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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 29.10.2008
Aktenzeichen: 15 Sa 1901/07
Rechtsgebiete: SGB IV, SGB V


Vorschriften:

SGB IV § 28d Abs. 1
SGB IV § 28g
SGB V § 241a Abs. 1
SGB V § 249
Der zusätzliche Krankenversicherungsbeitrag ist nur im Entgeltsabzugsverfahren geltend zu machen.
LANDESARBEITSGERICHT NIEDERSACHSEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

15 Sa 1901/07

In dem Rechtsstreit

hat die 15. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 29. Oktober 2008 durch

den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Löber, den ehrenamtlichen Richter Kohlstedt, den ehrenamtlichen Richter Langer für Recht erkannt:

Tenor:

Unter Zurückweisung im Übrigen wird auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 15.11.2007 - 1 Ca 204/07 - teilweise abgeändert und folgendermaßen neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 270,70 € netto zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17.04.2007.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Die übrigen Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu 2/7 und die Beklagte zu 5/7 zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Zulässigkeit des nachträglichen Abzugs des zusätzlichen Krankenversicherungsbeitrags (§ 241 a SGB V) vom Gehalt des Klägers außerhalb der Grenzen des § 28 g Sätze 2 und 3 SGB IV.

Der Kläger ist bei der Beklagten seit 1986 angestellt und in die Entgeltsgruppe 9 TVöD eingruppiert. Die Beklagte unterließ im Jahre 2006 den Abzug des zusätzlichen Krankenversicherungsbeitrags vom Arbeitsentgelt des Klägers, der im Einzelnen betrug:

 Januar 200629,87 €
Februar 200629,76 €
März 200629,74 €
April 200631,17 €
Mai 200629,69 €
Juni 200629,68 €
Juli 200631,11 €
August 200629,81 €
September 200629,87 €
Oktober 200629,69 €
November 200652,29 €
Dezember 200629,73 €
Insgesamt382,41 €

Den Gesamtbetrag von 382,41 € brachte die Beklagte nach Feststellung des Abrechnungsfehlers sodann vom Gehalt für Januar 2007 in Abzug (Gehaltsabrechnung, Bl. 30 d.A.).

Nachdem der Kläger mit Schreiben vom 05.04.2007 die Unzulässigkeit dieses Abzugs und die Nachzahlung des einbehaltenen Betrags mit Fristsetzung zum 16.04.2007 vergeblich geltend gemacht hatte, hat er beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 382,41 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 17.04.2007 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Nach ihrer Ansicht ist der nachträgliche Abzug insgesamt zulässig gewesen, weil der Arbeitnehmer den zusätzlichen Krankenversicherungsbeitrag im Sinne des § 28 g Satz 4 SGB IV allein zu tragen habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des Urteils vom 15.11.2007 Bezug genommen, mit dem das Arbeitsgericht die Beklagte unter Abweisung der Klage im Übrigen zur Zahlung von 273,70 € netto nebst Zinsen verurteilt hat. Es hat zur Begründung ausgeführt, der zusätzliche Krankenversicherungsbeitrag sei nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut Teil des Gesamtsozialversicherungsbeitrags, den der Arbeitgeber an die Sozialversicherung abzuführen habe, wobei er den auf den Arbeitnehmer entfallenden Teil des Gesamtsozialversicherungsbeitrags nur durch Abzug vom Arbeitsentgelt geltend machen und einen unterbliebenen Abzug nur bei den drei nächsten Entgeltsanrechnungen nachholen könne. Das gelte nur dann nicht, wenn der Arbeitnehmer den Gesamtsozialversicherungsbeitrag allein zu tragen habe. Zwar habe der Arbeitnehmer den zusätzlichen Krankenversicherungsbeitrag allein zu tragen. Damit habe er aber nur einen Teil des Gesamtsozialversicherungsbeitrags zu tragen, so dass der unterbliebene Abzug des zusätzlichen Krankenversicherungsbeitrags nur bei den drei nächsten Entgeltsabrechnungen nachgeholt werden könne. Folglich sei die Beklagte nur berechtigt gewesen, bei der Abrechnung des Gehalts des Klägers für Januar 2007 den unterbliebenen Abzug der zusätzlichen Krankenversicherungsbeiträge für die Monate Oktober bis Dezember 2006 nachzuholen, nicht dagegen den unterbliebenen Abzug der Beiträge für die Monate Januar bis September 2006, so dass dem Kläger noch restliches Gehalt für Januar 2007 in Höhe des zu Unrecht nachgeholten Abzugs zustehe, das gemäß den §§ 288, 286 BGB zu verzinsen sei.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 04.12.2007 zugestellte Urteil am 27.12.2007 Berufung eingelegt, die sie am 25.02.2008 begründet hat, nachdem mit Beschluss vom 22.01.2008 die Berufungsbegründungsfrist bis zum 04.03.2008 verlängert worden war.

Die Beklagte rügt die fehlerhafte Auslegung des § 28 g Satz 4 SGB IV. Durch Gesetz zur Anpassung der Finanzierung von Zahnersatz vom 15.12.2004 sei mit Wirkung vom 01.07.2005 ein zusätzlicher Beitragssatz in der gesetzlichen Krankenversicherung eingeführt worden (§ 241 a SGB V), der einen allein vom Arbeitnehmer zu tragenden Sonderbeitrag darstelle. Zeitnah hierzu sei mit dem Verwaltungsvereinfachungsgesetz vom 21.03.2005 § 28 g Satz 4 letzter Teilsatz in Kraft getreten, wonach der Grundsatz der Sätze 2 und 3, dass der Arbeitgeber den Anspruch auf den vom Beschäftigten zu tragenden Teil des Gesamtsozialversicherungsbeitrags nur durch Abzug vom Arbeitsentgelt geltend machen und auch nur bei den drei nächsten Lohn- und Gehaltszahlungen nachholen könne, danach nur, wenn der Abzug ohne Verschulden des Arbeitgebers unterblieben sei, nicht gelte, wenn der Beschäftigte den Gesamtsozialversicherungsbeitrag allein trage oder solange der Beschäftigte nur Sachbezüge erhalte. Das Arbeitsgericht begründe seine Entscheidung damit, dass der Kläger den Gesamtsozialversicherungsbeitrag nicht allein trage, da er nur einen Teil des Gesamtsozialversicherungsbetrags, nämlich den zusätzlichen Beitragssatz zur Krankenversicherung gemäß § 241 a SGB IV allein trage. Da aber für im Arbeitsverhältnis Beschäftigte keine Regelung im Sozialgesetzbuch existiere, nach der der Beschäftigte den Gesamtsozialversicherungsbeitrag komplett allein trage, würde nach dieser Argumentation die Neuregelung des § 28 g Satz 4 SGB IV leer laufen. Es könne sich somit hierbei nur um Beiträge handeln, die, wie der hier streitige, als besonderer Beitrag allein vom Beschäftigten zu tragen sei. Das entspreche auch der einhelligen Kommentierung für die Beiträge nach § 241 a SGB V und der Aussage der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger vom 26.04.2005 im Rundschreiben zum zusätzlichen Beitragssatz in der gesetzlichen Krankenversicherung, dort in Ziffer 3.6. (Bl. 34 ff., 38 f. d.A.)

Die Beklagte beantragt,

in Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt die arbeitsgerichtliche Entscheidung nach Maßgabe seiner Berufungserwiderung vom 21.04.2008.

Entscheidungsgründe:

Die kraft Zulassung statthafte Berufung (§ 64 Abs. 2 a ArbGG) ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 64 Abs. 6 Satz 1, 66 Abs. 1 Sätze 1 und 5 ArbGG, §§ 519, 520 Abs. 3 ZPO).

Die mithin zulässige Berufung ist jedoch nur zu einem geringen Teil begründet, im Übrigen jedoch unbegründet.

Dem Arbeitsgericht ist dahin zu folgen, dass bei der Abrechnung des Gehalts für Januar 2007 nur der unterbliebene Abzug der zusätzlichen Krankenversicherungsbeiträge für die vorangegangenen drei Monate Oktober bis Dezember 2006 nachgeholt werden durfte. Diese Beiträge betragen zusammen 111,71 € (29,69 € Oktober 2006, 52,29 € November 2006 und 29,73 € Dezember 2006). Nachgeholt hat die Beklagte jedoch unzulässigerweise auch den Abzug der Beiträge für Januar bis Oktober 2006 in Höhe von insgesamt 270,70 € (29,87 € Januar 2006, 29,76 € Februar 2006, 29,74 € März 2006, 31,17 € April 2006, 29,69 € Mai 2006, 29,68 € Juni 2006, 31,11 € Juli 2006, 29,81 € August 2006 und 29,87 € September 2006), so dass der Kläger entgegen der Berechnung des Arbeitsgerichts noch einen restlichen Gehaltsanspruch für Januar 2007 in Höhe von 270,70 € netto und nicht in Höhe von 273,70 € netto hat, den er innerhalb der tariflichen Ausschlussfrist des § 37 TVöD schriftlich geltend gemacht hat und der, wie beantragt, gemäß den §§ 286 Abs. 1 Satz 1, 288 Abs. 1 BGB zu verzinsen ist.

Die Beiträge in der gesetzlichen Krankenversicherung, Rentenversicherung und Pflegeversicherung sowie die Beiträge aus Arbeitsentgelt aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nach dem Recht der Arbeitsförderung werden gemäß § 28 d Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGB IV als Gesamtsozialversicherungsbeitrag gezahlt. § 28 d Abs. 1 SGB IV definiert damit den Begriff des Gesamtsozialversicherungsbeitrags als Summe aller Beiträge, sei es, dass sie teilweise vom Arbeitnehmer und teilweise vom Arbeitgeber, sei es dass sie vom Arbeitgeber oder vom Arbeitnehmer, wie der zusätzliche Krankenversicherungsbeitrag nach § 241 a Abs. 1 SGB V, allein zu tragen sind (Seewald in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, § 28 d SGB IV, Rdnr. 3; Baier in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, soziale Pflegeversicherung, § 28 d SGB IV, Rdnr. 3).

Der Gesamtsozialversicherungsbeitrag wird vom Arbeitgeber gezahlt (§ 28 e Abs. 1 Satz 1 SGB IV). Dieser hat gemäß § 28 g Satz 1 SGB IV gegen den Beschäftigten einen Anspruch auf den vom Beschäftigten zu tragenden Teil des Gesamtsozialversicherungsbeitrags. Dieser Anspruch kann grundsätzlich nur durch Abzug vom Arbeitsentgelt geltend gemacht werden (§ 28 g Satz 2 SGB IV), wobei ein unterbliebener Abzug nur bei den nächsten drei Entgeltszahlungen nachgeholt werden darf, danach nur dann, wenn der Abzug ohne Verschulden des Arbeitgebers unterblieben ist (§ 28 g Satz 3 SGB IV). Gemäß § 28 g Satz 4 SGB IV gelten die Sätze 2 und 3 jedoch nicht, wenn der Beschäftigte seinen Pflichten nach § 28 o Abs. 1 SGB IV vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachkommt oder er den Gesamtsozialversicherungsbeitrag allein trägt oder solange der Beschäftigte nur Sachbezüge erhält.

Das bedeutet, dass die Beklagte einen Anspruch gegen den Kläger auf den von ihr als Teil des Gesamtsozialversicherungsbeitrags zu zahlenden besonderen Krankenversicherungsbeitrag (§ 241 a Abs. 1 SGB V) hat, da dieser Beitrag ein vom Kläger zu tragender Teil des Gesamtsozialversicherungsbeitrags ist. Diesen Anspruch kann sie aber nur durch Abzug vom Arbeitsentgelt geltend machen. Diesen hat sie in den Monaten Januar bis Dezember 2006 unterlassen. Mit der Abrechnung des Gehalts für Januar 2007 durfte sie nur den unterbliebenen Abzug für die vergangenen drei Monate Oktober bis Dezember 2006 nachholen. Eine weitergehende Nachholung war nicht zulässig, weder nach § 28 g Satz 3 Satzteil 2 noch nach Satz 4 SGB IV.

Dass der Abzug des besonderen Krankenversicherungsbeitrags ohne ihr Verschulden unterblieben sei, macht die Beklagte nicht geltend. Insbesondere macht sie auch nicht geltend, dass der Kläger seinen Auskunfts- und Nachweispflichten gemäß § 28 o Abs. 1 SGB IV vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen sei. Weiter hat der Kläger nicht ausschließlich Sachbezüge erhalten.

Schließlich hatte der Kläger den Gesamtsozialversicherungsbeitrag nicht allein zu tragen, sondern nur Teile desselben, wie den besonderen Beitrag zur Krankenversicherung. Das Berufungsgericht folgt der vom Arbeitsgericht vorgenommenen Auslegung des § 28 g Satz 4 2. Alternative SGB IV hinsichtlich des besonderen Krankenversicherungsbeitrags gemäß § 241 a Abs. 1 SGB V.

Für die vom Arbeitsgericht vorgenommene Auslegung streitet zunächst der Wortlaut.

§ 28 d Abs. 1 SGB IV definiert den Begriff des Gesamtsozialversicherungsbeitrags als Summe aller Beiträge, sei es, dass sie vom Arbeitnehmer oder vom Arbeitgeber allein oder sei es dass sie von beiden anteilig zu tragen sind. Dieser so definierte Begriff des Gesamtsozialversicherungsbeitrags wird in § 28 g Satz 4 2. Alternative SGB IV verwandt, so dass nach dem Wortlaut die Sätze 2 und 3 des § 28 g SGB IV nur dann nicht gelten, wenn der Beschäftigte alle Teile des Gesamtsozialversicherungsbeitrags allein trägt, was bei dem Kläger nicht der Fall gewesen ist.

Bei der Auslegung eines Gesetzes ist jedoch nicht allein auf den Wortlaut, sondern auch auf den Sinn der Norm abzustellen, wobei unter anderen der Gesamtzusammenhang der Regelung, seine Entstehungsgeschichte und vor allen Dingen der Gesetzeszweck zu berücksichtigen sind.

Die Beklagte verweist zurecht darauf, dass die am reinen Wortlaut orientierte Auslegung dazu führe, dass die Regelung des § 28 g Satz 4 2. Alternative SGB IV leer liefe, da für im Arbeitsverhältnis Beschäftigte keine Regelungen im Sozialgesetzbuch existiert, nach denen der Beschäftigte den Gesamtsozialversicherungsbeitrag, wie in § 28 d Abs. 1 SGB IV definiert, allein trägt. Daraus folgt jedoch nicht, dass der besondere Krankenversicherungsbeitrag ein Beitrag im Sinne des § 28 g Satz 4 2. Alternative SGB IV ist.

Dafür streitet nicht eine gemeinsame Entstehungsgeschichte des § 241 a SGB V und des § 28 d Satz 4 2. und 3. Alternative SGB IV. Die Regelungen sind vielmehr zu unterschiedlicher Zeit in unterschiedlichen Gesetzen normiert worden. § 241 a SGB V ist auf Grund des Gesetzes zur Anpassung der Finanzierung des Zahnersatzes vom 25.12.2004 mit Wirkung zum 01.07.2005 in das SGB V eingefügt worden. § 28 d Satz 4 2. und 3. Alternative SGB IV ist dagegen mit dem Verwaltungsvereinfachungsgesetz vom 21.03.2005 zum 30.03.2005 eingefügt worden. Beide Regelungen stehen zudem in unterschiedlichen Regelungszusammenhängen. Das Gesetz vom 14.12.2004 hat die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung zum Gegenstand. Das Gesetz vom 21.03.2005 dient der Verwaltungsvereinfachung und trat deshalb auch zu einem anderen Zeitpunkt in Kraft als das Gesetz vom 14.12.2004.

Die 2. Alternative im Satz 4 des § 28 g SGB IV hatte zum Zeitpunkt seines Inkrafttretens auch einen Regelungsgegenstand, wenn hier Gesamtsozialversicherungsbeitrag abweichend vom Wortlaut des § 28 d Abs. 1 SGB IV dahin ausgelegt wird, dass sich der Gesamtsozialversicherungsbeitrag auf den jeweiligen Zweig der Sozialversicherung bezieht. Bei dieser Auslegung lief die Regelung in § 28 g Satz 4 SGB IV nicht leer, weil die gesetzliche Möglichkeit gegeben war und ist, dass der Arbeitnehmer den gesamten Beitrag zur gesetzlichen Pflegeversicherung zu tragen hat (§ 58 Abs. 3 SGB XI).

Diese Auslegung wird auch dem Gesetzeszweck des § 28 g Sätze 2 und 3 SGB IV gerecht. Die aus dem Arbeitsentgelt zu zahlenden Beiträge sollen aus dem jeweiligen Arbeitsentgelt des Abrechnungszeitraums bei dessen Fälligkeit gezahlt werden. Die zeitliche Begrenzung des Beitragsabzugs für bereits ausgezahltes Entgelt soll den Arbeitnehmer vor nicht zu erwartender Beitragsanhäufung und -verschuldung schützen (Baier, a.a.O., § 28 g SGB IV, Rdnr. 8). Da der Arbeitgeber andererseits für den Arbeitnehmer dessen Betragsschuld tilgt, wird er in den Fällen von der Beschränkung in der Realisierung seines Ausgleichsanspruchs gegenüber dem Arbeitnehmer befreit, in denen er unverschuldet die Beitragszahlung für den Arbeitnehmer unterlässt (§ 28 g Satz 3 Satzteil 2 SGB IV). In den Fällen, in denen die mangelnde Schuld des Arbeitsgebers darauf beruht, dass der Arbeitnehmer seinen Verpflichtungen nach § 28 o Abs. 1 SGB IV vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachkommt, kann der Arbeitgeber seinen Ausgleichsanspruch zudem außerhalb des Abzugs vom Arbeitsentgelt realisieren (§ 28 g Satz 4 1. Alternative SGB IV). Es erscheint vertretbar, den Arbeitgeber von den Beschränkungen des § 28 g Sätze 2 und 3 SGB IV auch in den Fällen zu befreien, in denen es sich um Beiträge zu einem Sozialversicherungszweig handelt, die der Arbeitnehmer allein zu tragen hat. In diesem Fall kommt der Arbeitgeber mit der Beitragsabführung einer ausschließlichen Pflicht des Arbeitnehmers nach, wohingegen er bei einer anteiligen Beitragstragung durch Arbeitnehmer und Arbeitgeber zugleich einer eigenen Zahlungspflicht nachkommt, die im Interesse der Versichertengemeinschaft zeitnah zu erfolgen hat.

Soweit Baier (a.a.O., § 28 g SBG IV, Rdnr. 14; unklar Seewald, a.a.O., § 28 SGB IV, Rdnr. 9) darauf abstellt, dass das auch für den zusätzlichen Krankenversicherungsbeitrag nach § 241 a SGB V gelte, überzeugt das nicht. In der gesetzlichen Krankenversicherung werden die Beiträge zum einen vom Arbeitgeber und vom Arbeitnehmer gemeinsam getragen (§ 249 Abs. 1 SGB V) und zum zweiten vom Arbeitnehmer allein (§ 241 a Abs. 1 SGB V). Der Arbeitgeber kommt bei der Beitragsabführung zur gesetzlichen Krankenversicherung folglich nicht ausschließlich einer Pflicht des Arbeitnehmers nach, sondern auch einer eigenen Zahlungspflicht, so dass es weiterhin gerechtfertigt ist, ihn durch die Beschränkung im Entgeltsabzugsverfahren zu einer zeitnahen Zahlung anzuhalten.

Im Hinblick auf den Zweck des zeitlich begrenzten Entgeltsabzugsverfahrens, der, wie dargelegt, darin besteht, den Arbeitnehmer vor nicht zu erwartender Beitragshäufung und -verschuldung zu schützen, ist Baier (a.a.O., § 28 g SGB IV, Rdnr. 14) auch inkonsequent, wenn er ausführt, dass erhebliche Bedenken bestünden, dem Arbeitgeber das Recht einzuräumen, innerhalb der durch Verjährung und Verwirkung gesetzten Grenzen Beiträge unter Umständen nach Monaten und Jahren geltend zu machen, wenn ihm der rechtzeitige Abzug von laufendem Arbeitsentgelt möglich gewesen wäre.

Es ist weiter darauf hinzuweisen, dass der Arbeitnehmer in Fällen, in denen er den Beitrag aus dem Arbeitsentgelt zu einem Zweig der Sozialversicherung allein zu tragen hat, bei einem Blick in die Entgeltsabrechnung leicht feststellen kann, dass kein Beitrag abgeführt worden ist, so dass er Vorkehrungen gegen eine Beitragshäufung und -verschuldung treffen kann. In Fällen, wie in der gesetzlichen Krankenversicherung, in denen die Beiträge zum einen gemeinsam von Arbeitnehmer und Arbeitgeber und zum zweiten vom Arbeitnehmer allein zu tragen sind, kann er seiner Entgeltsabrechnung aber nur schwer entnehmen, ob der von ihm allein zu tragende zusätzliche Beitrag in dem ausgewiesenen Beitrag enthalten ist, oder ob es sich lediglich um den auf ihn entfallenen Teil des gemeinsam zu tragenden Beitrags handelt.

Die Kostenentscheidung beruht für das Berufungsverfahren auf § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG i.V.m. den §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 97 Abs. 1 ZPO und für das erstinstanzliche Verfahren auf § 92 Abs. 1 ZPO.

Die Revisionszulassung beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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