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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 03.04.2009
Aktenzeichen: 17 Sa 904/08 E
Rechtsgebiete: TV-Ärzte/TVÜ-Ärzte


Vorschriften:

TV-Ärzte/TVÜ-Ärzte
1. Für die Erfüllung der Tarifmerkmale der Entgeltgruppe Ä 4 des Tarifvertrages für Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken (TV-Ärzte) vom 30.10.2006 ist es nicht erforderlich, dass der Arzt, dem die ständige Vertretung des Leitenden Arztes (Chefarzt) vom Arbeitgeber übertragen wurde, alle Aufgaben des Chefarztes ständig neben diesem erledigt. Er muss den Chefarzt lediglich im Vertretungsfall in der Gesamtheit seiner Dienstaufgaben vertreten können. Der Umfang der tatsächlichen Vertretung hängt dabei insbesondere bei der Anwesenheitsvertretung wesentlich auch vom Willen des Vertretenen und sonstigen Aufgabenverteilungen in der Klinik ab.

2. Überläßt der Arbeitgeber die Bestellung eines ständigen Vertreters des Leitenden Arztes den Chefärzten der Kliniken/Abteilungen, so muss sich der Arbeitgeber dies als Übertragung durch den Arbeitgeber i. S. d. Entgeltgruppe Ä 4 des TV-Ärzte zurechnen lassen.


LANDESARBEITSGERICHT NIEDERSACHSEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

17 Sa 904/08 E

In dem Rechtsstreit

hat die 17. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 28. Januar 2009 durch

die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Knauß, den ehrenamtlichen Richter Herr Bareither, den ehrenamtlichen Richter Herr Bachmann für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 0 abgeändert.

Es wird festgestellt, dass das beklagte Land dem Kläger seit dem 0 regelmäßige tarifliche Monatsvergütung nach Stufe 3 der Entgeltgruppe Ä 4 gemäß Anl. A 1 des TV-Ä. anstelle der tatsächlich gewährten Vergütung in der Stufe 3 der Entgeltgruppe Ä 3 schuldet.

Das beklagte Land trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die tarifliche Eingruppierung des Klägers.

Der am 00.00.1953 geborene Kläger steht seit dem 0 in einem Arbeitsverhältnis zu dem beklagten Land und wird an der M.H. B-Stadt (künftig: M.), einer humanmedizinischen Einrichtung des beklagten Landes nach § 63a Niedersächsisches Hochschulgesetz (NHG), beschäftigt. Seit dem 0 ist der Kläger Facharzt für Nuklearmedizin und seit dem 0 Leitender Oberarzt in der Klinik für Nuklearmedizin der M.. Seine Tätigkeiten sind seither unverändert.

Zum 0 traten der neue Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken (TV-Ärzte) und der Tarifvertrag zur Überleitung der Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken (TVÜ-Ärzte), beide vom 0, abgeschlossen zwischen der Tarifgemeinschaft deutscher Länder und dem Marburger Bund, in Kraft. Der Kläger ist seit 0 Mitglied des Marburger Bundes. Das beklagte Land, das Tarifgemeinschaft der Länder (TdL) angehört, wendet seit der Tarifeinigung mit dem Marburger Bund (0) für die Statusgruppe der Ärzte in der M. den TV-Ärzte an, einschließlich der zwischen den Tarifparteien vereinbarten Anwendung des Tabellenentgelt ab 0.

Unter der Geltung des Bundesangestelltentarifvertrages (BAT) war der Kläger in die Vergütungsgruppe I a Fallgruppe 8 des Teils I der Anlage 1 a zum BAT mit Wirkung ab 02.9.1988 aufgrund der ständigen Unterstellung von mindestens fünf Ärzten eingruppiert (siehe die Anlage B 1 zum Schriftsatz der Beklagten vom 30.07.2007, Bl. 35 d. A.). Vom 01.07.06 bis 31.10.06 erhielt der Kläger Entgelt entsprechend der Entgeltgruppe Ä 4 Sufe 3 des TV-Ärzte. Seit dem 01.11.06 wird er nach der Stufe 3 der Entgeltgruppe Ä 3 TV-Ärzte in Höhe von 6.800,-- € zuzüglich Besitzstand Kinder in Höhe von 362,28 € vergütet. Die begehrte Vergütungsgruppe Ä 4 betrug ab 01.11.06 in der Stufe 3 7.900,-- €, ab 01.08.08 8.130.- Euro.

Bis zum 31.03.1997 war Herr Prof. Dr. H. Chefarzt und Abteilungsleiter der Abteilung Nuklearmedizin, die im Jahr 0 in die Klinik für Nuklearmedizin umgewandelt wurde. Herr Prof. Dr. H. bescheinigte dem Kläger in einem Zeugnis vom 0, dass dieser bereits 1988 zum Leitenden Oberarzt seiner Abteilung aufgerückt und - neben der Regelung der Personalangelegenheiten - für die Gerätebeschaffungen, den Strahlenschutz sowie die akademischen Verpflichtungen zuständig gewesen sei und ihn in allen Angelegenheiten komplett vertreten habe (K 2 zur Klageschrift Bl. 5 f. d. A.). In einem Schreiben an die Wirtschaftsverwaltung, Abteilung Finanzangelegenheiten der M. vom 0 (Anlage K 3 zur Klageschrift Bl. 7 d. A.) bat Herr Prof. Dr. H. Abbuchungen vom Konto 8256 - Forschung und Lehre, Abteilung Nuklearmedizin und spez. Biophysik nur zu akzeptieren, wenn die Bestellungen/Vorgänge von ihm oder seinem Stellvertreter, dem Kläger, gegengezeichnet worden seien. Nach dem Ausscheiden von Prof. Dr. H. leitete der Kläger vorübergehend die Klinik bis zum Amtsantritt des jetzigen Chefarztes Prof. Dr. W. H. K. im Jahr 0.

Mit Rundschreiben vom 0 zur Umsetzung des angestrebten Tarifvertrags zwischen der Tarifgemeinschaft Deutscher Länder und dem Marburger Bund für Ärzte/Ärztinnen informierte das Personalmanagement der M.H. u. a. an die Leiterinnen und Leiter der Klinikabteilungen - unter Angabe der Zuordnungsmerkmale zu den neuen Gehaltsgruppen der Entgelttabelle - über die Tarifeinigung zwischen TdL und Marburger Bund vom 0, das beabsichtigte Inkrafttreten des Tarifvertrages zum 0 sowie die Anwendung der Entgelttabelle bereits zum 0. Wegen der Einzelheiten dieses Schreibens wird auf die Anlage K 12 zum Schriftsatz des Klägers vom 0 (Bl. 143 f d. A.) Bezug genommen. Dieses Rundschreiben des Personalmanagement wurde dem Chefarzt der Klinik für Nuklearmedizin, Herrn Prof. Dr. K., mit E-Mail vom 0 zusammen mit einer Liste der von dem angestrebten Tarifvertrag betroffenen Mitarbeiter seiner Abteilung mit der Bitte um entsprechende Ergänzung und Rückgabe bis spätestens 0 übersandt.

Mit vom Kläger vorformulierten Schreiben vom 0 (Anlage K 1 zur Klageschrift Bl.4 d.A.) an das Personalmanagement der M.H. B-Stadt teilte der Chefarzt der Klinik für Nuklearmedizin, Herr Prof. Dr. med. W. H. K., sodann unter dem Bezug "Umsetzung der Entgelttabelle für Ärzte" wörtlich folgendes mit:

"Seit dem 0 ist Herr Prof. Dr. med. A. Leitender bzw. 1. Oberarzt und ständiger Stellvertreter des Abteilungsleiters der Abteilung Nuklearmedizin und spezielle Biophysik bzw. ab 0 der Klinik für Nuklearmedizin der M.H. B-Stadt. Er vertritt mich in der Gesamtheit meiner Dienstaufgaben. Im April 0 hat er die Klinik nach dem Ausscheiden von Prof. H. kommissarisch in allen Punkten geleitet."

Der Kläger wurde daraufhin mit Wirkung vom 01.07.2006 vorläufig der Entgeltgruppe Ä 4 Stufe 3 zugeordnet und erhielt eine "Zulage TV-Ärzte" in Höhe der Differenz zwischen dem BAT Gehalt und der Stufe 3 der Entgeltgruppe Ä 4. Die Abteilung Personalmanagement der M.H.B-Stadt stellte dem Kläger mit Schreiben vom 0 die Berechnungsgrundlage für die "Zulage TV-Ärzte" zur Verfügung. Aus dem maschinell erstellten Schreiben (Anlage K 4 zur Klageschrift Bl. 8 d. A.) ergibt sich die Entgeltgruppe "ständiger Vertreter des Chefs" in Höhe von damals 7.900.- Euro in der Stufe 3. Das Schreiben enthält außerdem die Mitteilung, dass die Zahlung der Zulage unter Vorbehalt erfolgt. Die zunächst vorgenommene Eingruppierung des Klägers wurde zum 0 korrigiert. Ab diesem Zeitpunkt wurde der Kläger in die Entgeltgruppe Ä 3 mit Übertragung der Oberarztfunktion zunächst befristet bis zum 0 (Anlage B 2 zum Schriftsatz des beklagten Landes vom 04.01.bzw. 0 Bl. 17 d. A.), sodann mit Schreiben vom 0 bzw.0 bis auf Weiteres unter dem Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs (Anlage B 3 zum Schriftsatz des beklagten Landes vom 0./0 Bl. 17 f d. A.) eingeordnet (siehe auch Schreiben der M.B-Stadt vom 0 Anlage B 6 zum Schriftsatz vom 0).

Mit Schreiben vom 0 (Anlage B 6 zum Schriftsatz des beklagten Landes vom 0 Bl. 44 f d. A.) teilte die M.H.B-Stadt dem Kläger wörtlich mit:

"Die Entscheidung, ob eine Abteilung die Position eines ständigen Vertreters (im Sinne des Eingruppierungsrechts) einrichten möchte oder nicht, ist eine Frage der Organisation. In der M.H.B-Stadt liegt die Organisationsgewalt dazu aufgrund einer Präsidiumsentscheidung einzig und allein beim Abteilungsdirektor. Das Personalmanagement kann und wird deshalb auf diese Entscheidung keinen Einfluss nehmen. Nach den uns vorliegenden Informationen und Unterlagen möchte Professor K. diese Position (im eingruppierungsrechtlichen Sinne) nicht schaffen, sondern möchte - wie in der Vergangenheit - das Instrument der Abwesenheitsvertretung weiterhin nutzen. Es gibt deshalb auch kein Schreiben des Personalmanagements, in dem Ihnen die Funktion des Ständigen Vertreters des Abteilungsdirektors eingruppierungsrechtlich übertragen wurde."

Mit weiterem Schreiben vom 0 räumte die M.H.B-Stadt gegenüber dem Klägervertreter ein, dass die vorläufige Zuordnung zur Entgeltgruppe Ä 4 (Ständiger Vertreter) auf Veranlassung von Herrn Prof. Dr. K. mit Übertragung der Oberarztfunktion durch das Personalmanagement zum 0 korrigiert wurde (Anlage K 5 zur Klageschrift Bl. 9 d. A.).

Der Kläger hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, dass er die Voraussetzungen für eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe Ä 4 erfülle. Er sei ständiger Vertreter des Chefarztes, was sowohl der derzeitige Chefarzt Prof. Dr. K. mit Schreiben vom 0 (Anlage K 1 zur Klageschrift Bl. 4 d. A.) als auch der ehemalige Chefarzt Prof. Dr. Dr. H. mit dem Zeugnis vom 0 und dem Schreiben vom 0 bestätigt hätten. Er hat behauptet, er nehme auch Aufgaben des Chefarztes und Klinikleiters, die dieser ihm übertragen habe in den Bereichen Personal, Strahlenschutz, Ökonomie, Geräte, Raum/Gebäude, Patienten, übergeordnete Projekte und akademische Vertretung entsprechend der Aufgabendarstellung in der Anlage K 6 zu seinem Schriftsatz vom 02.10.2007 (Bl. 60 d. A.) wahr. Auf die Zeitanteile bei der Wahrnehmung der Funktion als Ständiger Vertreter komme es nach seiner Ansicht nicht an. Der Kläger hat insoweit vorgetragen, nach eigener Schätzung liege die Zeit für die Vertretungstätigkeit seit 1988 täglich mindestens bei 20 Prozent Wahrnehmung von Leitungsaufgaben, zeitweise bis zu 80 Prozent der täglichen Arbeitszeit. Er hat weiter die Ansicht vertreten, er hätte bereits unter Geltung des BAT in die entsprechende Vergütungsgruppe I a Fallgruppe 5 eingruppiert werden müssen.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

es wird festgestellt, dass das beklagte Land dem Kläger seit dem 0 regelmäßige tarifliche Monatsvergütung nach Entgeltgruppe Ä 4 als Facharzt, dem die "ständige Vertretung des leitenden Arztes (Chefarzt)" in der Stufe 3 gemäß Anlage A 1 anstelle der tatsächlich gewährten Vergütungsgruppe in der Entgeltgruppe Ä 3 als "Oberarzt" in der Stufe 3 schuldet.

Das beklagte Land hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es hat die Auffassung vertreten, dass der Kläger die entsprechenden Voraussetzungen für eine Eingruppierung nach der Entgeltgruppe Ä 4 nicht erfülle. Der Kläger sei nicht Ständiger Vertreter des Chefarztes, sondern lediglich Abwesenheitsvertreter. Das vom Kläger vorgelegte Zeugnis des Prof. Dr. H. sowie dessen Schreiben vom 0 lägen in der Personalverwaltung nicht vor. In dem Schreiben des Prof. Dr. K. vom 0 sei nur eine vergütungsneutrale Information zur medizinischen Abteilungsorganisation zu sehen. Tarifrechtliche Relevanz komme dieser Äußerung nicht zu. Das beklagte Land hat insofern die Auffassung vertreten, eine tarifrechtlich wirksame Übertragung der Chefarztvertretung könne nach der einschlägigen Tarifnorm des § 12 TV-Ärzte nur durch den Arbeitgeber erfolgen. Dies sei das C. M.H.B-Stadt, deren Präsidium und letztlich die Personalverwaltung. Die Kompetenzen der klinischen Organisation und der Personalhoheit seien schon auf der Ebene des Präsidiums strikt getrennt (§ 63 e Abs. 5 Nr. 1 und Abs. 6 Nr. 4 NHG). Eine Rücksprache mit Herrn Prof. Dr. K. habe zudem ergeben, dass dieser sich zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des Schreibens über den tarifrechtlichen Bedeutungsgehalt der gewählten Formulierungen nicht im klaren gewesen sei. Er habe in einem später mit dem Personalmanagement geführten Gespräch seine Aussage dahingehend präzisiert, dass sich diese auf eine Vertretung im Abwesenheitsfalle bezogen habe. Schließlich vertrete der Kläger den Chefarzt auch nicht in der Gesamtheit seiner Dienstaufgaben, vielmehr habe der Chefarzt diverse Aufgaben an andere Oberärzte und sonstige Personen delegiert. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz des beklagten Landes vom 15.01.2007 (Bl. 72 unter Ziff. a) verwiesen. Zu den vom Kläger in der Anlage K 6 angeführten Aufgaben hat das beklagte Land ausgeführt, die Anträge auf Einstellung von Ärzten würden grundsätzlich von Herrn Prof. Dr. K. unterzeichnet. Zwar habe er die Zuarbeit (Stellennummern etc.) in den meisten Fällen delegiert, das gesamte Klinikkonzept werde aber grundsätzlich von ihm selbst formuliert. Die Weiterbildung werde von allen Oberärzten für deren jeweiligen Aufgabenbereich durchgeführt. Hinsichtlich des Aufgabenbereichs Strahlenschutz würden Ganz- und Teilkörpermessungen, wie andere diagnostische Untersuchungen auch, von einem Assistenten befundet und vom Oberarzt und Prof. Dr. K. abgezeichnet. Die Eingangsaufklärung, dies beinhalte Verhaltensregelungen im Zusammenhang mit dem Strahlenschutz, habe Prof. Dr. K. delegiert. Die Umgangsgenehmigung bzw. deren Veränderungen würden verantwortlich von ihm als Strahlenschutzbevollmächtigtem des Strahlenschutzverantwortlichen bzw. seinem insofern ständigen Vertreter (Dr. H.) beantragt. Der Kläger sei selbstverständlich in den Kommunikationsprozess eingebunden. Im Aufgabenbereich Ökonomie habe Herr Prof. Dr. K. die Budgetübersicht delegiert. An den MES - Gesprächen nähmen Prof. Dr. K. und der Kläger meist zusammen teil. Im Fall der Abwesenheit werde Herr Prof. Dr. K. durch den Kläger vertreten. Die Strategiegespräche mit dem Präsidium erfolgten durch Herrn Prof. Dr. K.. In den meisten Fällen, nicht jedoch in allen, habe er den Kläger mit hinzu gezogen. Im Aufgabenbereich Geräte werde die Zuarbeit für die Beantragung von Großgeräten zum großen Teil vom Kläger, aber auch von anderen Personen geleistet. Bei anderen Beschaffungsverfahren werde die Zuarbeit ebenfalls zum großen Teil, aber nicht ausschließlich vom Kläger geleistet. Die Zuarbeit für den Bereich Schilddrüse, Zyklotron, Radiochemie und molekularbiologisches Labor erfolge in aller Regel durch andere Personen. In allen Fällen unterzeichne Prof. Dr. K. selbst. Bei den Projektbegleitungen handele es sich um Einbringung von Expertisen in unterschiedlichem Umfang, in größerem im Bereich von PACS, in geringerem Umfang im Bereich der Reaktorentsorgung. Im Aufgabenbereich Raum/Gebäude habe Prof. Dr. K. die Raumverwaltung delegiert. Die Konzeptherstellung z. B. für die umfänglichen Baumaßnahmen erfolge gemeinschaftlich unter wesentlicher Einbeziehung der Physik und Radiochemie. Sämtliche einschlägige Schreiben würden von Prof. Dr. K. verfasst bzw. überarbeitet und abgezeichnet. Bei dem vom Kläger angeführten Aufgabenbereich "Patienten" handele es sich um reguläre oberärztliche Tätigkeit. Hinsichtlich der sogenannten übergeordneten Projekte sei bei der Konzeption des Antrags für das integrierte Forschungs- und Behandlungszentrum (IFB) der Kläger zwar insoweit beteiligt, als er zwecks Information an Sitzungen teilgenommen habe. Die Erstellung der Antragsunterlagen erfolge aber durch Prof. Dr. K. selbst zusammen mit Herrn Prof. Dr. M.. Bei der akademischen Vertretung in Anwesenheit handele es sich nicht um eine Vertretung, da der Kläger selbst Hochschullehrerstatus habe. Er sei als primärer Ansprechpartner nominiert in Fragen der Stundenplanerstellung (die zentral erfolge) sowie für die Organisation des Blockpraktikums. Hierbei handele es sich nicht um Vertretung im eigentlichen Sinne, sondern um Aufgaben in der Lehre, die jeder Habilitierte in gewissem Umfang übernähme. Zusammenfassend liege bei allen aufgezählten Aufgaben die Letztverantwortung beim Direktor der Klinik, der hierfür auch mit seiner Unterschrift zeichne (mit Ausnahme der genannten akademischen Aufgaben). Die Unterschriftsberechtigung durch den Oberarzt sei im Rahmen der Patientenversorgung im Falle der Abwesenheit des Direktors gegeben. Diese Berechtigung besitze aber (im Rahmen der Patientenversorgung) nicht nur der Kläger, sondern auch andere Oberärzte seien für ihre jeweiligen Ressorts hierzu befugt. In einzelnen dringenden Fällen, die nicht ohnehin unter die medizinische Ressortverantwortung der Oberärzte fielen, könne der Kläger nach Absprache eine vertretungsweise Unterschrift im Falle der Abwesenheit oder Verhinderung von Herrn Prof. Dr. K. leisten. Eine solche Abwesenheitsvertretung sei jedoch für die ständige Vertretung im Sinne von § 12 TV-Ärzte nicht ausreichend.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 0 die Klage abgewiesen, den Kläger in die Kosten des Rechtsstreits verurteilt und den Streitwert auf 39.600,-- € festgesetzt. Das Arbeitsgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen darauf gestützt, dass der Kläger nicht die zeitliche Komponente nach § 12 TV-Ärzte für die Eingruppierung in die begehrte Entgeltgruppe Ä 4 erfülle. Er habe nicht ausreichend dargelegt, dass er zeitlich mindestens zu 50 Prozent Vertretungsaufgaben wahrnehme. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Gegen dieses ihm am 0 zugestellte Urteil hat der Kläger mit einem am 0 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt, die er mit einem am 0 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet hat. Die Kammer nimmt auf den Berufungsbegründungsschriftsatz des Klägers vom 0 (Bl. 105 - 107 d. A.) sowie auf den weiteren Schriftsatz des Klägers vom 0 Bezug.

Der Kläger rügt an dem angegriffenen Urteil insbesondere, für die Eingruppierung in die Entgeltgruppe Ä 4 komme es nicht auf die Quantifizierung der tatsächlichen Vertretungstätigkeit an. Hinreichend sei es vielmehr, in quantitativer Hinsicht darzulegen und nachzuweisen, dass die Eingangsentgeltgruppen erfüllt seien, der Kläger also nicht nur vorübergehend zeitlich mindestens zur Hälfte ärztliche und fachärztliche Tätigkeiten ausübe, was zwischen den Parteien unstreitig sei. Für die weitere Steigerung sei die Darlegung und der Nachweis der Übertragung einer bestimmten Funktion, hier der ständigen Vertretung des Chefarztes, notwendig aber auch hinreichend. Unter der Geltung des neuen Tarifrechts habe es keines gesonderten neuen Übertragungsaktes durch den Arbeitgeber bedurft. Maßgeblich sei vielmehr die langjährig ausgeübte Tätigkeit, der ein Übertragungsakt des Arbeitgebers zugrunde gelegen habe. Dies werde mit dem Schreiben des Chefarztes vom 0 noch einmal bestätigt.

Der Kläger beantragt daher,

das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 0 abzuändern und festzustellen, dass das beklagte Land dem Kläger seit dem 0 regelmäßige tarifliche Monatsvergütung nach Entgeltgruppe Ä 4 als Facharzt, dem die "ständige Vertretung des Leitenden Arztes (Chefarzt)" in der Stufe 3 gem. Anlage A 1 anstelle der tatsächlich gewährten Vergütung in der Entgeltgruppe Ä 3 als "Oberarzt" in der Stufe 3 schuldet.

Das beklagte Land beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Es verteidigt das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe seiner Berufungserwiderungsschrift vom 0 sowie seiner weiteren Schriftsätze vom 0 und 0 auf die die Kammer Bezug nimmt.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung des Klägers ist statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, §§ 517 ff. ZPO).

II.

Die Berufung des Klägers ist auch begründet. Das beklagte Land ist verpflichtet, dem Kläger ab dem 0 Vergütung aus der Vergütungsgruppe Ä 4 Stufe 3 des TV-Ärzte zu zahlen. Der Kläger erfüllt die Voraussetzungen für die Eingruppierung in die begehrte Entgeltgruppe Ä 4 Stufe 3 nach §§ 12, 16 Abs.2 TV-Ärzte i.V.m. § 5 TVÜ-Ärzte. Das Urteil des Arbeitsgerichts war daher abzuändern und nach dem Klagantrag zu erkennen.

1.

Die Klage ist zulässig. Bei dem Klagantrag handelt es sich um eine im öffentlichen Dienst allgemein übliche Eingruppierungsfeststellungsklage, gegen deren Zulässigkeit nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auch in Ansehung des § 256 ZPO keine Bedenken bestehen (vgl. etwa BAG vom 05.09.2002 - 8 AZR 620/01 - AP Nr. 93 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer; BAG vom 26.01.05 - 4 AZR 6/04 - AP Nr. 302 zu §§ 22,23 BAT 1975).

2.

Die Voraussetzungen für die vom Kläger begehrte Eingruppierung sind in §§ 12,16 TV-Ärzte und in § 5 TVÜ-Ärzte geregelt. Diese Tarifverträge, an die beide Parteien zumindest ab Januar 2007 kraft beiderseitiger Verbandszugehörigkeit gem. § 3 Abs.1 TVG gebunden sind, werden von dem beklagten Land in der M.H.B-Stadt für die Statusgruppe der Ärzte seit der Tarifeinigung mit dem Marburger Bund gem. § 2 TVÜ-Ärzte angewandt. Ihre Anwendung entspricht im Streitfall auch dem übereinstimmenden Willen der Parteien. Da der TV-Ärzte hinsichtlich der hier streitigen Vergütung die für den Kläger günstigere Regelung darstellt, konnte die Kammer insoweit sich eventuell stellende Fragen der Tarifpluralität dahin stehen lassen.

In § 12 TV-Ärzte heißt es wörtlich:

"§ 12

Eingruppierung

Ärzte sind entsprechend ihrer nicht nur vorübergehend und zeitlich mindestens zur Hälfte auszuübenden Tätigkeit wie folgt eingruppiert:

Ä 1 Ärzte/Arzt mit entsprechender Tätigkeit

Ä 2 Fachärztin/Facharzt mit entsprechender Tätigkeit

Ä 3 Oberärztin/Oberarzt

Oberarzt ist derjenige Arzt, dem die medizinische Verantwortung für Teil- oder Funktionsbereiche der Klinik beziehungsweise Abteilung vom Arbeitgeber übertragen worden ist.

Oberarzt ist ferner der Facharzt in einer durch den Arbeitgeber übertragenen Spezialfunktion, für die dieser eine erfolgreich abgeschlossene Schwerpunkt- oder Zusatzweiterbildung nach der Weiterbildungsordnung fordert.

Ä 4 Fachärztin/Facharzt, der/dem die ständige Vertretung des leitenden Arztes (Chefarzt) vom Arbeitgeber übertragen worden ist. (Protokollerklärung: Ständiger Vertreter ist nur der Arzt, der den leitenden Arzt in der Gesamtheit seiner Dienstaufgaben vertritt. Das Tätigkeitsmerkmal kann daher innerhalb einer Klinik nur von einer Ärztin/einem Arzt erfüllt werden.)"

§ 16 des TV-Ärzte lautet unter der Überschrift "Stufen der Entgelttabelle" wörtlich:

"(1) Die Entgeltgruppe Ä1 umfasst fünf Stufen; die Entgeltgruppen Ä2 bis Ä4 umfassen drei Stufen. Die Ärzte erreichen die jeweils nächste Stufen nach den Zeiten ärztlicher (Ä1), fachärztlicher (Ä2), oberärztlicher (Ä3) Tätigkeit bzw. der Tätigkeit als selbständiger Vertreter des leitenden Arztes (Chefarztes) die in den Tabellen (Anlagen A und B) angegeben sind.

(2) Für die Anrechnung von Vorzeiten ärztlicher Tätigkeit gilt Folgendes: Bei der Stufenzuordnung werden Zeiten mit einschlägiger Berufserfahrung als förderliche Zeiten berücksichtigt. Zeiten von Berufserfahrung aus nichtärztlicher Tätigkeit können berücksichtigt werden.

(3) ...

(4) ... ."

§ 4 des TVÜ-Ärzte ("Eingruppierung") bestimmt, dass für die Eingruppierung der Ärzte ab 1. November 2006 die Entgeltordnung gemäß § 12 TV-Ärzte gilt.

In § 5 ist zur Stufenzuordnung der Ärzte geregelt:

"Die Ärzte werden derjenigen Stufe der Entgeltgruppe (§ 12 TV Ärzte) zugeordnet, die sie erreicht hätten, wenn die Entgelttabelle für Ärztinnen und Ärzte bereits seit Beginn ihrer Zugehörigkeit zu der für sie maßgebenden Entgeltgruppe gegolten hätte. Für die Stufenfindung bei der Überleitung zählen die Zeiten im jetzigen Arbeitsverhältnis zu dem selben Arbeitgeber. Für die Berücksichtigung von Vorzeiten ärztlicher Tätigkeit bei der Stufenfindung gilt § 16 Abs. 2 TV-Ärzte."

3.

Der Kläger ist seit dem 30.12.1993 Facharzt für Nuklearmedizin und als solcher unstreitig zeitlich mindestens zur Hälfte in der M.H.B-Stadt tätig. Es ist auch davon auszugehen, dass ihm die ständige Vertretung des Leitenden Arztes (Chefarzt) i.S.d. Entgeltgruppe Ä 4 TV-Ärzte vom Arbeitgeber übertragen worden ist.

3.1

Die Übertragung ist im Streitfall durch die Erklärung des Chefarztes Prof. Dr. K. vom 0 erfolgt. Die Auslegung dieser Erklärung gem. §§ 133, 157 BGB ergibt, dass es sich insoweit sowohl um eine Wissenserklärung als auch um eine rechtsgeschäftliche Willenserklärung handelt. In dem Schreiben heißt es zunächst, dass der Kläger seit 0 Leitender bzw. 1. Oberarzt und ständiger Stellvertreter des Abteilungsleiters der Abteilung Nuklearmedizin und spez. Biophysik bzw. ab 1997 der Klinik für Nuklearmedizin der M.H.B-Stadt ist. Weiter bescheinigt Prof. Dr. Knapp, dass der Kläger ihn in der Gesamtheit seiner Dienstaufgaben vertritt. Mindestens für die Zeit ab seinem eigenen Amtsantritt im Jahr 0 bestätigt der Chefarzt damit, dass der Kläger sein ständiger Vertreter ist, der ihn in der Gesamtheit seiner Dienstaufgaben vertritt. Gleichzeitig ist der Erklärung im Zusammenhang mit der E-Mail vom 0 und dem Rundschreiben der M.H.B-Stadt vom 0 zur Umsetzung der Entgelttabelle für Ärzte auch mit hinreichender Sicherheit zu entnehmen, dass der Kläger auch künftig ständiger Vertreter des Abteilungsleiters unter der Geltung der neuen Tarifstruktur sein soll. Im Rundschreiben vom 0 war der Chefarzt gerade wegen der neuen Tarifstruktur unter Hinweis auf die einschlägigen Tarifmerkmale zur Abgabe entsprechender Erklärungen aufgefordert worden. Vor diesem Hintergrund ist weder die Tatsache, dass in dem Schreiben vom 0 zum Teil lediglich der Tarifwortlaut wiederholt wird, noch die Tatsache, dass der Kläger dieses Schreiben vorformuliert hat, geeignet, entgegen dem eindeutigen Wortlaut der Erklärung zu einer anderen Auslegung zu gelangen. Insbesondere konnten weder das Personalmanagement der M.H.B-Stadt noch der Kläger nach Treu und Glauben die Erklärung dahin gehend verstehen, dass sie sich nur auf die Abwesenheitsvertretung beziehen sollte. Der Unterschied zwischen einem Abwesenheitsvertreter und einem ständigen (Anwesenheits-)Vertreter war nämlich auch unter der Geltung des BAT bereits bekannt, entsprechende Kenntnis kann mithin sowohl beim Chefarzt der Klinik als auch beim Personalmanagement der M.H.B-Stadt unterstellt werden. Dass das Personalmanagement der Beklagten die Erklärung von Prof. K. entsprechend verstanden hat, ergibt sich schließlich auch daraus, dass der Kläger in die entsprechende Entgeltgruppe als ständiger Vertreter des Chefarztes eingeordnet wurde.

3.2

Die Übertragung der Funktion des ständigen Vertreters durch den Chefarzt Prof. Dr. K. führt vorliegend auch zur begehrten Eingruppierung.

Allerdings liegt insoweit kein Beschluss des für Personalangelegenheiten zuständigen Vertretungsorgans bzw. der Personalverwaltung der M.B-Stadt vor. Mit dem Tarifmerkmal der Übertragung durch den Arbeitgeber bringen die Tarifparteien zum Ausdruck, dass nicht die Aufgabenübertragung als solche eine höhere Eingruppierung rechtfertigt, sondern diese vom Arbeitgeber erfolgen muss. Bereits im BAT gab es einzelne Fallgruppen, die eine ausdrückliche Anordnung durch den Arbeitgeber verlangten. Das BAG hat dieses Tarifmerkmal für die Bestellung eines Vertreters eines leitenden Arbeitnehmers bzw. der ständigen Unterstellung von Arbeitnehmern nur dann als erfüllt angesehen, wenn die ausdrückliche Anordnung auch von dem zuständigen Organ des jeweiligen öffentlichen Arbeitgebers getroffen wurde. Allerdings müsse die Erklärung nicht unmittelbar gegenüber dem Angestellten abgegeben werden, sondern es sei ausreichend, wenn sich dies aus Dienstanweisungen, Verwaltungsverfügungen oder Geschäftsverteilungsplänen ergebe und ihm nach § 130 BGB zugehe (BAG vom 12.03.2008 - 4 AZR 67/07 ZTR 2008, 604 bis 606 Rz 44 m.z.w.N. zur Rechtsprechung des BAG).

Arbeitgeber ist im vorliegenden Fall bei der M. gem. § 63e Abs.1 NHG der Vorstand, der zugleich Präsidium ist ( § 63b Abs.1 NHG). Die Vertretungsbefugnis in Fragen der Organisation und Personalverwaltung der M. regelt sich nach § 63 e Abs. 5 Nr. 1 und Abs. 6 Nr. 4 NHG. Eine Übertragung durch das nach § 63b Satz 1 Nr.3 NHG für die Personalverwaltung und Personalentwicklung nach § 63e Abs.6 Nr.4 NHG zuständige Vorstandsmitglied bzw. die mit entsprechenden Personalbefugnissen ausgestattete Personalverwaltung liegt nicht vor. Das beklagte Land muss sich aber die Übertragung der Funktion des ständigen Vertreters durch die Erklärung des Chefarztes der Klinik für Nuklearmedizin (Prof. Dr. K.) vom 05.07.2006 zurechnen lassen, soweit nicht sogar von einer entsprechenden Vertretungsmacht des Chefarztes nach § 164 Abs. 1 BGB bzw. von einer Genehmigung durch das beklagte Land im Sinne des § 185 Abs. 2 BGB auszugehen ist.. Denn an der M.H.B-Stadt liegt nach dem insoweit unstreitigen Vorbringen des beklagten Landes aufgrund einer Präsidiumsentscheidung die Organisationsgewalt und damit auch die Entscheidung darüber, ob eine Abteilung die Position eines ständigen Vertreters (im Sinne des Eingruppierungsrechts) einrichten möchte, allein beim Abteilungsdirektor. Das Personalmanagement will und kann auf diese Entscheidung ausweislich des Schreibens der M.H. vom 0 an den Kläger hierauf keinen Einfluss nehmen. Auch in vergleichbaren Fällen hat sich das Personalmanagement der M.H.B-Stadt unstreitig hinsichtlich der Eingruppierung von ständigen Vertretern der Leitenden Ärzte nach den jeweiligen Angaben der Chefärzte gerichtet. Im Streitfall sogar später auf Veranlassung seines Chefarztes den Kläger später einer anderen Vergütungsgruppe zugeordnet. Schließlich geht auch das Rundschreiben der M.H.B-Stadt vom 0 davon aus, dass der Chefarzt (Leiter der Abteilung) einen "ständigen Vertreter des Leitenden Arztes" benennen kann. Insofern wird in dem Rundschreiben ausdrücklich um Beachtung gebeten, dass dieses Tätigkeitsmerkmal entsprechend der mitgeteilten tariflichen Definition innerhalb einer Abteilung nur von einem Arzt erfüllt werden könne.

Indem die Personalverwaltung der M. B-Stadt die dem Kläger bekannte Erklärung des Chefarztes vom 0 umgesetzt und ihm mit dem Mitteilungsblatt zur Festsetzung des Überleitungsentgelts vom 0 die Eingruppierung in die Entgeltgruppe als ständiger Vertreter des Chefs mitgeteilt hat, ist ihm die Erklärung auch im Sinne des § 130 BGB zugegangen.

4.

Der Übertragung der Funktion des ständigen Vertreters bereits im Juli 0 steht nicht entgegen, dass der TV-Ärzte erst zum 0 in Kraft getreten ist. Denn die Übertragung vor Inkrafttreten des TV-Ärzte erfolgte im Streitfall gerade im Hinblick auf die neuen Tarifstrukturen und die Umsetzung der vereinbarten Anwendung der Tabellenentgelte bereits per 0.

Das beklagte Land konnte die bereits zuvor vorgenommene Übertragung der Funktion des ständigen Vertreters auch nicht mehr widerrufen bzw. sich anders entscheiden, denn der TV-Ärzte sieht insofern die dauerhafte Übertragung einer einseitig durch den Arbeitgeber nicht mehr abänderbaren Rechtsposition vor.

Auch hat sich weder das beklagte Land noch der Chefarzt gegenüber dem Kläger etwa eine andere Entscheidung vorbehalten. Ein solcher Entscheidungsvorbehalt ergibt sich insb. nicht aus der Mitteilung der M. B-Stadt zum Überleitungsentgelt vom 0. Zwar heißt es in dieser Mitteilung, dass die Zahlung der Zulage unter Vorbehalt erfolgt. Dieser Vorbehalt bezieht sich aber ersichtlich nur darauf, dass der Tarifvertrag, wie in der Grundsatzeinigung der Tarifparteien vom Juni 0 vorgesehen, in Kraft tritt. Entsprechend teilt die M. in dem Schreiben vom 0 denn auch mit, der Widerrufsvorbehalt sei grundsätzlich in die Übertragungsschreiben aufgenommen worden, um für eine eventuelle Anpassung bei späteren Informationen bzw. Klarstellungen aus den Redaktionsverhandlungen eine entsprechende Grundlage zu haben. Der Vorbehalt in dem Schreiben vom 0 bezieht sich mithin im Hinblick auf nicht auszuschließende tarifliche Änderungen lediglich auf die Zuordnung zur Entgeltgruppe, nicht jedoch auf die Funktionsübertragung, die mit dem Schreiben vom 0 ohne Widerruf und Vorbehalt vorgenommen und gegenüber dem Kläger mit der Mitteilung vom 0 bestätigt wurde. Die Eingruppierung in die zutreffende Entgeltgruppe ist insoweit nur Rechtsfolge der wirksam vorgenommenen Funktionsübertragung.

5.

Der Kläger erfüllt auch die Vorausetzung der Protokollerklärung, nach der er den Leitenden Arzt in der Gesamtheit seiner Dienstaufgaben vertreten muss. Für die Erfüllung des Tarifmerkmals ist weder erforderlich, dass der Chefarzt Aufgaben nur auf den ständigen Vertreter delegiert, noch sich selbst keine Entscheidungen vorbehält. Abzustellen ist vielmehr auf die Funktionsübertragung und darauf, dass der ständige Vertreter im Bedarfsfall den Chefarzt in der Gesamtheit seiner Dienstaufgaben vertreten kann und muss.

5.1

Bereits der BAT kannte den ständigen Vertreter des Leitenden Arztes (Vergütungsgruppe I b Fallgruppe 8 der Anlage 1 a der Vergütungsordnung zum BAT). Dabei wurde unter einer "ständigen" Vertretung nicht die bloße Vertretung im Fall der Abwesenheit oder der Verhinderung des Vertretenen wegen Krankheit, Urlaub oder aus sonstigen Gründen verstanden, vielmehr sollte der ständige Vertreter dessen Aufgaben auch bei dienstlicher Anwesenheit des Vertretenen, mithin neben diesem, zu erledigen haben (BAG vom 14.08.1991 - 4 AZR 25/91 AP Nr. 159 zu §§ 22, 23 BAT 1975, vom 18.02.1981 - 4 AZR 993/78 - AP Nr. 3 zu §§ 22, 23 BAT Sparkassenangestellte und vom 27.05.1981 - 4 AZR 1079/78 - AP Nr. 44 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Selbst wenn die Kammer davon ausgeht, dass die Tarifparteien des TV-Ärzte den Begriff des ständigen Vertreters des Leitenden Arztes in diesem Sinne verwandt haben (vgl. zur Auslegung von im Tarifvertrag verwandten Begriffen des allgemeinen Sprachgebrauchs bzw. dem der beteiligten Kreise: BAG vom 25.01.2006 - 4 AZR 622/04 - AP Nr. 22 zu § 1 TVG Tarifverträge Großhandel), ist das Tarifmerkmal vorliegend zu bejahen.

Nach Ansicht der Kammer ist das von der Protokollerklärung des TV-Ärzte geforderte Merkmal nicht dahingehend auszulegen, dass der Vertreter zum gleichberechtigten (Parallel-) Leiter der Klinik (Chef neben dem Chef) wird. Auch der ständige Vertreter kann die Leitungsaufgaben nämlich immer nur in dem Umfang wahrnehmen, wie sie nicht vom Chefarzt selbst wahrgenommen werden. Schon vom Wortsinn her beinhaltet die Vertretung, dass es sich um eine Person handelt, die jemanden vorübergehend vertritt bzw. jemandes Stelle einnimmt und seine Aufgaben übernimmt. Voraussetzung ist mithin, dass der zu Vertretende abwesend oder sonst verhindert ist. Eine objektive Verhinderung wird in allen Fällen der sogenannten Abwesenheitsvertretung vorliegen, die hier nicht im Streit steht. Die Anwesenheitsvertretung wird dagegen in der Regel - von Dringlichkeitsfällen abgesehen -ein voluntatives Element des zu Vertretenden voraussetzen, der sich trotz Anwesenheit vertreten lassen will. Insofern beinhaltet die Bestellung zum ständigen Vertreter des Chefarztes einer Klinik nicht die Gleichstellung mit diesem, sondern eine Zuständigkeitenregelung hinsichtlich der Vollmachten nach innen und außen. Im Verhältnis zum Chefarzt hebt mithin die Übertragung der Funktion des ständigen Vertreters nicht die Hierarchie auf. Vielmehr wird der ständige Vertreter die Vertretung nur dann und nur soweit wahrnehmen können, wie sich der Chefarzt (im Anwesenheitsfall) vertreten lassen will. Dabei wird der Chefarzt, zumal in großen Universitätskliniken wie der M.H.B-Stadt immer Teilaufgaben auch auf anderes ärztliches bzw. nicht ärztliches Personal delegieren und bestimmte Aufgaben sich zur alleinigen Entscheidung vorbehalten. Allein eine solche arbeitsorganisatorische Aufgabenverteilung schließt aber nicht die Bestellung eines ständigen Vertreters aus. Vielmehr kann und muss der ständige Vertreter auf Weisung des Chefarztes dort tätig werden, wo der Chefarzt objektiv verhindert ist bzw. sich vertreten lassen will. Außerdem kann der Chefarzt nur einen ständigen Vertreter benennen und muss dieser im Bedarfsfall in der Lage sein, ihn in allen Aufgabenbereichen zu vertreten.

5.2

Soweit daher im vorliegenden Fall der Vortrag des beklagten Landes, dass diverse Aufgaben des Chefarztes auf andere ärztliche und nicht ärztliche Personen delegiert seien bzw. sich Prof. Dr. K. bestimmte Aufgabenbereiche und Entscheidungen selbst vorbehalte, mangels Bestreiten des Klägers ( § 138 Abs.3 ZPO), als unstreitig angesehen werden kann, spricht dies noch nicht gegen eine Bestellung des Klägers zum ständigen Vertreter des Chefarztes. Die Bestellung zum ständigen Vertreter bedeutet in diesem Sinne lediglich, dass der Chefarzt sich in allen ihm übertragenen Aufgabenbereichen auch in Anwesenheit vertreten lassen kann, nicht aber muss.

Unstreitig bearbeitet der Kläger im Bereich Personal die Anträge auf Einstellung von Ärzten, auch wenn diese grundsätzlich vom Chefarzt Prof. Dr. K. unterzeichnet werden. Außerdem obliegt dem Kläger die Eingangsaufklärung im Strahlenschutz und die Budgetübersicht im Bereich Ökonomie und nimmt an den sogenannten MES - Gesprächen (Sachkosten) sowie an den Zielgesprächen mit dem Präsidium meist auch der Kläger zusammen mit dem Chefarzt teil. Darüber hinaus obliegt ihm zum großen Teil mindestens die Zuarbeit für die Beantragung von Großgeräten sowie anderen Beschaffungsprojekten, außerdem die Leitung bestimmter Projekte sowie die Raumverwaltung. Nach dem Vorbringen des beklagten Landes kann der Kläger außerdem in dringenden Fällen, die nicht ohnehin unter die medizinische Ressortverantwortung der Oberärzte fallen, nach Absprache eine vertretungsweise Unterschrift im Falle der Verhinderung von Prof. Dr. K. leisten. Dies beinhaltet aber im Unterschied zur Auffassung des beklagten Landes gerade keine reine Abwesenheitsvertretung im Fall von Urlaub, Krankheit etc., sondern kennzeichnet den ständigen Vertreter, der auch bei Verhinderungen in Anwesenheit nach Absprache zu vertreten hat.

Schließlich ist auch davon auszugehen, dass der Kläger den Chefarzt in allen Aufgabenbereichen vertreten könnte, denn unstreitig ist der Kläger Abwesenheitsvertreter des Chefarztes und hat darüber hinaus die Klinik sogar kurze Zeit kommissarisch geleitet. Soweit das Merkmal der ständigen Vertretung in der Entscheidung des BAG vom 0 (4 AZR 479/94 - AP Nr. 207 zu §§ 22, 23 BAT 1975) verneint wurde, weil der Kläger in dem damals zu entscheidenden Fall den Leitenden Arzt nicht in seiner Funktion als Vorstandsmitglied der Klinik vertrat, kommt es darauf im Streitfall nicht an, denn Herr Prof. Dr. K. ist in keinem Gremium der M.H.B-Stadt kraft NHG oder Anstellungsvertrag vertreten. Er ist auch nicht Mitglied des Vorstands der M.H.B-Stadt.

6.

Der Kläger übt die Tätigkeit als ständiger Vertreter auch zeitlich mindestens zur Hälfte seiner Gesamttätigkeit im Sinne des § 12 Satz 1 TV-Ärzte aus.

Bei einer rechtswirksamen Bestellung zum ständigen Vertreter kommt es nicht mehr darauf an, in welchem Umfang Vertretungstätigkeiten anfallen. Vielmehr wird diese Tätigkeit dann während der gesamten Arbeitszeit ausgeübt (BAG vom 27.05.1981 - 4 AZR 1079/78 - AP Nr. 44 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Entsprechend hat das BAG auch zum BAT, der auf Arbeitsvorgänge abstellte, entschieden, dass die ständige Vertretung ein großer Arbeitsvorgangs ist (BAG vom 28.01.1998 - 4 AZR 577/96 - n.v. und vom 28.01.1998 - 4 AZR 491/96 - AP Nr. 11 zu § 12 AVR Caritasverband). Auf den genauen Umfang der Vertretungstätigkeiten kommt es im übrigen schon deshalb nicht an, weil der Vertretende die Leitungsaufgaben immer nur in dem Umfang aufnehmen kann, wie sie nicht vom Vertretenden selbst wahrgenommen werden (vgl. Clemens/Scheuring, BAT, Vergütungsordnung Bund/Länder, Vorbemerkungen Erl. 35).

7.

Dem Kläger steht nach § 5 TVÜ-Ärzte auch Vergütung nach der Stufe 3 der Ä 4 zu, denn nach der Erklärung vom 0 ist davon auszugehen, dass der Kläger die ständige Vertretung des Chefarztes bereits seit mehr als 7 Jahren wahrgenommen hat. In dem Rundschreiben vom 0 waren die Chefärzte ausdrücklich aufgefordert, für die Festlegung der Entgeltstufen auch Angaben darüber zu tätigen, seit wann sich der/die Mitarbeiter/in in dieser Funktion befindet. Zudem ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die Aufgabenwahrnehmung des Klägers seit 0 unverändert ist.

Da die ständige Vertretung des Leitenden Arztes für die Eingruppierung des Klägers nach dem BAT keine Rolle spielte, kommt es für die Stufenzuordnung auch nicht auf einen ausdrücklichen Übertragungsakt in der Vergangenheit an. Der Wortlaut des § 5 Satz 3 TVÜ-Ärzte i.V.m. § 16 Abs.2 Satz 1 TV-Ärzte verlangt eine Übertragung durch den Arbeitgeber für die Anrechnung früherer Zeiten einschlägiger Tätigkeit nicht (vgl. hierzu ausführlich betr. die Stufenzuordnung der Entgeltgruppe Ä 3 LAG Niedersachsen vom 0 - 9 Sa 270/08 E). Abzustellen ist daher nur auf die tatsächliche Aufgabenwahrnehmung, die durch die Erklärung vom 0 belegt wird und die das beklagte Land hinsichtlich der zunächst vorgenommenen Eingruppierung auch akzeptiert hatte.

8.

Der Kläger hat schließlich auch die tarifliche Ausschlussfristen zur Geltendmachung seines Anspruchs ab 0 beachtet. Zwar ist die unter dem 0 beim Arbeitsgericht Hannover eingegangene Klage dem beklagten Land erst am 0 zugestellt worden, aus dem Schreiben des beklagten Landes vom 0 (Anlage B 6 zum Schriftsatz des beklagten Landes vom 0) ergibt sich jedoch, dass der Kläger seinen Anspruch auf Eingruppierung als ständiger Vertreter des Abteilungsleiters bereits im Dezember 0 geltend gemacht hat. Dementsprechend ist die Nichteinhaltung der tariflichen Ausschlussfristen von dem beklagten Land auch nicht gerügt worden.

III.

Der nach Schluss der mündlichen Verhandlung von der Beklagten nachgereichte Schriftsatz vom 0, der im übrigen kein neues Vorbringen bzw. keine neuen Rechtsargumente enthielt, war nach § 296a ZPO nicht zu berücksichtigen und konnte auch nach Beratung mit der Kammer am 0 nicht zu einer Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach § 156 Abs.1 oder 2 ZPO führen.

IV.

Als unterlegene Partei hat das beklagte Land die Kosten des gesamten Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision war nach § 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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