Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 25.06.2008
Aktenzeichen: 15 Sa 526/07 E
Rechtsgebiete: BAT 1975, TVÜ/TVL, BAT/BL


Vorschriften:

BAT 1975 § 22
BAT 1975 § 23
TVÜ/TVL § 11 Abs. 1
BAT/BL Anlage 1 a BAT/BL
BAT/BL Teil II Abschnitt G
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
LANDESARBEITSGERICHT NIEDERSACHSEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

15 Sa 526/07 E

In dem Rechtsstreit

hat die 15. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 25. Juni 2008 durch

den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Löber, den ehrenamtlichen Richter Renneberg, den ehrenamtlichen Richter Thiele für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 24.01.2007 - 2 Ca 72/06 E - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Eingruppierung der Klägerin.

Die Klägerin ist staatlich anerkannte Erzieherin und Mitglied der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. Das beklagte Land ist Mitglied der Tarifgemeinschaft der Länder.

Die Klägerin trat auf Grund des Vertrags vom 10.06.2002 (Bl. 8 f. d.A.) ab 01.08.2002 im Rahmen des Konzepts "Verlässliche Grundschule" als teilzeitbeschäftigte Betreuungskraft (5/38,5 Stunden pro Woche) an der Grundschule Altstadtschule in C-Stadt in die Dienste des beklagten Landes und erhält seit dem Vergütung nach Vergütungsgruppe VI b BAT beziehungsweise seit dem 01.11.2006 Entgelt nach Entgeltgruppe 6 TVL. Auf der Grundlage des Erlasses des niedersächsischen Kultusministers vom 18.05.2004 (Bl. 37 ff. d.A.) schlossen die Parteien am 30.06.2004 für die Zeit ab 01.08.2004 einen unbefristeten Arbeitsvertrag (Bl. 34 ff. d.A.), wonach die Klägerin mit fünf Stunden pro Woche als pädagogische Mitarbeiterin zur regelmäßigen stundenweisen Erteilung von schulspezifischen unterrichtsergänzenden Angeboten beschäftigt und gemäß § 4 "kraft dieses Arbeitsvertrags in die Vergütungsgruppe VI b BAT eingruppiert" ist.

Die Klägerin betreut, wie bisher, Schüler der ersten und zweiten Klassen außerhalb des Unterrichts in den Randstunden in der Zeit von 12:00 bis 13:00 Uhr, indem sie Gesprächsstunden im Stuhlkreis durchführt, mit den Kindern Lieder singt, Bilderbuchbetrachtungen durchführt, Bastelangebote begleitet oder leitet und Bewegungsspiele in der Turnhalle anleitet. Die Themen für diese Angebote werden mit der Klassenlehrerin abgestimmt, gegebenenfalls werden Unterrichtsbezüge hergestellt. Dabei orientieren sich die Angebote an den Bedürfnissen der Kinder und auch an den witterungsabhängigen Möglichkeiten.

Nachdem die Klägerin mit Schreiben vom 15.11.2005 (Bl. 6 d.A.) vergeblich ihre Höhergruppierung im Wege des Bewährungsaufstiegs in die Vergütungsgruppe Vc BAT ab dem 01.08.2005 geltend gemacht hatte, hat sie mit ihrer am 25.07.2006 zugestellten Klage ihr Begehren unter Hinweis auf ihre - unstreitig - beanstandungsfreie dreijährige Tätigkeit weiterverfolgt und zuletzt beantragt,

festzustellen, dass das beklagte Land verpflichtet ist, der Klägerin ab dem 01.08.2005 anstelle der gewährten Vergütung nach Vergütungsgruppe VI b BAT Vergütung nach Vergütungsgruppe V c BAT - bzw. ab dem 01.11.2006 nach Entgeltgruppe 8 TVL - nebst Zinsen in Höhe von 4 %-Punkten auf die sich ergebenden Netto-Differenzbeträge ab jeweiliger Fälligkeit, frühestens ab Rechtshängigkeit, zu gewähren.

Das beklagte Land hat beantragt,

die Klage abzuweisen,

da das Arbeitsverhältnis der Klägerin als pädagogische Mitarbeiterin nicht der Vergütungsordnung des BAT unterfalle und im Arbeitsvertrag vom 30.06.2004 konstitutiv ihre Eingruppierung in die Vergütungsgruppe VI b BAT ohne Möglichkeit des Bewährungsaufstiegs in die Vergütungsgruppe V c BAT vereinbart worden sei.

Wegen weiterer Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des Urteils vom 24.01.2007 Bezug genommen, mit dem das Arbeitsgericht der Klage auf Kosten des beklagten Landes stattgegeben hat, da die Klägerin keine Lehrkraft in Sinne der Vorbemerkung Nr. 5 der Vergütungsordnung sei, sie vielmehr als pädagogische Mitarbeiterin analog der Fallgruppe 7 der Vergütungsgruppe V c der Anlage 1 a zum BAT/BL, Teil II G nach dreijähriger Bewährung eingruppiert sei, wobei ein etwaiger einzelvertraglicher Ausschluss des Bewährungsaufstiegs gegen § 4 Abs. 3 TVG verstieße.

Das beklagte Land hat gegen das ihm am 05.03.2007 zugestellte Urteil vom 03.04.2007 Berufung eingelegt, die es am Montag, den 07.05.2007 begründet hat.

Das beklagte Land rügt, dass das Arbeitsgericht verkannt habe, dass die Parteien im Arbeitsvertrag vom 30.06.2004 konstitutiv die Vergütung nach Vergütungsgruppe VI b BAT vereinbart haben und die Anlage 1 a zum BAT für pädagogische Mitarbeiter nicht anwendbar sei, da sie weder Lehrkräfte noch Erzieherinnen seien. Eine analoge Anwendung der Tätigkeitsmerkmale für Erzieher scheide aus, da es sich um unterrichtsähnliche Tätigkeit handele, die aber nicht unter die Regelung für Lehrkräfte falle. Wegen der Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 07.05.2007 Bezug genommen.

Das beklagte Land beantragt,

in Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Auf ihre Berufungserwiderung vom 08.07.2007 wird gleichfalls Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist statthaft.

Das beklagte Land ist ausreichend beschwert. Die Beschwer übersteigt 600,00 € (§ 64 Abs. 2 b ArbGG), da die monatliche Vergütungsdifferenz 23,00 € beträgt, so dass der Beschwerdewert 828,00 € beträgt (§§ 42 Abs. 4 Satz 2, 47 Abs. 1 und 2 GKG).

Die Berufung ist zudem form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 64 Abs. 6 Satz 1, 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG i.V.m. §§ 222 Abs. 2, 519, 520 Abs. 3 ZPO).

Die mithin zulässige Berufung ist jedoch unbegründet.

Das Arbeitsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben.

Die Klägerin hat seit dem 01.08.2005 Anspruch auf Vergütung nach Vergütungsgruppe V c BAT und folglich seit dem 01.11.2006 Anspruch auf Entgelt nach Entgeltgruppe 8 TVL.

Die Parteien sind beiderseits tarifgebunden (§ 3 Abs. 1 TVG). Das beklagte Land ist Mitglied der tarifschließenden Tarifgemeinschaft der Länder. Die Klägerin ist Mitglied der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, die, vertreten durch die Gewerkschaft ver.di, gleichfalls tarifschließende Gewerkschaft ist (vgl. Clemens, u.a., BAT, Vorbemerkung 5 vor § 1 BAT).

Demgemäß (§ 4 Abs. 1 Satz 1 TVG) erhält die Klägerin Vergütung nach der Vergütungsgruppe der Vergütungsordnung zum BAT/BL (Anlagen 1 a und 1 b), in die sie eingruppiert ist (§ 22 Abs. 1 BAT).

Entgegen der Berufung findet die Vergütungsordnung auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin Anwendung, denn sie ist keine Lehrkraft im Sinne der Vorbemerkung 5 zur Vergütungsordnung, für die die Vergütungsordnung ausdrücklich keine Anwendung findet.

Lehrkräfte im Tarifsinne sind Personen, bei denen die Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten im Rahmen eines Schulbetriebs der Tätigkeit das Gepräge gibt. Das setzt voraus, dass die Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten für die Tätigkeit maßgebend ist und die unmittelbare Unterrichtstätigkeit mehr als die Hälfte der Gesamtarbeitszeit einnimmt (BAG, Urteil vom 27.01.1999 - 4 AZR 88/98, AP Nr. 262 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Das ist vorliegend nicht der Fall, denn die Klägerin ist bereits nicht im Unterricht eingesetzt. Davon geht die Berufung selbst aus, die in der Berufungsbegründungsschrift (Seite 5 letzter Absatz bis Seite 7) die Aufgaben einer Lehrkraft im Einzelnen aufführt und darlegt, dass dieser Auflagenkatalog zeige, dass pädagogische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, selbst wenn sie bei kurzfristigen Ausfällen von Lehrkräften Klassen beaufsichtigen und betreuen, nicht mit Lehrkräften gleich gesetzt werden können.

Soweit die Berufung darauf abstellt, dass die Vergütungsordnung zum BAT keine Tätigkeitsmerkmale für pädagogische Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen enthalte, folgt daraus jedoch nicht, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin nicht der Vergütungsordnung, hier die Anlage 1 a zum BAT/BL, unterfällt und die Vergütung deshalb einzelvertraglich zu vereinbaren ist.

Zwar ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (z.B. Urteil vom 27.01.1999, a.a.O.) die unterrichtsunterstützende Tätigkeit einer Erzieherin keine Tätigkeit eines Erziehers im Tarifsinne. Der Begriff des Erziehers ist im berufskundlichen Sinne zu verstehen. Er umfasst deshalb nur entsprechende Tätigkeiten in außerschulischen Einrichtungen. Die Klägerin ist aber in der Schule tätig, also nicht als Erzieherin im Tarifsinne, auch wenn sie ähnlich einer Erzieherin in einem Hort tätig ist.

Bei der somit gegebenen Regelungslücke in der Vergütungsordnung zum BAT für die Tätigkeit der pädagogischen Mitarbeiter in der Schule handelt es sich aber nicht um eine bewusste Regelungslücke, wie gemäß Vorbemerkung 5 zur Vergütungsordnung für Lehrkräfte, sondern um eine unbewusste Regelungslücke, die durch analoge Anwendung der Vergütungsordnung zu schließen ist und zwar durch die analoge Heranziehung der Tätigkeitsmerkmale für Angestellte im Erziehungsdienst (ständige Rechtsprechung des BAG, z.B. Urteil vom 27.01.1999, a.a.O.).

Inwiefern die Artverwandtschaft und Vergleichbarkeit der Tätigkeit der Klägerin weniger zu Angestellten im Erziehungsdienst gegeben sein soll als zur unterrichtenden Tätigkeit einer Lehrkraft und deshalb eine analoge Heranziehung der Tätigkeitsmerkmale des Erziehungsdienstes nicht möglich sei, ist nicht nachvollziehbar. Wie die Berufung selbst unter ausführlicher Darlegung der Aufgaben einer Lehrkraft herausarbeitet, unterscheidet sich die Tätigkeit einer Lehrkraft und die Tätigkeit einer pädagogischen Mitarbeiterin gerade dadurch, dass die Tätigkeit der pädagogischen Mitarbeiterin keine unterrichtende Tätigkeit mit allen damit zusammenhängenden Aufgaben ist. Die pädagogische Betreuungstätigkeit der Klägerin in den Randstunden ist dagegen der Tätigkeit einer Erzieherin in außerschulischen Einrichtungen, wie z.B. in einem Hort sehr ähnlich. Artverwandtheit und Vergleichbarkeit sprechen folglich für die analoge Heranziehung der Tätigkeitsmerkmale für Angestellte im Erziehungsdienst. Alle anderen Tätigkeitsmerkmale der Vergütungsordnung zum BAT weisen nicht eine solche Ähnlichkeit aus. Die wegen der unbewussten Regelungslücke erforderliche Analogie ist deshalb zu den Tätigkeitsmerkmalen des Erziehungsdienstes geboten.

Dabei ist die gesamte pädagogische Betreuungstätigkeit ein Arbeitsvorgang im Sinne der Protokollnotiz 1 zu § 22 Abs. 2 BAT. Die gesamte Tätigkeit ist auf das Arbeitsergebnis einer optimalen pädagogischen Betreuung der Schüler in den Randstunden ausgerichtet. Demzufolge erfüllt die Klägerin gemäß § 22 Abs. 2 BAT als staatlich anerkannte Erzieherin mit entsprechender Tätigkeit in analoger Anwendung die Tätigkeitsmerkmale der Vergütungsgruppe VI b Fallgruppe 5 der Anlage 1 a zum BAT/BL, Teil II G und seit dem 01.08.2005 nach dreijähriger unbeanstandeter Tätigkeit in analoger Anwendung zu dem die Tätigkeitsmerkmale der von ihr geltend gemachten Vergütungsgruppe V c Fallgruppe 7 des Teils II G der genannten Vergütungsordnung.

Auch nach Ablösung des BAT durch den TVL zum 01.01.2006 bestimmt sich gemäß § 11 Abs. 1 TVÜ/TVL die Eingruppierung weiter nach den §§ 22, 23 BAT, wobei die Eingruppierung der Klägerin in die Vergütungsgruppe V c BAT gemäß der Anlage 2 zum TVÜ/TVL der Entgeltgruppe 8 TVL zugeordnet ist.

Dem Vergütungsanspruch der Klägerin kann nicht entgegengehalten werden, dass im dem Arbeitsvertrag vom 30.06.2004 einzelvertraglich die Vergütung nach Vergütungsgruppe VI b BAT ohne Bewährungsaufstieg nach Vergütungsgruppe V c BAT vereinbart worden sei. Dabei kann dahinstehen, ob in Anbetracht der einzelvertraglichen Inbezugnahme des BAT in § 2 des Arbeitsvertrags der Nennung der Eingruppierung in § 4 des Arbeitsvertrags lediglich deklaratorische Bedeutung zukommt oder ob in § 4 abweichend von der Vergütungsordnung die Vergütung nach Vergütungsgruppe VI b BAT ohne Bewährungsaufstieg nach Vergütungsgruppe V c BAT vereinbart worden ist (so: LAG Niedersachsen, Urteil vom 05.02.2008, 5 Sa 41/07 E, nicht rechtkräftig, Revisionsverfahren 4 AZR 234/08). Ein einzelvertraglicher Ausschluss des Bewährungsaufstiegs nach Vergütungsgruppe V c BAT verstieße gegen § 4 Abs. 3 TVG und wäre deshalb unzulässig, worauf bereits das Arbeitsgericht zutreffend hingewiesen hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG i.V.m. § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG, um eine revisionsrechtliche Überprüfung der Eingruppierungspraxis des beklagten Landes sowohl gegenüber tarifgebundenen als auch gegenüber nichttarifgebundenen pädagogischen Mitarbeitern auf der Grundlage des Erlasses vom 18.05.2004 zu ermöglichen.

Ende der Entscheidung

Zurück