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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 15.12.2005
Aktenzeichen: 7 Sa 2004/04
Rechtsgebiete: DRK-Satzung


Vorschriften:

DRK-Satzung § 19 Abs. 3
DRK-Satzung § 19 Abs. 4
DRK-Satzung § 19 Abs. 4 Satz 2
1. Durch die Bezugnahme in dem Anstellungsvertrag sind die DRK-Arbeitsbedingungen Inhalt des Arbeitsvertrages der Parteien geworden. Diese Arbeitsbedingungen sind inhaltsgleich mit dem DRK-Tarifvertrag und werden ebenso wie Änderungen und Ergänzungen vom Präsidium und vom Präsidialrat des DRK beschlossen.

2. Durch den Beschluss von Präsidium und Präsidialrat des DRK, die für den Öffentlichen Dienst vereinbarten Tariferhöhungen für 2003 und 2004 zu übernehmen, sind diese Gegenstand der Arbeitsbedingungen und durch die vertragliche Bezugnahme auch Inhalt des Arbeitsvertrages der Parteien geworden.

3. Unerheblich ist, dass der Präsidialrat die Übernahme des Tarifabschlusses ausdrücklich auf § 19 Abs. 4 der DRK-Satzung gestützt hat. Dies hat zwar zur Folge, dass verbandsrechtlich keine Verpflichtung zur Umsetzung der geänderten DRK-Arbeitsbedingungen besteht, da § 19 Abs. 4 Satz 2 der Satzung im Gegensatz zu Abs. 3 ausdrücklich besagt, dass diese Regelung keine Außenwirkung hat. Dies hat jedoch keinen Einfluss auf die individualrechtliche Vereinbarung der Parteien, nach der dem Arbeitsverhältnis die Arbeitsbedingungen der Angestellten des Deutschen Roten Kreuzes zu Grunde liegen.

4. Die Grundsätze der Gleichstellungsabrede finden nicht Anwendung. Die Parteien haben nicht die Anwendbarkeit der Tarifverträge vereinbart, sondern die der DRK-Arbeitsbedingungen. Zudem war der Beklagte bei Abschluss des Arbeitsvertrages selbst nicht tarifgebundenen. Die Annahme einer Gleichstellungsabrede setzt jedoch neben der Tarifgebundenheit des Arbeitgebers bei Abschluss des Arbeitsvertrages voraus, dass im Arbeitsvertrag die Anwendbarkeit eben der Tarifverträge vereinbart wird, an die der Arbeitgeber gebunden ist.


LANDESARBEITSGERICHT NIEDERSACHSEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

7 Sa 2004/04

In dem Rechtsstreit

hat die 7. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 15. Dezember 2005 durch

den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Leibold, den ehrenamtlichen Richter Herrn Kettelhake, den ehrenamtlichen Richter Herrn Segger für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Verden vom 18.11.2004, 2 Ca 339/04, wird zurückgewiesen.

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Verden vom 18.11.2004, 2 Ca 339/04, teilweise abgeändert:

Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger seit dem 01.02.2004 eine Gehaltserhöhung von 2,4 %, seit dem 01.01.2004 eine weitere Gehaltserhöhung von 1% sowie ferner seit dem 01.05.2004 eine Gehaltserhöhung von 1% zu zahlen und die monatlichen Differenzbeträge zwischen gezahlter und beantragter Vergütung jeweils ab Fälligkeit mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte zum einen berechtigt war, eine ab 01.01.2003 tatsächlich gewährte Erhöhung der Vergütung um 2,4% wieder rückgängig zu machen, und ob der Beklagte zum anderen verpflichtet ist, dem Kläger ab 01.01.2004 und ab 01.05.2004 jeweils eine weitere Vergütungserhöhung von 1% zu gewähren.

Der.1959 geborene Kläger ist seit dem 15.04.1987 bei dem Beklagten als Rettungs-assistent beschäftigt und bezieht eine Vergütung nach der Vergütungsgruppe V c der DRK-Arbeitsbedingungen. In dem Arbeitsvertrag vom 23.04.1987 (Bl. 5, 6 d.A.) wurde unter anderem vereinbart, dass für das Beschäftigungsverhältnis die Arbeitsbedingungen der Angestellten des Deutschen Roten Kreuzes in Anwendung kommen, und dass die Beschäftigung bei dem Deutschen Roten Kreuz nicht öffentlicher Dienst ist.

Der Kläger ist seit dem 01.01.1989 Gewerkschaftsmitglied. Der Beklagte war Mitglied in der Landestarifgemeinschaft Niedersachsen des Deutschen Roten Kreuzes seit 12.01.1989 und kündigte diese Mitgliedschaft mit Schreiben vom 12.12.2002 zum 31.03.2003 (Bl. 27 d.A.). Hierüber informierte der Beklagte den Betriebsrat am 03.12.2002 sowie ihre Mitarbeiter in Betriebsversammlungen vom 05.12.2002 und 12.12.2002.

Die Landestarifgemeinschaft des Deutschen Roten Kreuzes ist ihrerseits Mitglied in der Bundestarifgemeinschaft des Deutschen Roten Kreuzes. Die Bundestarifgemeinschaft schloss im Jahre 1984 mit der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV), deren Rechtsnachfolgerin die Gewerkschaft ver.di ist, eine "Vereinbarung über Rahmenbedingungen für den Abschluss von Tarifverträgen" (Bl. 33 bis 35 d.A.) ab.

In dieser Vereinbarung wurde unter anderem festgelegt:

§ 2

"Übereinstimmendes Ziel der Vertragsparteien ist es, Arbeitskämpfe im Bereich der Tarifgemeinschaft des DRK nach § 3 Abs. 1 zu vermeiden.

§ 3

...

2) Soweit die Arbeitsbedingungen des DRK mit den Regelungen des BAT inhaltlich identisch sind (Katalog A), werden zwischen den Vertragsparteien keine Verhandlungen geführt. Die Möglichkeit, im beiderseitigen Einvernehmen Verhandlungen zu führen, bleibt unberührt."

Der von der Bundestarifgemeinschaft des Deutschen Roten Kreuzes und der Gewerkschaft ÖTV vereinbarte DRK-Tarifvertrag (West) enthält in § 67 Abs. 3 folgende Regelung (Bl. 32 d.A.):

"Soweit Regelungen gemäß § 3 der Rahmenbedingungen (Katalog A) zwischen den Tarifvertragsparteien nicht zu verhandeln sind, bedarf es keiner formalen Kündigung des Tarifvertrages, um die geänderten Vorschriften für den öffentlichen Dienst als Tarifrecht für das DRK zu übernehmen."

In der Folgezeit wurden die für den öffentlichen Dienst vereinbarten Vergütungserhöhungen jeweils durch einen Übernahmetarifvertrag zwischen der Tarifgemeinschaft des Deutschen Roten Kreuzes und der Gewerkschaft übernommen.

Am 09.01.2003 wurde für den Bereich des öffentlichen Dienstes ein Tarifabschluss erzielt, der unter anderem eine Vergütungserhöhung ab 01.01.2003 bzw. 01.04.2003 um 2,4%, ab 01.01.2004 um 1% und ab 01.05.2004 um ebenfalls 1% vorsieht.

In einem Schreiben des Generalsekretariats des Deutschen Roten Kreuzes vom 14.01.2003 an alle DRK-Landesverbände (Bl. 21 - 24 d.A.) wurde ausgeführt:

"Gemäß der beim Abschluss des DRK-Tarifvertrages im Jahre 1984 mit den Gewerkschaften vereinbarten Tarifautomatik ist das Tarifergebnis der aktuellen Lohnrunde des öffentlichen Dienstes für die tarifgebundenen Verbände automatisch, ohne weitere Verhandlungen in den DRK-Tarifvertrag West zu übernehmen."

Mit Rundschreiben Nummer II/22-2003 (Bl. 207 d.A.) teilte der Landesverband Niedersachsen den Kreisverbänden u. a. folgendes mit:

"Für die Mitglieder der Landestarifgemeinschaft gilt das Tarifergebnis des öffentlichen Dienstes automatisch, d.h. es bedarf keiner weiteren Umsetzungsverhandlungen. Das gilt auch für die überwiegende Zahl der Mitglieder, die zum 31. März dieses Jahres gekündigt haben, und auch für die erst nach Wirksamwerden des Austritts umzusetzenden weiteren Steigerungen. ...

Für die Anwender der DRK-Arbeitsbedingungen wird das Präsidium am 06.03.2003 und der Präsidialrat am 26./27.03.2003 entscheiden, ob und ggf. wie eine Übernahme des Tarifabschlusses auch in die Arbeitsbedingungen stattfindet. ..."

Am 06.03.2003 stimmte das Präsidium des DRK "der Übernahme des Tarifabschlusses in die Arbeitsbedingungen des DRK zu vorbehaltlich der Mitwirkung des Präsidialrates".

Der Präsidialrat fasste am 26.03.2003 folgenden Beschluss (208 d.A.):

1. "Die Übernahme des Tarifabschlusses für den Öffentlichen Dienst Bund/Länder 2003 in die DRK Arbeitsbedingungen wird gemäß § 19 Abs. 4 der DRK-Satzung (2. Handlungsvariante gemäß der Vorlage für die Sitzung, die Bestandteil der Niederschrift ist) mit beschlossen.

2. Die DRK-Arbeitsbedingungen Ost werden nicht angepasst."

Die Satzung des Deutschen Roten Kreuzes in der Fassung vom 12.11.1993 (Bl. 235 bis 242 d.A.) enthält u. a. folgende Regelung:

§ 19 Präsidialrat: Aufgaben

(3) Der Erlass von Bestimmungen, durch die einheitliche Regelungen im Deutschen Roten Kreuz mit Verbindlichkeit für alle Mitgliedsverbände geschaffen werden sollen, bedarf der Zustimmung des Präsidialrates. Dazugehört auch die Festlegung von Mindestregelungen für die Satzungen der Mitgliedsverbände und deren Mitgliedsverbände.

(4) Der Zustimmung des Präsidialrates bedürfen Beschlüsse des Präsidiums, wenn sie erhebliche finanzielle Auswirkungen für die Mitgliedsverbände oder deren Mitgliedsverbände haben. Diese Regelung hat keine Außenwirkung.

Am 19.11.2003 wurden die im Streit stehenden Vergütungserhöhungen durch den 23. Tarifvertrag zur Änderung des Tarifvertrages über Arbeitsbedingungen für Angestellte, Arbeiter und Auszubildende des Deutschen Roten Kreuzes (Bl. 55 - 57 d.A.) übernommen. Der späte Tarifabschluss war unter anderem darauf zurückzuführen, dass die Tarifvertragsparteien zunächst keine Einigung hinsichtlich der so genannten Arbeitszeitverkürzungstage und der vereinbarten Einmalzahlungen erzielen konnten.

Der Beklagte gewährte seinen Beschäftigten zunächst ab 01.01.2003 eine Gehaltserhöhung von 2,4%.

Durch eine Mitarbeiter-Information vom 07.11.2003 (Bl. 11 d.A.) teilte der Beklagte mit, dass auf ihn alle Tarifvertragsänderungen ab 01.01.2003 nicht zuträfen, die Tariferhöhung von 2,4% ab 01.01.2003 bzw. 01.04.2003 werde zurückgefordert, die Tariferhöhung von 1% ab 01.01.2004 und die Erhöhung von 1% ab 01.05.2004 entfalle.

Mit Schreiben vom 12.11.2003 (Bl. 12 d.A.) forderte der Beklagte von dem Kläger das überzahlte Gehalt für die Zeit ab Mai 2003 in Höhe von insgesamt 387,01 € brutto zurück.

Mit seiner Zahlungsklage über 153,62 € brutto begehrt der Kläger für die Monate Dezember 2003 und Januar 2004 die Weitergewährung der Lohnerhöhung von 2,4% sowie die weitere Lohnerhöhung von 1%.

Das Arbeitsgericht hat durch ein dem Kläger am 29.11.2004 und dem Beklagten am 26.11.2004 zugestelltes Urteil vom 18.11.2004, auf dessen Inhalt zur weiteren Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes und dessen Würdigung durch das Arbeitsgericht Bezug genommen wird (Bl. 115 - 127 d.A.), den Beklagten verurteilt, an den Kläger 126,62 € brutto zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.03.2004. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen, die Kosten des Rechtsstreits dem Beklagten zu 82,4 % und dem Kläger zu 17,6 % auferlegt und die Berufung zugelassen.

Hiergegen richten sich die am 10.12.2004 eingelegte Berufung des Beklagten, die am 24.12.2004 begründet wurde, sowie die am 20.12.2004 eingelegte und am 26.01.2005 begründete Berufung des Klägers.

Der Kläger ist der Auffassung, der Anspruch auf die geltend gemachten Vergütungserhöhungen folge aus § 2 des Arbeitsvertrages. Hierin sei eine dynamische Verweisung auf die DRK - Arbeitsbedingungen in ihrer jeweiligen Fassung zu sehen.

Der Vertragsklausel stehe auch nicht ihr vermeintlicher Charakter als "Gleichstellungsabrede" entgegen. Der Bezug auf allgemeine Arbeitsbedingungen könne nicht als Gleichstellungsabrede im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts interpretiert werden. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts finde zudem keine rechtliche Stütze.

Der Anspruch des Klägers folge schließlich aus § 3 der Rahmenvereinbarung, der gemäß § 3 Abs. 3 TVG nachwirke.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abzuändern und festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, an ihn seit dem 01.02.2003 eine Gehaltserhöhung von 2,4%, seit dem 01.01.2004 eine weitere Gehaltserhöhung von 1% sowie ferner seit dem 01.05.2004 eine Gehaltserhöhung von 1% zu zahlen und die monatlichen Differenzbeträge zwischen gezahlter und beantragter Vergütung ab jeweiliger Fälligkeit in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz zu verzinsen.

Der Beklagte erklärt, einem Feststellungsurteil Folge leisten zu wollen, und beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen sowie das Urteil des Arbeitsgerichts abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Der Beklagte weist darauf hin, dass es keinen Beschluss des Vorstands des Beklagten gebe, die Tarifergebnisse des öffentlichen Dienstes aus dem Jahre 2003 in Form von Arbeitsbedingungen zu übernehmen.

Es gebe auch keine für den Beklagten verbindliche Entscheidung des Präsidiums bzw. des Präsidialrates des DRK auf Übernahme des Tarifabschlusses in die DRK-Arbeitsbedingungen. Nach der Satzung des Deutschen Roten Kreuzes (Bl. 235 - 242 d.A.) werde die Selbstständigkeit der Mitgliedsverbände nur durch diese Satzung eingeschränkt, die den Satzungen der Mitgliedsverbände vorgehe. Es gebe keine generelle Allzuständigkeit des Bundes-DRK. Während es sich nach § 19 Abs. 3 der DRK-Satzung um verbindliche einheitliche Regelungen für alle Mitgliedsverbände des Deutschen Roten Kreuzes handele, sei für Beschlüsse nach § 19 Abs. 4 der Satzung ausdrücklich der fehlende Außenwirkungscharakter derartiger Beschlüsse vorgesehen. Beschlüsse nach § 19 Abs. 4 seien für die Mitgliedsverbände rechtlich nicht bindend.

Der Präsidialrat des DRK habe in seiner Sitzung vom 26.03.2003 hinsichtlich der Übernahme des Tarifabschlusses für den öffentlichen Dienst lediglich eine Übernahme gemäß § 19 Abs. 4 der DRK-Satzung beschlossen. Einen entsprechenden verbindlichen Beschluss für die DRK-Kreisverbände gebe es demgegenüber nicht.

Auch aus der im Jahre 1984 unterzeichneten "Vereinbarung über Rahmenbedingungen für den Abschluss von Tarifverträgen" lasse sich eine Verpflichtung des Beklagten, nach Beendigung der eigenen Tarifbindung weiterhin die Tarifverträge anwenden zu müssen, die erst nach Beendigung dieser Tarifbindung abgeschlossen worden seien, nicht ableiten. Vielmehr sei der 23. Änderungstarifvertrag eine Rechtsnorm, die den Nachwirkungszeitraum der vorangegangenen Tarifverträge beende, so dass bereits aus diesem Grunde der Beklagte zur Weitergabe der Tariferhöhungen des Jahres 2004 nicht verpflichtet sei. Jede andere Auslegung der Rahmenbedingungen verletze das Grundrecht des Beklagten auf negative Koalitionsfreiheit.

Eine Bindung folge schließlich auch nicht aus § 2 des Arbeitsvertrages, die eine Gleichstellungsabrede beinhalte. Diese Vertragsklausel wirke nach dem Austritt des Beklagten aus der Landestarifgemeinschaft des DRK nur noch als statische Verweisung auf den bei Ende der Tarifgebundenheit geltenden Tarifvertrag.

Zu Unrecht habe das Arbeitsgericht einen Anspruch auf Lohnerhöhung in Höhe von 2,4% aus einer betrieblichen Übung bejaht. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts könne bei einem nicht tarifgebundenen Arbeitgeber eine betriebliche Übung auf Erhöhung der Löhne und Gehälter entsprechend der Tarifentwicklung in einem bestimmten Tarifgebiet nur angenommen werden, wenn es deutliche Anhaltspunkte im Verhalten des Arbeitgebers dafür gebe, dass er auf Dauer die von den Tarifvertragsparteien ausgehandelten Tariflohnerhöhungen übernehmen wolle. Der Beklagte sei bis zum November 2003 davon ausgegangen, tarifvertraglich zur Weitergabe der 2,4-prozentigen Lohnerhöhung aufgrund des Tarifabschlusses des öffentlichen Dienstes im Januar 2003 kraft Tarifautomatik verpflichtet zu sein. Er habe mithin rechtsirrtümlich gehandelt. Auch aus Sicht des Klägers habe immer nur eine tarifvertragliche Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung bestanden. Der Kläger habe damit einen Sachverhalt vorgetragen, der einem Anspruch aus dem rechtlichen Gesichtspunkt der betrieblichen Übung direkt entgegenstehe. Im übrigen müsse für das Entstehen einer betrieblichen Übung ein ebenso strenger Maßstab wie im öffentlichen Dienst angelegt werden, da der Beklagte als Einrichtung der Wohlfahrt auf eine Refinanzierung durch Dritte angewiesen sei.

Entscheidungsgründe:

Die Berufungen der Parteien sind statthaft, sie sind form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit insgesamt zulässig, §§ 519, 520 ZPO, 64, 66 ArbGG.

Die Berufung des Beklagten ist unbegründet.

Das Arbeitsgericht ist zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass dem Kläger für die Monate Dezember 2003 und Januar 2004 ein Zahlungsanspruch in Höhe von 126,62 € brutto nebst Zinsen gegen den Beklagten zusteht. Der Anspruch des Klägers folgt dabei aus § 2 des von den Parteien abgeschlossenen Arbeitsvertrages vom 23.04.1987 in Verbindung mit den Beschlüssen des Präsidiums und des Präsidialrates des Deutschen Roten Kreuzes vom 06.03.2003 bzw. 26.03.2003.

Die Parteien haben in § 2 des Anstellungsvertrages vom 23.04.1987 vereinbart, dass für das Beschäftigungsverhältnis die Arbeitsbedingungen der Angestellten des Deutschen Roten Kreuzes in Anwendung kommen. Die DRK-Arbeitsbedingungen sind inhaltsgleich mit dem DRK-Tarifvertrag West. Sie werden ebenso wie Änderungen und Ergänzungen vom Präsidium und vom Präsidialrat des DRK beschlossen. Durch die Bezugnahme in dem Anstellungsvertrag sind diese Arbeitsbedingungen Inhalt des Arbeitsvertrages der Parteien geworden.

Die Verweisung in dem Arbeitsvertrag ist in zeitlicher Hinsicht dynamisch. Auch wenn die Parteien in dem Arbeitsvertrag nicht ausdrücklich aufgeführt haben, dass die DRK-Arbeitsbedingungen "in der jeweils geltenden Fassung" maßgeblich sind, ergibt eine Auslegung des Vertrages, dass jeweils die aktuellen Arbeitsbedingungen anwendbar sein sollen. Denn es wird allgemein abgestellt auf die Arbeitsbedingungen der Angestellten des Deutschen Roten Kreuzes, ohne dass eine bestimmte Fassung in Bezug genommen wird. Daraus folgt, dass es dem Willen der Parteien entsprach, die jeweils aktuellen Arbeitsbedingungen dem Vertragsverhältnis zu Grunde zu legen.

Präsidium und Präsidialrat des DRK haben am 06.03.2003 bzw. 26.03.2003 beschlossen, dass der im Streit stehende Tarifabschluss im öffentlichen Dienst in die Arbeitsbedingungen des DRK übernommen wird. In Folge der Regelung in § 2 des Anstellungsvertrages sind damit die im Streit stehenden Tariferhöhungen auch zum Inhalt des Arbeitsvertrages der Parteien geworden.

Unerheblich ist, dass der Präsidialrat die Übernahme des Tarifabschlusses ausdrücklich auf § 19 Abs. 4 der DRK-Satzung gestützt hat. Dies hat zwar zur Folge, dass verbandsrechtlich keine Verpflichtung zur Umsetzung der geänderten DRK-Arbeitsbedingungen besteht. Denn § 19 Abs. 4 Satz 2 der Satzung besagt im Gegensatz zu Abs. 3 ausdrücklich, dass diese Regelung keine Außenwirkung hat. Dies hat jedoch keinen Einfluss auf die individualrechtliche Vereinbarung der Parteien, nach der dem Arbeitsverhältnis die Arbeitsbedingungen der Angestellten des Deutschen Roten Kreuzes zu Grunde liegen. An diese Vereinbarung ist der Beklagten unabhängig davon, ob der Beschluss des Präsidialrates auf § 19 Abs. 3 oder Abs. 4 der Bundessatzung gestützt wurde, gebunden. Nur bei einem Neuabschluss von Arbeitsverträgen ist es verbandsrechtlich für den Beklagten zulässig, die Anwendung der DRK-Arbeitsbedingungen lediglich in der älteren Fassung der Beschlüsse des Präsidiums und des Präsidialrates vom September 2000 zu vereinbaren (so auch LAG Niedersachsen vom 07.09.2005, 15 Sa 787/05; Erläuterungen Nr. 1 Abs. 3 zur 3. Auflage vom Mai 2004 zum DRK-TV West bzw. zu den Arbeitsbedingungen West).

Es bedurfte auch keines Beschlusses der Organe des Beklagten, um die Arbeitsbedingungen in der Fassung des 23. Änderungstarifvertrages zum Inhalts des Arbeitsvertrages mit dem Kläger zu machen. Denn die Arbeitsbedingungen werden nicht von dem Beklagten aufgestellt. Vielmehr bezieht sich die arbeitsvertragliche Bezugnahme auf die Arbeitsbedingungen des Bundesverbandes.

Der Beklagte kann sich auch nicht auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur arbeitsvertraglichen Gleichstellungsabrede tarifgebundener und tarifungebundener Arbeitnehmer stützen.

Eine Gleichstellungsabrede im Sinne der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts liegt vor, wenn in einem von dem tarifgebundenen Arbeitgeber vorformulierten Arbeitsvertrag auf die einschlägigen Tarifverträge Bezug genommen wird. Der Zweck einer derartigen Regelung besteht regelmäßig darin, dass auf das Arbeitsverhältnis unabhängig von der Tarifgebundenheit des Arbeitnehmers die in Bezug genommenen Tarifverträge gelten sollen. Die Gleichstellungsabrede ersetzt nur die durch die Mitgliedschaft in der zuständigen Gewerkschaft begründete Tarifgebundenheit des Arbeitnehmers. Deshalb nimmt der Arbeitnehmer mit einer Gleichstellungsabrede nur solange an der Tarifentwicklung teil wie ein tarifgebundener Arbeitnehmer. Nach dem Verbandsaustritt des Arbeitgebers gelten neu abgeschlossene Tarifverträge ebenso wie bei tarifgebundenen Arbeitnehmern nicht mehr.

Vorliegend hat der Beklagte mit dem Kläger allerdings nicht die Anwendbarkeit der Tarifverträge vereinbart, sondern die der DRK-Arbeitsbedingungen. Zudem war der Beklagte bei Abschluss des Arbeitsvertrages selbst nicht tarifgebundenen. Die Annahme einer Gleichstellungsabrede setzt jedoch neben der Tarifgebundenheit des Arbeitgebers bei Abschluss des Arbeitsvertrages voraus, dass im Arbeitsvertrag die Anwendbarkeit eben der Tarifverträge vereinbart wird, an die der Arbeitgeber gebunden ist (BAG vom 27.11.2002, 4 AZR 663/01, AP Nr. 18 zu § 611 BGB Rotes Kreuz).

Die DRK-Arbeitsbedingungen haben nach dieser zutreffenden Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts keine Tarifvertragsqualität. Die Bezugnahme auf die Arbeitsbedingungen kann auch nicht als Gleichstellungsabrede angesehen werden, weil Präsidium und Präsidialrat des DRK die Arbeitsbedingungen jeweils mit demselben Inhalt festsetzen, wie ihn die einschlägigen Tarifverträge haben. Denn dieser Umstand hat nicht die normative Wirkung der Tarifverträge zur Folge (BAG vom 27.11.2002, 4 AZR 663/01, a.a.O.).

Die Berufung des Beklagten war deshalb zurückzuweisen.

Die Berufung des Klägers ist begründet.

Gegen die Zulässigkeit der erstmals im Berufungsverfahren geltend gemachten Feststellungsklage bestehen keine Bedenken.

Der Kläger hat das nach § 256 ZPO erforderliche rechtliche Interesse an der begehrten Feststellung. Er ist nicht gehalten, die im Streit stehenden Ansprüche monatlich durch Leistungsklage geltend zu machen. Aufgrund der Erklärung des Beklagten zu Protokoll vom 28.07.2005 kann vielmehr davon ausgegangen werden, dass der Beklagte einem Feststellungsurteil Folge leisten wird. Die Feststellungsklage ist zudem geeignet, den Streit der Parteien insgesamt beizulegen.

Die Klageänderung ist auch gemäß § 533 ZPO zulässig. Sie ist sachdienlich, da hierdurch der Streit der Parteien umfassend und abschließend entschieden wird. Sie wird zudem auf Tatsachen gestützt, die das Berufungsgericht ohnehin seiner Entscheidung zu Grunde zu legen hat.

Der Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger ab Februar 2004 die im Jahre 2003 zunächst gewährte Gehaltserhöhung von 2,4% weiterzuzahlen. Ferner hat der Kläger einen Anspruch auf eine weitere Gehaltserhöhung von 1% ab dem 01.01.2004 und von weiteren 1% ab dem 01.05.2004. Der Anspruch folgt dabei nach obigen Ausführungen daraus, dass die Parteien in dem Arbeitsvertrag die Geltung der DRK-Arbeitsbedingungen vereinbart haben. Die von Präsidium und Präsidialrat im März 2003 beschlossene Übernahme des Tarifabschlusses für den öffentlichen Dienst sieht die geltend gemachten Ansprüche vor, die Inhalt der DRK-Arbeitsbedingungen und damit auch des Arbeitsvertrages der Parteien geworden sind.

Der Entscheidung über die zugesprochenen Zinsen beruht auf den §§ 286 Abs. 2, 288 Abs. 1 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Revision ist gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen worden.

Ende der Entscheidung

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