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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 26.07.2006
Aktenzeichen: 4 (9) Sa 927/05
Rechtsgebiete: KSchG


Vorschriften:

KSchG § 1
KSchG § 4
KSchG § 7
Auch die von einem Rechtsanwalt eingereichte Kündigungsschutzklage muss noch keinen ausformulierten Klageantrag enthalten, um die Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG zu wahren.
LANDESARBEITSGERICHT NÜRNBERG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

4 (9) Sa 927/05

Verkündet am 26. Juli 2006

in dem Rechtsstreit

wegen: Kündigung

Die 4. Kammer des Landesarbeitsgerichts Nürnberg hat durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Roth und die ehrenamtlichen Richter Wohlert und Käfferlein aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 26. Juli 2006

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 19.10.2005, Az.: 4 Ca 1741/05, wird auf Kosten der Berufungsführerin zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.06.2005 aufgrund der ordentlichen Arbeitgeberkündigung vom 11.02.2005.

Der am 01.06.1974 geborene Kläger war bei der Beklagten ab dem 01.09.1995 als Auszubildender beschäftigt und nach Abschluss der Ausbildung ab dem 01.08.1997 als Firmenberater. Er war der Filialdirektion in C... zugewiesen, in deren Bereich regelmäßig mehr als sechs Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden beschäftigt sind, und bezog zuletzt ein Bruttomonatsgehalt von EUR 4.300,--.

Die Beklagte mahnte den Kläger mit Schreiben vom 26.07.2004 (Kopie Bl. 57 d.A.) ab, da er trotz Aufforderung durch seinen Vorgesetzten nicht rechtzeitig vor einem Controllingtermin die Ergebnisprotokolle über die Jahresdurchsprache bei Großkunden vorgelegt hatte. In dem Schreiben wurde die Erwartung zum Ausdruck gebracht, dass der Kläger künftig Dienstanweisungen pünktlich und rechtzeitig erfüllt, insbesondere im Zusammenhang mit dem Controllingberichtswesen.

Der Kläger wurde mit Schreiben vom 16.11.2004 (Kopie Bl. 70, 71 d.A.) ein zweites Mal abgemahnt. In dem Schreiben werden dem Kläger drei Pflichtverstöße vorgehalten; zum einen, dass die Anmeldung zu einer Tagung verspätet erfolgt sei, er trotz ausdrücklicher Anweisung seines Vorgesetzten D... nicht umgehend mit einem Kunden eine Terminsvereinbarung getroffen habe und er eine Übersicht über die aktuellen Firmen-Jahresdurchsprachen der Agenturen sowie die Übersicht der erledigten Durchsprachen bei Großkunden statt am 12.11.2004 erst am 15.11.2004 vorgelegt habe.

Im Januar 2005 legte der Kläger eine Aufstellung über die Jahresdurchsprache bei Firmengroßkunden (Kopie Bl. 73 d.A.) vor.

Die Beklagte kündigte mit Schreiben vom 11.02.2005 (Kopie Bl. 8 d.A.) das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 30.06.2005.

Hiergegen hat der Kläger mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 23.02.2005 Klage zum Arbeitsgericht Nürnberg erhoben. Der Schriftsatz enthält keinen konkreten Feststellungsantrag, aber die Textpassage, dass Gründe, die eine Kündigung rechtfertigen würden, nicht gegeben seien und die Beklagte regelmäßig mehr als fünf Mitarbeiter beschäftige.

Wegen der Anträge der Parteien und ihres näheren Vorbringens im erstinstanzlichen Verfahren wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht Nürnberg hat mit Endurteil vom 19.10.2005 die Feststellung getroffen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 11.02.2005 nicht aufgelöst wurde.

Gegen das den Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 08.12.2005 zugestellte Urteil haben diese mit dem am Folgetag beim Landesarbeitsgericht Nürnberg eingegangenen Schriftsatz vom 12.12.2005 Berufung eingelegt und sie mit Telefax vom 03.02.2006, eingegangen beim Landesarbeitsgericht am selben Tag, begründet.

Die Beklagte meint, die Kündigung gelte bereits gemäß § 7 KSchG als sozial gerechtfertigt, da der Kläger innerhalb der dreiwöchigen Klagefrist des § 4 KSchG keine ordnungsgemäße Klage bei Gericht eingereicht habe. Dies deshalb, da die Klageschrift entgegen der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung in § 253 Abs. 2 Ziff. 2 ZPO keinen Sachantrag enthalte. Hierbei handele es sich bei einer anwaltlich vertretenen Klagepartei um keine zu strenge formale Anforderung, von der abgesehen werden könne.

Der Kündigung fehle auch nicht die soziale Rechtfertigung, denn sie beruhe auf dem Fehlverhalten des Klägers, die Jahresdurchsprachen beim Großkunden nicht wie angeordnet persönlich durchgeführt zu haben. Dieser Pflichtverstoß stehe in einem inneren Zusammenhang mit den beiden ihm gegenüber ausgesprochenen Abmahnungen. Die Abmahnung vom 26.07.2004 habe zwar die Berichtspflicht des Klägers über Jahresdurchsprachen bei Großkunden betroffen, es sei mittelbar auch die Verpflichtung, Jahresdurchsprachen bei Großkunden persönlich durchzuführen, Gegenstand dieser Abmahnung gewesen, da nur über etwas berichtet werden könne, was zuvor durchgeführt worden sei,. Damit sei der Kläger in hinreichend deutlicher Art und Weise darauf hingewiesen worden, dass ein Verstoß gegen die Besuchspflicht ebenfalls eine Kündigung nach sich ziehen werde. Wegen der Ähnlichkeit der Pflichtverletzung sei auch die in der zweiten Abmahnung vom 16.11.2004 gerügte unterlassene Terminsabsprache mit dem Kunden E... einschlägig. Ferner sei erneut die Berichtspflicht hinsichtlich der Durchsprachen bei Großkunden Gegenstand dieser Abmahnung gewesen und damit mittelbar auch die Besuchspflicht bei diesen Kunden.

Der Kläger habe im Jahr 2004 nicht wie von ihm verlangt die Jahresdurchsprachen bei Großkunden persönlich vorgenommen, sondern dies überwiegend den Mitarbeitern der Agenturen überlassen. Der Kläger habe damit gegen ausdrückliche Vorgaben verstoßen. Es könne ihr nicht zugemutet werden, ein Arbeitsverhältnis mit einem Firmenberater fortzuführen, der nicht willens sei, seinen Arbeitsaufgaben nachzugehen. Vom Kläger seien in diesem Zusammenhang keine Versicherungsnehmer bzw. Agenturen benannt worden, die sich einer persönlichen Durchsprache seitens des Klägers widersetzt hätten. Auch soweit von Agenturmitarbeitern Durchsprachen bereits durchgeführt worden seien, entbinde dies den Kläger nicht von der ihn treffenden Verpflichtung.

Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt:

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 19.10.2005, Az: 4 Ca 1741/05, wird abgeändert und die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt:

1. Die Berufung wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Zur Begründung trägt er vor, die Kündigungsschutzklage sei fristgerecht erhoben worden, denn aus dem Inhalt der Klageschrift ergebe sich zweifelsfrei, dass er die fehlende soziale Rechtfertigung der Kündigung vom 11.02.2005 geltend mache. Auch ohne einen förmlichen Klageantrag sei das Klageziel hinreichend deutlich geworden. An die Erhebung einer Kündigungsschutzklage seien keine zu strengen formalen Anforderungen zu stellen.

Die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt, denn es fehle an einem ausreichenden Kündigungsgrund und an einer erfolglosen einschlägigen Abmahnung. Der Beklagten sei bekannt, dass die Umsetzung der gewünschten Jahresdurchsprachen bei Großkunden durch die eigenen Firmenberater nur eingeschränkt möglich sei. Die Kundenbeziehungen würden nämlich auch bei Großkunden regelmäßig durch die Agenturen hergestellt und gepflegt und diese seien in der Entscheidung frei, ob eine Jahresdurchsprache überhaupt durchgeführt werde und hierbei andere als Agenturmitglieder weiter herangezogen werden sollen. Falls ein Agenturmitarbeiter eine Jahresdurchsprache durchgeführt habe, bestehe weder ein Interesse noch ein Bedarf, diese kurzfristig zu wiederholen. Selbst wenn für ihn die Verpflichtung bestanden hätte, neben dem Agenturmitarbeiter nochmals eine persönliche Jahresdurchsprache vorzunehmen, könne dies eine ordentliche Kündigung nicht ohne ausdrückliche einschlägige Abmahnung rechtfertigen. Die von der Beklagten herangezogenen Abmahnungen beträfen andere Pflichtenkreise, insbesondere die Einhaltung von Berichts- und Anmeldeterminen. Die in der Abmahnung vom 16.11.2004 gerügte nicht rechtzeitige Terminsabsprache mit dem Kunden E... habe keinen Großkunden betroffen und im Übrigen sei im Einvernehmen mit dem zuständigen Agenturmitarbeiter eine Terminsvereinbarung zeitnah getroffen worden.

Die Kündigung basiere letztlich auf einer Konfliktsituation mit seinem direkten Vorgesetzten D..., der offensichtlich versuche, ihm ein vertragswidriges und kündigungsrelevantes Verhalten zu unterstellen.

Bezüglich der näheren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die von ihnen im Berufungsverfahren eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Von einer weitergehenden Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist zulässig.

Sie ist statthaft, § 64 Abs. 1, Abs. 2c ArbGG, und auch in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO.

II.

Die Berufung ist sachlich nicht begründet.

Das Erstgericht hat im Ergebnis zutreffend festgestellt, dass die Kündigung der Beklagten vom 11.02.2005 das Arbeitsverhältnis nicht rechtswirksam zum 30.06.2005 aufgelöst hat.

1. Das Erstgericht ist rechtsfehlerfrei durch die Auslegung des mit Schriftsatz vom 23.02.2005 verfolgten Klagebegehrens zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klage der Prozessbevollmächtigten des Klägers die dreiwöchige Frist zur Klageerhebung gemäß § 4 S. 1 KSchG gewahrt hat und die Kündigung vom 11.02.2005 nicht bereits gemäß § 7 Halbs. 1 KSchG als von Anfang an rechtswirksam gilt.

Insoweit kann vollumfänglich auf die Ausführungen im Ersturteil unter II. 1. der Entscheidungsgründe Bezug genommen werden.

Dieses Auslegungsergebnis steht im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 21.05.1981 - 2 AZR 133/79 - AP Nr. 7 zu § 4 KSchG 1969; vom 09.03.1961 - 2 AZR 502/59 - AP Nr. 31 zu § 3 KSchG; vom 11.09.1956 - 3 AZR 163/54 - AP Nr. 8 zu § 3 KSchG), wonach zwar eine nach § 4 S. 1 KSchG zu erhebende Feststellungsklage wie andere Klagen auch den Voraussetzungen des § 253 Abs. 2 ZPO genügen muss, der Klagenantrag aber als Prozesshandlung auslegungsfähig ist. Entscheidend ist der geäußerte Parteiwille, wie aus Antrag, Begründung und sonstigen Umständen erkennbar wird. Dabei ist gerade im arbeitsgerichtlichen Verfahren ein großzügiger Maßstab anzulegen und es ist entscheidend, dass aus dem Antrag des Arbeitnehmers der Wille hinreichend deutlich hervorgeht, eine Kündigungsschutzklage zu erheben. Es genügt, dass aus der Klage ersichtlich ist, gegen wen sie sich richtet, wo der Kläger tätig war und dass er seine Kündigung nicht als berechtigt anerkennen will (so das BAG, a.a.O.).

Wie in dem vom Bundesarbeitsgericht im Urteil vom 11.09.1956 entschiedenen Fall enthält der zu Gericht eingereichte Schriftsatz vom 23.02.2005 noch keinen ausformulierten Feststellungsantrag, aber es wird hinreichend deutlich der Wille zum Ausdruck gebracht, eine bestimmte Kündigung anzugreifen, deren fehlende soziale Rechtfertigung geltend zu machen und zu diesem Zwecke eine Feststellungsklage zu erheben. In diesem Fall kann auch ohne ausdrücklich formulierten Antrag das Klagebegehren als solches im Rahmen des § 4 S. 1 KSchG ausgelegt werden.

Hierfür spricht im vorliegenden Fall, dass ausweislich der Klageschrift "Klage in Sachen... wegen Feststellung" erhoben werden sollte und in der Klagebegründung ausdrücklich auf die "mit Schreiben vom 11.02.2005 erklärte... ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses... zum 30.06.2005" Bezug genommen worden ist. Diesbezüglich sind Gründe, "die eine Kündigung rechtfertigen würden" bestritten worden und es wurde in diesem Zusammenhang vorgetragen, dass die Beklagte "regelmäßig mehr als fünf Mitarbeiter" beschäftigt.

Hieraus wird hinreichend deutlich, dass mit der Klage die fehlende soziale Rechtfertigung der angegebenen Kündigung gemäß § 4 S. 1 KSchG geltend gemacht werden sollte und zwar im Rahmen einer Feststellungsklage. Dies genügt, um auch bei Klageeinreichung durch einen Rechtsanwalt von einem ausreichend konkreten Klageantrag auszugehen.

Zwar bezogen sich die bisher vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fälle auf die Einreichung von Klagen durch die gekündigten Arbeitnehmer selbst. Der in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren anzulegende großzügige Maßstab beschränkt sich aber nicht auf den Fall der Klageeinreichung durch einen rechtsunkundigen Arbeitnehmer. Im Interesse des gekündigten Mitarbeiters gelten dieselben Grundsätze auch bei einer Klageeinreichung durch Prozessvertreter. Dies selbst dann, wenn dieser als besonders sachkundig anzusehen ist, weil es sich um einen Rechtsanwalt handelt.

2. Das Erstgericht hat mit zutreffender Begründung die soziale Rechtfertigung der ausgesprochenen Kündigung i.R.d. § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG verneint und deshalb die Kündigung als rechtsunwirksam gemäß § 1 Abs. 1 KSchG befunden.

Auch insoweit kann auf die Ausführungen im Ersturteil (unter II. 2. der Entscheidungsgründe) verwiesen und von einer rein wiederholenden Darstellung abgesehen werden.

Selbst wenn der Kläger im Jahre 2004 gegen die arbeitsvertragliche Verpflichtung verstoßen haben sollte, sämtliche Jahresdurchsprachen bei Großkunden persönlich durchzuführen, wäre die Vertragsverletzung nicht geeignet, die Kündigung vom 11.02.2005 sozial zu rechtfertigen. Da es diesbezüglich an einer ausreichend konkreten Abmahnung des Verhaltens des Klägers gefehlt hat, lässt sich eine negative Prognose im Hinblick auf sein zukünftiges Leistungsverhalten aus dem im Jahr 2004 gezeigten Verhalten nicht ableiten.

Wie das Erstgericht zutreffend ausführt, betrafen die von der Beklagten herangezogenen Abmahnungen vom 26.07.2004 und 16.11.2004 anders geartete konkrete Vorhaltungen und waren deshalb nicht geeignet, dem Kläger die Kündigungsrelevanz seines Verhaltens vor Augen zu führen.

In der Abmahnung vom 26.07.2004 wird dem Kläger explizit nur die Missachtung einer Terminsvorgabe "im Zusammenhang mit dem Controllingberichtswesen" vorgehalten. Zwar betraf der vom Kläger termingerecht zu erstellende Bericht "Ergebnisprotokolle über die Firmendurchsprache bei Großkunden", hieraus wird jedoch nicht klar erkennbar, bezüglich welcher Großkunden bis zu dem gesetzten Termin Ergebnisprotokolle vorliegen sollten und ob sich diese allein auf persönlich geführte Durchsprachen beziehen mussten und nicht auch Durchsprachen, die von Agenturmitarbeitern vorgenommen worden sind, umfassen durften.

Ähnlich verhält es sich mit der Abmahnung vom 16.11.2004, die sich explizit wiederum mit nicht eingehaltenen Terminsvorgaben beschäftigte, aber nicht mit der Frage, ob Durchsprachen bei Großkunden ausschließlich persönlich zu erledigen sind oder auch von Agenturmitarbeitern vorgenommen werden können, wenn diese es für sachdienlich halten bzw. ausdrücklich wünschen.

Auf letztere Umstände bezieht sich der Kläger bezüglich der von ihm vorgelegten Jahresübersicht (Kopie Bl. 73 d.A.) und des dort dokumentierten Umstands, dass im Jahr 2004 überwiegend Agenturmitarbeiter die Durchsprachen bei Firmengroßkunden vorgenommen hatten. Insoweit ging der Kläger davon aus, dass in Fällen, in denen Agenturmitarbeiter die Durchsprachen bei Firmengroßkunden bereits vorgenommen hatten bzw. dies ausdrücklich so wünschten, den Interessen der Beklagten entsprochen worden ist und sein Verhalten noch als vertragskonform angesehen wird.

Wenn die Beklagte nach Erhalt des Jahresberichts Mitte Januar 2005 eine Korrektur des Leistungsverhaltens des Klägers erreichen will, ist der Ausspruch einer diesbezüglich konkreten Abmahnung das geeignete arbeitsrechtliche Instrument hierzu und nicht die sofortige Kündigung des Klägers.

Ausreichende Gründe dafür, dem Kläger sei die Kündigungsrelevanz seines Verhaltens bewusst gewesen oder eine konkrete Abmahnung des gezeigten Leistungsverhaltens hätte zu keiner Änderung des künftigen Verhaltens geführt, werden von der Beklagten nicht vorgetragen.

3. Dem Erstgericht ist bei seiner rechtlichen Wertung ebenfalls beizupflichten, dass der Kündigung zumindest im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung der Erfolg versagt bleiben muss.

Auch insoweit kann auf die Ausführungen im Ersturteil (II. 3. der Entscheidungsgründe) verwiesen werden.

Selbst wenn die Abmahnung vom 16.11.2004 denselben Pflichtenkreis des Klägers betroffen haben sollte und er diesbezüglich als ausreichend hingewiesen und gewarnt anzusehen wäre, könnten die nach diesem Zeitpunkt vom Kläger begangenen Pflichtverstöße nicht als so gravierend beurteilt werden, dass sie angesichts seiner sozialen Daten und insbesondere der mehrjährigen Betriebszugehörigkeit geeignet wären, die Kündigung zum 30.06.2005 zu rechtfertigen. Ausweislich der vom Kläger vorgelegten Übersicht wurden nämlich im Jahr 2004 die Jahresdurchsprachen bei fast allen Firmengroßkunden durchgeführt und bestand für den Kläger keine erkennbare Veranlassung, nach Ausspruch der Abmahnung vom 16.11.2004 diesbezüglich bis zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung am 11.02.2005 verstärkt persönlich tätig zu werden. Auch insoweit wäre den Interessen der Beklagten ausreichend Rechnung getragen, hätte man den Kläger Anfang des Jahres 2005 darauf hingewiesen, dass in diesem Jahr die Durchsprachen ausschließlich von ihm selbst vorzunehmen sind, um der aktuellen Geschäftsstrategie seiner Vorgesetzten Rechnung zu tragen. Bezogen auf die Schwere des Pflichtverstoßes und dessen betrieblicher Auswirkungen wäre dem Interesse des Klägers an einem Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses der Vorrang einzuräumen.

III.

1. Die unterlegene Berufungsführerin hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.

2. Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG, denn im Hinblick auf die formellen Anforderungen an eine von einem Anwalt einzureichende Kündigungsschutzklage wird dem Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung beigemessen, da sich die bisherigen Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts mit Klagen befassten, die von den Arbeitnehmern selbst eingereicht worden sind.

Ende der Entscheidung

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