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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 28.01.2009
Aktenzeichen: 17 Sa 1454/08 E
Rechtsgebiete: TV-Ärzte/VKA


Vorschriften:

TV-Ärzte/VKA
1) Ein selbständiger Teil- oder Funktionsbereich einer Klinik/Abteilung i.S.d. Entgeltgruppe III des § 16 c TV-Ärzte/VKA setzt eine gewisse fachliche Eigenständigkeit sowie eine räumliche und personelle Abgrenzbarkeit voraus.

2) Sind mehrere Ärzte in einem Teil- oder Funktionsbereich ohne klare Abgrenzung nebeneinander tätig und entscheidet bei Zweifelsfragen ein Ärzteteam bzw. in Streitfällen der Chefarzt, ist dem Arzt nicht die medizinische Verantwortung i. S. d. Entgeltgruppe III des § 16 c TV-Ärzte/VKA übertragen worden.


LANDESARBEITSGERICHT NIEDERSACHSEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

17 Sa 1454/08 E

In dem Rechtsstreit

hat die 17. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 28. Januar 2009 durch

die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Knauß, den ehrenamtlichen Richter Herr Bareither, den ehrenamtlichen Richter Herr Bachmann für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 21.08.2008 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die tarifgerechte Eingruppierung des Klägers sowie Vergütungsdifferenzansprüche.

Der am 00.00.1959 geborene Kläger ist aufgrund des Arbeitsvertrages vom 25.02.1992 (Bl. 40 d. A.) seit dem 01.01.1992 in dem in der Trägerschaft der Beklagten stehenden A.-K.-Krankenhaus beschäftigt. Er ist seit 1997 Facharzt für innere Medizin und erwarb unter dem 20.09.2007 die Anerkennung als Kardiologe (Anlage B 2 zum Schriftsatz der Beklagten vom 11.07.2008, Bl. 42 d. A.). Der Kläger hat darüber hinaus die Weiterbildung in internistischer Intensivmedizin absolviert.

§ 2 des Arbeitsvertrages vom 25.02.1992 nimmt auf die Vorschriften des BAT sowie die diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge in der für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) jeweils geltenden Fassung sowie auf die für den Arbeitgeber jeweils geltenden sonstigen einschlägigen Tarifverträge Bezug. Der Kläger ist seit 1986 Mitglied des Marburger Bundes, die Beklagte ist Mitglied in der kommunalen Arbeitgebervereinigung (KAV) N. und war dies bereits auch schon vor dem 01.01.2007.

Das A.-K.-Krankenhaus gliedert sich in die Klinik für Anästhesiologie, die chirurgische Klinik, die medizinische Klinik und die neurologische Klinik. Es verfügt über insgesamt acht Stationen und zwei Intensivstationen. Die medizinische Klinik, der der Kläger zugeordnet ist, hat zwei Chefärzte. Herr Prof. Dr. C., zuständig für die Gastroenterologie (sog. medizinische Klinik II), und Herrn Dr. S., zuständig für die Kardiologie/Pulmologie incl. medizinische Intensivstation und die medizinischen Betriebseinheiten wie Echokardiographie, Lungenfunktion, EKG etc. (sog. medizinische Klinik I). Der Bereich des Chefarztes Dr. S., dem der Kläger zugeordnet ist, besteht aus einer Station mit ca. 40 Betten, einer Intensivstation mit acht Betten und einer weiteren Patientenversorgungsstation, der sog. interdisziplinären Behandlungseinheit 31, auf der Patienten verschiedener Fachgebiete (neurologisch, gastroenterologisch und kardiologisch) betreut werden. Ob dieser Bereich aus zwei oder fünf bis sechs Zimmern besteht, ist zwischen den Parteien streitig. Auf der Intensivstation der medizinischen Klinik werden Patienten der medizinischen Klinik I und II behandelt und im Bedarfsfall auch Intensivpatienten anderer Kliniken, beispielsweise der Neurochirurgie. Auf den anderen Stationen der medizinischen Klinik werden - unstreitig jedenfalls im (Betten-)Bedarfsfall - auch Patienten anderer Fachgebiete behandelt.

Ab Mitte 1997 war der Kläger auf der Intensivstation der medizinischen Klinik tätig. Mit Schreiben der Personalabteilung des Krankenhauses vom 24.09.2001 (Anlage K 1 zur Klageschrift, Bl. 14 d. A.) wurde er auf Vorschlag des Chefarztes der medizinischen Klinik I, Herrn Dr. S., mit Wirkung ab 01.09.2001 zum Oberarzt bestellt. Ab dem 01.06.2006 wurde ihm als Oberarzt die Station 31 zugewiesen. Grundsätzlich führt jeder Oberarzt in der medizinischen Klinik des A.-K.-Krankenhauses auch eine Station, d. h. er ist zuständig für die Supervision der Assistenzärzte, macht Oberarztvisiten, nimmt auch unter Umständen Eingriffe in die Pflege vor und kümmert sich um die Bedarfsbeschaffung.

Der Kläger, der vorher bereits im V.-Krankenhaus kardiologisch tätig war, ist in der medizinischen Klinik I für für kardiologische Fragen zuständig. Er betreut darüber hinaus unter Umständen auch sogenannte ausgelagerte Patienten, die beispielsweise auf einer chirurgischen Station liegen, wenn es um kardiologische Probleme geht. Der Kläger zeichnet die Arztberichte ab, stellt Diagnosen und legt Behandlungsstrategien fest. Er trifft eigenverantwortlich medizinische Entscheidungen sowohl im Bereich Kardiologie, wie auch für die Intensivstation. Zweifelsfragen werden im kollegialen Gespräch bzw. im Team entschieden. Der Kläger wird auch bei kardiologischen Problemen von Intensivpatienten hinzugezogen. In diesen Fällen stellt der Kläger und nicht der für die Intensivstation zuständige Oberarzt (derzeit Herr T.) die Indikation. Der Kläger wird darüber hinaus aufgrund seiner intensivmedizinischen Qualifikation auch zu schwierigen intensivmedizinischen Fragen konsultiert. Bei einem angenommenen Streit zwischen dem Oberarzt der Intensivstation und dem Kläger würde letztlich der Chefarzt entscheiden. Wenn Assistenzärzte oder Fachärzte eine Frage haben, fragen sie den Kläger oder den Chefarzt, wobei, wenn sie den Kläger fragen, nicht mehr der Chefarzt noch einmal eingeschaltet wird.

Neben dem Kläger sind in der medizinischen Klinik noch der Oberarzt und Chefarztvertreter Dr. M. sowie drei weitere Fachärzte und vier Ärzte in der Weiterbildung tätig. Der Chefarztvertreter, Herr Dr. M., hat die Ermächtigungsambulanz und ist außerdem noch für eine Station zuständig. Er ist Facharzt für Angiologie, hat allerdings eine hohe kardiologische Kompetenz und macht im Prinzip dasselbe wie der Kläger, d. h. er behandelt auch kardiologische Patienten. Es gibt insoweit keine scharfe Abgrenzung zwischen dem Tätigkeitsbereich des Klägers und dem von Dr. M.. Bei speziellen Fragen, beispielsweise, ob eine Herzklappen-OP notwendig ist oder nicht, würde der Kläger die Entscheidung treffen, aber aufgrund seiner langjährigen Erfahrung entscheidet Herr Dr. M. auch vieles ohne den Kläger.

Arztberichte für den weiterbehandelnden Arzt unterschreiben der Chefarzt, der Oberarzt und der Assistenzarzt. Allerdings tragen viele Arztberichte nicht die Chefarztunterschrift, weil der Chefarzt - aufgrund der kurzen Verweildauer vieler Patienten - den Patienten gegebenenfalls nie gesehen hat.

Mit Schreiben vom 25.02.2008 (Anlage K 2 zur Klageschrift, Bl. 15 d. A.) teilte die Beklagte dem Kläger mit, ihm werde im Einvernehmen mit Dr. S. als zuständigem Chefarzt mit Wirkung vom 01.01.2008 die medizinische Verantwortung für die Teilbereiche Intensivmedizin und spezielle Kardiologie in der Funktion des Oberarztes für die medizinische Klinik I des A.-K.-Krankenhauses A-Stadt übertragen. Mit weiterem Schreiben vom 28.02.2008 informierte die Beklagte den Kläger über seine Eingruppierung nach dem Tarifvertrag - Ärzte/VKA - und teilte ihm mit, dass er ab dem 01.01.2008 aufgrund der ausgeübten Tätigkeiten in die Entgeltgruppe III eingruppiert sei, weil ihm die medizinische Verantwortung für den Teilbereich spezielle Kardiologie übertragen wurde. Seine bisherige Eingruppierung nach der Entgeltgruppe 14 Stufe 4 TVöD mit einem individuellen Vergleichsentgelt in Höhe von 5.128,66 € werde in die Entgeltgruppe III Stufe 1 des TV-Ärzte/VKA mit einem Entgelt in Höhe von 5.650,-- € übergeleitet. Seit dem 01.01.2008 gewährt die Beklagte dem Kläger entsprechend Vergütung nach der Entgeltgruppe III Stufe 1 des TV-Ärzte/VKA. Mit Schreiben vom 07.04.2008 (Anlage K 5 zur Klageschrift, Bl. 19 d. A.) rügte der Kläger bei der Eingruppierung in die Entgeltgruppe III Stufe 1 sei unberücksichtigt geblieben, dass er bereits seit dem 01.09.2001 als Oberarzt tätig sei und forderte die Beklagte auf, die Eingruppierung entsprechend abzuändern.

Mit seiner am 23.04.2008 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage begehrt der Kläger im Wege der Zahlungsklage die Differenz zwischen dem ihm im Jahr 2007 gezahlten Entgelt nach der Entgeltgruppe 14 Stufe 4 des TVöD in Höhe von 5.128,66 € zu dem Entgelt nach der Entgeltgruppe III Stufe 2 des TV-Ärzte/VKA in Höhe von 6.000,-- € sowie für die Monate Januar bis April 2008 einschließlich die Differenz zwischen dem Entgelt der Entgeltgruppe III Stufe 1 und Stufe 2 des TV-Ärzte/VKA in Höhe von 350,-- € monatlich (Antrag zu 1). Außerdem hat er die Feststellung begehrt (Antrag zu 2), ihm sei seit dem 01.05.2008 Vergütung nach der Entgeltgruppe III Stufe 2 des TV-Ärzte/VKA zu zahlen. Spätestens mit Wirkung vom 01.09.2001 sei ihm die medizinische Verantwortung und Leitung der Intensivstation durch die jeweiligen Chefärzte übertragen worden. Ab 01.06.2006 sei ihm dann die Leitung der allgemeinen Station 31 zugewiesen worden. Er hat die Auffassung vertreten, die Intensivstation und die Station 31 stellten innerhalb des Klinikbetriebs jeweils funktional abgrenzbare Einheiten dar. Ihm sei auch ausdrücklich die medizinische Verantwortung für diese beiden Teilbereiche jeweils übertragen worden. So habe er die Aufsicht über Assistenzärzte, führe Oberarztvisiten durch, werde bei schwierigen kardiologischen Problemen aus allen Stationen hinzugezogen und treffe dann die erforderlichen medizinischen Entscheidungen. Darüber hinaus habe er seit mehr als 10 Jahren Hintergrunddienste ausgeübt. Gegenüber den auf der von ihm geleiteten Station tätigen Ärzten besitze er - wie auch gegenüber sämtlichen Assistenzärzten der medizinischen Klinik - die medizinische Aufsicht und Entscheidungskompetenz. Außerdem nehme er auf Einladung des Direktoriums auch an den Leitungskonferenzen des Führungskreises der Klinik teil.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 11.856,08 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jeweils aus 871,34 € brutto seit dem 01.02.2007, 01.03.2007, 01.04.2007, 01.05.2007, 01.06.2007, 01.07.2007, 01.08.2007, 01.09.2007, 01.10.2007, 01.11.2007, 01.12.2007, 01.01.2008 sowie jeweils aus 350,-- € brutto seit dem 01.02.2008, 01.03.2008, 01.04.2008 sowie seit dem 01.05.2008 zu zahlen.

2. es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger ab dem 01.05.2008 die Vergütung nach der Entgeltgruppe III Stufe 2 (Oberärztin/Oberarzt) des Tarifvertrages für Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TV-Ärzte/VKA) vom 17.08.2006 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat insbesondere eingewandt, der Kläger sei vor dem 01.01.2008 lediglich Funktionsoberarzt gewesen, dem bestimmte fachliche Schwerpunkte zugeordnet worden seien. Mit dem Schreiben vom 24.09.2001 sei dem Kläger nicht die medizinische Verantwortung für selbständige Teil- oder Funktionsbereiche der Klinik oder einer Abteilung ausdrücklich übertragen worden, ebenso wenig sei damit eine angebliche Übertragung aus dem Jahre 1997 bestätigt worden. Die Beklagte habe dem Kläger - außertariflich - mit Wirkung ab 01.01.2008 die medizinische Verantwortung für die Teilbereiche Intensivmedizin und spezielle Kardiologie übertragen, ohne dass im Tarifsinne ein selbständiger Teil- oder Funktionsbereich vorgelegen habe. Weder die Intensivstation noch die allgemeine Station 31 seien selbständige Funktionsbereiche im Tarifsinne. Vor dem 01.01.2008 sei dem Kläger keine medizinische Verantwortung nicht übertragen worden.

Mit Urteil vom 21.08.2008 hat das Arbeitsgericht H. die Klage abgewiesen, dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits auferlegt und den Streitwert auf 24.456,08 € festgesetzt. Wegen der Gründe, die das Arbeitsgericht zu seinem Urteil haben gelangen lassen, wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteil (S. 4 bis 5, Bl. 75 f d. A.) verwiesen.

Dieses Urteil ist dem Kläger am 19.09.2008 zugestellt worden. Hiergegen richtet sich seine am 24.09.2008 beim Landesarbeitsgericht eingegangene Berufung, die er mit einem am 19.11.2008 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet hat. Die Kammer nimmt auf diesen Schriftsatz sowie auf den weiteren Schriftsatz des Klägers vom 22.1.2009 und seine Erläuterungen zu Protokoll der Mündlichen Verhandlung vor dem LAG am 28.1.2009 Bezug.

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Klageziel weiter. Er wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen, wonach er die Leitung der Intensiv- und nachfolgend der Station 31 bereits seit Jahren inne gehabt habe. Er leite den Teilbereich Kardiologie und sei für diesen verantwortlich. Die Begriffe Kardiologie und spezielle Kardiologie deckten sich weitgehend, wobei es in der speziellen Kardiologie der Facharztausbildung bedürfe, weil diese über allgemeine internistische Fragen hinaus gehe. Für einzelne medizinischen Entscheidungen, auch soweit sie von Assistenzärzten oder auch Fachärzten getroffen würden, trage er die Verantwortung und der Chefarzt die Letztverantwortung. Dies gelte jedenfalls im Konfliktfall.

Nach teilweiser Berufungsrücknahme hinsichtlich der begehrten Verzugszinsen beantragt der Kläger,

das Urteil des Arbeitsgerichts H. abzuändern und

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 11.856,08 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 01.05.2008 zu zahlen,

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist dem Kläger ab dem 01.05.2008 die Vergütung nach der Entgeltgruppe III Stufe 2 (Oberarzt/Oberärztin) des Tarifvertrags für Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TV-Ärzte/VKA vom 17.08.2006) zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderung vom 12.01.2009, auf die die Kammer Bezug nimmt. Die Beklagte bestreitet insbesondere, dass der Kläger die medizinische Verantwortung auch für das Tun anderer Assistenz- und Fachärzte vor dem 01.01.2008 inne hatte.

Entscheidungsgründe:

A.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 64, 66 ArbGG und §§ 519, 520 ZPO).

B.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht H. die Klage abgewiesen. Der Kläger hat weder Anspruch auf Zahlung von 11.856,08 Euro brutto zuzüglich der geltend gemachten Zinsen, noch Anspruch auf Vergütung nach der Stufe 2 der Entgeltgruppe III TV-Ärzte-VKA ab dem 1.5.2008.

I.

Die Klage ist zulässig. Bei dem Klagantrag zu Ziff. 2 handelt es sich um eine im öffentlichen Dienst allgemein übliche Eingruppierungsfeststellungsklage, gegen deren Zulässigkeit nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auch in Ansehung des § 256 ZPO keine Bedenken bestehen (vgl. etwa BAG vom 05.09.2002 - 8 AZR 620/01 - AP Nr. 93 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer).

II.

Die Klage ist jedoch unbegründet. Dem Kläger steht für die Zeit vor dem 01.01.2008 nicht die Entgeltgruppe III gem. § 16 c) des TV-Ärzte/VKA zu. Dementsprechend hat er auch für die Zeit ab dem 01.01.2008 keinen Anspruch auf die Stufe 2 dieser Entgeltgruppe. des Tarifvertrags TV-Ärzte/VKA.

1.

Die Vergütung des Klägers richtet sich nach dem Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TV-Ärzte/VKA) vom 17.8.2006.

1.1.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der TV-Ärzte/VKA kraft beiderseitiger Verbandszugehörigkeit gem. § 4 Abs. 1 TVG Anwendung. Im Übrigen verstehen die Parteien die Verweisungsklausel im Arbeitsvertrag übereinstimmend so, dass für Ärzte nunmehr nicht mehr der TvöD, sondern der (speziellere) Ärzte-TV/VKA gilt bzw. eine entsprechende Änderung des Arbeitsvertrags vorliegt (vgl. auch das Rundschreiben der VKA vom 18.12.2006 - R 413/2006 - zur Durchführung des TVÜ-Ärzte/VKA, in: Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, Kommentar zum TVöD, 14. Lieferung, Stand Juli 2007, TV-Ärzte/VKA Teil IV/10 sowie das Schreiben der Beklagten vom 28.2.2008 in Verbindung mit dem Geltendmachungsschreiben des Klägers vom 7.34.2008). Da der TV-Ärzte/VKA hinsichtlich der hier streitigen Vergütung die für den Kläger günstigere Regelung darstellt, konnten insoweit Fragen der Tarifpluralität dahinstehen.

1.2

Der TV-Ärzte/VKA vom 17.8.2006 trat am 1.8.2006 in Kraft und ist aufgrund der §§ 9, 11 Konsolidierungstarifvertrag zwischen der KAV-N. und der Beklagten sowie der Gewerkschaft ver.di Bezirk N./B. und dem Marburger Bund Landesverband N. vom 17.10.2007 in Verbindung mit § 17 Abs.2 TVÜ-Ärzte/VKA vom 17.10.2007 zwischen der KAV und dem Marburger Bund für Beschäftigte, für die der TV-Ärzte/VKA gilt, mithin auch auf das Arbeitsverhältnis der Parteien, ab dem 1.1.2007 anzuwenden.

2.

Nach §§ 15, 16 TV-Ärzte/VKA hängt der Rechtsstreit davon ab, ob der Kläger bereits vor dem 01.01.2008 mit mindestens der Hälfte seiner Arbeitszeit Arbeitsvorgänge zu bearbeiten hatte, die den tariflichen Anforderungen der begehrten Entgeltgruppe III entsprechen.

Dies gilt auch, soweit der Kläger Vergütung nach der Stufe 2 der Entgeltgruppe III begehrt, denn für die in § 19 Abs.1 c) TV-Ärzte/VKA vorgesehene Stufenzuordnung sind vor dem 1.8.2006 (im Streitfall 1.1.2007 bzw. 1.1.2008) zurückgelegte einschlägige Tätigkeitszeiten bei demselben Arbeitgeber auf die in Stufe 2 geforderte Voraussetzung der dreijährigen Tätigkeit als Oberarzt anzurechnen (Clemens/Scheuring, a.a.O., TVÜ-Ärzte/VKA, Rundschreiben vom 18.12.2006, ebd.).

2.1

Nach § 16 c TV-Ärzte/VKA ist in die Entgeltgruppe III ein/e Oberärztin/Oberarzt einzugruppieren. Die hierzu maßgebende Protokollerklärung lautet wörtlich wie folgt:

"Oberärztin/Oberarzt ist diejenige Ärztin/derjenige Arzt, der/dem die medizinische Verantwortung für selbständige Teil- oder Funktionsbereiche der Klinik bzw. Abteilung vom Arbeitgeber ausdrücklich übertragen worden ist."

2.2

Zugunsten des Klägers geht die Kammer davon aus, dass seine gesamte ärztliche Tätigkeit in der medizinischen Klinik I - ohne Rücksicht auf die Einzelaufgaben - rechtlich als ein einheitlicher Arbeitsvorgang zu betrachten ist (vgl. BAG vom 05.12.1990 - 4 AZR 285/90 - AP Nr. 153 zu §§ 22/23 BAT 1975).

3.

Die Kammer konnte dahinstehen lassen, ob dem Kläger ab dem 1.1.2008 ein selbständiger Teil- oder Funktionsbereich im Tarifsinne übertragen wurde, denn er erfüllte jedenfalls vor diesem Zeitpunkt nicht die Voraussetzungen der Protokollerklärung zu § 16 c TV-Ärzte/VKA.

3.1

Aus dem Vortrag des Klägers erschließt sich schon nicht, welcher selbständige Teil- oder Funktionsbereich der medizinischen Klinik des A.-K.-Krankenhauses ihm vor dem 1.1.2008 - ausdrücklich oder nicht ausdrücklich - übertragen worden wäre.

3.1.1

Der Begriff des Funktionsbereichs fand sich bereits im Rahmen des BAT (vgl. Vergütungsgruppe Ib/Ia Fallgruppe 4 BAT). Gemäß der Protokollnotiz Nr.5 zu Teil I der Anlage 1a zum BAT (VKA: Protokollerklärung Nr.3 gem. Tarifvertrag vom 23.32.1973) handelt es sich dabei um wissenschaftlich anerkannte Spezialgebiete innerhalb eines ärztlichen Fachgebiets (z.B. "Nephrologie" innerhalb des Fachgebiets "Innere Medizin", "Handchirurgie" innerhalb des Fachgebiets "Chirurgie"). Nach den für Tarifverträge geltenden Auslegungsregeln kann davon ausgegangen werden, dass die Tarifparteien den Begriff des Funktionsbereichs auch im TV-Ärzte entsprechend verstanden haben.

Der Begriff des Teilbereichs ist dagegen im Tarifrecht neu. Hierzu wird teilweise vertreten, dass damit jede vorgenommene organisatorische Untergliederung bzw. Abgrenzung innerhalb einer Fachabteilung (z.B. Station) gemeint sein könne, während es sich nach anderer Auffassung bei einem Teilbereich um eine fachliche Untergliederung innerhalb eines ärztlichen Fachgebiets handeln müsse (vgl. hierzu Anton, ZTR 2008, 184 ff).

"Selbständig" ist ein Teil- bzw. Funktionsbereich nur dann, wenn er organisatorisch abgrenzbar innerhalb der Klinik bzw. Abteilung ist. Es muss eine fachliche und weitgehend auch räumliche und personelle Abgrenzbarkeit gegeben sein (vgl. Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, Kommentar zum TVöD, 14. Lieferung, Stand Juli 2007, Rz 45 zu § 16 TV-Ärzte/VKA). Da dem Teil- wie auch dem Funktionsbereich das Adjektiv "selbständig" vorangestellt ist, setzen beide Begriffe eine abgegrenzte organisatorische Einheit voraus. Wenn aber bereits das Merkmal selbständig eine weitgehende räumliche und personelle Abgrenzbarkeit voraussetzt, kann der Teilbereich nicht gleichfalls lediglich durch die räumliche und personelle Abgegrenztheit definiert sein. Auch für den Teilbereich wird man deshalb eine gewisse fachliche Eigenständigkeit bzw. Zuordnung einer bestimmten (medizinischen) Aufgabe fordern müssen.

3.1.2

Nach den Erläuterungen des Klägers im Termin der mündlichen Verhandlung vom 28.01.2009 ist weder der Funktionsbereich "Kardiologie" noch ein etwaiger Teilbereich "spezielle Kardiologie" als solch ein selbständig, d. h. organisatorisch abgrenzbarer Teil- oder Funktionsbereich innerhalb der medizinischen Klinik I auszumachen.

Selbständig abgrenzbar ist hinsichtlich der medizinischen Klinik des A.-K.-Krankenhauses insgesamt sicherlich der anerkannte Funktionsbereich Gastroenterologie, der auch einen eigenen Chefarzt hat und organisatorisch der Medizinischen Klinik II zugeordnet ist. Hinsichtlich der ebenfalls anerkannten Funktionsbereiche Kardiologie und Pulmologie, die in der Verantwortung der medizinischen Klinik I unter dem Chefarzt Dr. S., der auch beide Facharztqualifikationen insoweit besitzt, liegen, ist jedoch schon nicht ersichtlich, inwieweit diese Funktionsbereiche innerhalb der Klinik voneinander abgegrenzt sind.

Auf die Stationseinteilung kann insoweit schon deshalb nicht abgestellt werden, weil es nach den Erklärungen des Klägers bereits zwischen der medizinischen Klinik I und II keine klare Trennung gibt, vielmehr die Frage, auf welche Station genau ein Patient kommt, von der Pflegeintensität und Belegungsstärke abhängt. Soweit dem Kläger die Leitung der Station 31 obliegt, fehlt es mithin an der Abgrenzbarkeit zu anderen Bereichen der stationären Patientenversorgung. Darüber hinaus betreut der Kläger aufgrund seiner herausragenden Fachkompetenz als Kardiologe und Intensivmediziner auch Patienten auf anderen Stationen, wie der Intensivstation und u. U. sogar ausgelagerte Patienten, die beispielsweise auf einer chirurgischen Station liegen, wenn es um kardiologische Probleme geht.

3.2

Aber selbst wenn die Kammer zugunsten des Klägers davon ausgeht, dass ein selbständiger Teil- oder Funktionsbereich "Kardiologie" bzw. "Spezielle Kardiologie" bereits vor dem 1.1.2008 in der medizinischen Klinik des A.-K.-Krankenhauses bestand, führt dies vorliegend nicht zur Bejahung der begehrten Eingruppierung. Denn für die Eingruppierung in die Entgeltgruppe III muss der Kläger bereits vor dem 1.1.2008 die medizinische Verantwortung für einen selbständigen Teil- oder Funktionsbereich - unabhängig von eventuellen Übertragungsakten - mindestens innegehabt haben.

3.2.1

Die medizinische (Letzt-)Verantwortung obliegt in der Regel den Chefärztinnen/Chefärzten. Die hiervon abzuleitende Verantwortung des Oberarztes im Tarifsinne der Entgeltgruppe III fordert die medizinische Gesamtverantwortung für den Teil- oder Funktionsbereich. Das setzt voraus, dass dem Arzt die medizinische Verantwortung für die Behandlung und Versorgung aller in den Teil- oder Funktionsbereich aufgenommenen Patientinnen und Patienten übertragen wird. Gemeinsame Verantwortung zweier Oberärzte erfüllt nicht die tariflichen Voraussetzungen der Entgeltgruppe III TV-Ärzte/VKA (ebenso LAG Düsseldorf Urt. Vom 8.8.2008 - 9 Sa 1399/07 - Rev. zugel., ZTR 2008, 675).

3.2.2

Eine derartige medizinische Verantwortung hatte der Kläger vor dem 1.1.2008 nach seinem eigenen Vorbringen nicht.

Was den Funktionsbereich Kardiologie betrifft hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem LAG am 28.1.2009 erklärt, dass bei Zweifelsfragen praktisch im Team entschieden wird und bei Streitfragen beispielsweise mit dem Oberarzt der Intensiv letztlich der Chefarzt entscheiden würde. Darüber hinaus ist nach seinem eigenen Vorbringen neben dem Kläger mindestens auch Herr Dr. M. im Bereich der Kardiologie ohne eindeutige Abgrenzung zum Tätigkeitsbereich des Klägers verantwortlich, d.h. entscheidet vieles ohne den Kläger hinzuzuziehen. Dass der Kläger die Entscheidungen des Herrn Dr. M. verantwortet, hat er selbst nicht behauptet. Dem Vortrag des Klägers ist daher nicht zu entnehmen, dass ihm die Gesamtverantwortung für den Bereich Kardiologie übertragen wurde bzw. er diese mindestens innehatte, selbst wenn er aufgrund seiner - auch von der Beklagten anerkannten - hervorragenden kardiologischen und intensivmedizinischen Fachkenntnisse sowie seiner Facharztausbildung bei schwierigen kardiologischen Fällen die medizinischen Entscheidungen trifft bzw. sie von seiner Beurteilung maßgebend bestimmt werden.

3.2.3

Entsprechendes gilt aber auch für den ihm jetzt übertragenen "Teilbereich" spezielle Kardiologie, worunter - wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung am 28.1.2009 bestätigte -die Diagnostik und Behandlung koronarer Herzerkrankungen: Linkskatheter (PTCA, Stentimpantation) und die Diagnostik und Behandlung anderer Herzerkrankungen (Herzrhythmusstörungen, Herzinsuffizienz, entzündliche Herzerkrankungen, dilatative Kardiomyopathie sowie die spezielle bildgebende kardiale Diagnostik verstanden wird. Ob dieser dem Kläger ab dem 01.01.2008 übertragene Bereich einen "Teilbereich" im Tarifsinne darstellt und insoweit auch dem zeitlichen Erfordernis der Tarifnorm entsprochen ist, konnte die Kammer dahinstehen lassen. Für die Kammer war schon nicht ersichtlich, inwieweit dieser eventuell als "Teilbereich" im Tarifsinne anzuerkennende Bereich "selbständig", d. h. in gewissem Maße auch organisatorisch abgrenzbar ist. Erst recht war dem Vortrag des Klägers nicht zu entnehmen, inwieweit ihm für einen selbständigen Teil- oder Funktionsbereich "spezielle Kardiologie" bereits vor dem 01.01.2008 die medizinische Verantwortung übertragen wurde bzw. oblag, zumal er die formale Facharztanerkennung auch erst im September 2007 erworben hat.

3.2.4

Auch die Tätigkeit des Klägers als Oberarzt der Intensivstation der Medizinischen Klinik führt nicht zu einer Eingruppierung in die Stufe 2 der Entgeltgruppe III bereits ab dem 1.1.2007.

Dem Kläger war nicht während seiner Tätigkeit als Oberarzt auf der Intensivstation der medizinischen Klinik bereits die medizinische (Gesamt-)Verantwortung für einen Teil- oder Funktionsbereich ausdrücklich vom Arbeitgeber übertragen worden. Selbst wenn die Kammer zu Gunsten des Klägers unterstellt, dass es sich bei der medizinischen Intensivstation um einen "selbständigen Teilbereich" i. S. der Tarifnorm handelt (wofür die Weiterbildungsordnung der Ärztekammer N., die für den Bereich der Intensivmedizin eine eigene Qualifikation vorsieht, sprechen könnte), konnte die Kammer nach dem Vortrag des Klägers nicht davon ausgehen, dass ihm insoweit die medizinische Gesamtverantwortung übertragen war. Wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung am 28.01.2009 ausgeführt hat, werden auf dieser medizinischen Intensivstation nicht nur Intensivpatienten mit gastroenterologischen, kardiologischen oder pulmologischen Indikationen, sondern ggf. auch Patienten anderer Fachgebiete behandelt. Zudem werden bei speziellen Problemen auch andere Ärzte hinzu gezogen. So hat der Kläger erläutert, dass bei kardiologischen Problemen er selbst und nicht der für die Intensivstation zuständige Oberarzt, Herr T., die Indikation stellen würde. Bei Streitfragen würde sogar der Chefarzt entscheiden. Dass dies zu der Zeit, als der Kläger für die medizinische Intensivstation zuständig war, anders gewesen wäre, hat er selbst nicht behauptet.

4.

Da es bereits am Vortrag des Klägers zum Merkmal der medizinischen Verantwortung für einen selbstständigen Teil- oder Funktionsbereich fehlt, konnte die Kammer die Frage, ob das Merkmal "ausdrücklich vom Arbeitsgeber übertragen" im Streitfall bereits vor dem 1.1.2008 erfüllt war, ebenso dahinstehen lassen, wie die zwischen den Parteien streitige Frage, ob dem Kläger bereits vor dem 01.01.2008 Verantwortung auch für das Tun anderer Assistenz- und Fachärzte oblag bzw. ihm ausdrücklich übertragen worden war.

III.

Als unterlegene Partei hat der Kläger auch die Kosten des Berufungsverfahrens gem. § 97 Abs.1 ZPO zu tragen.

Die Revision war gem. § 72 Abs.2 Nr.1 ArbGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der entscheidungserheblichen Rechtsfrage zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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