Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 12.03.2002
Aktenzeichen: 5 Ta 177/01
Rechtsgebiete: KSchG, ZPO


Vorschriften:

KSchG § 4
KSchG § 5
ZPO § 85 Abs. 2
Das Verschulden seines Prozessbevollmächtigten bei der Versäumung der Klagefrist des § 4 S. 1 KSchG muss sich der Arbeitnehmer nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen.
5 Ta 177/01

In dem Rechtsstreit

wegen Sonstiges

Die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Nürnberg hat durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Malkmus ohne mündliche Verhandlung

für Recht erkannt:

Tenor:

1.

Die sofortige Beschwerde des Klägers vom 08.10.2001 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 19.09.2001, Aktenzeichen: 15 Ca 7290/01, wird auf Kosten des Beschwerdeführers zurückgewiesen.

2.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger war seit 01.03.1999 bei der Beklagten beschäftigt. Mit Schreiben vom 17.07.2001, dem Kläger zugegangen am selben Tag, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 14.08.2001 und bot gleichzeitig die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Bedingungen an, nämlich auf der Grundlage eines reduzierten Stundenlohnes. Der Kläger hat der angebotenen Änderung mit Schreiben vom 25.07.2001 unter dem Vorbehalt zugestimmt, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen nicht sozial ungerechtfertigt sei.

Mit Schriftsatz vom 15.08.2001 - beim Arbeitsgericht am selben Tag eingegangen - ließ der Kläger durch die D... GmbH Kündigungsschutzklage erheben, verbunden mit dem Antrag, die Klage gemäß § 5 KSchG nachträglich zuzulassen. Das Arbeitsgericht hat den Antrag auf nachträgliche Klagezulassung mit Beschluss vom 19.09.2001 mit der Begründung abgewiesen, die Klagepartei sei trotz aller nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt nicht verhindert gewesen, die Klage innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung zu erheben. Der Klagepartei sei das Verschulden des Gewerkschaftssekretärs zuzurechnen. Auf den Inhalt des arbeitsgerichtlichen Beschlusses im Einzelnen wird Bezug genommen.

Gegen den am 24.09.2001 zugestellten Beschluss hat der Kläger mit Schriftsatz vom 08.10.2001, beim Landesarbeitsgericht Nürnberg am selben Tag eingegangen, Beschwerde einlegen lassen. Wegen des Beschwerdevorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf den Inhalt der Beschwerdebegründung sowie der Berufungserwiderung Bezug genommen.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig; sie ist statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt worden. In der Sache bleibt das Rechtsmittel aber ohne Erfolg.

Auf Antrag ist die Klage nachträglich zuzulassen, wenn ein Arbeitnehmer nach erfolgter Kündigung trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert war, die Klage innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung zu erheben (§ 5 Abs. 1 KSchG). Zwar hat der Kläger selbst durch Beauftragung des zuständigen Gewerkschaftssekretärs zur Klageeinreichung alle ihm nach Lage der Umstände zuzumutende Sorgfalt angewandt. Indes hat sein Prozessbevollmächtigter erst außerhalb der Frist des § 4 Satz 1 KSchG Klage gegen die Kündigung erhoben. Etwaiges Verschulden seines Prozessbevollmächtigten muss sich der Kläger gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen. Die Beschwerdekammer schließt sich dieser in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassung an (zum Meinungsstand vgl.: KR-Friedrich, 6. Aufl., § 5 KSchG RdNrn. 69 b ff; APS/Ascheid, § 5 KSchG RdNr. 27; LAG Niedersachsen, Beschluss vom 27.07.2000, LAGE § 5 KSchG Nr. 98).

Für die Anwendung des § 85 Abs. 2 ZPO im Rahmen des § 5 KSchG spricht, dass § 4 Satz 1 KSchG eine prozessuale Klageerhebungsfrist enthält (BAG vom 26.06.1986, AP Nr. 14 zu § 4 KSchG 1969). Wird die Prozesshandlung nicht von der Partei selbst, sondern von einem Bevollmächtigten vorgenommen, so wirkt sie für die Partei in gleicher Weise, als wäre sie von ihr selbst vorgenommen (§ 85 Abs. 1 Satz 1 ZPO); damit muss sie sich aber auch das Verschulden des Bevollmächtigten nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen (vgl. LAG Nürnberg vom 28.07.1987, § 5 KSchG 1969 Nr. 30; LAG Köln vom 26.07.1994, LAGE § 5 KSchG Nr. 67). § 85 Abs. 2 ZPO gilt über § 46 Abs. 2 ArbGG auch im arbeitsgerichtlichen Verfahren. Die Bestimmung ist Ausdruck eines allgemeinen Grundsatzes für Prozessvertretungen, der alle Prozesshandlungen und -unterlassungen umfasst, die sich auf den Rechtsstreit beziehen (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, 23. Aufl., § 85 RdNr. 1). Eine Differenzierung danach, ob das Verschulden während oder bei der Einleitung des Verfahrens stattfand, enthält § 85 Abs. 2 ZPO nicht (vgl. Grunsky, Anmerkung zu LAG Hamm, EzA § 5 KSchG Nr. 8).

Der Gewerkschaftssekretär der A..., dem der Kläger am 19.07.2001 den Auftrag zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage wegen der ausgesprochenen Änderungskündigung erteilt hatte, hat die Klagefrist schuldhaft versäumt. Im Rahmen der von dem Gewerkschaftssekretär abgegebenen eidesstattlichen Versicherung vom 10.08.2001 hat er darauf hingewiesen, dass er den Vorgang des Klägers auf Wiedervorlage für den 07.07.2001 (richtig wohl: 07.08.2001) gelegt, wegen dringender außerbetrieblicher Termine die Wiedervorlage aber nicht beachtet habe und erst am 10.07.2001 (richtig wohl: 10.08.2001) wieder im Büro gewesen sei und in die Wiedervorlage gesehen habe. Diese Darstellung lässt nicht ansatzweise erkennen, dass der Gewerkschaftssekretär die nach Lage der Umstände zuzumutende Sorgfalt bei der Klageerhebung beachtet hat. Die Klagefrist endete am 07.08.2001. Wenn der Gewerkschaftssekretär an einem solchen Tag außerbetriebliche Termine wahrnimmt, muss er gleichwohl sicher stellen, dass fristgebundene Vorgänge bearbeitet werden. Welche Vorkehrungen er für einen solchen Fall getroffen hat, wird nicht dargetan. Unerheblich ist dabei, dass es sich um das Verschulden eines Sekretärs der Einzelgewerkschaft A... handelte (a.A. LAG Bremen vom 23.07.1999, LAGE § 5 KSchG Nr. 96), denn der Kläger hat dem Gewerkschaftssekretär die Vollmacht zur Vertretung vor dem Arbeitsgericht Nürnberg erteilt.

Aber auch wenn aufgrund interner Abmachungen das Führungen von Prozessen kraft Zusammenarbeitsvertrag vom 21.04.1999 auf die D... GmbH delegiert ist und diese danach alleine befugt sein soll, fristwahrende Schritte zu unternehmen, so muss sich der Kläger auch deren Verschulden zurechnen lassen. Wenn im Rahmen der Gewerkschaftsorganisation der Rechtsschutz in der vorbeschriebenen Weise geregelt ist, so hat die D... GmbH die Behandlung von Fristsachen in der Weise zu organisieren, dass Fristversäumnisse im Rahmen des Möglichen ausgeschlossen sind. Eine solche Organisation hat ersichtlich nicht stattgefunden. Unzureichend ist jedenfalls der Hinweis, der Gewerkschaftssekretär B... sei von dem Teamleiter der D... GmbH und den Rechtssekretären regelmäßig auf den Ablauf von Fristen, insbesondere die 21-Tage-Frist aufmerksam gemacht worden. Für die Behandlung von Fristsachen im Rahmen des vom D... gewährten Rechtsschutzes müssen dieselben Grundsätze gelten, wie bei der Vertretung durch Rechtsanwälte. Für diese gilt die Verpflichtung, ihr Büro so zu organisieren, dass Fehlerquellen beim Eintragen und Behandeln von Fristen möglichst ausgeschlossen sind (BGH, NJW 88, 2804).

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Gegen diesen Beschluss kann der Kläger Rechtsbeschwerde gemäß nachstehender Rechtsmittelbelehrung einlegen (§ 78 Satz 2 ArbGG i.V.m. § 72 Abs. 2 Nrn. 1, 2 ArbGG).

Ende der Entscheidung

Zurück