Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 23.06.2006
Aktenzeichen: 3 Sa 990/05
Rechtsgebiete: KSchG, BGB


Vorschriften:

KSchG § 11 S. 1 Nr. 2
BGB § 615 S. 2

Entscheidung wurde am 25.10.2006 korrigiert: im Leitsatz muß es im ersten Satz statt "... und nimmt der Arbeitgeber ..." richtig "... und nimmt der Arbeitnehmer..." heißen
Spricht der Arbeitgeber eine Änderungskündigung aus und nimmt der Arbeitnehmer diese nicht unter Vorbehalt an und entfaltet keine Initiative, um bei seinem bisherigen Arbeitgeber zu den angebotenen geänderten Bedingungen weiterbeschäftigt zu werden, greift die Anrechnungsregelung des § 11 S. 1 Nr. 2 KSchG ein. Ein weiteres ausdrückliches Angebot zur Arbeitsaufnahme durch den Arbeitgeber ist in diesem Fall nicht erforderlich.
LANDESARBEITSGERICHT NIEDERSACHSEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 Sa 990/05

In dem Rechtsstreit

hat die 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 23. Juni 2006 durch

den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Vogelsang, den ehrenamtlichen Richter Herrn Uphaus, den ehrenamtlichen Richter Herrn Hollinger für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lingen vom 15.04.2005 - 1 Ca 227/02 - wird zurückgewiesen.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Lingen vom 15.04.2005 teilweise abgeändert:

Der Kläger wird auf die Widerklage der Beklagten verurteilt, an die Beklagte weitere 91.606,12 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf 23.312,03 € seit dem 30.11.2004 und auf weitere 68.294,09 € seit dem 25.02.2005 zu zahlen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger. Die erstinstanzlichen Kosten tragen der Kläger zu 90 % und die Beklagte zu 10 %.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten im vorliegenden Verfahren über gegenseitige Zahlungsansprüche, insbesondere über Annahmeverzugsansprüche.

Der 1940 geborene Kläger war seit 1983 bei der Beklagten beschäftigt. Ab 01.01.1998 war ihm die Leitung der Spielbank B. übertragen. Mit Schreiben vom 24.06.1999 beförderte ihn die Beklagte zum "Spielbankleiter mit 31 Punkten". Das monatliche Garantiegehalt betrug 10.196,50 DM.

Die Beklagte entschied im März 1999, das sogenannte "Große Spiel" in B. zu schließen und in O. neu zu eröffnen. Das Automatenspiel sollte nach wie vor in B. verbleiben. Die Parteien führten Gespräche über die künftige Vertragsgestaltung mit dem Kläger. Die Beklagte bot ihm am 18.09.2001 den Abschluss eines Dienstvertrages an, wonach er mit Wirkung vom 01.10.2000 als leitender Angestellter zum Leiter der Spielbank B. bestellt werden sollte. Der Vertrag sah eine Befristung bis zum 31.12.2003 vor. Der Kläger unterzeichnete diesen Vertrag nicht.

Im Folgenden entschloss sich die Beklagte, das Anforderungsprofil für die Stelle des Leiters der Spielbank O. zu ändern und die Stelle mit einem Diplomkaufmann zu besetzen bzw. mit einem Geschäftsführer aus dem kaufmännisch geführten Bereich. Dies teilte die Beklagte dem Kläger unter dem 21.02.2001 mit.

Mit Schreiben vom 21.08.2001 erklärte die Beklagte sodann die Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger zum 31.12.2001 und bot ihm gleichzeitig an, ab dem 01.01.2002 die Position des Leiters der Automatenspielbank B. anzunehmen. Der dem Kläger angebotene Arbeitsvertrag sah als monatliches Festentgelt einen Betrag in Höhe von 6.438,-- DM vor. Der Kläger nahm das Änderungsangebot nicht unter Vorbehalt an und erhob Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht Lingen (Az. 1 Ca 506/01). Mit Urteil vom 29.08.2002 stellte das Arbeitsgericht Lingen fest, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten nicht zum 31.12.2001 aufgelöst worden ist. Die hiergegen eingelegte Berufung (10 Sa 618/02) wies das Landesarbeitsgericht mit Urteil vom 28.03.2003 zurück. Eine von der Beklagten eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde blieb erfolglos.

Der Kläger war ab dem 29.10.2001 arbeitsunfähig erkrankt. Mit Schreiben vom 05.11.2001 wies die Beklagte den vom Kläger gestellten Urlaubsantrag für den Zeitraum vom 06. bis 31.12.2001 zurück. Die Arbeitsunfähigkeit des Klägers dauerte bis zum 23.06.2002 an. Urlaubsansprüche für das Jahr 2002 machte der Kläger gegenüber der Beklagten mit Schreiben vom 02.05.2003 geltend.

Zwischenzeitlich hatte die Beklagte gegenüber dem Kläger mit Schreiben vom 13.11.2002 und 14.11.2002 vorsorgliche ordentliche Kündigungen ausgesprochen. Das hiergegen gerichtete Klageverfahren war mit Blick auf das noch anhängige Änderungs-kündigungsschutzverfahren zunächst ausgesetzt worden. Nach Wiederaufnahme des Verfahrens erklärte die Beklagte mit Schriftsatz vom 27.01.2004, dass sie aus diesen Kündigungen keine Rechte mehr herleite.

Im Folgenden erbrachte die Beklagte gegenüber dem Kläger für den Zeitraum ab Juni 2002 nachträglich Vergütungszahlungen und forderte ihn wiederholt auf, die Arbeit wieder aufzunehmen. Der Kläger machte gegenüber der Beklagten ein Zurückbehaltungsrecht geltend. Wegen der Einzelheiten der erfolgten Zahlungen und der Korrespondenz der Parteien wird insoweit auf die Ausführungen im Tatbestand der erstinstanzlichen Entscheidung sowie im Schriftsatz des Klägers vom 15.07.2005 (Blatt 423 bis 428 d. A.) verwiesen. Am 09.12.2004 nahm der Kläger die Arbeit wieder auf.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, ihm stehe ein Schadensersatzanspruch aus Verzug in Höhe von 13.308,-- € zu, weil die Vergütungsansprüche nicht rechtzeitig erfüllt worden seien. Ihm verbleibe insoweit ein erheblicher steuerlicher Schaden. Darüber hinaus sei ein erheblicher Zinsschaden entstanden, und zwar in Höhe von insgesamt 11.677,69 €, auf den die Beklagte lediglich einen Betrag in Höhe von 10.427,57 € geleistet habe. Ferner stünden ihm noch für die Jahre 2001 bis 2003 restliche Urlaubsansprüche zu.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 13.308,-- € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.11.2004 zu zahlen,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.250,12 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.11.2004 zu zahlen,

die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ab dem 05.04.2005 134 Tage Urlaub zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Widerklagend hat sie beantragt,

den Kläger zu verurteilen, an die Beklagte 99.223,23 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf 23.312,03 € seit dem 30.11.2004 und auf weitere 75.911,20 € seit dem 25.12.2005 zu zahlen.

Der Kläger hat beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Mit einem nach Schluss der letzten mündlichen Verhandlung eingegangenen Schriftsatz vom 31.03.2005 hat der Kläger den Klageantrag zu 1) auf 19.122,-- € erhöht.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, der Kläger sei verpflichtet, an sie das für den Zeitraum vom 10.12.2001 bis 30.09.2004 gezahlte Gehalt teilweise zurückzuzahlen. Gemäß § 11 S. 1 Nr. 2 KSchG habe er sich auf die erbrachten Gehaltsleistungen das Gehalt eines Leiters der Automatenspielbank B. anrechnen zu lassen, weil ihm eine derartige Tätigkeit angeboten worden sei. Im übrigen hätte er spätestens zum 01. Oktober 2004 seine Arbeit in der Spielbank O. wieder aufnehmen können. Bis zu diesem Zeitpunkt habe sie das Gehalt des Klägers unter Druck des durch ihn ausgeübten Zurückbehaltungsrechts abgerechnet und bezahlt.

Durch Urteil vom 15.04.2005 hat das Arbeitsgericht die Beklagte verurteilt, dem Kläger ab dem 05.04.2005 55 Urlaubstage zu gewähren und den Kläger verurteilt, an die Beklagte 7.617,11 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.02.2005 zu zahlen. Im Übrigen hat das Arbeitsgericht die Klage und die Widerklage abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits hat es der Beklagten zu 72 % und dem Kläger zu 28 % auferlegt. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Blatt 388 bis 396 d. A.) Bezug genommen. Das Urteil ist beiden Parteien am 23.05.2005 zugestellt worden. Der Kläger hat hiergegen am 14.06.2005 Berufung eingelegt und diese am 18.07.2005 begründet. Die Beklagte hat am 20.06.2005 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 25.08.2005 am 25.08.2005 begründet.

Der Kläger ist der Ansicht, der Urlaubsanspruch für das Jahr 2001 sei entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts nicht verfallen, da die Beklagte ihn mit Schreiben vom 20.10.2004 anerkannt habe. Der Urlaub für das Jahr 2002 sei deshalb nicht verfallen, weil er (der Kläger) vor Ablauf des Übertragungszeitraums Kündigungsschutzklage erhoben und durch Erhebung der Klage gegenüber der Beklagten klargestellt habe, dass er auf Erfüllung aller seiner vertraglichen Ansprüche bestehen werde. Ihm stehe auf Grund der verspätet erfolgten Gehaltszahlungen ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 19.515,51 € zu. Wegen der Einzelheiten der Berechnung dieses Schadensersatz-anspruchs wird auf die Ausführungen mit dem Schriftsatz des Klägers vom 15.07.2005 (Blatt 423 bis 428 d. A.) verwiesen. Darüber hinaus habe er einen Anspruch auf Erstattung von Steuerberatungskosten in Höhe von 431,52 € gemäß Rechnung vom 11.07.2005 (überreicht mit Schriftsatz des Klägers vom 15.07.2005) (Blatt 442 d. A.). Zu Unrecht habe das Arbeitsgericht einen Rückzahlungsanspruch wegen des Entgelts für den Zeitraum vom 01.10. bis 08.12.2004 angenommen. Zu dem damaligen Zeitpunkt sei nicht etwa nur eine geringfügige Nachzahlung rückständig gewesen, sondern weitaus höhere Beträge. Die Widerklage der Beklagten sei auch im Übrigen unbegründet. Die Bestimmungen des § 11 S. 1 Nr. 2 KSchG sei schon deshalb nicht anwendbar, weil die Beklagte im November 2002 ihm gegenüber Beendigungskündigungen ausgesprochen habe. Darüber hinaus sei es ihm auch nicht zumutbar gewesen, auf der Basis des Änderungsangebots gemäß Änderungskündigung zu arbeiten.

Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei der restliche Urlaubsanspruch nunmehr abzugelten. Es ergebe sich insoweit ein Betrag in Höhe von 8.888,64 €.

Der Kläger beantragt,

1. das Urteil des Arbeitsgerichts Lingen vom 15.04.2005 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 8.888,64 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung zu zahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 19.515,51 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf den Betrag von 13.308,00 € netto seit Zustellung des Schriftsatzes vom 17.01.2005 sowie Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf den Betrag von 19.515,51 € seit Zustellung des Schriftsatzes vom 29.03.2005 zu zahlen,

3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 431,52 € netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung dieses Schriftsatzes zu zahlen,

4. die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen und das Urteil des Arbeitsgerichts Lingen (Ems) vom 15. April 2005 (Aktenzeichen 1 Ca 727/02) aufzuheben, soweit die Beklagte mit der Widerklage abgewiesen wurde und den Kläger zu verurteilen, an die Beklagte EURO 91.606,12 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf EURO 23.312,03 seit dem 30. November 2004 und auf weitere EURO 68.294,09 seit dem 25. Februar 2005 zu zahlen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, die Urlaubsansprüche des Klägers für die Jahre 2001 und 2002 seien verfallen. Schadensersatzansprüche des Klägers bestünden nicht. Im Übrigen sei auch die in der Berufungsinstanz erfolgte Klageerweiterung unzulässig. Das gelte auch wegen der nunmehr erstmals geltend gemachten Steuerberaterkosten. Die Widerklage sei insgesamt begründet. Zwar habe sie sich in dem Zeitraum vom 10.12.2001 bis zum 30. September 2004 in Annahmeverzug befunden. Der Kläger müsse sich aber auf den Annahmeverzugslohn die für die abgelehnte Weiterbeschäftigung in B. anfallende Vergütung anrechnen lassen. Mit dem Arbeitsangebot sei eine deutliche Statusverschlechterung nicht verbunden gewesen. Die nunmehr vorgeschlagene Tätigkeit sei nichts anderes als ein bedeutender Ausschnitt aus der bisherigen Tätigkeit des Klägers gewesen. Sein Tätigkeitsbereich habe sich lediglich um das "Große Spiel" reduziert. Insoweit sei sie auch nicht etwa verpflichtet gewesen, nach Ausspruch der Änderungskündigung und Ablehnung des Änderungsangebots durch den Kläger nochmals eine Aufnahme der Tätigkeit zu den geänderten Bedingungen anzubieten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvorbringens der Parteien wird auf die in beiden Instanzen eingereichten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe:

A)

Die Berufungen beider Parteien sind statthaft, sie sind form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit insgesamt zulässig (§§ 66, 64 ArbGG, 519, 520 ZPO).

I.

Die Berufung der Beklagten ist insgesamt begründet. Der Kläger ist gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 erste Alternative BGB verpflichtet, den mit der Widerklage geltend gemachten weiteren Betrag von 91.606,12 € an die Beklagte zu erstatten. Die entsprechenden Zahlungen standen dem Kläger nämlich nicht zu. Vielmehr handelt es sich bei dem Betrag, dessen Berechnung zwischen den Parteien, wie im Termin zur mündlichen Verhandlung am 23.06.2006 nochmals ausdrücklich klargestellt wurde, nicht streitig ist, um den nach § 11 S. 1 Nr. 2 KSchG anrechenbaren hypothetischen Verdienst des Klägers.

Besteht nach der Entscheidung des Gerichts das Arbeitsverhältnis nach Ausspruch einer Kündigung fort, muss sich der Arbeitnehmer nach § 11 S. 1 Nr. 2 KSchG auf das Arbeitsentgelt, das ihm der Arbeitgeber für die Zeit nach der Entlassung schuldet, das anrechnen lassen, was er hätte verdienen können, wenn er es nicht böswillig unterlassen hätte, eine ihm zumutbare Arbeit anzunehmen. Diese Anrechnungsvorschrift ist eine Sonderregelung im Verhältnis zu § 615 S. 2 BGB. Trotz des nicht völlig identischen Wortlauts sind die Vorschriften inhaltsgleich. Nach beiden Bestimmungen ist zu prüfen, ob dem Arbeitnehmer nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) sowie unter Beachtung des Grundrechts auf freie Arbeitsplatzwahl (Art. 12 GG) die Aufnahme einer anderweitigen Tätigkeit zumutbar ist (BAG, Urteil vom 16.06.2004 - 5 AZR 508/03 - AP 11 zu § 611 BGB Böswilligkeit = NZA 2004, 1155 m. w. N.). Eine Anrechnung kommt dabei auch in Betracht, wenn die Beschäftigungsmöglichkeit bei dem Arbeitgeber besteht, der sich mit der Annahme der Dienste des Arbeitnehmers in Verzug befindet (BAG, Urteil vom 14.11.1985 - 2 AZR 98/84 - AP 39 zu § 615 BGB = NZA 1986, 637; BAG, Urteil vom 16.06.2004 - 5 AZR 508/03 - AP 11 zu § 611 BGB Böswilligkeit = NZA 2004, 1155). Ob der Kläger es böswillig unterlassen hat, eine zumutbare Arbeit aufzunehmen, ist nach den gesamten Umständen des konkreten Falles zu beurteilen. Voraussetzung ist, dass dem Arbeitnehmer die angebotene Arbeit zumutbar ist. Die Unzumutbarkeit der Arbeit kann sich unter verschiedenen Gesichtspunkten ergeben. Sie kann in der Person des Arbeitgebers, der Art der Arbeit oder den sonstigen Arbeitsbedingungen ihren Grund haben. Böswillig handelt dabei der Arbeitnehmer, dem ein Vorwurf daraus gemacht werden kann, dass er während des Annahmeverzugs trotz Kenntnis aller objektiven Umstände (Arbeitsmöglichkeit, Zumutbarkeit der Arbeit und Nachteilsfolgen für den Arbeitgeber) vorsätzlich untätig bleibt oder die Aufnahme der Arbeit bewusst verhindert. Die Zumutbarkeit der neuen Arbeitsbedingungen gemäß § 11 S. 1 Nr. 2 KSchG ist aber nicht generell schon deshalb zu bejahen, weil Änderungsschutzklage oder Kündigungsschutzklage erhoben wurde. Zwar kann der Arbeitnehmer im Falle einer Änderungsschutzklage darauf hoffen, dass die sich evtl. ergebende Vergütungsdifferenz nachgezahlt wird. Die Aussicht auf eine spätere Nachzahlung ist aber der aktuellen Bezahlung nicht gleichzusetzen (BAG, Urteil vom 16.06.2004 - 5 AZR 508/03 - AP 11 zu § 611 BGB Böswilligkeit = NZA 2004, 1155 m. w. N.). Die Zumutbarkeit der Arbeit wird auch durch die Höhe der Vergütung bestimmt. Welcher Verdienst noch zumutbar ist, hängt maßgeblich von dessen Angemessenheit im Hinblick auf die zu erbringende Arbeitsleistung ab. Zu berücksichtigen sind aber auch das Verhältnis zu dem bisherigen Verdienst, die wirtschaftliche Situation des Arbeitgebers, die Lohnrückstände und das Insolvenzrisiko (BAG, Urteil vom 16.06.2004 - 5 AZR 508/03 - AP 11 zu § 611 BGB Böswilligkeit =NZA 2004, 1155 m. w. N.).

1.

Nach diesen Grundsätzen muss das Arbeitsangebot der Beklagten, so wie mit der Änderungskündigung gegenüber dem Kläger ausgesprochen, insgesamt noch als zumutbar angesehen werden. Die Beklagte hat dem Kläger damit eine Tätigkeit angeboten, die einen nicht unerheblichen Ausschnitt aus seiner bisherigen Tätigkeit umfasste. Der Kläger war zwar nicht mehr Leiter einer Spielbank, die auch das "Große Spiel" umfasste, behielt aber eine leitende Position. Die mit der Änderungskündigung vorgeschlagene Gehaltsreduzierung war allerdings erheblich. Sie korrespondiert aber mit dem veränderten Verantwortungsbereich des Klägers. Anhaltspunkte dafür, dass insoweit eine überproportionale Absenkung des Gehaltes vorgenommen worden wäre, sind nicht ersichtlich. Auch der absolute Gehaltsabsenkungsbetrag ist nicht so erheblich, als dass von einer Unzumutbarkeit ausgegangen werden könnte, zumal der Kläger immer noch ein recht erhebliches Einkommen hätte erzielen können, das jedenfalls ganz erheblich über den Ansprüchen gegenüber der Arbeitsverwaltung gelegen hätte. In diesem Zusammenhang ist ferner zu berücksichtigen, dass der Kläger bei einer Aufnahme der angebotenen Tätigkeit und einem späteren Obsiegen im Kündigungsschutzprozess immer noch die Möglichkeit gehabt hätte, die ihm zustehende Gehaltsdifferenz erfolgreich gegenüber der Beklagten geltend zu machen. Dieser Umstand begründet zwar für sich genommen nicht die Zumutbarkeit des Arbeitsangebotes, ist aber in die Erwägungen jedenfalls dann mit einzubeziehen, wenn keine Anzeichen dafür bestehen, dass die wirtschaftliche Situation der Beklagten besorgniserregend sein könnte, sodass den Kläger ein nicht unerhebliches Insolvenzrisiko treffen könnte. Anhaltspunkte dafür, dass aus damaliger Sicht die Befürchtung bestehen müsste, der Kläger könnte im Nachhinein ihm zustehende restliche Vergütungsansprüche auf Grund der wirtschaftlichen Lage der Beklagten nicht durchsetzen, sind nicht ersichtlich.

2.

Der Kläger kann auch nicht etwa mit Erfolg geltend machen, es fehle für die Anrechnungsvorschrift des § 11 S. 1 Nr. 2 KSchG an einem (weiteren) ausdrücklichen Angebot zur Arbeitsaufnahme durch die Beklagte. Insoweit schließt sich die Kammer nicht der vom Arbeitsgericht vertretenen Rechtsauffassung an. Aus der Regelung in § 11 S. 1 Nr. 2 KSchG kann nicht gefolgert werden, der Arbeitnehmer dürfe in jedem Fall ein Angebot des Arbeitgebers auf (vorübergehende) Aufnahme einer anderweitigen Tätigkeit abwarten. Vielmehr darf der Arbeitnehmer gerade nicht untätig bleiben, wenn sich ihm eine realistische Arbeitsmöglichkeit bietet. Geht es um die Arbeitsmöglichkeit bei dem bisherigen Arbeitgeber, kann der Arbeitnehmer allerdings regelmäßig abwarten, ob ihm eine zumutbare Arbeit angeboten wird. In diesem Fall ist es Sache des Arbeitgebers, eine Beschäftigung anzubieten. Eine Eigeninitiative ist dem Arbeitnehmer hier, von besonderen Umständen des Einzelfalls abgesehen, nicht zumutbar (BAG, Urteil vom 11.01.2006 - 5 AZR 98/05 - AP 113 zu § 615 BGB = NZA 2006, 314). Spricht der Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer eine Beendigungskündigung aus, so ist der Arbeitnehmer daher grundsätzlich nicht gehalten, von sich aus eine Initiative zu ergreifen mit dem Ziel, vorübergehend eine weitere Beschäftigung auch zu geänderten Arbeitsbedingungen bei seinem bisherigen Arbeitgeber zu erreichen. Anders ist die Situation jedoch im Falle einer Änderungskündigung. Hier hat der Arbeitgeber nämlich gegenüber dem Arbeitnehmer bereits ein Angebot für eine Weiterbeschäftigung, wenn auch zu geänderten Arbeitsbedingungen, gemacht. Er hat damit gegenüber dem Arbeitnehmer zu erkennen gegeben, dass er gewillt ist, ihn unter geänderten Bedingungen weiter zu beschäftigen. Wenn der Arbeitnehmer in einem solchen Fall die Änderungskündigung nicht unter Vorbehalt annimmt und keinerlei Initiative entfaltet, um bei seinem bisherigen Arbeitgeber zu den angebotenen geänderten Bedingungen weiter beschäftigt zu werden, greift die Anrechnungsregelung des § 11 S. 1 Nr. 2 KSchG ein (vgl. auch LAG Köln, 21.06.2005 - 13 (5) Sa 179/05 - NZA - RR 2006, 14). Der Kläger wusste, dass für ihn eine Beschäftigungsmöglichkeit bei der Beklagten bestand. In dieser Situation war die Beklagte nicht etwa gehalten, ein neuerliches ausdrückliches Angebot zu machen. Zumindest wäre der Kläger verpflichtet gewesen, sich in dieser Situation bei der Beklagten zu vergewissern, ob er für den Zeitraum der Anhängigkeit des Kündigungs-schutzverfahrens zu den angebotenen geänderten Vertragsbedingungen hätte beschäftigt werden können. Dem Kläger war damals ferner bewusst, dass die von der Beklagten vorgeschlagene Position nicht zwischenzeitlich anderweitig besetzt worden war. Er macht auch im vorliegenden Verfahren nicht etwa geltend, die Beklagte hätte sich einer vorläufigen Weiterbeschäftigung zu geänderten Vertragsbedingungen widersetzt. Der Kläger hätte also zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Änderungskündigung die damals bestehende Beschäftigungsmöglichkeit annehmen müssen. Nachdem er dies abgelehnt hatte, musste die Beklagte ihre Personalplanung hierauf einstellen. Bei einer rechtzeitigen Annahme des Angebotes aber hätte der Kläger das von der Beklagten in Anrechnung gebrachte Einkommen während des späteren Annahmeverzugszeitraums erzielen können.

3.

Der Anwendbarkeit des § 11 S. 1 Nr. 2 KSchG stehen auch nicht etwa die von der Beklagten in der Folgezeit im November 2002 ausgesprochenen weiteren ordentlichen Kündigungen entgegen. Die Beklagte hat hierdurch nicht gegenüber dem Kläger zu erkennen gegeben, dass sie nun nicht mehr bereit sei, ihn jedenfalls vorübergehend zu geänderten Arbeitsbedingungen weiter zu beschäftigen. Durch diese Kündigungen hat sie zwar den Willen zum Ausdruck gebracht, das Arbeitsverhältnis der Parteien endgültig zu beenden. Hieraus folgt aber noch nicht zwingend gleichzeitig die Erklärung, den Kläger auf keinen Fall während des zu diesem Zeitpunkt ja noch anhängigen Kündigungs-schutzprozesses (zu geänderten Bedingungen) zu beschäftigen. Etwas Anderes folgt ferner nicht daraus, dass die Beklagte nunmehr keine Änderungskündigung, sondern Beendigungskündigungen ausgesprochen hat. Denn die ursprüngliche Änderungs-kündigung war ja inzwischen nach Ablehnung des Änderungsangebotes faktisch zu einer Beendigungskündigung geworden. Ein nochmaliges Änderungsangebot musste die Beklagte nach der endgültigen Ablehnung durch den Kläger nicht mehr unterbreiten. Die Beklagte war nach Ausspruch dieser Kündigung auch nicht gehalten, gegenüber dem Kläger nochmals klarzustellen, dass eine derartige Beschäftigung möglich sei. Der Kläger hatte nämlich zuvor das Änderungsangebot endgültig abgelehnt und auch Monate nach Beendigung seiner Arbeitsunfähigkeit keinerlei Anstalten gemacht, von sich aus auf eine Arbeitsaufnahme bei der Beklagten hinzuwirken. Darüber hinaus hat die Beklagte bereits unmittelbar nach Wiederaufnahme des Prozesses mit Schriftsatz vom 27. Januar 2004 erklärt, dass sie aus den Kündigungen vom 13. und 14. November 2002, die ja ohnehin nur vorsorglich ausgesprochen worden waren, keine Rechte mehr herleite. Zwar heißt es in beiden Kündigungen, ein Arbeitsplatz, auf dem man den Kläger weiterbeschäftigen könne, stehe nicht zur Verfügung. Das bezieht sich aber erkennbar auf eine Weiterbeschäftigung zu unveränderten Bedingungen.

4.

Es ist auch von einem böswilligen Unterlassen anderweitigen Verdienstes auszugehen. Böswilligkeit setzt nämlich nicht voraus, dass der Arbeitnehmer in der Absicht handelt, den Arbeitgeber zu schädigen. Es genügt vielmehr das vorsätzliche Außerachtlassen einer dem Arbeitnehmer bekannten Gelegenheit zur Erwerbstätigkeit (BAG, Urteil vom 11.01.2006 - 5 AZR 98/05 - AP 113 zu § 615 BGB = NZA 2006, 314).

Die Berechnung des Rückforderungsanspruchs der Beklagten ist zwischen den Parteien nicht streitig. Der Kläger hat ausdrücklich erklärt, dass er die von der Beklagten vorgenommene Berechnung nicht beanstande. Streitig ist zwischen den Parteien allein die Frage, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Anrechnung nach § 11 S. 1 Nr. 2 KSchG vorliegen.

Der Zinsanspruch der Beklagten folgt aus § 288 I BGB.

Damit ist die Berufung der Beklagten insgesamt begründet.

II.

Der Berufung des Klägers konnte demgegenüber nicht entsprochen werden.

1.

Soweit der Kläger (mit seinem Antrag zu Ziffer 4.) Abweisung der Widerklage beantragt, als das Arbeitsgericht ihr stattgegeben hat, folgt dies bereits aus den oben dargelegten Erwägungen. Die Beklagte begehrt auch für den Zeitraum vom 01.10. bis 09.12.2004 nur Erstattung desjenigen Betrages, den der Kläger im Falle einer Beschäftigung als Leiter der Automatenspielbank verdient hätte. Sie begehrt nicht etwa die Rückzahlung der insoweit insgesamt gezahlten Vergütung. Damit kommt es auf die Frage, ob in diesem Zeitraum noch die Voraussetzungen für die Wahrnehmung eines Zurückbehaltungsrechts gemäß § 173 BGB vorlagen, nicht an.

2.

Nicht zu entsprechen war ferner dem Zahlungsbegehren des Klägers in Höhe von 8.888,64 € brutto. Insoweit macht der Kläger Urlaubsabgeltung für 55 Urlaubstage für das Kalenderjahr 2002 geltend. Urlaubsabgeltungsansprüche gem. § 7 Abs. 4 BUrlG für das Kalenderjahr 2002 bestehen jedoch nicht. Dieser Urlaubsanspruch des Klägers ist vielmehr verfallen. Der Kläger hat den Urlaubsanspruch für das Kalenderjahr 2002 nämlich erstmals mit Schreiben vom 02.05.2003 geltend gemacht. Zu diesem Zeitpunkt waren das Urlaubsjahr und auch ein evtl. Übertragungszeitraum gemäß § 7 Abs. 3 S. 2 BUrlG bereits abgelaufen. Entgegen der Ansicht des Klägers sind soweit die Erhebung einer Kündigungsschutzklage und die Ankündigung, alle Rechte aus dem Arbeitsverhältnis geltend zu machen, keine ausreichende Geltendmachung des Urlaubsanspruchs für den Fall des Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses. Insoweit schließt sich die Kammer den zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts in der angefochtenen Entscheidung an und nimmt hierauf Bezug.

3.

Ebenso wenig zu entsprechen war dem Antrag des Klägers zu Ziffer 2).

a)

Dieser Antrag ist trotz der zweitinstanzlich erfolgten Klageerhöhung insgesamt als zulässig anzusehen. Der Schadensersatzanspruch war allerdings in erster Instanz nur in Höhe eines Betrages von 13.308,-- € anhängig. Der klageerweiternde Schriftsatz des Klägers vom 31.03.2005, mit dem er die Forderung von 13.308,-- € auf 19.122,-- € erhöht hat, ist erst nach Schluss der letzten mündlichen Verhandlung beim Arbeitsgericht eingegangen. Das Arbeitsgericht hat über diese Klageerhöhung auch ausdrücklich keine Entscheidung getroffen. Eine Rechtshängigkeit der Klageerweiterung ergibt sich ferner nicht auf Grund der Zustellung des Klageerweiterungsschriftsatzes (vgl. BGH, Urteil vom 09.07.1997 - IV ZB 11/97 - NJW-RR 1997, 1486). Damit ist die Klageerhöhung auch nicht als noch in der ersten Instanz anhängig anzusehen. Auch das Arbeitsgericht hat nicht etwa eine Teilentscheidung getroffen, sondern den Rechtsstreit durch das angefochtene Urteil insgesamt erledigen wollen. Die Zulässigkeit der Klageerhöhung ist daher nach den Bestimmungen der §§ 264, 533 ZPO zu beurteilen. Vorliegend hat der Kläger lediglich den Betrag des geltend gemachten Schadensersatzanspruch erweitert, ohne insoweit jedoch einen neuen Sachverhalt zu Grunde zu legen. Gemäß § 264 Nr. 2 ZPO ist deshalb nicht von einer Klageänderung auszugehen. Auf das Vorliegen einer Einwilligung der Beklagten oder eine Sachdienlichkeit i. S. von § 533 Nr. 1 ZPO kommt es daher nicht an.

b)

Die Berufung des Klägers ist jedoch wegen des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs insgesamt nicht begründet. Der Kläger macht insoweit einen Verzugsschaden geltend. Die Beklagte befand sich mit den ausstehenden Vergütungsansprüchen des Klägers nicht in Verzug. Sie hat die dem Kläger zustehenden Vergütungszahlungen vollständig geleistet, weil sie auf Grund der Anrechnungs-möglichkeit nach § 11 S. 1 Nr. 2 KSchG bereits höhere Zahlungen erbracht hat als sie dem Kläger tatsächlich zustanden.

4.

Unzulässig ist die Berufung des Klägers wegen des Antrags zu 3). Der Kläger begehrt hier Ersatzerstattung von Steuerberatungskosten. In diesem Punkt liegt eine Klageänderung i. S. von § 533 ZPO vor, weil der Kläger einen völlig anderen Anspruch geltend macht, der auf neue Tatsachen gestützt wird. Eine Einwilligung der Beklagten zur Klageänderung liegt nicht vor. Die Klageänderung kann auch nicht etwa als sachdienlich angesehen werden. Für die Berechtigung eines derartigen Anspruchs kommt es nämlich nicht allein auf die Frage an, ob sich die Beklagte tatsächlich in Annahmeverzug befand, sondern zusätzlich darauf, ob es erforderlich war, einen Steuerberater zu beauftragen. Hierfür wären weitere tatsächliche und rechtliche Fragen zu untersuchen, die nicht Gegenstand der erstinstanzlichen Entscheidung waren.

B)

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92, 97 Abs. 1 ZPO.

Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen.

Ende der Entscheidung

Zurück