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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 10.01.2003
Aktenzeichen: 16 Sa 1473/02
Rechtsgebiete: MTV, BGB, TVG


Vorschriften:

MTV § 6
MTV § 6 Ziffer 3 d)
MTV § 8
MTV § 14
MTV § 14 Ziffer 1
MTV § 14 Ziffer 2
BGB § 611 Abs. 1
TVG § 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Niedersachsen IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

16 Sa 1473/02

Verkündet am: 10. Januar 2003

In dem Rechtsstreit

hat die 16. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 10.01.2003 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Hannes und die ehrenamtlichen Richterinnen Müller und Diener-Wohner

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lingen (Ems) vom 15.08.2002, Az. 1 Ca 48/02, wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt mit der Klage Zahlung eines Zeitzuschlages für die Tätigkeit am 21. und 22.07.2001.

Der am geborene Kläger ist bei der Beklagten seit 1982 als Werkschutzfachkraft zu einer Bruttovergütung von zuletzt 11,70 6 pro Stunde beschäftigt. Der Kläger erbringt seine Tätigkeit im Kernkraftwerk. Der Kläger hatte im Juli 2001 entsprechend dem Schichtplan (Blatt 21 d. A.) zu arbeiten. Dabei leistete er am 21.07. und 22.07.2001 Zusatzschichten i. S. von § 14 Ziffer 2 des Manteltarifvertrages für das Wach- und Sicherheitsgewerbe im Lande Niedersachsen vom 06.03.1997 (MTV). Auf diese Weise arbeitete der Kläger in diesem Monat 192 Stunden. Die Beklagte vergütete die am 21. und 22.07.2001 geleisteten jeweils 8 Stunden mit einem 50 %igen Zuschlag gemäß § 14 Ziffer 2 MTV. Der Kläger vertritt die Auffassung, die 16 Stunden, die durch die beiden Zusatzschichten am 21.07.2001 und 22.07.2001 entstanden seien, seien Mehrarbeit i. S. von § 14 Ziffer 1 i. V. m. § 6 Ziffer 3 d) MTV. Aus diesem Grunde sei ein Zuschlag von 25 % neben dem bereits gezahlten 50 %igen Zuschlag zu zahlen.

Der Kläger hat seine Forderung mit Schreiben vom 23.09.2001 gegenüber der Beklagten geltend gemacht. Das vorliegende Verfahren wird von den Parteien als Musterverfahren geführt, da ca. weitere 100 Arbeitnehmer entsprechende Ansprüche gegenüber der Beklagten erheben.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, durch die Regelung des § 6 Ziffer 3 d) MTV sei festgegelegt, dass die monatliche Arbeitszeit 173 Stunden betrage. Die darüber hinaus geleisteten Stunden seien demzufolge Überstunden, für die zusätzlich der entsprechende Zeitzuschlag zu zahlen sei.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 46,81 € nebst 8 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 07.02.2002 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, es sei unerheblich, dass der Kläger im Monat Juli 2001 192 statt 173 Stunden gearbeitet habe, da im MTV nur geregelt sei, dass im Jahresdurchschnitt 173 Stunden pro Monat zu arbeiten seien. Es sei deshalb keine feste Arbeitszeit von 173 Stunden pro Monat im MTV vereinbart.

Der Kläger habe in 2001 die durchschnittliche monatliche Arbeitszeit von 173 Stunden pro Monat auch nicht überschritten. Der Kläger habe zwar im Juli 2001 gemäß Schichtplan über die eigentlichen Arbeitstage hinaus Arbeit zu leisten gehabt, wofür der 50 %ige Zuschlag zu zahlen gewesen sei. Der Kläger habe jedoch nicht entsprechend der Spezialregelung des § 6 Ziffer 3 d) MTV Überstunden geleistet, da er nicht über die täglich zu leistende Arbeitszeit hinaus Arbeitsstunden geleistet habe.

Im Übrigen sei eine Addierung von Freischichtzulage und Überstundenzulage begrifflich ausgeschlossen.

Durch Urteil des Arbeitsgerichts Lingen (Ems) vom 15.08.2002 wurde die Klage abgewiesen, die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger auferlegt und der Streitwert auf 45,81 € festgelegt und die Berufung zugelassen. Wegen des Inhalts des erstinstanzlichen Urteils wird auf dieses (Blatt 55 bis 61 d. A.) verwiesen.

Dieses Urteil wurde dem Kläger am 11.09.2002 zugestellt. Hiergegen legte dieser am 26.09.2002 Berufung ein und begründete diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 11.12.2002 am 25.11.2002.

Der Kläger vertritt die Auffassung, dass für die Frage, ob Zuschlagspflichtige Mehrarbeit vorliege, entscheidend sei, ob die tägliche, wöchentliche oder monatliche Arbeitszeit die tarifliche Stundenzahl überschreite. Entscheidend sei insoweit § 6 MTV, der in Ziffer 3 d) eine gesonderte Regelung treffe, dass Mehrarbeit die über die gemäß Schichtplan täglich zu leistende Arbeitszeit hinausgehenden Stunden seien. Bezugspunkt sei aber jedenfalls die über § 6 MTV hinausgehende Arbeitszeit.

Die Schichtpläne der Beklagten würden mindestens für ein ganzes Jahr im Voraus erstellt, was auch bei dem Schichtplan für Juli 2001 der Fall gewesen sei. Aus diesen Schichtplänen ergebe sich, dass die monatliche Arbeitszeit von 173 Stunden durchschnittlich erreicht werde. Wenn demzufolge Zusatzschichten geleistet würden, würde dienstplanmäßig Mehrarbeit geleistet, da jedenfalls die 173 Stunden monatlich überschritten würden.

Wegen des weiteren Vertrags des Klägers wird auf die Berufungsbegründung vom 21.11.2002 (Blatt 80 bis 82 d. A.) verwiesen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Lingen/Ems vom 15.08.2002 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 46,81 € nebst 8 % Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe ihres Schriftsatzes vom 03.12.2002. Hierauf wird verwiesen (Blatt 85/86 d. A.).

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist statthaft. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt worden. Die Berufung wurde ausdrücklich zugelassen. Die Berufung ist damit insgesamt zulässig (§§ 64, 66 ArbGG, 518, 519 ZPO).

Die Berufung des Klägers ist nicht begründet. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Zahlung des geltend gemachten Betrages für die am 21.07.2001 und 22.07.2001 geleisteten Arbeitsstunden nicht zu. Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus § 611 Abs. 1 BGB i. V. m. § 6 Ziffer 3 d), § 8, § 14 Ziffer 1 MTV.

Dieser Tarifvertrag ist gemäß der Bekanntmachung im Bundesanzeiger Nr. 200 vom 25.10.1997 mit Wirkung ab 28.08.1997 für allgemeinverbindlich erklärt worden.

Dieser Tarifvertrag lautet in den genannten §§ wie folgt:

§ 6

Arbeitszeit

1.

Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beträgt grundsätzlich 40 Stunden. Dies gilt nicht für Teilzeitkräfte.

3.

Kerntechnische Anlagen/Baustellen einschl. Zwischenlager und Endlager:

Die monatliche Arbeitszeit beträgt im Jahresdurchschnitt 173 Stunden.

Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beträgt durchschnittlich 40 Stunden.

Die tägliche Arbeitszeit soll 8 Stunden nicht überschreiten. Die Arbeitszeit kann auf 12 Stunden verlängert werden, wenn in die Arbeitszeit regelmäßig und in erheblichem Umfange Arbeitsbereitschaft fällt.

Für die über die gemäß Schichtplan täglich zu leistende Arbeitszeit hinaus geleistete Zeit werden Überstunden mit einem Zeitzuschlag gemäß § 14 dieses Vertrages geleistet.

§ 8

Überstunden

Überstunden sind die über die gemäß § 6 ausgewiesene tägliche, wöchentliche oder monatliche tarifliche Höchstarbeitszeit hinaus geleisteten Arbeitsstunden.

§ 14

Auf die jeweiligen Stundengrundlöhne werden folgende Zuschläge gezahlt:

1.

Die über die in § 6 genannte regelmäßige täglich, wöchentlich bzw. monatlich hinausgehende Arbeitszeit ist Zuschlagspflichtige Mehrarbeit. Der Zuschlag beträgt 25 %.

2.

Können Freischichten aus betrieblichen Gründen nicht gewährt werden, ist ein Zuschlag von 50 % zu zahlen.

8.

Fallen Zuschläge gemäß den Ziffern 3., 4. und S. zusammen, so wird nur der höhere Zuschlag gezahlt.

Für den Kläger sind auf Grund der Allgemeinverbindlichkeit des Tarifvertrages gemäß § 5 TVG sowie auf Grund der Tatsache, dass er im Kernkraftwerk ständig eingesetzt wird und damit in einer kerntechnischen Anlage arbeitet, die vorliegenden Vorschriften einschlägig.

Der Kläger hat jedoch an den Tagen des 21. und 22.07.2001 keine Zuschlagspflichtige Mehrarbeit geleistet.

Der Anspruch gemäß § 14 Ziffer 1 MTV ist nur dann gegeben, wenn über die in § 6 genannte regelmäßige täglich, wöchentlich bzw. monatlich hinausgehende Arbeitszeit Mehrarbeit geleistet wird. In § 6 MTV findet sich eine Spezialvorschrift für im Werkschutz angestellte Personen in der Weise, dass mit dem Zeitzuschlag gemäß § 14 MTV Überstunden nur dann gezahlt werden, wenn über die täglich zu leistende Arbeitszeit hinaus Arbeit geleistet wird, wobei hierfür maßgeblich der Schichtplan ist.

Vorliegend sieht der Schichtplan, wie er zu den Akten gereicht ist, für diese beiden Tage zusätzliche Schichten vor. Wenn hierdurch auch die monatliche Arbeitszeit überschritten wird, so handelt es sich gleichwohl um vom Kläger zu leistende Arbeitszeit, die gemäß Schichtplan zu leisten ist. Dabei ist es unerheblich, wann dieser Schichtplan aufgestellt worden ist.

Wenn dieser schon zu Jahresbeginn aufgestellte Schichtplan für den Monat Juli auch eine nachträgliche Änderung erfahren hat, so war dieser jedoch in einem Zeitpunkt aufgestellt, in dem im Voraus erkennbar war, welche Schichten zu leisten waren. Aus dieser Änderung des Schichtplanes ist nicht erkennbar, ob die geleisteten Stunden im Jahresdurchschnitt 173 Stunden pro Monat übersteigen oder ob die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von durchschnittlich 40 Stunden übertroffen wird. Die Tarifvertragsparteien haben insoweit eine Jahresarbeitszeit vereinbart, die es dem Betrieb ermöglicht, monatlich oder wöchentlich unterschiedliche Arbeitszeiten festzulegen, wenn nur im Jahresdurchschnitt die zu leistende Arbeitszahl erreicht wird. Wenn demzufolge im Monat Juli 2001 zusätzliche Stunden geleistet werden, so kann durch eine Änderung der nachfolgenden Schichtpläne im Jahr 2001 noch weiter erreicht werden, dass der Jahresdurchschnitt insgesamt erreicht wird. Es kann demzufolge im Monat Juli 2001 gar nicht festgestellt werden, inwieweit über die monatlich oder wöchentlich im Schnitt zu leistende Arbeit zusätzliche Stunden geleistet werden.

Aus diesem Grunde regelt § 6 Ziffer 3 d) MTV auch lediglich, dass für den Fall Mehrarbeit, die mit einem Zeitzuschlag zu vergüten ist, vorliegt, wenn die gemäß Schichtplan täglich zu leistende Arbeitszeit überschritten wird. Wenn demzufolge im Schichtplan eine Achtstundenschicht vorgesehen ist und an diesem Tag, etwa weil die Ablösung nicht rechtzeitig kommt, zusätzliche Stunden geleistet werden, so ist Zuschlagspflichtige Mehrarbeit vorhanden. Dieses ist demzufolge nicht der Fall, wenn die schichtplanmäßige Arbeit eingehalten wird und die Überschreitung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit bzw. der monatlichen durchschnittlichen Arbeitszeit überschritten wird.

Dieses Argument wird dadurch verstärkt, dass § 8 MTV zusätzlich allgemein Überstunden definiert, und zwar in der Weise, dass über die gemäß § 6 ausgewiesene tägliche, wöchentliche oder monatliche tarifliche Höchstarbeitszeit hinaus geleistete Arbeitsstunden vorliegen müssen.

§ 6 legt in Ziffer 3 d) jedoch keine tägliche, wöchentliche oder monatliche tarifliche Höchstarbeitszeit fest, vielmehr eine durchschnittliche Arbeitszeit, die nur im Jahr erreicht werden muss. Damit ist auch nach der allgemeinen Definition bei dem Kläger keine Zuschlagspflichtige Mehrarbeit vorhanden.

Die Kammer kann es dahingestellt sein lassen, ob für den Fall, dass auch für Werkschutzmitarbeiter in kerntechnischen Anlagen die Jahresarbeitszeit überschritten wird, letztlich Zuschlagspflichtige Mehrarbeit vorhanden ist. Nach dem Vortrag der Beklagten ist die Jahresarbeitszeit des Klägers im Jahre 2001 nicht überschritten worden. Der Kläger hat nicht vorgetragen, dass und in welchem Umfange dieses tatsächlich der Fall war.

Nach alledem ist die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 97, 516 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 ArbGG.

Die Zulassung der Revision folgt aus § 72 Abs. 2 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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