatlichen Schulaufsicht unterliegen. Genehmigung und Aufsicht erfolgt durch die Gesundheitsverwaltung.

Die Beklagte beschäftigte an diesen Schulen neben angestellten Lehrkräften selbständig tätige Honorarkräfte. Für den Ausbildungsgang Physiotherapie waren z.B. in H angestellte Lehrer eingesetzt. Pur angestellte Vollzeitkräfte bestand eine Unterrichtsverpflichtung von 30 Stunden pro Woche.

Honorarkräfte reichten vor Beginn einer Unterrichtsperiode Unterrichtsund Zeitwünsche nach Formular ein. Zum einen waren in diesem Formular die gewünschten Klassen anzugeben. Zum anderen waren die gewünschten Unterrichtszeiten anzugeben nach folgenden Kategorien: Gewünschte Unterrichtsstunden waren mit einem X zu kennzeichnen, Unterrichtsstunden, die unter keinen Umständen gegeben werden sollten, waren zu streichen, Unterrichtszeiten, die ersatzweise zur Verfügung standen, waren frei zu lassen. Die Beklagte erstellte sodann auf der Basis dieser Unterrichtswünsche einen verbindlichen Stundenplan. Wegen der Formulargestaltung für Unterrichts- und Zeitwünsche wird Bezug genommen auf das Formular Anlage K8 zum Klägerschriftsatz vom 28.08.2002, Bl. 182 d.A..

Bei der Beklagten war ein Informationshandbuch für hauptberufliche Lehrkräfte und Honorarkräfte eingeführt, in dem u.a. Lehrinhalte, Unterrichtsmaterialen, Pflichtklausuren und Bewertungskriterien geregelt sind. Auf den Inhalt des Informationshandbuchs, Bl. 47 ff. d.A., wird Bezug genommen. Die Regelungen im Informationshandbuch waren verbindlich für die Schulen der Beklagten, die unter das Schulgesetz fallen und der staatlichen Schulaufsicht unterliegen. Verbindlichkeit für die Schulen für Physiotherapie und Massage bestand nicht. In dem vom Kläger vorgelegten Schreiben der Bezirksregierung H vom 23.07.2002 (Bl. 177 d.A.) heißt es zu Leistungskontrollen etwa in Form von Klausuren, dass diese für wünschenswert und geboten gehalten werden, eine Verpflichtung dazu aber nicht bestehe. Von den Dozenten werden teilweise Klausuren geschrieben, teilweise nicht. Semesterzeugnisse wurden bis Ende 2000/Anfang 2001 erteilt, seitdem nicht mehr. Nach Angabe des Schulleiters der Beklagten im Termin zur Berufungsverhandlung werde derzeit überlegt, Semesterzeugnisse wieder einzuführen, dies scheitere aber wahrscheinlich daran, weil nicht alle Dozenten bereit seien, Zensuren zu geben und eine Verpflichtung zur Zensurengebung nicht bestehe. An der Schule wurden Konferenzen durchgeführt, zu denen auch der Kläger eingeladen wurde. Er ist auch seit Jahren als Prüfer in den staatlichen Prüfungen eingesetzt.

In den Jahren 1991 bis 2000 war der Kläger im Umfang zwischen 19,33 Unterrichtsstunden und 25,8 Unterrichtsstunden pro Woche eingesetzt. Auf die Aufstellung in der Berufungsbegründung, Bl. 146 d.A., wird Bezug genommen. Seit April 2001 wird der Kläger nur noch in reduziertem Umfang eingesetzt, ab 04.04.2001 mit 8 Stunden.

Der Kläger hat vorgetragen, er sei vergleichbar einem Lehrer an einer staatlichen Berufsschule in den Unterricht eingebunden und habe den Weisungen der Schulleitung Folge leisten müssen. Seine Wünsche zur Unterrichtsgestaltung seien zwar weitgehend berücksichtigt worden, dies sei allerdings nicht immer der Fall gewesen. Unterrichtsinhalte seien durch die Ausbildungs- und Prüfungsverordnungen detailliert geregelt, er habe an Konferenzen teilnehmen müssen und sei auch als Prüfer tätig geworden. Entsprechend dem bisherigen Einsatz bestehe damit ein Arbeitsverhältnis mit einer wöchentlichen Unterrichtsstundenzahl von 20 Stunden.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass zwischen den Parteien mindestens seit dem 01.01.1995 ein Arbeitsverhältnis besteht,

dass für das Arbeitsverhältnis über den 01.04.2001 hinausgehend eine Arbeitszeit von mindestens 20 Unterrichtsstunden wöchentlich, bezogen auf 42 Unterrichtsstunden im Jahr, gilt

sowie die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger im Umfang von 20 Unterrichtsstunden wöchentlich als Lehrkraft in den Fächern

Physiotherapie, Massage, Erste Hilfe, Hydrotherapie und/oder Bewegungstherapie an den Lehranstalten Physiotherapie und/oder Massage bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, der Kläger sei nur als Honorarkraft mit zeitlich beschränkter Lehrverpflichtung eingesetzt worden. Er sei nicht verpflichtet gewesen, eine bestimmte Mindeststundenzahl zu leisten und habe die Einsatzzeiten vorgeben können. Er sei damit freier Mitarbeiter gewesen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf Tenor und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen.

Der Kläger hat im Berufungsverfahren wegen des Betriebsübergangs zum 01.03.2002 die Feststellungsanträge auf den Zeitraum bis zum 28.02.2002 beschränkt und im Übrigen den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Die Beklagte hat der teilweisen Erledigungserklärung zugestimmt.

Der Kläger vertritt die Auffassung, er sei vergleichbar mit einer Lehrkraft an einer staatlichen Berufsschule oder einer Lehrkraft, die in Schulabschlusskursen an Volkshochschulen eingesetzt sei, als Arbeitnehmer zu bewerten. Durch die Ausbildungs- und Prüfungsverordnungen seien umfangreiche Lehrinhalte vorgegeben, die in mehrsemestriger Ausbildung zu vermitteln seien. Er sei in Stundenpläne eingebunden gewesen, habe an Konferenzen teilnehmen müssen, Klassenbücher führen müssen, habe an Prüfungen teilgenommen und auch an Konferenzen.

Der Kläger beantragt:

Unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Hannover

vom 07.03.2002 - 4 Ca 229/01 - wird

a) festgestellt, dass zwischen den Parteien mindestens seit dem 01.01.1995 bis zum 28.02.2002 ein Arbeitsverhältnis bestanden hat,

b) festgestellt, dass für das Arbeitsverhältnis über den 01.04.2001 hinausgehend mit einer Arbeitszeit von mindestens 20 Unterrichtsstunden wöchentlich, bezogen auf 42 Unterrichtsstunden im Jahr, bis zum 28.02.2002 fortbestanden hat.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt vor, eine Verpflichtung, Klausuren zu schreiben, habe nicht bestanden. Der Kläger sei auch nicht verpflichtet gewesen, an Konferenzen teilzunehmen. Verbindliche Lehrpläne hätten nicht bestanden. Abzustellen sei auf das Maß der persönlichen Abhängigkeit. Entsprechend sei der Kläger nur eingesetzt worden nach den Wünschen, die er zur Unterrichtszeit gemacht habe, nämlich ab 11:30 Uhr.

Ergänzend wird wegen des zweitinstanzlichen Parteivorbringens Bezug genommen auf die eingereichten Schriftsätze.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist statthaft, sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit insgesamt zulässig. Die Berufung ist begründet. Unter Berücksichtigung der teilweisen Erledigung der Hauptsache aufgrund des Betriebsüberganges war festzustellen, dass mindestens seit 1995 bis zum 28.02.2001 zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis bestanden hat und dass für das Arbeitsverhältnis eine Arbeitszeit von mindestens 20 Unterrichtsstunden wöchentlich bestanden hat.

1.

Für die beiden gestellten Feststellungsanträge besteht ein Feststellungsinteresse im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO. Macht der Kläger in einem fortbestehenden Vertragsverhältnis geltend, dass er Arbeitnehmer ist, erhebt er also eine Statusklage, so besteht nach ständiger Rechtsprechung des BAG ein Feststellungsinteresse. Ebenso ist ein Feststellungsinteresse zu bejahen, wenn der Vertragspartner einseitig die Arbeitszeit reduziert. Der zeitliche Umfang der geschuldeten Arbeitsleistung ist wesentlich für eine Vielzahl von Ansprüchen wie Beschäftigungsanspruch, Vergütungsanspruch, Entgeltfortzahlung und Urlaubsanspruch. Entsprechend ist eine Feststellungsklage zum Umfang der vertraglichen Arbeitszeit sinnvoll und zur Streitbereinigung erforderlich. Auch insoweit besteht deshalb grundsätzlich ein Feststellungsinteresse.

Das ursprünglich zu bejahende Feststellungsinteresse ist nicht dadurch weggefallen, dass ein eventuell bestehendes Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien zum 28.02.2002 beendet worden ist, weil zum 01.03.2002 ein Betriebsübergang stattgefunden hat. Das Interesse an der alsbaldigen Feststellung eines vergangenen Rechtsverhältnisses bedarf einer besonderen Begründung, es ist nur zu bejahen, wenn sich hieraus Folgen für Gegenwart oder Zukunft ergeben. Für eine Statusklage entfällt z.B. das Feststellungsinteresse, wenn das Arbeitsverhältnis unstreitig beendet ist und nur noch über Leistungsansprüche aus der Vergangenheit gestritten werden kann. Dies gilt jedenfalls dann, wenn das Rechtsverhältnis bereits vor der letzten mündlichen Verhandlung des Arbeitsgerichts beendet worden ist (BAG vom 03.03.1999, 5 AZR 275/98, NZA 1999, S. 669; BAG vom 20.07.2000, 6 AZR 13/99, juris).

Weil ein zwischen den Parteien bestehendes Arbeitsverhältnis unstreitig zum 28.02.2002 beendet worden ist, ist damit das Feststellungsinteresse des Klägers nicht entfallen. Die Beendigung ist eingetreten aufgrund eines Betriebsübergangs nach § 613 a BGB, der Kläger hat aber seine Tätigkeit bei dem Betriebsnachfolger fortgesetzt. Die Feststellungen zum Arbeitnehmerstatus und zum Inhalt des Arbeitsverhältnisses, nämlich zur wöchentlichen Arbeitszeit, sind damit nicht beschränkt auf die Vergangenheit, sondern wirken in das Vertragsverhältnis zum Betriebsnachfolger fort.

War der Kläger im Zeitpunkt des Betriebsüberganges Arbeitnehmer, ist das bestehende Arbeitsverhältnis gemäß § 613 a BGB auf den Betriebsnachfolger übergegangen. War er im Verhältnis zur Beklagten selbständige Honorarlehrkraft, ist ein Vertragsverhältnis nicht übergegangen, vielmehr ist der Kläger aufgrund neuer Honorarverträge beschäftigt. Die Statusfrage ist damit nicht allein vergangenheitsbezogen, sondern wegen § 613 a BGB wirkt die Bejahung des Arbeitnehmerstatusses fort in das Vertragsverhältnis zum Betriebsnachfolger. Bestand zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis, ist der Betriebsnachfolger an die entsprechende Feststellung gebunden und in das bestehende Arbeitsverhältnis eingetreten. Der Feststellungsantrag zum Arbeitnehmerstatus hat damit nicht nur Vergangenheitsbezug, sondern die Feststellung ist auch maßgebend für die Zukunft für das weiterbestehende Vertragsverhältnis mit dem Betriebsnachfolger.

Gleiches gilt auch für den Inhalt des Arbeitsvertrages. Bestand mit der Beklagten ein Arbeitsverhältnis mit einer Unterrichtsverpflichtung von 20 Unterrichtsstunden pro Woche, so ist ein Arbeitsvertrag mit diesem Inhalt auf den Betriebsnachfolger übergegangen. Auch die Feststellung zum Umfang der Arbeitszeit ist damit gegenwärtig und für die Zukunft von Bedeutung.

Hinzu kommt hier, dass der Betriebsübergang erst im Laufe des Berufungsverfahrens erfolgt ist, das Rechtsverhältnis zur Beklagten erst zweitinstanzlich beendet worden ist. Eine Ausdehnung des Rechtsstreits auf einen weiteren Beklagten erst in der Berufungsinstanz hat Ausnahmecharakter (BAG vom 27.01.2000, 8 AZR 106/99, juris). Weil der Betriebsnachfolger damit nicht ohne weiteres im Berufungsverfahren noch in den Rechtsstreit einbezogen werden kann, weil seine Einbeziehung erhebliche Verfahrensverzögerungen zur Folge haben kann, kann das ursprünglich begründete Feststellungsinteresse jedenfalls dann nicht entfallen, wenn die Beendigung des Vertragsverhältnisses durch Betriebsnachfolge während des Berufungsverfahrens erfolgt und das Vertragsverhältnis zum Betriebsnachfolger fortgesetzt wird. Im Ergebnis ist damit das Feststellungsinteresse für beide Anträge zu bejahen.

2.

Der Kläger war als Arbeitnehmer bei der Beklagten beschäftigt. Nach der Rechtsprechung des BAG ist für die Feststellung der Arbeitnehmereigenschaft maßgebend der Grad der persönlichen Abhängigkeit, insbesondere die Weisungsgebundenheit des Beschäftigten. Nicht entscheidend ist die Einordnung des Rechtsverhältnisses nach dem abgeschlossenen Vertrag, sondern der tatsächliche Geschäftsinhalt entsprechend den getroffenen Vereinbarungen und der praktischen Durchführung des Vertrages. Zu Lehrkräften außerhalb von Universitäten und Hochschulen ist entschieden, dass Lehrkräfte an allgemeinbildenden Schulen in der Regel Arbeitnehmer sind, und zwar aufgrund ihrer Einbindung in das Schulsystem. Der Unterricht an allgemeinbildenden Schulen wird durch Gesetze, Verordnungen und Verwaltungsvorschriften nach Inhalt, Art und Weise im Einzelnen geregelt. Er muss in seinen verschiedenen Fächern und Stufen aufeinander abgestimmt sein, die Lehrkräfte unterliegen einer verstärkten Aufsicht und Kontrolle. Dabei führt die Leistungskontrolle der Schüler auch zu Kontrollen der Unterrichtenden. Schließlich ergeben sich an allgemeinbildenden Schulen regelmäßig Nebenarbeiten wie Korrektur von schriftlichen Arbeiten, Beteiligung an Prüfungen, Teilnahme an Konferenzen, Sprechstunden u.a.. Die dadurch bestimmte Arbeitsorganisation und die Eingliederung der Schulkräfte bedingt die Arbeitnehmereigenschaft. Entsprechend hat das BAG auch Lehrkräfte, die etwa an Volkshochschulen in schulischen Kursen des zweiten Bildungsweges eingesetzt sind, aufgrund typisierender Betrachtungsweise als Arbeitnehmer bewertet. Es geht von einer vergleichbaren Einbindung in die Unterrichtsorganisation wie bei Lehrkräften an allgemeinbildenden Schulen aus. Musikschullehrer oder Dozenten an Volkshochschulen, die außerhalb schulischer Lehrgänge tätig sind, können dagegen bei entsprechender Vertragsgestaltung und Vertragsdurchführung auch außerhalb eines Arbeitsverhältnisses als Selbständige tätig sein (BAG vom 12.09.1996, 5 AZR 104/95, NZA 1997, S. 600; BAG vom 19.11.1997, 5 AZR 21/97, NZA 1998, S. 595; BAG vom 11.10.2000, 5 AZR 289/99, juris; BAG vom 29.05.2002, 5 AZR 161/01).

Im Urteil vom 13.11.1991 (7 AZR 31/91, AP Nr. 60 zu § 611 BGB Abhängigkeit) hat der 7. Senat des BAG schwerpunktmäßig für die Abgrenzung Arbeitnehmer/Selbständiger abgestellt auf die Bestimmung der Arbeitszeit. Der Senat hat darauf abgestellt, ob die Lage der Arbeitszeit aufgrund vertraglicher Vereinbarung bestimmt wurde oder ob die Unterrichtsstunden durch Stundenplangestaltung festgelegt wurden. Im Urteil vom 12.09.1996 (a.a.O.) ist zur Lage der Arbeitszeit ausgeführt, dass die Berücksichtigung von Wünschen für die Arbeitszeit gerade bei Teilzeitbeschäftigten nicht maßgebend sei, entscheidend sei die Gestaltung der Arbeitszeit durch einseitig vorgegebene Stundenpläne. Dies gelte auch dann, wenn die Wünsche der Arbeitnehmer berücksichtigt seien.

Für das vorliegende Vertragsverhältnis bestehen in einem Umfang Vorgaben, die die Bewertung des Vertragsverhältnisses als Arbeitsverhältnis rechtfertigen, der Kläger war Arbeitnehmer. Durch die Ausbildungs- und Prüfungsverordnungen sind in den Anlagen detaillierte Aufstellungen über Unterrichtsfächer mit Stundenzahl und detaillierte Festlegungen zu einzelnen Unterrichtsinhalten aufgenommen. In der Anlage 1 zur Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Physiotherapeuten sind unter A Nr. 16 für krankengymnastische Behandlungstechniken 500 Stunden vorgesehen, die Unterrichtsinhalte sind in 12 Einzelpunkten aufgeführt. Für Massagetherapie sind unter A Nr. 17 150 Stunden angesetzt, die Unterrichtsinhalte sind in 6 Unterpunkten aufgeführt. Bei der Bewertung ist weiter zu berücksichtigen, dass die Lehrgänge über 2 Jahre bzw. 3 Jahre dauern und der Leistungsstand abgefragt wird über eine staatliche Abschlussprüfung. Umfang und Dauer des Unterrichts und das Ziel, die Leistungsanforderungen der staatlichen Prüfung zu erreichen, bedingen einen inhaltlich aufeinander abgestimmten Unterricht, in dem die Unterrichtsinhalte der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung vermittelt werden. Der Kläger konnte damit nicht frei Unterrichtsinhalte bestimmen, er war vergleichbar Lehrern an allgemeinbildenden Schulen oder Volkshochschuldozenten in Kursen des zweiten Bildungsweges an Stoffpläne gebunden, er hatte sich zudem in semesterübergreifende Unterrichtsgestaltung einzufügen.

Dass Vorgaben zu Unterrichtsinhalten bestanden, ergibt etwa die Einladung zur Lehrerkonferenz der Massageschule vom 16.07.1998, hier ist als Tagesordnungspunkt 5 aufgeführt "Ausarbeitung der Stoffinhaltspläne". Der Unterrichtseinsatz in den einzelnen Semestern musste abgestimmt werden, dies ergibt die Stundenvorplanung Dezember 1999/Januar 2000 vom 03.11.1999, erstellt vom Kläger. Das Konzepte für den Unterricht bestanden, ergibt im Übrigen auch ein Schreiben der Beklagten an den Kläger vom 21.05.1995, das der Kläger im Berufungsverfahren vorgelegt hat.

Im Ergebnis ist damit festzustellen, dass der Kläger bei der Festlegung der Unterrichtsinhalte nicht frei war, sondern insoweit in die Unterrichtsorganisation der Beklagten eingebunden war.

Eine Verpflichtung des Klägers zur Leistungskontrolle, etwa zum regelmäßigen Stellen von Klausuren, bestand nicht. Allerdings wurden bis Ende 2000/Anfang 2001 Semesterzeugnisse erteilt, der Kläger musste damit in den von ihm gegebenen Fächern Noten erteilen und unterlag damit mittelbar, nämlich in Verbindung mit dem Ergebnis der staatlichen Abschlussprüfung, auch der Leistungskontrolle durch die Beklagte. Zudem ist hier festzustellen: Auch wenn keine Verpflichtung bestand, Klausuren schreiben zu lassen, so folgt bereits aus der Art und dem Ziel des Unterrichts, dass Leistungskontrollen sinnvoll und notwendig waren. Gerade bei einem mehrsemestrigen Lehrgang, der zu einer staatlichen Prüfung hinführt, bilden Leistungskontrollen wie Klausuren zwangsläufig einen Teil der Unterrichtstätigkeit. Nach Vertragsinhalt konnte und musste der Kläger Leistungskontrollen etwa in Form von Klausuren durchführen, er hatte damit entsprechende Nebenarbeiten zu leisten. Seine Tätigkeit beinhaltete darüber hinaus auch Teilnahme an Konferenzen. Es mag sein, dass die Beklagte Konferenzteilnahme freigestellt hat und Nichtteilnahme nicht sanktioniert wurde, eine verantwortliche Unterrichtstätigkeit der vorliegenden Art beinhaltet aber zumindest mittelbar den Zwang zur Konferenzteilnahme, so dass auch die Konferenzteilnahme als zusätzliche Nebenarbeit bewertet werden muss.

Der Unterrichtseinsatz in den einzelnen Klassen und die Unterrichtszeiten sind nicht von den Parteien im Rahmen einer vertraglichen Vereinbarung festgelegt worden, sondern einseitig durch die Beklagte per Stundenplangestaltung. Zwar konnte der Kläger Unterrichtswunsche angeben und auch gewünschte Unterrichtszeiten, es ist auch davon auszugehen, dass die Beklagte diesen Wünschen im Wesentlichen gefolgt ist. Bereits die Formulargestaltung zu den gewünschten Unterrichtszeiten zeigt aber, dass die Festlegung der Unterrichtszeiten durch Weisung der Beklagten, nämlich per Stundenplan erfolgte. Der Kläger konnte bei den gewünschten Unterrichtszeiten Wunschzeiten angeben, Zeiten als nicht möglich streichen und im Übrigen Ausweichzeiten freilassen. Die Beklagte hat damit ein System vorgegeben, in dem sie zwar Wünsche der Honorarkräfte zuließ, andererseits mittelbar durch Angabe von Ausweichunterrichtszeiten die Voraussetzungen für eine einseitige Stundenplangestaltung geschaffen hat. Gerade wer umfangreichen Arbeitseinsatz wünschte wie der Kläger, auf den entsprechenden Verdienst angewiesen war, war in diesem System de facto gezwungen, nicht nur Wunschzeiten anzugeben, sondern auch Ausweichzeiten zu ermöglichen. Die Beklagte hat lediglich, wie bei Teilzeitkräften nicht unüblich, Arbeitszeitwünsche berücksichtigt, im Übrigen aber einseitig die Arbeitszeit durch Stundenplangestaltung vorgegeben.

In der Gesamtbewertung war der Kläger etwa vergleichbar von Dozenten des zweiten Bildungsweges eingebunden in die Unterrichtsorganisation der Beklagten, er war in die Stundenplangestaltung einbezogen, er konnte insbesondere Unterrichtsinhalte nicht frei festlegen und bestimmen. Für die Annahme der Arbeitnehmereigenschaft spricht im Übrigen auch der Vertrag vom 01.10.1990, der bis Ende des Vertragsverhältnisses maßgebend war. Der Vertrag war zwar ursprünglich befristet auf ein Semester, durch schriftlichen Antrag nach dem Vordruck Unterrichtswünsche und entsprechendem Einsatz erfolgte dann aber eine Verlängerung für das neue Schulhalbjahr. Nach dem Vertrag unterlag der Kläger den Weisungen der Schulleitung, in der Tätigkeitsvergütung waren alle für den Unterricht erforderlichen Vorbereitungsarbeiten einschließlich Korrekturarbeiten und Konferenzen enthalten. Prüfertätigkeit wurde gesondert vergütet. Bereits der Vertrag sieht damit vor, dass neben der eigentlichen Unterrichtstätigkeit Zusatzaufgaben wie Konferenzen, Korrekturarbeiten und Prüfertätigkeit zu erledigen sind. Außerdem ist festzuhalten, dass der Vertrag auf Dauer angelegt war und nicht etwa für jedes Semester ein neuer Dienstvertrag mit Festlegung der zu unterrichtenden Klassen und Festlegung der Unterrichtszeiten geschlossen wurde. Auch aus der Vertragsgestaltung ergeben sich damit Indizien für ein Arbeitsverhältnis.

3.

Weil zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis bestanden hat, lag ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit vor, die Befristung jeweils auf ein Schulhalbjahr war unwirksam mangels eines sachlichen Grundes. Es handelt sich erkennbar um eine Dauerbeschäftigung. Für dieses Arbeitsverhältnis ist eine wöchentliche Unterrichtsstundenzahl von 20 Unterrichtsstunden zugrunde zu legen. Im Vertrag vom 01.10.1990 sind 20 Wochenstunden als Höchststundenzahl vereinbart. Der Kläger ist in den Folgejahren eingesetzt worden in dem Umfang zwischen 19,33 Stunden und 25,8 Stunden. In den Jahren 1994 bis 1999 lagen die Stunden jeweils über 20. Damit hat sich das Arbeitsverhältnis konkretisiert durch langjährige Tätigkeit auf eine Mindeststundenzahl von 20. Entsprechend dem Antrag des Klägers war die entsprechende Feststellung zu treffen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über den Wert des Streitgegenstandes beruht auf entsprechender Anwendung des § 12 Abs. 7 ArbGG.

Die Revision ist gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen worden.

Ende der Entscheidung

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