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Gericht: Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 14.09.2005
Aktenzeichen: 15 Sa 1610/03
Rechtsgebiete: BGB, BAT, StGB


Vorschriften:

BGB § 667
BGB § 681
BGB § 687 Abs. 2
BGB § 823 Abs. 2
BAT § 10
StGB § 266
- Zum Herausgabeanspruch von Schmiergeld gegenüber dem Angestellten des öffentlichen Dienstes

- Zur Darlegungs- und Beweislast des Schadens infolge Schmiergeldzahlung

- Zur Beteiligung des Personalrats nach dem NdsPersVG bei der Herausgabe von Schmiergeldzahlung


LANDESARBEITSGERICHT NIEDERSACHSEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

15 Sa 1610/03

In dem Rechtsstreit

hat die 15. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 14. September 2005 durch

den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Löber, den ehrenamtlichen Richter Janssen, den ehrenamtlichen Richter Cohrs für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 03.06.2003 - 5 Ca 120/03 - wird über das Teilanerkenntnisurteil vom 12.01.2005 - 15 Sa 1610/03 - hinaus insgesamt mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Beklagte verurteilt wird an das klagende Land weitere 128.652,45 € zu zahlen, in Höhe von 95.486,02 € als Gesamtschuldner neben der C... GmbH, dem J..., dem M... R..., der E... R... und der B..., nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.12.2000.

Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Herausgabe von Schmiergeld und über Schadensersatz.

Der Beklagte stand seit 1975 zu tariflichen Bedingungen als Bautechniker in den Diensten des klagenden Landes. Er war bei der Universität ... beschäftigt. Ihm oblag die Überwachung der Reinigung der Universitätsgebäude und die Bestellung des erforderlichen Reinigungsmaterials. Er hatte die Befugnis der sachlichen und rechnerischen Feststellung der Rechnungen. Sein Vorgesetzter, der Beamte M... R..., war befugt, die Auszahlungsanordnungen zu verfügen. Lieferant war unter anderen die Br... GmbH, die später in C... GmbH umfirmierte. Deren Geschäftsführer war J....

Auf Grund dreiseitiger Absprache zahlte die GmbH seit 1988 10 % ihres Nettoumsatzes mit der Universität ... an den Beklagten, der die Hälfte vereinbarungsgemäß an R... weitergab. Ende 1991 vereinbarten J..., R... und der Beklagte ein anderes Verfahren. J... gründete eine Scheinfirma J... - Handel mit chemischen und Erzeugnissen, die gleichfalls Bestellungen für die Technische Universität entgegen nahm. Ob die Bestellungen an diese oder an die GmbH gingen, bestimmten R... und der Beklagte. Von dem Nettoumsatz der Einzelfirma erhielten R... und der Beklagte jeweils 25 %, 40 % des Nettoumsatzes waren für den Wareneinkauf bestimmt, 10 % behielt J..., der weiter die ausgewiesene aber nicht abgeführte Umsatzsteuer vereinnahmte.

Das klagende Land zahlte an die Einzelfirma auf Grund deren Rechnungen folgende Beträge:

1992 321.154,69 DM

1993 447.222,68 DM

1994 844.332,82 DM

1995 960.057,66 DM

1996 (bis einschließlich Februar) 422.135,35 DM

Ab September 1996 erfolgte die Rechnungsstellung nur noch durch die GmbH, wobei R... und der Beklagte bestimmten, an welcher Rechnung sie zu 50 % am Nettoumsatz beteiligt wurden. Das klagende Land zahlte auf diese Rechnungen folgende Beträge:

1996 587.651,19 DM

1997 1.085.310,83 DM

1998 1.032.616,09 DM

Wegen der einzelnen Zahlungen über insgesamt 5.700.481,47 DM wird auf die Anlagen zum klagebegründenden Schriftsatz vom 20.09.2002 (Bl. 40 - 66 d.A.) Bezug genommen.

Im Rahmen eines staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahrens wurden am 07.06.2000 Hausdurchsuchungen durchgeführt sowie R... und der Beklagte festgenommen, die erste Geständnisse abgaben, von denen das klagende Land Kenntnis erhielt, das mit Schreiben vom 19.06.2000 das Arbeitsverhältnis mit dem Beklagten außerordentlich kündigte und erstmals im Rahmen ihre Arrestantrags vom 26.06.2000 gegenüber dem Beklagten seine Ansprüche geltend machte (5 Ga 6/00 - Arbeitsgericht Braunschweig) und des weiteren mit Schreiben vom 27.11.2000 (Bl. 229 d.A.). In ihrem Kündigungsrechtsstreit (2 Ca 405/00 - Arbeitsgericht Braunschweig, 2 Sa 2216/00 - Landesarbeitsgericht Niedersachsen) einigten sich die Parteien auf eine Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses zum 31.12.2001, jedoch ohne Gehaltszahlungsverpflichtung des Landes für die Zeit vom 19.06.2000 bis 31.12.2001.

Nach Anklageerhebung vom 23.11.2001 (Anklageschrift Bl. 418 bis 499 d.A.) wandte sich das klagende Land mit Schreiben vom 26.02.2002 (Bl. 414 f. d.A.) an den Beklagten wegen der Zahlung ihres Mindestschadens für die Zeit vom 28.06.1995 bis 31.12.1998 entsprechend der Anklageschrift und machte den Beklagten auf sein Recht aufmerksam, die Beteiligung des Personalrats zu beantragen, was dieser mit Schreiben vom 19.03.2002 (Bl. 413 d.A.) beantragte. Mit Schreiben vom 03.05.2002 (Bl. 108 ff. d.A.) beantragte das Land unter Beifügung der Anklageschrift das Benehmen des Personalrats, der mit Schreiben vom 16.05.2002 (Bl. 111 f. d.A.) mitteilte, er habe Einwendungen, die er damit begründete, er könne sich zu dem Antrag nicht äußern, da ein rechtsgültiges Urteil noch nicht vorliege. Darauf hat das Land am 10.06.2002 den Erlass eines Mahnbescheides gegen den Beklagten beantragt und nach dessen Widerspruch seine Klage um die Ansprüche aus der Zeit vom 01.01.1992 bis zum 27.06.1995 erhöht, weswegen es den Personalrat mit Schreiben vom 17.04.2003 (Bl. 411 f. d.A.) erneut beteiligte, der mit Schreiben vom 02.05.2003 (Bl. 409 f. d.A.) erneut mitteilte, dass er sich ohne das Vorliegen eines rechtsgültigen Urteils nicht äußern könne.

Seine Klage hat das Land einmal auf einen Anspruch auf Herausgabe der an den Beklagten geleisteten Schmiergelder gestützt sowie darauf, dass die Schmiergeldzahlungen zu überhöhten Preisen geführt haben, wenn nicht sogar Rechnungen ohne Lieferungen erteilt und bezahlt worden seien.

Das Land hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an es 728.652,45 € zzgl. 5 % Zinsen über Basiszinssatz seit 11.12.2000 zu zahlen,

hilfsweise den Beklagten als Gesamtschuldner neben

1. Firma C... GmbH, vertr.d.d. Geschäftsführer Herrn J...,

2. Herrn J...,

3. Frau B...,

4. Frau E... R...,

sowie als Teilschuldner neben Herrn M... R...,

zu verurteilen, an das klagende Land 728.652,45 € zzgl. 5 % über Basiszinssatz seit 11.12.2000 zu zahlen.

Ganz hilfsweise wird der Antrag mit der Maßgabe gestellt, dass die Verurteilung auch gegenüber Herrn M... R... als Gesamtschuldner erfolgt.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat die Klage wegen mangelhafter Beteiligung des Personalrats für unzulässig gehalten und ihr in der Sache die Versäumung der tariflichen Ausschlussfrist entgegengehalten, einen Schaden verneint und einen Herausgabeanspruch aus Rechtsgründen für nicht gegeben erachtet.

Mit Urteil vom 03.06.2003, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht der Klage im Hauptantrag stattgegeben.

Mit seiner Berufung wendet sich der Beklagte aus den in seiner Berufungsbegründungsschrift wiedergegebenen Gründen gegen das Urteil. Auf die Berufungsbegründungsschrift vom 14.10.2003 wird Bezug genommen.

Nachdem er in der Berufungsverhandlung vom 12.01.2005 die Klage in Höhe von 600.000,00 € anerkannt hat, ist seine Berufung gegen das angefochtene Urteil mit Teilanerkenntnisurteil zurückgewiesen worden, soweit er zur Zahlung von 600.000,00 € nebst Zinsen verurteilt worden ist.

Der Beklagte, der durch Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 02.03.2005 (Bl. 590 - 631 d.A.), gegen das er Revision eingelegt hat, wegen Bestechlichkeit in 124 und wegen Steuerhinterziehung in 5 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren verurteilt worden ist, beantragt demgemäß noch,

in Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage im Übrigen abzuweisen, soweit nicht bereits durch Teilanerkenntnisurteil vom 12.01.2005 rechtskräftig über sie entschieden worden ist.

Das klagende Land beantragt,

die Berufung insgesamt zurückzuweisen.

Auf seine Berufungserwiderung vom 03.12.2003 wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist über das Teilanerkenntnisurteil vom 12.01.2005 hinaus insgesamt unbegründet.

I.

Die Klage ist nicht wegen mangelhafter Beteiligung des Personalrats unzulässig.

1.

Gemäß § 75 Abs. 1 Nr. 5 NdsPersVG kann der Arbeitnehmer die Beteiligung des Personalrats bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen verlangen. Soweit mit der Klage die Herausgabe der Schmiergelder gemäß den §§ 667, 681, 687 Abs. 2 BGB, § 10 Abs. 1 BAT verlangt wird, handelt es sich um keine Ersatzansprüche, sondern um Herausgabeansprüche.

2.

Soweit mit der Klage auch Schadensersatz wegen positiver Vertragsverletzung und wegen unerlaubter Handlung verlangt wird, ist kein Verstoß gegen die §§ 75 Abs. 1 Nr. 5, 76 NdsPersVG gegeben.

a)

Das Geltendmachungsschreiben vom 27.11.2000 zur Wahrung der Ausschlussfrist des § 70 BAT war als vorläufige Maßnahme durch § 74 Satz 1 NdsPersVG gedeckt, auf den in dem Schreiben ausdrücklich Bezug genommen worden war.

b)

Im Zeitpunkt der Anhängigmachung des Rechtsstreits war der Beklagte nicht mehr Arbeitnehmer des Landes, so dass mit guten Gründen angenommen werden kann, dass eine Beteiligung des Personalrats nicht mehr erforderlich war, weil dieser den Beklagten nach seinem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis nicht mehr vertrat (so: Dembowski/Ladwig/Sellmann, Das Personalvertretungsrecht in Niedersachsen, § 75, Rdnr. 29).

Soweit das Bundesarbeitsgericht in dem vom Beklagten angezogenen Urteil vom 14.11.1991 (8 AZR 151/91, AP Nr. 1 zu § 86 LPVG Berlin) in Bezug auf das Berliner Personalvertretungsrecht eine andere Auffassung vertreten hat, ist die Besonderheit des Niedersächsischen Personalvertretungsrechts zu berücksichtigen. Die Wahrung des Beteiligungsrechts des Personalrats ist abgesehen von Kündigungen keine Wirksamkeitsvoraussetzung für eine arbeitsrechtliche Maßnahme, der Personalrat kann nur ihre Unterlassung oder ihre Rückgängigmachung im Rahmen des § 63 NdsPersVG verlangen (vgl. Bieler/Müller-Fritzsche, NdsPersVG, 8. Auflage, § 63, Rndr. 8). Das ist vorliegend jedoch nicht geschehen.

c)

Zudem hat das Land den Personalrat vorsorglich ordnungsgemäß gemäß § 75 Abs. 1 Nr. 5 NdsPersVG vor der Anhängigmachung des Rechtsstreits beteiligt und zwar mit Schreiben vom 03.05.2002, in dem es sich den Inhalt der mitüberreichten Anklageschrift zur Begründung seines Anspruchs zu eigen gemacht hat. Zwar hat der Personalrat innerhalb der Frist der §§ 68 Abs. 2 Satz 3, 76 Abs. 1 Satz 2 NdsPersVG formell Einwendungen erhoben. Diese waren jedoch unbeachtlich, da nicht mit Gründen versehen, so dass die Maßnahme gemäß § 76 Abs. 1 Satz 3 NdsPersVG als gebilligt gilt. Der Personalrat hat ausdrücklich erklärt, dass er zur Sache keine Stellungnahme abgeben könne. Zur wirksamen Erhebung von Einwendungen hätte es jedoch des Vortrags konkreter Gründe bedurft.

Gleiches gilt für die Beteiligung im Hinblick auf die Klageerhöhung vom 20.09.2002. Die Dienststelle hat insoweit mit Schreiben vom 17.04.2003 unter Vorlage der prozessualen Schriftsätze um die Herstellung des Benehmens gebeten. Zwar hat der Personalrat auch hier mit Schreiben vom 02.05.2003 formell Einwendungen erhoben, dafür aber keine Gründe vorgebracht, sondern wiederum ausgeführt, dass er sich ohne Vorliegen eines rechtsgültigen Urteils nicht zur Sache äußern könne.

II.

Die Ausschlussfrist des § 70 BAT ist sowohl durch die Antragsschrift im Arrestverfahren als auch durch das Schreiben vom 27.11.2000 gewahrt.

Die Ausschlussfrist begann erst mit Kenntniserlangung des Landes zu laufen. Das war frühestens der Zeitpunkt, in dem ihm die ersten polizeilichen Vernehmungsprotokolle vom 07.06.2000 bekannt geworden waren. Zu diesem Zeitpunkt war ihm jedoch der volle Umfang des Sachverhalts noch nicht bekannt, der erst im Verlaufe des Ermittlungsverfahrens zu Tage getreten ist. Wenn das klägerische Land deshalb seine Ansprüche nur in Höhe des ihm bekannten Umfanges und im Übrigen dem Grunde nach geltend gemacht hat, reichte das zur ordnungsgemäßen Geltendmachung aus, wie vom Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt. Zwar ist der Gläubiger zur Wahrung der Ausschlussfrist grundsätzlich gehalten, auch die ungefähre Höhe seiner Forderung zu beziffern. Eine Angabe zur Forderungshöhe bedarf es dagegen nicht, wenn dem Schuldner diese ohnehin bekannt ist. Davon ist immer auszugehen, wenn der Schuldner sich Vermögensvorteile durch vorsätzliche strafbare Handlung verschafft hat (BAG, Urteil vom 05.03.1981 - 3 AZR 559/78, AP Nr. 9 zu § 70 BAT). Dass das bei dem Beklagten der Fall gewesen ist, wird nachfolgend unter IV. und V. ausgeführt.

III.

Dass die Klageforderungen nicht nach den Verjährungsvorschriften der §§ 194 ff. BGB a.F. und n.F. und des § 852 BGB a.F. verjährt sind, hat das Arbeitsgericht unter B I. 5. seiner Entscheidungsgründe zutreffend ausgeführt, was in der Berufung auch nicht angegriffen wird. Gleichfalls sind die Verjährungsfristen des § 86 Abs. 2 Satz 1 NBG gewahrt, auf den § 14 BAT verweist. Die Klage ist im Jahre 2002 anhängig gemacht worden, also innerhalb von drei Jahren nach Kenntniserlangung, auch hat das Land keine Ansprüche aus der Zeit vor 1992 eingeklagt.

IV.

Der Beklagte ist verpflichtet, über die anerkannten 600.000,00 € hinaus weitere 33.166,43 € an das Land herauszugeben.

1.

Der Beklagte hat in der Zeit von 1992 bis 1998 Schmiergelder in Höhe von 1.238.365,89 DM = 633.166,43 € erhalten.

Das klagende Land hat unter Bezugnahme auf die Anlagen zu dem klagebegründenden Schriftsatz im Einzelnen dargelegt, welche Rechnungen der J... - Handel mit chemischen und Einrichtungen und der C... GmbH es auf Veranlassung des Beklagten und des R... bezahlt hat, von deren Nettobetrag 25 % an den Beklagten zurückgeflossen sind. Soweit der Beklagte lediglich von angeblichen Schmiergeldzahlungen spricht, stellt das kein substantiiertes Bestreiten im Sinne des § 138 Abs. 1 ZPO dar, so dass der Vortrag des Landes als zugestanden gilt, zumal der Beklagte im Strafverfahren umfassend geständig gewesen ist, auch in der Hauptverhandlung vor dem Landgericht Hildesheim. Es hätte deshalb des konkreten Vortrags bedurft, welcher einzelne Zahlungsvorgang aus welchen Gründen bestritten werden soll.

Die Gesamtsumme der Rechnungsbeträge, aus der Schmiergelder geflossen sind, beläuft sich auf 5.700.481,47 DM. Im Hinblick auf die bis zum 31.08.1998 ausgewiesene Umsatzsteuer in Höhe von 15 % und ab 01.09.1998 in Höhe von 16 % beliefen sich die Nettorechnungsbeträge auf insgesamt 4.953.463,57 DM. Auf die zutreffende Berechnung auf Seite 9 des klagebegründenden Schriftsatzes vom 20.09.2002 (Bl. 18 d.A.) kann Bezug genommen werden. 25 % von 4.953.463,57 DM hat der Beklagte erhalten, also 1.238.365,89 DM = 633.166,43 €.

2.

Der Herausgabeanspruch ergibt sich aus den §§ 667, 681, 687 Abs. 2 BGB.

Wer für seinen Auftraggeber Geschäfte zu besorgen hat, hier die Bestellung des Reinigungsmaterials, ist verpflichtet, alles herauszugeben, was er aus der Geschäftsführung erlangt hat, also auch Schmiergelder, "Provisionen", Geschenke und andere Sondervorteile, die ihm von dritter Seite zugewandt worden sind und die eine Willensbeeinflussung zum Nachteil des Auftraggebers befürchten lassen. Dass sie nach dem Willen des Dritten gerade nicht für den Auftraggeber bestimmt waren, ist dabei unbeachtlich (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 02.04.2001 - II ZR 217/99, NJW 2001, 2476 ff.; BAG, Urteil vom 15.04.1970 - 3 AZR 259/69, AP Nr. 4 zu § 687 BGB).

Soweit die Strafsenate des Bundesgerichtshofs (z.B. Urteil vom 20.02.1981 - 2 StR 644/80, BGH St 30, 46 ff.) gegen ... (§ 10 BAT, Rdnr. 36) bei einem Angestellten des öffentlichen Dienstes einen Anspruch nach den §§ 667, 681, 687 Abs. 2 BGB nicht anerkennen, vermag das nicht zu überzeugen, wie bereits vom Arbeitsgericht zutreffend unter B I. 3. seiner Entscheidungsgründe ausgeführt hat. Soweit der zweite Strafsenat des Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 20.02.1981 (a.a.O.) ausführt, der Angestellte des öffentlichen Dienstes führe bei der Annahme von Bestechungslohn kein fremdes Geschäft als eigenes aus, weil die Annahme von Bestechungslohn kein für den öffentlichen Arbeitgeber denkbares Eigengeschäft sei, lässt er außer acht, dass es nicht darauf ankommt, dass der Bestechungslohn nach dem Willen des Dritten gerade nicht für den Auftraggeber bestimmt ist.

Soweit der Strafsenat ausführt, die weitgehende rechtliche Gleichstellung des Angestellten des öffentlichen Dienstes mit dem Beamten (z.B. § 10 BAT) verbiete es, anders als bei dem Beamten bei dem Angestellten des öffentlichen Dienstes eine Herausgabepflicht des Bestechungslohnes zu bejahen, bleibt unberücksichtigt, dass mittlerweile anerkannt ist, dass auch der Beamte zur Herausgabe des Bestechungslohnes an seinen Dienstherrn verpflichtet sein kann. So hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden (Urteil vom 31.01.2002 - 2 C 6/01, NJW 2002, 1968), dass das beamtenrechtliche Verbot der Annahme von Belohnungen und Geschenken (§ 70 BBG) auch das Gebot enthalte, diese herauszugeben und zwar an den Dienstherrn, wenn nicht der Verfall des rechtswidrig Erlangten im Strafverfahren (§§ 73 ff. StGB) angeordnet worden sei (ebenso für das niedersächsische Beamtenrecht: Kümmel, NBG, § 78, Rdnr. 24). Da § 10 BAT ein gleichlautendes Annahmeverbot für den Angestellten normiert, stehen nach diesen Grundsätzen die Besonderheiten des öffentlichen Dienstes einem Herausgabeanspruch des klagenden Landes gleichfalls nicht entgegen, zumal das Landgericht Hildesheim in seinem Urteil vom 02.03.2005 (Gründe F, Seite 41, Bl. 630 d.A.) den Verfall des Bestechungslohnes nicht angeordnet hat.

3.

Aber selbst wenn mit den Strafsenaten des Bundesgerichtshofs ein Herausgabeanspruch des klagenden Landes verneint würde, änderte das letztlich nichts an der Begründetheit der Klage, da der Herausgabeanspruch als Zahlungsanspruch mit dem Schadens-ersatzanspruch des klagenden Landes wertmäßig identisch ist, der nachfolgend dargelegt wird. Aus diesem Grund hat die Kammer auch von der zunächst in Erwägung gezogenen Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG) Abstand genommen.

V.

Der Beklagte ist über einen Herausgabeanspruch hinaus dem Land in voller Höhe schadensersatzpflichtig, so dass er über den anerkannten Betrag hinaus zur Zahlung von weiteren 128.652,45 € verpflichtet ist.

1.

Der Anspruch ergibt sich aus den Grundsätzen der positiven Vertragsverletzung, insoweit ist wegen des Ausscheidens des Beklagten aus dem Arbeitsverhältnis zum 31.12.2001 gemäß Artikel 229 EG BGB § 5 Satz 1 das Recht vor dem Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes anzuwenden, sowie aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 StGB.

Der Beklagte war ebenso wie R... verpflichtet, bei dem Einkauf des Reinigungsmaterials kostensparend zu verfahren. Gegen diese Vermögensbetreuungspflicht hat der Beklagte durch die Verabredung der Schmiergeldzahlungen verstoßen, weil dadurch das Land zu überhöhten Preisen eingekauft hat, was dem Beklagten auch bewusst gewesen ist.

2.

Dafür streiten die Grundsätze des Beweises des ersten Anscheins.

Bereits das Reichsgericht (Urteil vom 20.09.1939 - II 17/39, RGZ 161, 229 ff., 232 f.) hat ausgeführt, nach der Lebenserfahrung sei es die Regel, dass heimliche Zuwendungen an Angestellte, die versprochen oder gewährt werden, um eine Bevorzugung bei dem Abschluss von Verträgen, insbesondere bei der Vergabe von Aufträgen, zu erzielen, die Verträge zu Ungunsten des Geschäftsherrn des Angestellten beeinflussten. Die Grundsätze vom Beweis des ersten Anscheins rechtfertigten es daher, dass regelmäßig nicht derjenige die Benachteiligung zu beweisen habe, der sich auf sie berufe, sondern dem Gegner der Nachweis obliege, die Zuwendungen an den Angestellten seien ohne eine dem Geschäftsherrn nachteilige Einwirkung auf den Abschluss des Vertrages geblieben. Auch der Bundesgerichtshof (Urteil vom 26.03.1962 - 2 ZR 151/60, NJW 1962, 1099 f.) ist davon ausgegangen, dass nach der Lebenserfahrung Schmiergelder an den Vertreter die Abmachung zu Ungunsten des Geschäftsherrn zu beeinflussen pflegen. Es sei der typische Verlauf, dass dem Geschäftsherrn, wenn er das Geschäft selbst geführt oder ein redlicher Vertreter für ihn gehandelt hätte, wertmäßig mindestens der dem unredlichen Vertreter gewährte Vorteil als Gegenleistung angeboten worden wäre.

Andererseits ist es auch denkbar, dass der Bestecher den Bestechungslohn aus seinem Gewinn abzweigt, um ins Geschäft zu kommen oder im Geschäft zu bleiben. So hat der fünfte Strafsenat des Bundesgerichtshof (Urteil vom 15.03.2001 - 5 StR 554/00, NJW 2001, 2102 ff.) nicht beanstandet, dass zu Gunsten der Angeklagten unterstellt worden war, dass der Bestechungslohn aus dem Gewinn genommen worden sei, soweit dieser einen verschwindend geringen Prozentsatz des Umsatzes ausgemacht habe, es jedoch in den Verurteilungsfällen akzeptiert, dann von einem Vermögensschaden auszugehen, wenn eine erhebliche Größenordnung der Zahlungen im Verhältnis zum Gesamtumsatz bestehe. In Fällen, in denen ein Schmiergeld von 5 bis über 10 % des Umsatzes gegeben war, hat der Senat es als naheliegend bezeichnet, dass diese Beträge in die Preisbildung eingegangen seien und der Geschäftsherr damit den Bestechungslohn seiner Angestellten habe mitfinanzieren müssen.

3.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze erscheint es vorliegend geboten, davon auszugehen, dass die Schmiergelder in die Preisbildung eingegangen sind und der Beklagte sich dem bewusst war.

Bereits die Schmiergeldzahlungen vor dem Jahr 1992 beliefen sich auf 10 % des Nettoumsatzes, so dass davon auszugehen ist, dass sie in die Preisbildung eingegangen sind. Der Beklagte und R... erstrebten jedoch ein höheres Schmiergeld, so dass es ab 1992 zu dem neuen Verfahren gekommen ist. Sie erhielten nunmehr aus einem Teil der Bestellungen zusammen 50 % des Nettoumsatzes, so dass alles dafür spricht, dass ihr Bestechungslohn bezogen auf den gesamten Nettoumsatz noch über 10 % gelegen hat. Bei dieser Größenordnung ist jedoch davon auszugehen, dass die Schmiergelder bei der Gesamtkalkulation der Lieferungen in die Preisbildung eingegangen sind und zu einer Verteuerung der Lieferungen geführt haben. Gegenteiliges hätte von dem Beklagten konkret vorgetragen werden müssen, statt sich darauf zurückzuziehen, es habe sich um den Marktpreis gehandelt, ohne zu diesem konkrete Ausführungen zu machen, wie ihm vom Arbeitsgericht aufgegeben worden war. Soweit der Beklagte vorträgt, solches sei ihm unmöglich, überzeugt das nicht. Der Beklagte war seit langem mit dem Einkauf von Reinigungsmaterial betraut gewesen. Noch während der anfänglichen Schmiergeldzahlungen wurde Reinigungsmaterial auch von anderen Lieferanten bezogen. Der Beklagte kann sich folglich nicht darauf zurückziehen, dass er keine Marktkenntnisse habe.

Somit kann davon ausgegangen werden, dass die Warenlieferungen der J... - Handel mit chemischen und Erzeugnissen und der C... GmbH in Höhe der Schmiergeldzahlungen überteuert gewesen sind, so dass der Schmiergeldanteil zuzüglich der Umsatzsteuer den Schaden des klagenden Landes darstellen.

Bis zum 31.03.1998 sind Schmiergelder gezahlt worden von 50 % aus dem Nettoumsatz von 4.553.627,21 DM, also 2.276,813,62 DM. Zuzüglich der seinerzeitigen Umsatzsteuer von 15 % ergibt das einen Überteuerungsschaden von 2.618.335,65 DM. Nach dem 01.04.1998 bis zum 31.12.1998 sind Schmiergelder gezahlt worden in Höhe von 50 % aus dem Nettoumsatz von 399.836,36 DM, also 199.918,18 DM. Zuzüglich der Umsatzsteuer von 16 % ergibt sich ein Überteuerungsschaden von 231.905,09 DM. Das ergibt einen Gesamtschaden von 2.850.240,74 DM = 1.457.304,86 €, den das klagende Land nur zur Hälfte, nämlich in Höhe von 728.652,45 € gegenüber dem Beklagten geltend macht. Selbst wenn im Rahmen des § 287 Abs. 1 ZPO zu Gunsten des Beklagten unterstellt würde, dass J... beziehungsweise die GmbH die Schmiergelder zum Teil aus dem bei redlicher Abwicklung anfallenden Gewinn entnommen hätte, wäre dieser Betrag nicht zu beanstanden.

4.

Über den anerkannten Betrag von 600.000,00 € hinaus ist deshalb die Berufung auch insoweit zurückzuweisen, als sie sich gegen die Verurteilung zur Zahlung weiterer 128.652,45 € wendet. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Beklagte für die Klageforderung, soweit sie über den Anspruch des klagenden Landes auf Herausgabe vereinnahmter Schmiergelder von 633.166,43 € hinaus geht, nämlich um 95.436,02 €, neben den weiteren Tatbeteiligten (§§ 31, 840 Abs. 1 BGB) lediglich als Gesamtschuldner haftet, wobei zu seinen Gunsten die von dem klagenden Land als Gesamtschuldner Benannten in den Tenor aufzunehmen waren.

5.

Wegen des Zinsanspruches wird auf das Urteil des Arbeitsgerichts (Entscheidungsgründe B II.) Bezug genommen.

VI.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG i.V.m. § 97 Abs. 1 ZPO.

VII.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 72 Abs. 2 ArbGG), sind nicht ersichtlich. Mangels Zulassung findet gegen dieses Urteil keine Revision statt. Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 72 a ArbGG) wird hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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