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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 20.06.2007
Aktenzeichen: 15 Sa 1257/06
Rechtsgebiete: BGB, TzBfG, BetrVG


Vorschriften:

BGB § 242
BGB § 305 c Abs. 1
TzBfG § 14 Abs. 1 Satz 1
TzBfG § 14 Abs. 4
BetrVG § 78 Satz 2
Eine einzelvertragliche Altersgrenze, nach der das Arbeitsverhältnis mit dem Erreichen des gesestzlichen Rentenalters endet, ist auch im Arbeitsvertrag eines Zeitungszustellers in Nebentätigkiet wirksam, wenn der bei Erreichen des Altersgreze duch den Bezug einer gesetzlichen Altersgrenze abgesichert ist. (im Anschluss an BAG, Urteil vom 27.07.2005 - 7 AZR 443/04, AP Nr. 27 zum § 620 BGB Altersgrenze = EzA § v 620 Bgb 2002 Altersgrenze Nr. 6).
LANDESARBEITSGERICHT NIEDERSACHSEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

15 Sa 1257/06

In dem Rechtsstreit

hat die 15. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 20. Juni 2007 durch

den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Löber, den ehrenamtlichen Richter Oehlmann, die ehrenamtliche Richterin Bergmann für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 01.06.2006 - 1 Ca 11/06 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Befristung ihres Arbeitsverhältnisses.

Der am 0.0.1940 geborene Kläger trat am 01.07.2003 als Zeitungszusteller in die Dienste der Beklagten, nachdem er zuvor lange Zeit selbstständig tätig gewesen, aber beschäftigungslos geworden war. Am 03.07.2003 unterzeichneten die Parteien einen schriftlichen Arbeitsvertrag (Bl. 7 bis 9 d.A.), nach dem das Arbeitsverhältnis endete, ohne dass es einer Kündigung bedurfte, mit Ende des Monats, in dem der Zusteller die gesetzliche Altersgrenze erreichte. Dem gemäß teilte die Beklagte dem Kläger, der monatlich bis zu 300,00 € verdiente und seit September 2005 Mitglied des Betriebsrates war, mit Schreiben vom 25.11.2005 mit, dass er am 31.12.2005 wegen Erreichens der Altersgrenze ausscheide.

Der Kläger, der seit Januar 2006 eine Altersrente von weniger als 700,00 € erhält, hat mit seiner am 09.01.2006 angebrachten Klage die Unwirksamkeit der Befristung geltend gemacht und die Ansicht vertreten, auf Grund mündlicher Vereinbarung vor Arbeitsaufnahme befinde er sich in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis. Die Befristung im schriftlichen Arbeitsvertrag habe den Verstoß gegen § 14 Abs. 4 TzBfG nicht heilen können. Die Befristungsklausel in dem Formulararbeitsvertrag verstoße zudem gegen § 305 c Abs.1 BGB. Die Tätigkeit des Zeitungszustellers sei eine typische Nebentätigkeit für Hausfrauen und Rentner, so dass eine Altersgrenzenregel überraschend gewesen sei. Wegen des Charakters der Nebentätigkeit sei eine Altersgrenze zudem sachlich nicht gerechtfertigt. Schließlich behauptet der Kläger, dass die Beklagte ihre Zeitungszusteller regelmäßig über die gesetzliche Altersgrenze weiterbeschäftige, ihn jedoch aus unsachlichen Gründen nicht.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien auf Grund der Befristung nicht zum 31.12.2005 beendet worden ist,

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zu unveränderten Bedingungen über den 31.12.2005 hinaus als Zeitungszusteller fortbesteht,

3. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger zu unveränderten Bedingungen als Zeitungszusteller weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat bestritten, dass bereits bei Arbeitsaufnahme mündlich eine Altersgrenzenregelung vereinbart worden sei. Bei der Altersgrenzenregelung in § 1 Abs. 3 des schriftlichen Vertrags vom 03.07.2003 handele es sich um keine überraschende Klausel, sondern um eine übliche, die sachlich gerechtfertigt sei. Nur in Ausnahmefällen würden bei ihr Zusteller über die Altersgrenzenbefristung hinaus weiter beschäftigt.

Wegen weiterer Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des Urteils vom 01.06.2006 Bezug genommen, mit dem das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen hat. Gleichfalls wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils Bezug genommen, das dem Kläger am 12.07.2006 zugestellt worden ist und gegen das er am 10.08.2006 Berufung eingelegt hat, die er am 11.09.2006 begründet hat.

Der Kläger greift das Urteil aus den in seiner Berufungsbegründungsschrift wiedergegebenen Gründen an. Auf die Berufungsbegründungsschrift vom 11.09.2006 wird Bezug genommen, ebenso auf den ergänzenden Schriftsatz vom 06.11.2006.

Der Kläger beantragt,

in Abänderung des angefochtenen Urteils

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien auf Grund der Befristung nicht zum 31.12.2005 beendet worden ist, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 31.12.2005 fortbesteht und

2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger zu unveränderten Bedingungen als Zeitungszusteller weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Auf ihre Berufungserwiderung vom 06.10.2006 und den ergänzenden Schriftsatz vom 08.06.2007 wird gleichfalls Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte Berufung (§ 64 Abs. 2 c ArbGG) ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 64 Abs. 6 Satz 1, 66 Abs. 1 Satz1 ArbGG, §§ 519, 520 Abs. 3 ZPO); sie ist in der Sache jedoch unbegründet.

I.

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Befristung in ihrem Arbeitsvertrag vom 03.07.2003, gegen die sich der Kläger innerhalb der Frist des § 17 Satz 1 TzBfG klageweise gewandt hat.

Das Arbeitsgericht hat dieses Klagebegehren zu Recht als unbegründet abgewiesen.

1.

Der Kläger ist zunächst auf Grund mündlicher Vereinbarung ab dem 01.07.2003 als Zeitungszusteller tätig geworden. Dabei hat es sich um ein unbefristetes Arbeitsverhältnis gehandelt. Selbst wenn, wie vom Kläger behauptet, bereits mündlich eine Altersgrenze vereinbart worden wäre, wäre diese wegen Verstoßes gegen die gesetzliche Schriftform (§ 14 Abs. 4 TzBfG) unwirksam gewesen.

2.

Die Parteien haben ihr Arbeitsverhältnis am 03.07.2003 mit dem schriftlichen Arbeitsvertrag nachträglich wirksam befristet.

Vereinbaren die Arbeitsvertragsparteien zunächst nur mündlich die Befristung ihres Arbeitsvertrags, so ist die Befristung gemäß § 14 Abs. 4 TzBfG unwirksam. Halten die Parteien die Befristungsabrede nach Arbeitsaufnahme in einem schriftlichen Vertrag fest, liegt darin regelmäßig keine eigenständige Befristungsabrede über die nachträgliche Befristung des unbefristet zustande gekommenen Arbeitsverhältnisses, sondern die befristungsrechtlich bedeutungslose Wiedergabe des bereits mündlich Vereinbarten. Haben die Parteien hingegen vor der Unterzeichnung des schriftlichen Arbeitsvertrags mündlich keine Befristung vereinbart, enthält der schriftliche Vertrag eine eigenständige, dem Schriftformgebot des § 14 Abs. 4 TzBfG genügende Befristung (BAG, Urteil vom 13.06.2007 - 7 AZR 700/06, Pressemitteilung Nr. 44/07).

Vorliegend behauptet der Kläger zwar, dass bereits bei dem mündlichen Vertrag eine Altersbefristung vereinbart worden sei. Er hat dafür aber keinen Beweis angetreten, was zu seinen Lasten geht. Da das unbefristete Arbeitsverhältnis die Regel ist, muss derjenige, der sich auf eine Befristungsabrede beruft, die Befristungsabrede beweisen. Darüber hinaus ist der Vortrag des Klägers in sich widersprüchlich und damit unbeachtlich, da er zum einen behauptet, es sei bereits mündlich eine Altersgrenzenvereinbarung getroffen worden und er andererseits sich darauf beruft, dass die Altersgrenzenvereinbarung in § 1 Abs. 3 des schriftlichen Arbeitsvertrags vom 03.07.2003 überraschend gewesen sei, weil er mit einer solchen nicht habe rechnen zu brauchen.

3.

Die Altersgrenzenvereinbarung in § 1 Abs. 3 des Formulararbeitsvertrags vom 03.07.2003 ist nicht als Überraschungsklausel im Sinne des § 305 c Abs. 1 BGB unwirksam.

Überraschend sind Vertragsklauseln dann, wenn sie so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht. Ihnen muss ein "Überrumpelungs- oder Übertölpelungseffekt" innewohnen. Zwischen den durch die Umstände bei Vertragsabschluss begründeten Erwartungen und dem tatsächlichen Vertragsinhalt muss ein deutlicher Widerspruch bestehen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, insbesondere das äußere Erscheinungsbild des Vertrags. Auch das Unterbringen einer Klausel an einer unerwarteten Stelle im Text kann sie als überraschende Klausel erscheinen lassen. Das Überraschungsmoment ist um so eher zu bejahen, je belastender die Bestimmung ist. Im Einzelfall muss der Verwender darauf besonders hinweisen oder die Klausel drucktechnisch hervorheben (BAG, Urteil vom 27.07.2005 - 7 AZR 443/04, AP Nr. 27 zu § 620 BGB Altergrenze = EzA § 620 BGB 2002 Altergrenze Nr. 6).

Daran gemessen ist die Altersgrenzenklausel in § 1 Abs. 3 des Arbeitsvertrags vom 03.07.2003 keine Überraschungsklausel. Sie ist nicht an versteckter Stelle enthalten, sondern in dem Paragraphen des Arbeitsvertrags, der die Regelungen über Beginn und Ende des Arbeitsverhältnisses enthält. § 1 Abs. 1 enthält den Beginn des Arbeitsverhältnisses, § 1 Abs. 2 regelt die Kündigung des Arbeitsverhältnisses und § 1 Abs. 3 enthält die Altersgrenzenvereinbarung. Altergrenzenvereinbarungen sind auch nicht so unüblich, dass es einer drucktechnischen Hervorhebung bedurft hätte. Altersgrenzenvereinbarungen werden vielmehr in vielen Unternehmen getroffen, so dass sie keinen außergewöhnlichen Bestandteil darstellen.

4.

Die getroffene Altersgrenzenvereinbarung ist sachlich gerechtfertigt (§ 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG).

Wie das Bundesarbeitsgericht im oben genannten Urteil vom 27.07.2005 nochmals ausgeführt hat, können auf das 65. Lebensjahr abstellende einzelvertragliche Altersgrenzenregelungen sachlich gerechtfertigt sein. Davon geht auch der Gesetzgeber aus, wie § 41 Satz 2 SGB VI und § 10 Satz 3 Nr. 5 AGG zeigen.

Bei der Altersbefristung stehen das Interesse des Arbeitnehmers auf Weiterarbeit und Verdienst über das 65. Lebensjahr hinaus dem Bedürfnis des Arbeitgebers nach einer sachgerechten und berechenbaren Personalplanung gegenüber, das jedenfalls dann überwiegt, wenn der Arbeitnehmer nach Vollendung des 65. Lebensjahres wirtschaftlich abgesichert ist, zumal sein Weiterbeschäftigungsinteresse in aller Regel zeitlich begrenzt ist und er von der Altersgrenzenregelung typischer Weise auch profitiert hat, weil dadurch seine Einstellungs- und Aufstiegschancen verbessert worden sind.

Nach Auffassung der Kammer gilt das auch und gerade für typische Nebentätigkeiten, wie der des Zeitungszustellers. Durch die Altersgrenzenregelung scheiden Zeitungszusteller zu vorhersehbaren Zeitpunkten aus, wodurch Neueinstellungen ermöglicht werden. Das Fortsetzungsinteresse des Zeitungszustellers über das 65. Lebensjahr hinaus ist auch hier in der Regel zeitlich begrenzt, insbesondere auch wegen der Besonderheiten der Tätigkeit hinsichtlich der Lage der Arbeitszeit und dem Ausgesetztsein der Witterungsunbilden. Hinzu kommt, dass die Tätigkeit des Zeitungszustellers als Nebentätigkeit typischerweise auch nur dem Hinzuverdienen dient und nicht Hauptbestandteil der wirtschaftlichen Existenzgrundlage ist, so dass erst recht dem Bedürfnis des Arbeitgebers an einer berechenbaren Personalplanung Vorrang vor dem Bestandsschutzinteresse des Arbeitnehmers zu geben ist, wenn er durch den Bezug einer gesetzlichen Altersrente wegen Vollendung des 65. Lebensjahres wirtschaftlich abgesichert ist.

Letzteres ist bei dem Kläger der Fall, wie der Bezug von Altersrente ab dem 01.01.2006 zeigt. Dabei ist nicht auf die konkrete Höhe der Altersrente abzustellen. Wie das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 27.07.2005 (a.a.O.) ausgeführt hat, ist der sich aus Art. 12 Abs. 1 GG ergebenden Schutzpflicht bereits dann genügt, wenn der befristet beschäftigte Arbeitnehmer nach dem Vertragsinhalt und der Vertragsdauer eine Alterversorgung in der gesetzlichen Rentenversicherung erwerben kann. Das gilt auch, wenn der Arbeitnehmer bei Vertragsschluss bereits die rentenrechtliche Wartezeit erfüllt hat.

5.

Die Altersgrenze ist nicht deshalb unwirksam, weil die Beklagte Zeitungszusteller über die Altersgrenze weiterbeschäftigt. Für die Prüfung des Sachgrundes der Befristung kommt es auf die Umstände bei Vertragsschluss an. Dass die Beklagte nur zu einem geringen Teil Altersgrenzen vereinbart, ist aber nicht dargetan.

6.

Dass die Beklagte die überwiegende Zahl der Zeitungszusteller über die Altersgrenze weiterbeschäftigt, den Kläger unter Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz oder gar unter Verstoß gegen § 78 Satz. 2 BetrVG jedoch nicht, hat der Kläger zwar behauptet, seine Behauptung jedoch in keiner Weise substantiiert, noch unter Beweis gestellt. Abgesehen davon folgte daraus keine Unwirksamkeit der Befristung, sondern allenfalls ein Anspruch auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses.

II.

Abgesehen davon, dass für den allgemeinen Feststellungsantrag (§ 256 ZPO) kein Feststellungsinteresse dargetan ist, ist dieser auch unbegründet, da das Arbeitsverhältnis auf Grund der Befristung vom 03.07.2003 mit Ablauf des 31.12.2005 beendet ist.

III.

Wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 31.12.2005 besteht gleichfalls kein Weiterbeschäftigungsanspruch.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG i.V.m. § 97 Abs. 1 ZPO.

V.

Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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