Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 23.09.2005
Aktenzeichen: 16 Sa 203/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 623
Zur Unterscheidung von Aufhebungs- und Abwicklungsvertrag.
LANDESARBEITSGERICHT NIEDERSACHSEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

16 Sa 203/05

In dem Rechtsstreit

hat die 16. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 23. September 2005 durch

den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Hannes, den ehrenamtlichen Richter Herrn Strautmann, die ehrenamtliche Richterin Frau Bohling für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 24.11.2004, AZ 5 Ca 50/04, abgeändert.

Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigungen der Beklagten vom 06.01.2004, 13.01.2004 und 25.02.2004 nicht aufgelöst worden ist.

Es wird weiter festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis fortbesteht.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich mit der Klage gegen die von der Beklagten ausgesprochenen Kündigungen vom 06.01.2004, 13.01.2004 und 25.02.2004 und begehrt darüber hinaus die Feststellung, dass sein Arbeitsverhältnis fortbesteht.

Der im Jahre 1971 geborene und ledige Kläger war bei der Beklagten seit dem 01.05.2003 als sogenannter "Sales Representative" zu einem Bruttogehalt von 5.308,-- € in der Geschäftsstelle H... der Beklagten beschäftigt. Grundlage der arbeitsvertraglichen Beziehungen ist der Arbeitsvertrag vom 17.04.2003 nebst Anlagen. Wegen des Inhalts wird auf diesen (Bl. 12 - 20 d.A.) verwiesen.

Vor dem Hintergrund von Umstrukturierungsmaßnahmen führten die Parteien zunächst im Beisein des Betriebsratsvorsitzenden am 13.01.2004 ein Gespräch über eine mögliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers. Inwieweit dem Kläger in diesem Gespräch ein Angebot für eine Weiterbeschäftigung in M... gemacht wurde und ob der Kläger dieses abgelehnt hat, ist zwischen den Parteien streitig. Im Verlaufe des Gespräches wurde dem Kläger schließlich der Entwurf eines Abwicklungsvertrages übergeben sowie eine Kündigung aus dringenden betrieblichen Gründen zum 30.04.2004. Wegen des Inhalts des Entwurfes des Abwicklungsvertrages wird auf diesen (Bl. 97/98 d.A.) sowie wegen des Inhalts der Kündigung vom 06.01.2004 auf diese (Bl. 5 d.A.) verwiesen.

Der Kläger wurde ab 16.01.2004 von der Arbeit freigestellt, um das Angebot zu überdenken. Mit einer Mail vom 13.01.2004 übermittelte der Kläger Änderungswünsche zum Abwicklungsvertrag. Wegen des Inhalts der Mail wird auf diese (Bl. 99/100 d.A.) verwiesen.

Die Beklagte fertigte daraufhin ein Schreiben an den Kläger unter dem Datum des 14.01.2004 und übersandte dem Kläger den abgeänderten Abwicklungsvertrag und ein neues Kündigungsschreiben (Bl. 101 d.A.). Am 16.01.2004 wurde sodann der abgeänderte Abwicklungsvertrag von den Parteien unterschrieben. Der Kläger erhielt ferner eine zu den Daten im Abwicklungsvertrag passende Kündigung mit Schreiben vom 13.01.2004 zum 30.04.2004. Wegen des Inhalts des Abwicklungsvertrages wird auf diesen (Bl. 145 - 146 d.A.) sowie wegen des Inhalts der Kündigung vom 13.01.2004 wird auf diese (Bl. 6 d.A.) verwiesen.

Zu den Kündigungen vom 16.01.2004 zum 30.04.2004 sowie vom 13.01.2004 zum 30.04.2004 wurde der Betriebsrat seitens der Beklagten förmlich nicht angehört.

Nach Einreichung der Kündigungsschutzklage betreffend die Kündigung vom 06.01.2004 und 13.01.2004 sowie der begehrten Feststellung, dass auch der Abwicklungsvertrag das Arbeitsverhältnis nicht beendet hat, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis erneut mit Schreiben vom 25.02.2004 zum 31.03.2004, die dem Kläger einmal per Einschreiben, zum anderen mit normaler Post zuging. Die Anhörung des Betriebsrates zur Kündigung vom 25.02.2004 erfolgte durch Schreiben vom 17.02.2004 (Bl. 105/106 d.A.) sowie nach dem Wunsch auf ergänzende Angaben seitens des Betriebsrates mit einem weiteren Antrag vom 19.02.2004 (Bl. 107 d.A.).

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, das Arbeitsverhältnis sei weder durch die Kündigungen vom 06.01. und 13.01.2004 aufgelöst worden, da der Betriebsrat zu diesen Kündigungen nicht angehört worden sei. Auch sei die Anhörung zur Kündigung vom 25.02.2004 nicht ordnungsgemäß, da insbesondere vor Ablauf der Wochenfrist gekündigt worden sei, nachdem die Anhörungsfrist erst am 19.02.2004 zu laufen begonnen habe.

Im Übrigen sei ein Grund zur Kündigung des Klägers nicht gegeben, da betriebsbedingte Gründe nicht in ausreichender Form vorgelegen hätten. Zudem sei ein anderer Einsatz des Klägers im Betrieb möglich gewesen. Er sei bereit gewesen, das Angebot einer Stelle in M... anzunehmen. Eine Ablehnung durch ihn habe nicht stattgefunden.

Ein anderer Einsatz im Betrieb sei auch anderweitig möglich gewesen, wie sich aus Stellenausschreibungen der Beklagten ergebe. Schließlich sei die soziale Auswahl nicht ordnungsgemäß getroffen worden, da vergleichbare Mitarbeiter nach dem Kläger eingestellt worden seien, die sozial weniger schutzwürdig gewesen seien. Hierbei handele es sich um die Mitarbeiter J..., K..., U..., L..., C..., H..., Ke... und A....

Das Arbeitsverhältnis sei auch nicht beendet worden durch Aufhebungsvertrag, da der Kläger ausdrücklich nur einen Abwicklungsvertrag habe schließen wollen und in diesem erklärt habe, dass er die Kündigung nur zur Kenntnis nehme. Eine Einigung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei mit dem Abwicklungsvertrag nicht verbunden.

Ihm stehe darüber hinaus eine Teamprämie zu wie auch das April-Gehalt, sodass wegen Nichterfüllung dieser Ansprüche des Klägers der Rücktritt vom Vertrag berechtigt sei, der erklärt werde.

Der Kläger hat beantragt:

1. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 06.01.2004 nicht aufgelöst worden ist.

2. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 13.01.2004 nicht aufgelöst worden ist.

3. Es wird ferner festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis fortbesteht.

4. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis auch durch die beiden Kündigungen der Beklagten vom 25.02.2004 nicht aufgelöst worden ist.

5. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ein Teamprämie für das Jahr 2003 in Höhe von 2.000,-- € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.11.2004 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, die Kündigungsschutzklage sei treuwidrig. Das Arbeitsverhältnis sei durch wirksamen Abwicklungsvertrag beendet worden. Aus dem Abwicklungsvertrag selbst sei ersichtlich im Zusammenhang mit der E-Mail-Korrespondenz des Klägers sowie in Verbindung mit den Vorgesprächen, dass ein Einverständnis des Klägers mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestanden habe. Kündigungen und Abwicklungsvertrag müssten in einem einheitlichen Verhältnis gesehen werden, sodass auch die Anhörung des Betriebsrates zu den Kündigungen vom 06.01.2004 und 13.01.2004 entbehrlich gewesen sei.

Für die ausgesprochenen Kündigungen seien darüber hinaus betriebsbedingte Gründe maßgeblich. In den Jahren 2002 und 2003 seien umfangreiche Restrukturierungs-maßnahmen durchgeführt worden. In der Region Nord-West seien von 140 Mitarbeitern nur noch 110 Mitarbeiter tätig. Der Kläger habe mit sieben weiteren Mitarbeitern in verschiedenen Geschäftsstellen zu der im Jahre 2003 neu geschaffenen Vertriebssäule Solution Practices/Jp-Telephonie gehört. Die Aufgabe des Klägers sei die Präsentation dieser Technik gegenüber Kunden, die Kundenberatung und das Mitarbeitertraining gewesen. Diese Aufgaben seien alle entfallen. Der Vertrieb erfolge nunmehr über eine andere Vertriebssäule, sodass der Arbeitsplatz des Klägers seit Januar 2004 weggefallen sei. Die rein beratende und unterstützende Tätigkeit in diesem Bereich sei ersatzlos entfallen. Dort tätige Mitarbeiter, die über vertriebliche Fähigkeiten verfügten, seien anderweitig eingesetzt worden. Dieses sei beim Kläger aufgrund mangelnder Vertriebskenntnisse nicht möglich gewesen. Bereits im Dezember 2003 sei dem Kläger in einem Vier-Augen-Gespräch gesagt worden, dass seine Position entfalle. Der Kläger habe die Arbeit in einer anderen Region abgelehnt. In dem Gespräch vom 13.01.2004 habe der Kläger das Angebot erhalten, in M... weiter tätig zu sein, was der Kläger abgelehnt habe, was als Folge die Gespräche über die Aufhebung des Arbeitsplatzes nach sich gezogen hätten. Mit den vom Kläger genannten Mitarbeitern sei der Kläger nicht vergleichbar, da er eine Position im Vertrieb nicht einnehmen könne aufgrund mangelnder Vertriebsfähigkeiten. Bezüglich des Mitarbeiters C... sei zu berücksichtigen, dass dieser zwar im gleichen Team wie der Kläger gearbeitet habe, jedoch seit 01.09.2003 beschäftigt sei, verheiratet sei und zwei Kinder habe, sodass dieser als sozial schutzwürdiger als der Kläger anzusehen sei. Zum Teil seien die übrigen vom Kläger genannten Mitarbeiter ausgeschieden, in anderen Bereichen tätig, in denen der Kläger nicht eingesetzt werden könne oder als Auszubildender bzw. Trainee schon länger beschäftigt.

Ergänzend wird auf den weiteren Sachvortrag der Parteien und zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Durch Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 24.11.2004 wurde die Beklagte verurteilt, an den Kläger 2.000,-- € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 24.11.2004 zu zahlen. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen, die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger zu 90 % und der Beklagten zu 10 % auferlegt und der Streitwert auf 17.924,-- € festgesetzt.

Wegen der Begründung des erstinstanzlichen Urteiles wird auf dieses (Bl. 181 - 187 d.A.) verwiesen.

Dieses Urteil wurde dem Kläger am 30.12.2004 zugestellt. Hiergegen legte dieser am 28.01.2005 Berufung ein und begründete diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 29.03.2005 mit einem am 21.03.2005 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz.

Zur Begründung der Berufung trägt der Kläger vor, der Abwicklungsvertrag habe das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht beendet. Bezüglich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei im Abwicklungsvertrag nichts weiter vereinbart. Ein Einverständnis des Klägers mit einer Beendigung sei aus diesem Vertrag nicht herauszulesen, da er die Kündigungen nur zur Kenntnis nehme und letztlich nur die korrekte Abwicklung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist geregelt sei. Die einzelnen Modalitäten der Abwicklung des Arbeitsverhältnisses stünden im Zusammenhang mit der Kenntnisnahme des Klägers von den Kündigungen und könnten nicht als Einverständis des Klägers gewertet werden. Ein Verzicht auf Rechte aus dem Kündigungsschutzgesetz müsse ausreichend deutlich sein. Eine entsprechende Willenserklärung des Klägers sei nicht vorhanden.

Es handele sich auch nicht um ein Scheingeschäft. Voraussetzung dafür wäre, dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf vorangegangener Absprache beruhen müsse. Eine solche Absprache sei aber tatsächlich nicht vorhanden gewesen.

Im Übrigen sei der Kläger wirksam gemäß § 323 BGB vom Abwicklungsvertrag zurückgetreten. Insoweit wird auf die Berufungsbegründung des Klägers vom 21.03.2005, S. 6/7 (Bl. 254/255 d.A.), verwiesen.

Für die Kündigungsschutzklage bezüglich der Kündigung vom 25.02.2004 sei auch ein ausreichendes Rechtsschutzbedürfnis vorhanden, da das Arbeitsverhältnis eben nicht durch vorherige Tatbestände beendet worden sei. Die Kündigung vom 25.02.2004 sei auch nicht als hilfsweise Erklärung zu werten, da dieses sich aus dem Kündigungsschreiben selbst nicht ergebe.

Die Kündigungen vom 06.01.2004 und 13.01.2004 seien darüber hinaus wegen fehlender Anhörung des Betriebsrates unwirksam. Auch für die Kündigung vom 25.02.2004 gelte, dass der Betriebsrat zur Kündigung nicht ordnungsgemäß angehört worden sei.

Ergänzend wird auf die Berufungsbegründung vom 21.03.2005 (Bl. 247 - 256 d.A.) sowie auf den Schriftsatz des Klägers vom 25.04.2005 (Bl. 269 - 273 d.A.) verwiesen.

Der Kläger beantragt,

unter teilweiser Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Hannover vom 24.11.2004, AZ 5 Ca 50/04,

1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 06.01.2004 nicht aufgelöst worden ist,

2. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 13.01.2004 nicht aufgelöst worden ist,

3. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis auch durch die Kündigungen der Beklagten vom 25.02.2004 nicht aufgelöst worden ist,

4. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis fortbesteht.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe ihres Schriftsatzes vom 18.04.2004. Hierauf wird verwiesen (Bl. 259 - 263 d.A.).

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet.

Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien ist weder durch den Abwicklungsvertrag noch durch die ausgesprochenen Kündigungen der Beklagten beendet worden.

1.

Das Arbeitsverhältnis ist nicht durch Aufhebungsvertrag der Parteien beendet worden.

a) Ohne Bedeutung ist für den vorliegenden Rechtsstreit, ob die Parteien unabhängig vom Abwicklungsvertrag eine Einigung herbeigeführt haben über die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses. Gemäß § 623 BGB bedürfen die Beendigung von Arbeitsverhältnissen durch Kündigung oder Auflösungsvertrag zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. § 623 BGB dient einerseits dem Schutz vor Übereilung (Warnfunktion) und andererseits der Rechtssicherheit, sodass diese Vorschrift auch eine Klarstellungs- und Beweisfunktion erhält. Aus diesem Grunde sind grundsätzlich mündliche Vereinbarungen zwischen den Parteien über eine Aufhebung des Arbeitsverhältnisses unwirksam, es sei denn, es liegt ein Verstoß gegen Treu und Glauben vor. Ein solcher ist jedenfalls dann nicht gegeben, wenn in einer Fallkonstellation wie der vorliegenden Streit zwischen den Parteien bestehen kann, ob eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses tatsächlich vereinbart worden ist. Die Vorschrift dient gerade dazu, eine Klarstellung zu haben, ob eine Vereinbarung über die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses erfolgt ist und nicht nachträglich geklärt werden muss, ob und in welcher Form Äußerungen gemacht worden sind, die den Schluss darauf zulassen, dass eine rechtserhebliche Willenserklärung in Bezug auf die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses gemacht worden ist (vgl. hierzu: Urteil des BAG vom 16.09.2004, AZ 2 AZR 659/03 in NZA 2005, 162/163).

b) Die Auflösung des Arbeitsverhältnisses ergibt sich jedoch auch nicht aus dem Abwicklungsvertrag vom 16.01.2004 in der schriftlich abgeschlossenen Form.

aa) Aus dem Wortlaut ist ein Einverständnis des Klägers zur Kündigung nicht ersicht lich. In Ziffer 1 ist ausdrücklich vereinbart, dass der Kläger nur zur Kenntnis nimmt, dass das Arbeitsverhältnis durch eine arbeitgeberseitig ausgesprochene Kündigung fristgerecht enden wird. Zusätzlich ist formuliert, dass der Kläger die Kündigung des Arbeitgebers erhalten hat und diese zur Kenntnis nimmt.

Hieraus ist ersichtlich, dass gerade kein Einverständnis des Klägers zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses erklärt wird, vielmehr das Arbeitsverhältnis durch Kündigung enden soll.

Auch die Tatsache, dass in Ziffer 7 des Abwicklungsvertrages das Wort "Aufhebungsvertrag" verwandt wird, lässt keinen anderen Rückschluss zu, da diese Formulierung eine Erklärung der Beklagten enthält, dass der Kläger verpflichtet sei, sich unverzüglich beim Arbeitsamt arbeitssuchend zu melden und damit keine inhaltliche Vereinbarung über die Aufhebung mit dieser Formulierung verbunden ist, der Kläger vielmehr durch seine Unterschrift nur zur Kenntnis nehmen kann, dass eine solche Verpflichtung für ihn besteht.

bb) Auch aus dem Gesamtzusammenhang des Vertrages vom 16.01.2004 kann nicht entnommen werden, dass in Wirklichkeit ein Aufhebungsvertrag gemeint war.

Der Vertrag ist ausdrücklich mit Abwicklungsvertrag und nicht mit Aufhebungsvertrag unterschrieben, sodass bereits hieraus ersichtlich ist, dass maßgeblich die Abwicklung des Arbeitsverhältnisses nach ausgesprochener Kündigung geregelt wird, nicht die Aufhebung des Arbeitsvertrages.

Zu unterscheiden ist bei einem solchen Vertrag, ob sich Regelungen zur Abwicklung des Arbeitsverhältnisses nach Ausspruch einer Kündigung darin befinden oder Regelungen über die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses selbst. Tatsächlich ist es möglich, lediglich Vereinbarungen über die Abwicklung zu treffen, ohne dass die Parteien darüber einig sein müssen, dass auch die Grundlage für die Abwicklung des Arbeitsverhältnisses, also die Beendigung des Vertragsverhältnisses selbst vereinbart wird. Typisch für eine Abwicklung ist insbesondere auch, dass Regelungen erfolgen, wie das Arbeitsverhältnis innerhalb der Kündigungsfrist abgerechnet wird, wie verbleibende Urlaubsansprüche des Arbeitnehmers geregelt werden, ob eine Freistellung erfolgt, was mit den zur Verfügung gestellten Arbeitsmaterialen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses geschieht, ob ein qualifiziertes Zwischenzeugnis erteilt wird sowie ob die Vereinbarung einer Vertraulichkeit über im Arbeitsverhältnis erhaltene Informationen erfolgt. Alle diese Vereinbarungen befinden sich im Abwicklungsvertrag und sind Regelungen, die sowohl die reine Abwicklung des Arbeitsverhältnisses betreffen können wie auch im Rahmen eines Aufhebungsvertrages vereinbart werden könnten. Lässt sich aber aus den Formulierungen nicht eindeutig entnehmen, dass entgegen der Überschrift unter dem Arbeitsvertrag ein Aufhebungsvertrag gewollt ist, vielmehr Regelungen über die Abwicklung des Arbeitsverhältnisses getroffen werden, so lässt sich aus dem Gesamtzusammenhang nicht erkennen, dass ein eindeutiger Schluss auf das Vorliegen eines Aufhebungsvertrages gerechtfertigt ist.

cc) Auch aus der Mail des Klägers vom 13.01.2004 lassen sich für das Vorliegen eines Aufhebungsvertrages keine ausreichenden Tatsachen herleiten. Auch hierin wird ausgeführt, dass der Kläger die Kündigungen nur zur Kenntnis nimmt. Die Regelung, dass mit Erfüllung der Vereinbarung alle Ansprüche aus und im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis nach seiner Beendigung erledigt sein sollen, wird vom Kläger in der Mail noch eingeschränkt insoweit, dass der Satz "soweit dieses korrekt abgewickelt wurde" eingefügt wurde, was einen zusätzlichen Hinweis darauf beinhaltet, dass eine Abwicklung des Arbeitsverhältnisses gemeint ist.

Im Übrigen ist eine derartige Ausgleichsklausel nicht gleichzeitig als Einverständnis des Klägers zur Kündigung zu werten, da insoweit keine ausreichend klare Erklärung vorhanden ist, auf den Kündigungsschutz zu verzichten.

Der Kläger begehrt darüber hinaus die Änderung des Wortes "Aufhebungsvertrages" in Ziffer 7 des Abwicklungsvertrags, was auch einen deutlichen Hinweis darauf gibt, dass der Kläger keinen Aufhebungsvertrag wollte. Zwar hat der Kläger dann den Abwicklungsvertrag am 16.01.2004 mit den Änderungen unterschrieben, ohne dass das Wort "Aufhebungsvertrages" geändert worden ist. Wie bereits oben ausgeführt, ist dieser Satz aber nur im Rahmen einer Erklärung der Beklagten im Rahmen des Abwicklungsvertrages vorhanden, sodass auch insoweit ein verlässlicher Schluss nicht gezogen werden kann, dass der Kläger in Wirklichkeit einen Aufhebungsvertrag wollte.

c) Bei einer Auslegung des Vertrages ist letztlich maßgeblich, was die Parteien tatsächlich mit dem Vertrag gewollt haben. Kann ein einheitlicher Wille der Parteien festgestellt werden, dass zwar die Bezeichnungen unrichtig sind, in Wirklichkeit aber ein Aufhebungsvertrag gemeint war, so kommt es auf den übereinstimmenden Willen der Parteien letztlich an.

Diese Voraussetzungen sind vorliegend ebenfalls nicht gegeben. Wie bereits ausgeführt, kommt es letztlich auf den Wortlaut gemäß § 623 BGB an, um Streitigkeiten zwischen den Parteien und langwierige Aufklärungen zu vermeiden. Entscheidend ist letztlich deshalb, was von den Parteien letztlich formuliert und unterschrieben worden ist, zumal noch Änderungen im Text stattgefunden haben, sodass der schriftliche Text letztlich maßgeblich ist. Da eine Übereinstimmung des Willens der Parteien nicht festgestellt werden kann, verbleibt es deshalb bei den Regelungen des Abwicklungsvertrages, wie sie im Wortlaut des Vertrages zum Ausdruck kommen.

Etwas anderes kann auch nicht daraus hergeleitet werden, dass die Parteien in Wirklichkeit eine Gesamtregelung dergestalt wollten, dass der Kläger ohne Nachteile beim Arbeitsamt und unter Gewährung von Vorteilen durch die Beklagte durch ein Zusammenwirken von Kündigung und Abwicklungsvertrag aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet. Dieses würde bedeuten, dass die Parteien zu Lasten der Allgemeinheit eine Vereinbarung dahingehend wollten, dass das Arbeitsverhältnis in Wirklichkeit nicht durch Kündigung, sondern durch Aufhebungsvertrag beendet wird, was zur Folge hätte, dass an sich eine Sperrfrist beim Arbeitsamt verhängt worden wäre. Der Vortrag der Beklagten geht deshalb dahin, dass eine Vertragsgestaltung benutzt werden sollte, um solche Nachteile zu vermeiden und den Arbeitnehmer deshalb zu bewegen, aus dem Arbeitsverhältnis auszuscheiden. Eine solche Verfahrensweise war z.Z. des Abschlusses des Abwicklungsvertrages im Wirtschaftsleben nicht unüblich. Es ist jedoch insoweit festzustellen, dass eine solche Verfahrensweise nur dann Erfolg haben kann, wenn beide Vertragsparteien zumindest ein stillschweigendes Einverständnis darüber erzielen, dass die ausgesprochene Kündigung wirksam ist und deshalb nur die Abwicklung des Vertrages in der Vereinbarung zum Ausdruck kommt, ohne dass der Vertrag selber das Arbeitsverhältnis aufhebt. Ist aber der Arbeitnehmer, wie vorliegend letztlich nicht einverstanden, so endet das Arbeitsverhältnis nicht durch den Abwicklungsvertrag, sondern könnte allenfalls durch Kündigung der Beklagten enden, vorausgesetzt, diese ist wirksam ausgesprochen.

Aus alledem ergibt sich, dass nach der vorliegenden Vertragsgestaltung im Zusammenhang mit den Kündigungen das Arbeitsverhältnis nicht durch den Abwicklungsvertrag beendet worden ist. Insoweit hatte das Gericht letztlich festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien fortbesteht.

2.

Das Arbeitsverhältnis ist auch nicht durch die Kündigungen vom 06.01.2004 und 13.01.2004 beendet worden.

Diese Kündigungen sind gemäß § 102 BetrVG unwirksam. Gemäß § 102 BetrVG ist der Betriebsrat vor jeder Kündigung zu hören. Der Arbeitgeber hat ihm die Gründe für die ausgesprochene Kündigung mitzuteilen. Eine ohne Anhörung des Betriebsrates ausgesprochene Kündigung ist unwirksam.

Nach dem eigenen Vortrag der Beklagten ist der Betriebsrat zu diesen Kündigungen nicht in einem förmlichen Verfahren angehört worden. Rechtsfolge ist die Unwirksamkeit dieser beiden Kündigungen.

Die Beklagte kann auch nicht damit gehört werden, dass ausnahmsweise die Anhörung des Betriebsrates entbehrlich gewesen wäre. Dies ergibt sich auch nicht aus dem Beschlussverfahren der 13. Kammer des Landesarbeitsgerichtes unter dem AZ 13 TaBV 59/03. Auch das Landesarbeitsgericht führt insoweit aus, dass der Abwicklungsvertrag nicht das Arbeitsverhältnis beendet, er vielmehr eine ausgesprochene Kündigung voraussetzt und lediglich Modalitäten zur Abwicklung des gekündigten Arbeits-verhältnisses enthält. Für diese Fälle endet das Arbeitsverhältnis durch Kündigung, nicht durch den Abwicklungsvertrag, sodass grundsätzlich vor der Kündigung § 102 BetrVG zu beachten ist. Dieser Auffassung schließt sich die erkennende Kammer an.

Nur für den Fall, dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses und der Abwicklungsvertrag auf einer vorausgegangenen Vereinbarung der Vertragspartner beruhen, könnte sich die ausgesprochene Kündigung als Scheingeschäft darstellen, sodass insgesamt die Absprache als Aufhebungsvertrag zu werten sein könnte, sodass für diesen Fall ein Kündigungsentschluss des Arbeitgebers nicht vorliegt, sodass § 102 BetrVG nicht zu beachten wäre.

Nach dem oben Gesagten ist dieses aber gerade nicht der Fall. Es kann nicht festgestellt werden, dass vorliegend eine vorausgegangene Vereinbarung der Vertragspartner über die Verfahrensweise stattgefunden hat, sodass zu den Kündigungen vom 06.01.2004 und 13.01.2004 die Anhörung des Betriebsrates erforderlich gewesen ist.

3.

Das Arbeitsverhältnis ist auch nicht durch die Kündigung vom 25.02.2004 zum 31.03.2004 beendet worden.

Auch diese Kündigung ist gemäß § 102 BetrVG unwirksam, sodass es auf das Vorliegen der betriebsbedingten Gründe nicht ankommt. Eine Kündigung ist nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG nicht nur dann unwirksam, wenn der Arbeitgeber gekündigt hat, ohne den Betriebsrat zuvor überhaupt beteiligt zu haben, sondern auch dann, wenn der Arbeitgeber seiner Unterrichtungspflicht nach § 102 Abs. 1 BetrVG nicht richtig, insbesondere nicht ausführlich genug nachkommt (so Urteil des BAG vom 17.02.2000, AZ 2 AZR 913/98 in NZA 2000, 761 - 764 m.w.N.).

a) Die Anhörung ist nach § 102 Abs. 1 BetrVG bereits deshalb unzureichend, weil die Anhörung des Betriebsrates vom 17.02.2004 und 19.02.2004 die Frage der sozialen Auswahl nicht berührt. Ebenfalls nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes hat der Arbeitgeber dem Betriebsrat bei einer betriebsbedingten Kündigung unaufgefordert auch die Gründe mitzuteilen, die zu der sozialen Auswahl geführt haben. Dieses sind nicht nur die Auswahlkriterien, sondern auch die Bewertungsmaßstäbe für die soziale Auswahl. Dieses bedeutet auch, dass er einerseits angeben muss, für den Fall, dass vergleichbare Arbeitnehmer vorhanden sind, warum der Kläger zur Kündigung ausgewählt worden ist, wie auch für den Fall, dass keine vergleichbaren Arbeitnehmer vorhanden sind, die Mitteilung, dass eine Auswahl nicht stattfinden konnte.

Die Anhörungen vom 17.02.2004 und 19.02.2004 treffen keine Aussagen über die soziale Auswahl. Gleichwohl trägt die Beklagte vor, dass zumindest der Mitarbeiter C... im gleichen Team wie der Kläger gearbeitet hat, sodass davon auszugehen ist, dass beide Mitarbeiter als vergleichbar anzusehen sind. Im Verfahren hat die Beklagte dann auch begründet, warum der Mitarbeiter C... im Betrieb verblieben ist, weil er als sozial stärker als der Kläger eingeschätzt wird. Gibt es aber, wie nach dem eigenen Sachvortrag der Beklagten erkennbar, zumindest einen vergleichbaren Mitarbeiter, so musste dieses dem Betriebsrat mitgeteilt werden. Ist dieses nicht geschehen, ist die Anhörung des Betriebsrates bereits aus diesem Grunde nicht ordnungsgemäß erfolgt und damit die Kündigung unwirksam.

b) Hinzu kommt, dass der Betriebsrat nach der Anhörung vom 17.02.2004 nach eigenem Sachvortrag der Beklagten weitere Informationen haben wollte in Bezug auf ein anderes Arbeitsangebot der Beklagten gegenüber dem Kläger. Daraufhin ist ein erneuter Antrag an den Betriebsrat mit ergänzenden Angaben gemacht worden unter dem Datum des 19.02.2004. Mit dieser neuen Anhörung und ergänzenden Angaben vom 19.02.2004 hat sodann die Wochenfrist des § 102 Abs. 2 BetrVG neu zu laufen begonnen, sodass der Betriebsrat die Möglichkeit hatte, Bedenken innerhalb einer Woche schriftlich mitzuteilen. Kündigt die Beklagte dann vorzeitig, wie vorliegend, bereits am 25.05.2004, obwohl die Frist erst am 26.02.2004 ablief, liegt keine ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrates vor.

Bei der Anhörung vom 19.02.2004 handelte es sich auch nicht nur um eine Ergänzung des vorherigen Antrages, vielmehr ging es um einen neuen Tatsachenkomplex. Wird durch den Arbeitgeber nur auf Nachfrage das bisherige Vorbringen ergänzt, so kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die Frist neu zu laufen beginnt. Wird aber ein neuer Tatsachenkomplex angesprochen, geht es also nunmehr bei einer betriebsbedingten Kündigung nicht nur um die Betriebsbedingtheit, sondern darüber hinaus um die soziale Auswahl oder, wie vorliegend, um das Angebot eines anderweitigen Arbeitsplatzes, so kann nicht von einer Ergänzung ausgegangen werden, da die anderweitige Einsatzmöglichkeit des Klägers im Rahmen der Betriebsbedingten Kündigung eigenständig zu prüfen ist und die Wirksamkeit der Kündigung nach sich ziehen kann für den Fall, dass eine solche Möglichkeit vorhanden ist (vgl. hierzu: Urteil des BAG vom 30.06.1988, AZ 2 AZR 49/88 in RzK III 1 b 12 sowie Urteil des BAG vom 11.12.2003, AZ 2 AZR 536/02 in AP Nr. 65 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl).

Nach alledem stellt sich auch die Kündigung vom 25.02.2004 als formal unwirksam dar.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis weder durch die Kündigungen der Beklagten noch durch den Abwicklungsvertrag vom 16.01.2004 beendet worden ist. Auf die Berufung des Klägers war deshalb das erstinstanzliche Urteil abzuändern und entsprechend den Berufungsanträgen zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 ZPO i.V.m. § 64 Abs. 6 ArbGG.

Die Zulassung der Revision erfolgt gemäß § 72 Abs. 2 Ziffer 1 ArbGG.

Ende der Entscheidung

Zurück