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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 23.09.2002
Aktenzeichen: 17 Sa 609/02
Rechtsgebiete: BGB, InsO, ZPO, ArbGG, BRTV-Bau, SGB IV


Vorschriften:

BGB § 328
InsO § 47
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 100 Abs. 1
ArbGG § 69 Abs. 2
ArbGG § 72 Abs. 1
ArbGG § 72 Abs. 2
BRTV-Bau § 3 Ziff. 1.44
SGB IV § 23 b Abs. 2 Satz 8
SGB IV § 23 b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2
SGB IV § 23 b Abs. 2 Satz 1 Nr. 1
Wird für ein Wertguthaben aus einem Arbeitszeitflexibilisierungsmodell ein Treuhandkonto eröffnet, das als Unterkonto zum Geschäftskonto des Arbeitgebers geführt wird und über das jeweils ein Betriebsrats-Mitglied und ein Mitglied der Geschäftsleitung des Arbeitgebers nur gemeinsam verfügen können, so stehen den Arbeitnehmern in der Insolvenz des Arbeitgebers keine Aus- oder Absonderungsrechte zu.
Landesarbeitsgericht Niedersachsen IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

17 Sa 609/02

Verkündet am: 23. September 2002

In dem Rechtsstreit

hat die 17. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 23.09.2002 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Knauß und die ehrenamtlichen Richter Janssen und Kehr

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 28.02.2002 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob den Klägern Aussonderungsrechte an einem Konto der Schuldnerin zustehen.

Die Kläger sind ehemalige Arbeitnehmer der.

Mit Beschluss des Amtsgerichts Hannover vom 31.03.2000 wurde der Beklagte zum Insolvenzverwalter über das Vermögen dieser Gesellschaft bestellt.

Der Betriebsrat der Schuldnergesellschaft hatte erstmals unter dem 03.11.1997 eine Betriebsvereinbarung über die Einführung einer flexiblen Arbeitszeit im Sinne von § 3 Ziff. 1.41 des Bundesrahmentarifvertrages für das Baugewerbe (BRTV-Bau) abgeschlossen. Hieran schloss sich die Betriebs-Vereinbarung vom 06.04.1998 und an diese wiederum die im vorliegenden Fall einschlägige Betriebsvereinbarung vom 18.03.1999 an. Auf der Grundlage dieser Betriebsvereinbarung, wegen deren Einzelheiten auf Bl. 12 - 17 d. A. Bezug genommen wird, konnte bis zu 120 Arbeitsstunden pro Arbeitnehmer vorgearbeitet werden. Diese Stunden sollten als Ausgleich für den witterungsbedingten Arbeitsausfall im Zeitraum 01.11.1999 bis 31.03.2000 herangezogen bzw. durch Freizeit abgegolten werden. Am Ende des Flexibilisierungszeitraums (31.03.2000) konnten die Mitarbeiter wählen, ob sie die verbleibenden Rest-Mehrarbeitsstunden auf den nächsten Zeitraum vom 01.04.2000 bis 31.03.2001 vortragen, oder ob sie sie ausgezahlt haben wollten. Die Differenz zwischen dem Lohn für die Regelarbeitszeit und dem erreichten Monatslohn war gemäß Betriebsvereinbarung auf einem individuellen Arbeitszeitkonto für jeden Arbeitnehmer einzeln gutzuschreiben und zu belasten. Das gesamte Arbeitszeitguthaben aller Mitarbeiter sollte auf ein extra einzurichtendes Treuhandkonto eingezahlt werden, über welches bei der Verwendung von angesparten Stunden für Schlechtwetter oder Freizeitausgleich nur Betriebsrat und Geschäftsleitung gemeinsam verfügen können sollten.

Auf der Grundlage der ersten Betriebsvereinbarung vom 03.11.1997 beantragte die Schuldnergesellschaft bei ihrer Bank mit Schreiben vom 10.11.1997 die Eröffnung eines neuen Kontos. In dem Schreiben (wegen dessen Einzelheiten auf Bl. 18 d. A. Bezug genommen wird) heißt es auszugsweise wörtlich:

"Wir ... bitten um Eröffnung eines neuen (Unter-) Kontos und zwar eines Treuhandkontos im Sinne von § 3 Ziff. 1.44 des BRTV für das Baugewerbe".

§ 3 Ziff. 1.44 BRTV-Bau lautet auszugsweise wörtlich:

"Durch den Arbeitgeber ist in geeigneter Weise auf seine Kosten sicherzustellen, dass das Guthaben jederzeit bestimmungsgemäß ausgezahlt werden kann, insbesondere durch Bankbürgschaft, Sperrkonto mit treuhänderischen Pfandrechten oder Hinterlegung bei der Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft."

Verfügungsberechtigt über das Arbeitszeitkonto sollte jeweils ein in dem Eröffnungsantrag vom 10.11.1997 benanntes Betriebsratsmitglied und ein dort ebenfalls benanntes Mitglied der Geschäftsführung gemeinschaftlich sein. Das Geschäftskonto der Schuldnerin bei der wurde unter der Konto-Nr. geführt. Das auf den Antrag v. 10.11.97 neu eingerichtete Konto erhielt die Konto-Nr. (vgl. die Kontoeröffnungsbestätigung vom 25.11.1997, Bl. 19 d. A.).

Bis Ende November 1999 wurde der Lohn für die von den Arbeitnehmern der Schuldnerin geleisteten Ansparstunden vollständig auf das neu errichtete Konto eingezahlt, jedoch ohne den in § 3 Ziff. 1.44 BRTV vorgesehenen Aufschlag von 45 % für den Sozialaufwand. Im Dezember 1999 zahlte die Schuldnerin auf die von ihren Arbeitnehmern geleisteten Ansparstunden nur 6,81 % ein.

An jeden einzelnen Arbeitnehmer wurde zusammen mit der monatlichen Gehaltsabrechnung, in der die Ansparstunden jeweils aufgeführt wurden, eine Aufstellung der von ihm geleisteten Mehrarbeitsstunden von der Schuldnergesellschaft übergeben. Wegen der Einzelheiten hinsichtlich der Kläger wird auf die Anlagen K 5, K 6 und K 7 zur Klageschrift (Bl. 21 - 28 d. A.) verwiesen. Daneben erhielt der Betriebsrat monatlich eine Gesamtübersicht der insgesamt erbrachten Mehrarbeitsstunden und der für jeden Arbeitnehmer erbrachten Zahlungen auf das Treuhandkonto bei der (wegen der Übersicht des Ansparkontos per 31.12.1999 wird auf die Anlage K 4 zur Klageschrift, Bl. 20 und 20 a) d. A. verwiesen).

Bis zum 31.12.1999 haben der Kläger zu 1) Ansparstunden im Wert von 1.978,65 6 (3.869,91 DM), der Kläger zu 2) im Wert von 2.751,95 € (5.382,35 DM) und der Kläger zu 3) im Wert von 2.504,66 € (4.898,69 DM) geleistet. Zahlungen hierauf sind nicht erfolgt. Die Kläger haben ihren Anspruch auf Zahlung der Mehrarbeitsvergütung zur Insolvenztabelle angemeldet. Der Beklagte hat sie anerkannt.

Mit Urteil vom 28.02.2002 hat das Arbeitsgericht die am 08.08.2001 eingegangene Klage mit den Anträgen,

1. den Beklagten zu verurteilen, in die Auszahlung des auf dem Konto Nr., hinterlegten Betrages in Höhe von 1.978,65 e (3.869,91 DM) an den Kläger zu 1) zuzustimmen,

2. den Beklagten zu verurteilen, in die Auszahlung des auf dem Konto Nr., hinterlegten Betrages in Höhe von 2.480,60 € (4.851,64 DM) an den Kläger zu 2) zuzustimmen,

3. den Beklagten zu verurteilen, in die Auszahlung des auf dem Konto Nr., hinterlegten Betrag in Höhe von 2.196,91 € (4.296,79 DM) an den Kläger zu 3) zuzustimmen,

abgewiesen, die Kosten des Rechtsstreits den Klägern auferlegt und den Streitwert auf 6.656,17 € festgesetzt. Wegen der rechtlichen Erwägungen, die das Arbeitsgericht zu seinem Ergebnis haben gelangen lassen, wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 63 - 65 d. A.) Bezug genommen.

Gegen das ihnen am 02.04.2002 zugestellte Urteil haben die Kläger am 25.04.2002 beim Landesarbeitsgericht Berufung eingelegt und diese mit einem am 24.05.2002 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

Mit der Berufung verfolgen die Kläger ihr ursprüngliches Klageziel nach Maßgabe ihres Berufungsbegründungsschriftsatzes vom 23.05.2002 (Bl. 84 -93 d. A.) und ihrer Schriftsätze vom 19.08.2002 (Bl. 110 - 113 d. A.) sowie vom 30.08.2002 (Bl. 121 d. A.) sowie vom 16.09.2002 (Bl. 125 f. d. A.) weiter. Die Kammer nimmt auf den Inhalt dieser Schriftsätze Bezug.

Die Kläger vertreten die Auffassung, ihnen stehe an dem auf das Treuhandkonto eingezahlte Gesamtbetrag ein Aussonderungsrecht in Höhe ihres Anteils an dem Arbeitszeitguthaben der Mitarbeiter der Schuldnergesellschaft zu, wobei sie für Dezember 1999 unter Berücksichtigung der Teil-Einzahlungen nur einen anteiligen Zahlungsanspruch von 6,81 % geltend machen.

Die Kläger beantragen daher,

das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover abzuändern und

1. den Beklagten zu verurteilen, in die Auszahlung des auf dem Konto Nr., hinterlegten Betrages in Höhe von 1.978,65 € (3.869,91 DM) an den Kläger zu 1) zuzustimmen,

2. den Beklagten zu verurteilen, in die Auszahlung des auf dem Konto Nr., hinterlegten Betrages in Höhe von 2.480,60 € (4.851,64 DM) an den Kläger zu 2) zuzustimmen,

3. den Beklagten zu verurteilen, in die Auszahlung des auf dem Konto Nr., hinterlegten Betrag in Höhe von 2.196,91 6 (4.296,79 DM) an den Kläger zu 3) zuzustimmen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil nach Maßgabe seines Berufungserwiderungsschriftsatzes vom 12.07.2002 (Bl. 108 f. d. A.), auf den Bezug genommen wird.

Der Beklagte vertritt die Auffassung, das bei der als Unterkonto zum Geschäftskonto auf Rechnung der Gemeinschuldnerin geführte Arbeitszeitkonto sei kein insolvenzsicheres Treuhandkonto. Außerdem seien die Aussonderungsforderungen gemäß § 16 BRTV Bau verfallen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist statthaft, sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und somit zulässig (§§ 64, 66 ArbGG, § 519, 520 Abs. 3 ZPO).

II.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Bedenken gegen die Zulässigkeit der Anträge bestehen nicht; insoweit nimmt die Kammer auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts Bezug (S. 5 des erstinstanzlichen Urteils, Bl. 63 d. A.), § 69 Abs. 2 ArbGG.

Die Klage ist aber nicht begründet, denn die Kläger können von dem Beklagten weder Zahlung noch Zustimmung zur Auszahlung des auf dem Treuhandkonto der Schuldnerin befindlichen Wertguthabens aus dem Arbeitszeitflexibilisierungsmodell verlangen.

1.

Die Ansprüche der Kläger auf Auszahlung der ihnen zustehenden Beträge sind allerdings nicht aufgrund der Ausschlussfrist des auf das Arbeitsverhältnis kraft Allgemeinverbindlichkeit anzuwendenen BRTV-Bau (§ 16) verfallen.

Eine ausdrückliche Geltendmachung der Ansparstunden war schon deshalb nicht erforderlich, weil die unstreitigen Zeitguthaben durch die monatlichen Abrechnungen und die den Klägern überreichten Aufstellungen über ihre Ansparstunden vom Arbeitgeber anerkannt worden waren (seit langem gefestigte Rspr d. BAG vgl. BAG Urt. v. 21.04.1993 - 5 AZR 399/92 - AP Nr. 124 zu § 4 TVG Ausschlußfristen m. w. N.). Einer erneuten Geltendmachung gegenüber dem Insolvenzverwalter, weil sich der Anspruch wegen der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnergesellschaft in einen Zahlungsanspruch umgewandelt hat, bedurfte es nicht (SAG Urt. v. 13.02.2002 - 5 AZR 470/00 - AP Nr. 57 zu § 4 EntgeltFG).

2.

Die Kläger können keine Aussonderung aus der Konkursmasse nach § 47 InsO verlangen, weil die Ansprüche aus dem Wertguthaben nicht zum Vermögen der Arbeitnehmer, sondern zum Vermögen der Schuldnergesellschaft (Arbeitgeberin) gehören.

2.1

Das Insolvenzverfahren umfaßt das gesamte, einer Zwangsvollstreckung unterliegende Vermögen des Schuldners, das ihm zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt. Dieses Vermögen ist die Insolvenzmasse (§ 35 InsO). Nach § 47 InsO ist aussonderungsberechtigt ein Gläubiger, der aufgrund eines dinglichen oder persönlichen Rechts geltend machen kann, dass ein Gegenstand nicht zur Insolvenzmasse gehört. Auch der Anspruch auf Zahlung einer Geldsumme kann Gegenstand der Aussonderung sein (Kuhn/Uhlenbruck, Konkursordnung, 11. Aufl., München 1994, RZ 4 zu § 43 ; BGH Urt. v. 15.11.1988 - IX ZR 11/88 - ZIP 1989, 118 f; BGH Urt. v. 11.05.1989 - IX ZR 222/88 - ZIP 1989, 785 f. und BGH Urt. v. 11.03.1999 - IX ZR 164/98 - BGHZ 141, 116 ff.), wenn sie nicht zum insolvenzbefangenen Vermögen des Schuldners gehört. Aussonderungsrechte nach § 47 InsO kommen nämlich nur in Betracht, wenn der auszusondernde Gegenstand oder das auszusondernde Recht dem Schuldner nicht gehören und deshalb massefremd ist. Daran fehlt es hier.

2.2

Das Wertguthaben gehörte rechtlich und wirtschaftlich zum Vermögen der Schuldnerin. Ob die Forderung massefremd ist, beurteilt sich nach den Bestimmungen des materiellen Rechts. Zutreffend hat bereits das Arbeitsgericht ausgeführt, dass zwischen dem schuldrechtlichen Verschaffungsanspruch und der Inhaberschaft an der Forderung zu unterscheiden ist und den Klägern im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nur ein schuldrechtlicher Verschaffungsanspruch zustand. Zwar war das Wertguthaben aus der Arbeitszeitflexibilisierung auf einem Sonderkonto zurückgestellt, aber der zurückgestellte Betrag blieb uneingeschränkt dem Vermögen der Schuldnerin zugehörig. Insofern fand keine Forderungsübertragung auf die Kläger statt. Vielmehr wurde die Forderung überhaupt erst mit dem Ende des Übertragungszeitraums bzw. der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnergesellschaft fällig. Das Wertguthaben bei Arbeitszeitflexibilisierungsmodellen ist Arbeitsentgelt, das in der Zeitguthabenansparphase erzielt wird, aber erst in der Freistellungsphase, spätestens am Ende des Ausgleichszeitraums bzw. wegen Auflösung des Wertguthabens bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers, fällig wird. Die Fälligkeit des Arbeitsentgelts ist mithin hinausgeschoben. Dem entspricht auch die gesetzliche Regelung in § 23 b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. Satz 8 SGB IV hinsichtlich der Fälligkeit des Gesamtsozialversicherungsbeitrags und die Vorschrift des § 23 b Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB IV, die die Zahlungsunfähigkeit als Auflösungsgrund des Wertguthabens besonders benennt (siehe auch Ziff. II.3.2).

3.

Den Klägern steht auch kein Aussonderungsrecht aus einem Treuhandverhältnis zu.

3.1

Grundsätzlich können Wertguthaben aus Arbeitszeitflexibilisierungsmodellen für den Fall der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers gesichert werden. Soweit ein Anspruch auf Insolvenzgeld nicht besteht (vgl. hierzu BSG Urt. v. 25.06.2002 - B 11 AL 90/01 R - SozR - 3 - 0000 = AuA 2002, 374 Kurzwiedergabe und LSG Nds. Urt. v. 27.09.2001 - L 8 AL 125/00 - ZinsO 2002, 392 red. Leitsatz) und das Wertguthaben des Beschäftigten einschließlich des darauf entfallenden Arbeitgeberanteils am Gesamtsozialversicherungsbeitrag einen Betrag in Höhe des Dreifachen der monatlichen Bezugsgröße und der vereinbarte Zeitraum, in dem das Wertguthaben auszugleichen ist, 27 Kalendermonate nach der ersten Gutschrift übersteigt, besteht eine gesetzliche Verpflichtung, das Wertguthaben für den Insolvenzfall zu schützen (§ 7 d SGB IV). § 3 Ziff. 1.44 des BRTV-Bau schreibt sogar eine Insolvenzsicherung unabhängig von der Höhe des Guthabens vor, was sich daraus ergibt, dass der Arbeitgeber sicherzustellen hat, dass das Guthaben jederzeit bestimmungsgemäß ausgezahlt werden kann. Allerdings fehlen sowohl im Gesetz als auch im Tarifvertrag Sanktionen bei Verstößen.

Die Sicherung des Wertguthabens kann auch über ein Treuhandmodell geschehen (vgl. zu den verschiedenen Möglichkeiten der Absicherung von Arbeitszeitwertguthaben im Insolvenzfall den "Bericht des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung nach § 7 d. SGB IV über die Vereinbarungen zur Absicherung von Wertguthaben und zu Vorschlägen zur Weiterentwicklung des Insolvenzschutzes" vom Dezember 2002, S. 35 ff.).

Bei einem echten Treuhandverhältnis (bei unechten Treuhandverhältnissen bleibt der Treugeber ohnehin Forderungsinhaber) wurde ein Anspruch des Treugebers auf Aussonderung des Treuguts im Konkurs des Treuhänders allgemein (gewohnheitsrechtlich) anerkannt (vgl. BGH vom 07.04.1959 - VIII ZR 219/57 - NJW 1959, 1223 f.; Urt. v. 14.01.1969 - VI ZR 191/67 - WM 1969, 475 f.; 19.11.1992 - IX ZR 45/92 - DNotZ 1993, 384 f. und BAG Urt. v. 26.02.1991 - 3 AZR 213/90 - AP Nr. 15 zu § 1 BetrAVG Lebensversicherung; vgl. auch Kuhn/Uhlenbruck, a. a. O., RZ 10 b zu § 43). Durch das Inkrafttreten der Insolvenzordnung ergeben sich insoweit keine Änderungen.

Für ein Aussonderungsrecht des Treugebers im Konkurs des Treuhänders wurde von der Rechtsprechung gefordert, dass der Treugeber einen ihm gehörenden Vermögensgegenstand (das Treugut) dem Treuhänder mit der Abrede, die übertragene Rechtsmacht zwar im eigenen Namen, aber nur im Interesse des Treugebers auszuüben, überträgt (vgl. RGZ 84, 214/216; 91, 12/14). Von diesem Grundsatz der Unmittelbarkeit hat der BGH eine Ausnahme für den Fall zugelassen, dass von dritter Seite Geld auf ein sogenanntes Ander-Konto eingezahlt oder überwiesen wird, das offenkundig zu dem Zweck bestimmt ist, fremde Gelder zu verwalten (BGH Urt. v. 05.11.1953 - IV ZR 95/53, NJW 1954, 190/191). In einer weiteren Entscheidung hat der BHG die Überweisung von Geldbeträgen auf ein nicht als Ander-Konto eingerichtetes -Konto genügen lassen, sofern die den Zahlungen zugrunde liegenden Forderungen nicht in der Person des Treuhänders, sondern unmittelbar in der Person des Treugebers entstanden waren (BGH Urt. v. 07.04.1959, VIII - ZR 219/57 -, a. a. O., siehe auch BGH Urt. v. 19.11.1992, IX - ZR 45/92 - a. a. O.).

Auch das BAG hat stets an dem Erfordernis der unmittelbaren Vermögensübertragung zur Anerkennung eines Aussonderungsrechts aus einem Treuhandverhältnis festgehalten (vgl. BAG Urt. v. 08.05.1999 - 3 AZR 136/98 - AP Nr. 26 zu § 1 BetrAVG Lebensversicherung), allerdings dem Arbeitnehmer, dem ein eingeschränkt unwiderrufliches Bezugsrecht auf Versorgungsleistungen vom Arbeitgeber eingeräumt wurde, ein Aussonderungsrecht im Konkurs des Arbeitgebers zugebilligt. Begründet wurde dies damit, dass das eingeschränkt unwiderrufliche Bezugsrecht dem unwiderruflichen Bezugsrecht näher stehe, als dem widerruflichen, bei dem kein Aussonderungsrecht besteht (BAG Urt. v. 17.10.1995 - 3 AZR 622/94 - AP Nr. 23 zu § 1 BetrAVG Lebensversicherung m. w. N.). Im Unterschied zum unwiderruflichen Bezugsrecht, das zum Vermögen des Begünstigten gehört (BGH Urt. v. 17.02.1966 - II ZR 286/63 - BGHZ 45, 162/165) und über dessen insolvenzrechtliche Behandlung Einigkeit besteht, wird das widerrufliche Bezugsrecht ganz überwiegend (vgl. die Nachweise bei BAG Urt. v. 26.06.1990 - 3 AZR 651/88 - AP Nr. 10 zu § 1 BetrAVG Lebensversicherung unter Ziff. 3 der Gründe) nicht dem Vermögen des Begünstigten, sondern dem des Versicherungsnehmers zugeordnet, der diese Versicherungsleistungen jederzeit für sich in Anspruch nehmen kann. Demgegenüber habe der Arbeitnehmer auch beim eingeschränkt unwiderruflichen Bezugsrecht keine wertlose Anwartschaft, sondern eine gefestigte Rechtstellung erhalten. Nach Eintritt der Unverfallbarkeit könne der Arbeitgeber über die Versicherung nicht mehr verfügen, mithin dem Arbeitnehmer die Gläubigerstellung nicht mehr einseitig entziehen (BAG Urt. v. 26.06.1990 - 3 AZR 651/88 - ebd.).

In all diesen Fällen gehört zwar das Treugut rechtlich zum Vermögen des Treuhänders. Wegen der im Innenverhältnis aufgrund des Treuhandverhältnisses bestehenden Beschränkungen der Rechtsmacht des Treuhänders ist der treuhänderisch übertragene Gegenstand jedoch sachlich und wirtschaftlich dem Vermögen des Treugebers zuzuordnen. Bei Treuhandverhältnissen ist für die Frage der Nichtzugehörigkeit zum Vermögen des Schuldners (§ 47 InsO) mithin die wirtschaftliche Zuordnung entscheidend.

3.2

Vorliegend kann dahinstehen, ob es sich bei dem sogenannten Treuhandkonto der Schuldnergesellschaft überhaupt um ein Treuhandverhältnis oder lediglich um ein nicht insolvenzfestes Sperrkonto mit besonderen (rechtsgeschäftlichen) Einschränkungen hinsichtlich der Verfügungsmacht des Berechtigten handelt (vgl. Canaris, Großkomm. HGB, 3. Aufl., Bnd. III/3 (2. Bearb.) 1981, Bankvertragsrecht, Rdn. 249 ff.). Denn die im Streitfall gewählte Form eines Treuhandkontos, die sich nach der Kontenbezeichnung lediglich als Unterkonto des Arbeitgebers (der Schuldnergesesllschaft) darstellt, hat höchstens schuldrechtliche Wirkung und begründet kein Treuhandverhältnis mit quasi dinglicher Wirkung (vgl. BGH Urt. v. 05.05.1969 - VII ZR 79/67 - WM 1969, 935 f.). Nur einem solchen kommen aber - wie ausgeführt - die gewohnheitsrechtlich anerkannten Aussonderungsrechte zugute.

Im Streitfall haben die Kläger keine ihnen gehörenden Vermögensgegenstände dem Arbeitgeber übertragen. Sie haben vielmehr ihre Lohnforderungen im Rahmen des Arbeitszeitflexibilisierungsmodells der Schuldnerin "gestundet", d. h. den Fälligkeitszeitpunkt hinausgeschoben. Es ist auch kein Geld von der Schuldnerin (§ 929 BGB) an die Kläger gezahlt und evtl. wieder rückübertragen (§ 930 BGB) worden. Damit Steuern und Sozialversicherungsbeiträge nicht sofort anfallen, findet bei den Arbeitszeitflexibilisierungsmodellen gerade keine Vermögensverschiebung statt. Sobald nämlich ein Zufluss an die Kläger erfolgt wäre, wären Steuern und Sozialversicherungsbeiträge fällig geworden (§ 23 b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. Satz 8 SGB IV). Dementsprechend sind die Ansparstunden in den monatlichen Lohnabrechnungen auch nur aufgeführt, aber nicht abgerechnet worden.

Auch unter Berücksichtigung der von der Rechtsprechung zugelassenen Ausnahmen von der unmittelbaren Vermögensübertragung ist vorliegend kein Aussonderungsrecht gegeben, denn es hat keine wirkliche Trennung des Wertguthaben - Kontos vom Vermögen der Schuldnergesellschaft gegeben, vielmehr wurde das sog. Treuhandkonto als Unter-Konto zum Geschäftskonto der Schuldnergesellschaft geführt. Damit kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass hier offenkundig fremdes Vermögen (Treugut) verwaltet wurde. Typischerweise wird schließlich bei der Treuhand das Sicherungsgut an einen zwischen Gläubiger und Schuldner stehenden neutralen Treuhänder übertragen. Auch wenn durch die erforderliche Mitwirkung eines Betriebsratsmitglieds die Verfügungsmacht der Schuldnerin über das Konto (schuldrechtlich) eingeschränkt war, konnte diese nach wie vor über das Konto verfügen, insbesondere auch die Guthabenforderung abtreten (vgl. Canaris, a. a. O., Rz 255). Solche schuldrechtlichen Sperren begründen aber, sofern die Sperre nicht dinglich bspw. durch Pfandrechte gesichert ist, kein Aus- oder Absonderungsrecht (vgl. Kuhn/Uhlenbruck, a. a. O., RZ 13 b zu § 43). Sie sind nicht insolvenzfest (BGH Urt. v. 17.04.1986 - IX ZR 54/85 - WM 1986, 749 ff.).

4.

Abgesehen davon, dass ein Pfandrecht kein Aussonderungs-, sondern nur ein Absonderungsrecht begründen würde (§ 50 InsO), ist die Kontensperre vorliegend auch nicht durch ein rechtsgeschäftliches Pfandrecht (§§ 1273 ff. BGB) gesichert. Die Bestellung des Pfandrechts an Rechten folgt den Übertragungsvorschriften für das betreffende Recht (§ 1274 BGB), d. h. bei Forderungen durch Einigung und Anzeige (§ 1280 BGB). Dass die einzelnen Arbeitnehmer (Kläger) bei der Bestellung eines Pfandrechts mitgewirkt hätten, ist nicht vorgetragen. Eine Verpfändung ist auch nicht durch die zwischen der Schuldnerin und dem Betriebsrat vereinbarte Kontensperrung erfolgt, zwar ist die Verpfändung des Kontos auch durch einfache formlose Einigung (auch konkludentes Verhalten) möglich (vgl. Canaris a. a. O., Rdn. 181 ff. und BGH Urt. v. 17.04.1986 - XI ZR 54/85 - a. a. O.). Die Auslegung der Betriebsvereinbarung und des Kontoeröffnungsantrags der Schuldnergesellschaft ergibt jedoch, dass es sich lediglich um eine allgemeine Sicherungsabrede im Sinne einer Verfügungsbeschränkung und nicht um eine Verpfändung der Einlageforderungen handelt.

4.1

Ob der Betriebsrat, der außerhalb seines gesetzlichen Wirkungsbereichs weder rechts- noch Vermögensfähig ist (allgemeine Auffassung in Literatur und Rechtsprechung, vgl. hierzu m. w. N. Däubler/Kittner, BetrVG, 8. Aufl., 2002, Einleitung RZ 122) überhaupt dingliche Rechte zur Absicherung von Arbeitszeitkonten erwerben kann (vgl. auch Richardi, BetrVG, 8. Aufl. 2002, Einleitung RZ 106 ff., 112), kann dahinstehen. Durch die auf der Betriebsvereinbarung bzw. den Beschränkungen in dem Kontoeröffnungsantrag vom 10.11.1997 beruhende Verfügungsbeschränkung, ist ein Pfandrecht schon deshalb nicht begründet worden, weil eine solche Vereinbarung ein Vertrag zugunsten Dritter gemäß § 328 BGB wäre, der nur bei schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäften, nicht aber bei dinglichen Verträgen oder schuldrechtlichen Verfügungsverträgen möglich ist (ständige Rechtsprechung des Reichsgerichts und des BGH, vgl. BGH Urt. v. 17.04.1986 - XI ZR 54/85 - a. a. O. m. w. N.; siehe auch Canaris, a. a. O., RZ 256).

4.2

Der Betriebsrat hat schließlich nicht als Vertreter der Arbeitnehmer ein Pfandrecht an der Einlagenforderung des Treuhandkontos begründet, weshalb die Kläger auch nicht aus einem Vertretungsverhältnis ein Aus- oder Absonderungsrecht erlangt haben.

4.2.1

Der Betriebsrat ist nicht Vertreter der einzelnen Arbeitnehmer (BAG Urt. v. 09.10.1970 - 1 ABR 18/69 - AP Nr. 4 zu § 63 BetrVG; Urt. v. 19.07.1977 - 1 AZR 483/74 - AP Nr. 1 zu § 77 BetrVG 1972; vgl. auch Richardi, a. a. O., Einleitung RZ 116 und Fitting/Kaiser/Heither/Engel/ Schmidt, BetrVG, 21. Aufl. 2002, § 1 RZ 196; vgl. auch BAG Urt. v. 16.03.1989 - 2 AZR 325/88 - AP Nr. 2 zu § 1 BeschFG 1985 Nr. 8 unter II 2a) zum Schwerbehindertenvertrauensmann). Er kann kraft Amtes keine rechtsgeschäftlichen Erklärungen für einzelne Arbeitnehmer abgeben oder entgegennehmen.

4.2.2

Auch aus der Tarifvorschrift des 3 Ziff. 1.44 BRTV-Bau läßt sich eine entsprechende tarifliche Ermächtigung des Betriebsrats nicht entnehmen. Vielmehr ist die Absicherung des Ausgleichskontos in § 3 Ziff. 1.44 BRTV-Bau allein dem Arbeitgeber zugewiesen.

4.2.3

Der Betriebsrat hat auch nicht aufgrund rechtsgeschäftlicher Vertretungsmacht ein Pfandrecht namens der Arbeitnehmer (Kläger) erworben (vgl. zur Zulässigkeit der Einräumung rechtsgeschäftlicher Vertretungsmacht zum Zwecke der Aushandlung einzelvertraglicher Regelungen mit dem Arbeitgeber BAG Urt. v. 19.07.1977 - 1 AZR 483/74 - AP Nr. 1 zu § 77 BetrVG 1972; ablehnend insoweit Rieble, Anm. zu BAG Urt. v. 05.04.1995 - 5 AZR 961/93 - EzA § 4 TVG Ausschlussfristen Nr. 111). Eine entsprechende Bevollmächtigung des Betriebsrats liegt nicht vor. Auch dass der Betriebsrat erkennbar im Namen der Arbeitnehmer (Kläger) ein Pfandrecht in Höhe der (künftig fällig werdenden) Ansprüche - sei es als Vertreter ohne Vertretungsmacht (§§ 177 ff BGB), durch stillschweigende Bevollmächtigung oder in Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff BGB) bestellen wollte, ist nicht vorgetragen. Offensichtlich haben die Betriebsvereinbarungspartner hieran auch nicht gedacht, was sich nicht zuletzt daran zeigt, dass die Kläger nur ein Aussonderungsrecht aus einem Treuhandkonto geltend machen.

Nach alledem war die Berufung der Kläger zurückzuweisen, denn die Kontensperre beschränkte mithin lediglich die Verfügungsmacht der Schuldnergesellschaft als Kontoinhaberin und verpflichtete die Bank gegenüber dem Betriebsrat, die Sperre zu beachten. Insolvenzfest ist das Recht des Betriebsrats aber nicht. Die von den Betriebsvereinbarungsparteien gewählte Form des Treuhandkontos stellte lediglich sicher, dass bei Liquiditätsengpässen das Wertguthaben verfügbar war, schützte die Arbeitnehmer aber nicht im Insolvenzfall. Allein die Zweckbindung des Treuhandkontos reicht nicht aus, ein Aussonderungsrecht zugunsten der Kläger zu begründen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, wobei die Kläger, da keine erhebliche Verschiedenheit der Beteiligung am Streitgegenstand gegeben ist (§ 100 Abs. 2 ZPO), gem. § 100 Abs. 1 ZPO nach Kopfteilen für die Kostenerstattung haften.

Die Revision war nach § 72 Abs. 1 u. 2 ArbGG zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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