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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 10.09.2002
Aktenzeichen: 6 (5) TaBV 41/01
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 1
BetrVG § 76 Abs. 5 S. 4
1. Der Betriebsrat hat auch in Fragen betrieblicher Ordnung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG das Initiativrecht.

2. Ein Spruch der auf Initiative des Gesamtbetriebsrats eingerichteten Einigungsstelle, der die Verpflichtung zum Tragen von Dienstkleidung festlegt, aber auch die Kostentragungspflicht des Arbeitgebers hierzu, ist zumindest dann nicht wegen Kompetenzüberschreitung der Einigungsstelle unwirksam, wenn der Arbeitgeber zuvor gegenüber den Mitarbeitern sein Interesse am Tragen einheitlicher Dienstkleidung zum Ausdruck gebracht hat.

3. In diesem Zusammenhang ist es auch nicht ermessensfehlerhaft, wenn diese verpflichtende Dienstkleidung dazu führt, dass der Arbeitgeber die Kosten hierfür tragen muss und im Anschaffungsjahr etwa 35 Euro, in den Folgejahren etwa 18 Euro Kosten pro Mitarbeiter anfallen.


LANDESARBEITSGERICHT NÜRNBERG IM NAMEN DES VOLKES BESCHLUSS

6 (5) TaBV 41/01

in dem Rechtsstreit

wegen Sonstiges

Die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts Nürnberg hat durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Nürnberg Vetter als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter Ziebarth und Stechhammer aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 16.07.2002

für Recht erkannt:

Tenor:

I.

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Weiden, Kammer Schwandorf, vom 10.10.2001 - Az. 5 BV 16/01 S - wird zurückgewiesen.

II.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit eines Einigungsstellenspruches zur Einführung und Kostentragungspflicht von Berufskleidung.

Die Antragstellerin betreibt eine Kette von Discount-Märkten. Sie hat unter dem 01.10.1998 mit dem Gesamtbetriebsrat eine "Betriebsordnung" vereinbart, in deren Ziff. 3.1 folgendes ausgeführt ist:

"Einteilung, Beginn und Ende der regelmäßigen Arbeitszeit und der Pausen werden im Einvernehmen mit dem Betriebsrat im Rahmen der gesetzlichen und tariflichen Bestimmungen festgesetzt.

Die genaue Arbeitszeit ist in der jeweiligen Filiale angegeben. Es gilt überall rechtzeitiges Erscheinen, d.h. beispielsweise, bei Ladenöffnung den Kunden bereits in Berufskleidung und mit betriebsbereiter Kasse zu empfangen. ..."

In Ziff. 9.1 der Betriebsordnung ist festgehalten, dass für die Arbeitnehmer eine saubere, ordentliche Kleidung und eine gepflegte Erscheinung unbedingt Voraussetzung sei.

Die Antragstellerin stellt ihren Mitarbeitern seit einiger Zeit verbilligte weiße Kittel als Berufskleidung zur Verfügung. Dieses Angebot wird von einer Vielzahl von Mitarbeitern angenommen. In von der Antragstellerin im Juli/August und September 2000 herausgegebenen Betriebszeitungen teilte diese den Arbeitnehmern unter anderem folgendes mit:

"In den letzten Wochen wurde auf Anregung vieler Mitarbeiter die Palette der Berufskleidung erweitert. Hierbei haben wir uns natürlich zur Aufgabe gemacht, gegenüber den bis jetzt vorhandenen Arbeitskitteln die Qualität noch zu verbessern. ... Die vorgestellten Artikel sind als Kaufangebot zu vergünstigten Preisen zu sehen. Ein Zwang zum Kauf dieser Artikel besteht nicht. Jedoch sollte die Möglichkeit genutzt werden, sich mit dem Unternehmen zu identifizieren und sich bei der Neuanschaffung aus der Modellpalette zu bedienen."

Die Änderung der Produktpalette hatte, obwohl die Antragstellerin die weißen Kittel noch immer unter ihrem Einkaufspreis an die Mitarbeiter abgab, eine Verteuerung des von den Beschäftigten zu zahlenden Kaufpreises zur Folge.

In der Folge verlangte der Antragsgegner, der bei der Antragstellerin auf Unternehmensebene gebildete Gesamtbetriebsrat, den Abschluss einer Gesamtbetriebsvereinbarung über das Tragen und die Kosten der Berufskleidung von der Antragstellerin. Eine Einigung kam zwischen den Beteiligten nicht zustande. In einem vom Antragsgegner beim Arbeitsgericht durchgeführten Verfahren auf Bestellung eines Einigungsstellenvorsitzenden kam es am 21.02.2001 vor dem Arbeitsgericht Weiden - Kammer Schwandorf - zu einem gerichtlichen Vergleich, in dem sich die Beteiligten auf die Bestellung des Richters am Arbeitsgericht H... zum Vorsitzenden einer entsprechenden Einigungsstelle einigten.

Die Einigungsstelle fasste am 29.05.2001 gegen die Stimmen der von der jetzigen Antragstellerin bestellten Beisitzer folgenden Spruch (Anlage zur Antragsschrift, Bl. 12 ff. d.A.):

"Gesamtbetriebsvereinbarung Berufskleidung

Präambel

Diese Gesamtbetriebsvereinbarung ergeht in Ausgestaltung der Gesamtbetriebsvereinbarung "Betriebsordnung" vom 1.10.1998 zum Thema Berufskleidung.

Die Firma stellt ihren Mitarbeitern in den Filialen Berufskleidung zur Verfügung. Durch eine Berufskleidung der Mitarbeiter soll ein sauberes und einheitliches Erscheinungsbild gegenüber den Kunden abgegeben werden.

...

2. Vorgeschriebene Berufskleidung

2.1.

Die Arbeitnehmer sind verpflichtet bei ihrer Tätigkeit als Berufskleidung einen weißen Kittel zu tragen.

2.2

An diesem Kittel sind ein Anstecker oder Aufnäher mit dem Firmenlogo des Arbeitgebers und ein Namensschild zu befestigen. Der Arbeitgeber hat den Arbeitnehmern diese Gegenstände unentgeltlich zur Verfügung zu stellen.

2.3

Die von den Arbeitnehmern darunter getragene Privatkleidung hat in einem sauberen und ordentlichen Zustand zu sein.

3. Erstausstattung und Ersatzbeschaffung

3.1

Der Arbeitgeber stellt den Arbeitnehmern als Berufskleidung (Ziff. 2.1) unentgeltlich weiße Kittel zur Verfügung. Diese Kittel bleiben Eigentum des Arbeitgebers. Die Reinigung übernehmen die Arbeitnehmer auf ihre Kosten.

3.2

Als Erstausstattung wird den bereits beschäftigten Arbeitnehmern bis spätestens zum 30.09.2001 bei einer Wochenarbeitszeit von bis zu 15 Stunden jeweils ein weißer Kittel und von mehr als 15 Stunden jeweils zwei weiße Kittel (für das Jahr 2001) unentgeltlich zur Verfügung gestellt.

3.3 Neu eintretende Arbeitnehmer ...

3.4

Als Ersatzbeschaffung stellt der Arbeitgeber den Arbeitnehmern bei einer Wochenarbeitszeit von bis zu 15 Stunden alle zwei Jahre und von mehr als 15 Stunden in jedem Kalenderjahr (ab 2002) jeweils einen weiteren Kittel unentgeltlich zur Verfügung.

3.5

Es besteht für die Arbeitnehmer keine Verpflichtung zur Abnahme der vom Arbeitgeber angebotenen Kittel. Diese können auch anderweitig erworben werden.

...

6. Geltungsdauer

Diese Gesamtbetriebsvereinbarung kann mit einer Frist von drei Monaten, erstmals zum 30.06.2003, gekündigt werden."

Der Spruch der Einigungsstelle wurde den Beteiligten mittels Empfangsbekenntnis zugestellt. Der Eingangsstempel beim Vertreter der Antragstellerin trägt das Datum 08.06.2001, derjenige beim Vertreter des Antragsgegners 02.06.2001.

Mit ihrem am 22.06.2001 beim Arbeitsgericht Weiden eingegangenen, gleichzeitig begründeten Antrag hat die Antragstellerin geltend gemacht, der Einigungsstellenspruch sei rechtsunwirksam. Sie hat die Auffassung vertreten, die Einigungsstelle habe ihre Kompetenzen überschritten mit der Folge, dass der Spruch nichtig sei. Die Einführung einer verbindlichen Berufskleidung gehöre nicht zu denjenigen Materien, die nach dem Betriebsverfassungsgesetz vom Betriebsrat erzwungen werden könnten. Die Betriebsordnung vom 01.10.1998 enthalte keine Verpflichtung zum Tragen von weißen Kitteln oder einer sonstigen speziellen Berufskleidung. Sie, die Antragstellerin, habe dies auch nicht anderweitig von den Mitarbeitern verlangt, habe lediglich Wert auf ordentliche Kleidung gelegt. Ihr - der Antragstellerin - zum Ausdruck gebrachtes Interesse an einem einheitlichen Erscheinungsbild, das durch das Tragen der weißen Kittel gewährleistet sei, könne nicht als Zwang interpretiert werden. Sowohl in Ziff. 3.1 als auch in Ziff. 9.1 der Betriebsordnung werde daher lediglich auf die Verpflichtung zum Tragen einer ordentlichen Kleidung hingewiesen, eine bestimmte oder spezielle Kleidung werde dort nicht verlangt. Auch in der Vergangenheit habe zwar ein großer Teil der Mitarbeiter vom Angebot des Kaufs verbilligter weißer Kittel Gebrauch gemacht, es hätten aber nicht alle Arbeitnehmer weiße Kittel getragen. Grund für den verbilligten Kauf der weißen Kittel sei für die Arbeitnehmer gewesen, dass sie hierbei ihre eigene Kleidung hätten schonen können. Beim Verlangen des Arbeitgebers, ordentliche Kleidung zu tragen, habe der Betriebsrat kein Mitbestimmungsrecht.

Die Antragstellerin meint, der Spruch der Einigungsstelle sei auch ermessensfehlerhaft, weil ihr durch die dort festgelegte Verpflichtung zur Kostenübernahme übermäßig hohe Aufwendungen entständen. Allein die Erstausstattung führe bei 12.000 Arbeitnehmern und zwei Kitteln pro Arbeitnehmer bei einem Preis von 35,- DM pro Kittel zu einer Belastung von über 700.000,- DM. Hierdurch werde sie als Arbeitgeberin übermäßig benachteiligt, die Arbeitnehmer, die ihre eigene Kleidung nicht abzunutzen bräuchten, würden übermäßig bevorzugt. Der Einigungsstellenspruch befasse sich rechtsfehlerhaft nicht mit den anfallenden Kosten.

Die antragstellende Beteiligte zu 1.) hat daher im Verfahren vor dem Arbeitsgericht folgenden Antrag gestellt:

Es wird festgestellt, dass der Spruch der Einigungsstelle vom 29.05.2001 - Gesamtbetriebsvereinbarung Berufskleidung - rechtsunwirksam ist.

Der Beteiligte zu 2.) und Antragsgegner hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Er hat im wesentlichen ausgeführt, er halte die Anfechtung des Spruches für verfristet, weil nicht glaubhaft sei, dass die Antragstellerin den Spruch erst am 08.06.2001 erhalten habe, zumal der Spruch am 01.06.2001 auf den Postweg gebracht worden sei. Im übrigen sei der Spruch nicht fehlerhaft. Die Antragstellerin habe in der Firmenzeitung und auch sonst immer wieder zum Ausdruck gebracht, sie habe ein Interesse an einem einheitlichen Erscheinungsbild des Verkaufspersonals. Aus diesem Grund sei in allen Märkten Berufskleidung in Form von weißen Kitteln getragen worden. Die Interessen der Antragstellerin seien ausreichend berücksichtigt, weil die betroffenen Arbeitnehmer die Reinigung der Kittel auf ihre eigenen Kosten übernehmen müssten.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 10.10.2001 abgewiesen.

Es hat seine Entscheidung im wesentlichen damit begründet, die Zuständigkeit der Einigungsstelle ergebe sich aus § 87 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 BetrVG. Die Einführung einer einheitlichen Berufskleidung sei eine Frage der Ordnung des Betriebes. Hiermit verbunden sei ein Initiativrecht des Betriebsrats. Das Mitbestimmungsrecht stehe nicht unter dem Vorbehalt der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit; deren Einschränkung sei vom Gesetz gewollt und vorgesehen. Eine Einschränkung des Mitbestimmungsrechts ergebe sich auch nicht aus dessen Sinn und Zweck; es habe in der Nr. 1 des § 87 Abs. 1 BetrVG nämlich nicht nur abwehrende Funktion, zumal die frühere Betriebsordnung das Tragen von Berufskleidung vorgesehen habe und die Antragstellerin in der Betriebsordnung ein Interesse hieran geäußert habe. Die Kompetenz der Einigungsstelle erstrecke sich auch auf die Kostentragungspflicht von der Mitbestimmung unterliegenden Maßnahmen. Dabei sei zu beachten, dass eine einseitige Belastung der Arbeitnehmer mit den Kosten unzulässig sei. Der Spruch der Einigungsstelle verletze nicht Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer.

Das Arbeitsgericht hat weiter ausgeführt, es bestehe kein Anlass, im Hinblick auf den Zugang des Einigungsstellenspruches bei den Antragstellerinvertretern an der Richtigkeit des Eingangsstempels zu zweifeln, so dass eine Ermessensüberprüfung des Einigungsstellenspruches möglich sei. Die Einigungsstelle habe bei der Kostenregelung das ihr zustehende Ermessen aber nicht verletzt. Der Arbeitgeber sei grundsätzlich zur Tragung der Kosten einer einheitlichen Berufskleidung verpflichtet. Den der Antragstellerin entstehenden Kosten stehe der Vorteil des repräsentativen Auftretens aller Mitarbeiter gegenüber.

Der Beschluss des Arbeitsgerichts ist Antragstellerin ausweislich des Empfangsbekenntnisses ihrer Vertreter am 19.10.2001 zugestellt worden. Die Beschwerde der Antragstellerin vom 16.11.2001 ist beim Landesarbeitsgericht am selben Tag eingegangen. Die Beschwerdebegründung ist nach bis 17.01.2002 verlängerter Begründungsfrist ausweislich des gerichtlichen Eingangsstempels erst am Montag, den 21.02.2002 beim Landesarbeitsgericht eingegangen.

Die Antragstellerin hat mit Schreiben vom 18.01.2002, beim Landesarbeitsgericht ebenfalls eingegangen am 21.01.2002, Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist beantragt. Sie hat diesen Antrag damit begründet, der Schriftsatz sei am 17.01.2002 gefertigt, unterschrieben und der Rechtsanwaltsfachangestellten M... zur Weiterleitung per Telefax übergeben worden. Sie habe die ordnungsgemäße Übertragung durch Kontrolle des Fax-Berichtes überprüfen sollen. Die Angestellte habe den Schriftsatz aufs Fax-Gerät gelegt und festgestellt, dass die Übertragung nicht möglich gewesen sei. Sie habe sodann den Service "Mehrfachwahl" eingeschaltet, den Dienst beendet und sich nach Hause begeben. Am 18.01.2002 habe sie festgestellt, dass die Übertragung nicht gelungen sei. Die Rechtsanwaltsfachangestellte habe ihre Prüfung im Jahr 1999 mit "gut" bestanden und sei seit 01.10.2001 in der Kanzlei der Antragstellervertreter beschäftigt. Sie habe ihre bisherigen Aufgaben bis zu diesem Zeitpunkt mit äußerster Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit erfüllt, insbesondere stets die Weisung befolgt, den Eingang eines Telefaxes durch Überprüfung des Sendeberichts zu kontrollieren. Die Antragstellerin hat hierzu eine Eidesstattliche Versicherung der Rechtsanwaltsangestellten sowie eine Kopie eines Sendeberichtes vom 17.01.2002 vorgelegt (S. 2 f. des Schriftsatzes des Antragstellerinvertreters vom 18.01.2002, Bl. 93 f. d.A. und Anlage hierzu Bl. 95 d.A.). Der zuständige Angestellte beim Landesarbeitsgericht Nürnberg hat auf Befragung erklärt, ihm sei am damaligen Tag ein Defekt des Faxgeräts nicht aufgefallen. Allerdings seien am Morgen des 18.01. und am Morgen des 22.01.2002 keine eingegangenen Telefaxe vorgefunden worden. Dies komme mitunter vor.

Zur Begründung ihrer Beschwerde hat die Antragstellerin ausgeführt, es habe im Betrieb zu keinem Zeitpunkt die Verpflichtung bestanden, eine einheitliche Berufskleidung, etwa in Form von weißen Kitteln, zu tragen. Sie habe dies von den Arbeitnehmern weder in der Vergangenheit verlangt, noch plane sie dies in Zukunft zu verlangen. Es sei auf die Mitarbeiter kein Zwang ausgeübt worden, die von ihr subventionierten Kittel zu erwerben. Aus diesem Grund bestehe auch kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats zur Regelung dieser Frage. Die Einigungsstelle habe dieses Mitbestimmungsrecht fehlerhaft angenommen; sie sei aber nicht zuständig, habe keine Kompetenz zur Regelung über das Mitbestimmungsrecht hinaus. Ihr Spruch sei daher rechtsunwirksam und verletze sie, die Arbeitgeberin, in ihren gesetzlichen Rechten. Es sei falsch, dass sich eine Verpflichtung der Arbeitnehmer zum Tragen von Berufskleidung aus der Betriebsordnung ergebe. Dort sei ausschließlich die selbstverständliche Pflicht geregelt, sich dem Publikum in angemessener Weise zu präsentieren. Dies könne der Arbeitgeber, wie sich aus Rechtsprechung und Literatur ergebe, mitbestimmungsfrei von den Arbeitnehmern verlangen. Dies habe das Arbeitsgericht verkannt. Im übrigen habe die Einigungsstelle auch ihr Ermessen überschritten, da sie die mit über 700.000,- DM entstehende übermäßige Belastung der Antragstellerin durch die Anschaffungspflicht nicht ausreichend berücksichtigt habe. Der Spruch enthalte diesbezüglich keinerlei Abwägung von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressen.

Die Beteiligte zu 1.) stellt als Beschwerdeführerin daher folgende Anträge:

1.

Es wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist gewährt.

2.

Der Beschluss des Arbeitsgerichts Weiden vom 10.10.2001 - Az. 5 BV 16/01 S - wird abgeändert.

3.

Es wird festgestellt, dass der Spruch der Einigungsstelle vom 29.05.2001 - Gesamtbetriebsvereinbarung Berufskleidung - rechtsunwirksam ist.

Der Beteiligte zu 2.) stellt den Antrag,

den Antrag auf Wiedereinsetzung und die Beschwerde zurückzuweisen.

Er hält die Beschwerde für unzulässig, weil der Wiedereinsetzungsantrag nicht begründet sei und daher die Beschwerdebegründungsfrist versäumt sei. Die Vertreter der Antragstellerin hätten es versäumt, durch organisatorische Maßnahmen sicher zu stellen, dass dann, wenn ein Störfall Anlass zu Zweifeln am Gelingen der Übertragung gebe, der Übermittlungsvorgang vollständig wiederholt werde oder durch einen Rechtsanwalt über geeignete andere Maßnahmen entschieden werde. Die Beschwerde sei aber auch unbegründet. Im Betrieb der Antragstellerin sei zurückliegend Berufskleidung getragen worden, werde heute noch Berufskleidung getragen. Dies sei auch aus den Bestimmungen der Betriebsordnung erkennbar, nach denen die Arbeitnehmer verpflichtet seien, die Kunden in Berufskleidung zu empfangen. Die Antragstellerin habe ein neues Sortiment an Berufskleidung einführen wollen. Auf Initiative des Gesamtbetriebsrats sei über Art und Umfang sowie Kosten der Kleidung verhandelt worden; diese Verhandlungen seien gescheitert. Die Antragstellerin selbst habe in der Firmenzeitung ihren Wunsch geäußert, dass die Mitarbeiter sich nach außen erkennbar durch die Berufskleidung mit dem Unternehmen identifizierten. Damit bestehe auch ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats. Im übrigen seien Mitarbeiter danach beurteilt worden, ob sie geschlossene weiße Kittel getragen hätten. Die Kosten seien als maßvoll anzusehen, wobei der Gesamtbetriebsrat habe berücksichtigen müssen, dass auch die Arbeitnehmer nicht mit übermäßigen Kosten belastet würden.

Die Antragstellerin bestreitet, dass Mitarbeiter nach dem Tragen von weißen Kitteln und Namensschildern beurteilt worden seien.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf Ziffer I der Gründe des Beschlusses des Erstgerichts vom 22.06.2001 (Bl. 40 ff. d.A.), die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht vom 16.07.2002 (Bl. 123 ff. d.A.) und die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

1.

Die Beschwerde ist zulässig (§§ 87 ff. ArbGG). Sie ist insbesondere in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt worden (§§ 89 Abs. 1, Abs. 2 S. 1, 87 Abs. 2, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 518, 519 ZPO, 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG, jeweils in der bis 31.12.2001 geltenden Fassung, vgl. § 26 Nr. 5 EG-ZPO).

Entgegen der Meinung des Beschwerdegegners ist die Beschwerde nicht wegen versäumter Begründung unzulässig. Zwar war die Beschwerdebegründungsfrist versäumt, weil die Antragstellerin den Antrag nicht innerhalb nachgelassener Frist bis Donnerstag, den 17.01.2002, beim Landesarbeitsgericht eingereicht hat. Der Antragstellerin ist jedoch Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zu gewähren, weil die Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist als unverschuldet anzusehen ist (§§ 87 Abs. 2, 66 Abs. 6 ArbGG, 233 ff. ZPO in der bis 31.12.2001 geltenden Fassung, vgl. § 26 Nr. 5 ZPO).

Unstrittig kann der von der Partei bzw. dem Beteiligten beauftragte Rechtsanwalt die Übertragung einfacher Tätigkeiten seinem Hilfspersonal zur selbständigen Erledigung übertragen. Hierzu gehören auch und gerade die Übermittlung von Schriftstücken, ob durch Versendung von Post oder durch Übermittlung durch Telefax (Einzelheiten und weitere Nachweise vgl. bei Zöller-Greger, ZPO, 23. Aufl. 2002, § 233 RdNr. 23 Stichworte "Büropersonal und -organisation" sowie "Telefax"). Dieses Büropersonal muss sorgfältig ausgewählt sein, der Rechtsanwalt muss es auf Eignung und Zuverlässigkeit hin laufend überwachen. Vorliegend steht nach den Darlegungen der Beschwerdeführerin in Verbindung mit den vorgelegten Eidesstattlichen Versicherungen zur Überzeugung der Kammer fest, dass die ausgebildete Rechtsanwaltsgehilfin eine geeignete Person war, diese Tätigkeit auszuführen. Fest steht auch die Anweisung, die ordnungsgemäße Übermittlung festzustellen. Das Versäumnis der Fachangestellten, die Feststellung ordnungsgemäßer Übermittlung nicht vorzunehmen, den Sendebericht nicht abzuwarten und zu kontrollieren, sondern nur auf Wahlwiederholung zu schalten und nach Hause zu gehen, stellt ein Versäumnis dar. Der Vertreter der Antragstellerin hat auf Rüge der Beteiligten zu 2.) auch im einzelnen vorgetragen und glaubhaft versichert, dass dieses Versäumnis für die Fristversäumung ursächlich war, weil bei ordnungsgemäßem Verhalten der Angestellten eine rechtzeitige Übermittlung des Schriftsatzes ans Landesarbeitsgericht bewirkt worden wäre. Die Kammer sieht keinen Anlass, an der Richtigkeit dieser Versicherungen zu zweifeln. Das von der Angestellten begangene Versäumnis ist der beschwerdeführenden Antragstellerin damit nicht als Verschulden zuzurechnen.

Die Beschwerdeführerin hat rechtzeitig innerhalb der Frist des § 234 ZPO Wiedereinsetzung beantragt; die Form des Wiedereinsetzungsantrags entspricht den Voraussetzungen des § 236 ZPO, insbesondere sind die die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen vorgetragen und ordnungsgemäß glaubhaft gemacht. Die Beschwerdebegründung ist ordnungsgemäß innerhalb der Frist beim Landesarbeitsgericht eingegangen. Wiedereinsetzung ist damit zu gewähren. Damit erweist sich die Beschwerdebegründungsfrist als gewahrt.

2.

Die Beschwerde ist aber nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat den Antrag der Arbeitgeberin zu Recht abgewiesen. Die Beschwerdekammer folgt zunächst den sorgfältigen, umfassenden und in keinem Punkt zu beanstandenden Ausführungen des Erstgerichts, so dass insoweit auf eine nur wiederholende Darstellung verzichtet werden kann (entsprechend § 543 Abs. 1 ZPO in der bis 31.12.2001 geltenden Fassung; zur entsprechenden Geltung dieser Vorschrift im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren vgl. BAG vom 31.01.1985, AP Nr. 2 zu § 92 ArbGG 1979; Grunsky, ArbGG, 7. Aufl. 1995, § 91 RdNr. 3).

3.

Nur ergänzend wird im Hinblick auf die in der Beschwerde dargestellten Erwägungen der Beteiligten hinzugefügt:

a.

Auch die Beschwerdekammer sieht keine Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin die Anfechtung des Einigungsstellenspruches nicht innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Spruchs beim Arbeitsgericht eingereicht und begründet hätte (§ 76 Abs. 5 letzter Satz BetrVG). Das von den Vertretern der Antragstellerin ausgefüllte Empfangsbekenntnis stellt nach § 174 ZPO eine Privaturkunde im Sinne des § 416 ZPO dar. Diese entfaltet bis zum Beweis des Gegenteils Beweiskraft (Einzelheiten bei Zöller-Stöber, a.a.O., § 174 RdNr. 18). Der Beteiligte zu 2.) hat entsprechende Beweise nicht angeboten. Allein die zeitlich spätere Angabe der Antragstellerinvertreter im Verhältnis zum vom Antragsgegnervertreter angegebenen Datum genügt hierfür nicht, zumal es für den Empfang auf die Kenntnisnahme des Anwalts und nicht den Eingang in der Anwaltskanzlei ankommt.

b.

Die Einigungsstelle hat ihre Kompetenz zur Entscheidung über die Einführung und Kostentragung der Berufskleidung nicht überschritten. Hierbei steht auch für die Kammer fest, dass es sich bei der Frage, ob die Arbeitnehmer eine nicht durch gesetzliche Vorschriften oder Vorgaben der Berufsgenossenschaft angeordnete Dienstkleidung zu tragen haben, um eine Frage der Ordnung des Betriebes im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG handelt, so dass das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats hierfür grundsätzlich eröffnet ist (BAG vom 08.08.1989 - 1 ABR 65/88 - EzA § 87 BetrVG 1972 Betriebliche Ordnung Nr. 13, BAG vom 01.12.1992 -1 AZR 260/92 - EzA § 87 BetrVG 1972 Betriebliche Ordnung Nr. 20; GK-Wiese, BetrVG, 7. Aufl. 2002, § 87 RdNr. 210; Fitting u.a., BetrVG, 21. Aufl. 2002, § 87 RdNr. 71; Richardi, BetrVG, 8. Aufl. 2002, § 87 RdNr. 188, jeweils mit weiteren Nachweisen). Davon geht auch die Antragstellerin aus. Vorliegend ist Arbeitsnotwendigkeit dieser Kleiderordnung nicht behauptet, so dass nicht das Arbeitsverhalten betroffen ist. Auch der kollektive Bezug ist gegeben.

c.

Streitig ist zwischen den Beteiligten im wesentlichen, ob dieses Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bzw. Gesamtbetriebsrats auch das Verlangen beinhaltet, eine solche Dienstkleidung einzuführen, wenn der Arbeitgeber die Tragung von Dienstkleidung selbst nicht von den Arbeitnehmern verlangt oder verlangt hat. Letztlich geht es hierbei um die Frage, ob das zuständige Betriebsverfassungsorgan ein Initiativrecht zur Regelung dieser Frage auch gegen den Willen des Arbeitgebers besitzt.

aa.

Ein solches Initiativrecht ist im Rahmen der Tatbestände des § 87 Abs. 1 BetrVG grundsätzlich zu bejahen; das Gesetz unterscheidet bei der Möglichkeit, die Einigungsstelle anzurufen, nicht zwischen der Initiative des Arbeitgebers und derjenigen des Betriebsrats: Diese Möglichkeit besteht nach § 87 Abs. 2 BetrVG für beide Betriebspartner gleichermaßen (so schon BAG vom 14.11.1974 - 1 ABR 65/73 - EzA § 87 BetrVG 1972 Initiativrecht Nr. 2; umfangreiche Nachweise bei Richardi, a.a.O., § 87 RdNrn. 68 ff.; bei GK-Wiese, a.a.O., § 87 RdNrn. 135 ff.; bei Fitting, a.a.O., § 87 RdNrn. 583 ff. mit dem Hinweis auf die entsprechende Ablehnung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung im Bundestag, BT-Drs. VI, 2729, S. 4).

bb.

Die Kammer geht jedoch mit der herrschenden Meinung davon aus, dass dieses Initiativrecht nicht uneingeschränkt besteht. Vielmehr kann sich aus dem Sinn und Zweck der Regelung eine Einschränkung des Initiativrechts ergeben, insbesondere wenn sich aus der Konzeption und Auslegung des Gesetzes ergibt, dass das Mitbestimmungsrecht auf eine Abwehr von Maßnahmen des Arbeitgebers beschränkt ist (vgl. etwa BAG vom 25.10.1977 - 1 AZR 452/74 - AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit bezüglich Wegfalls von Überstunden; BAG vom 04.03.1986 - 1 ABR 15/84 - EzA § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit Nr. 17 unter B.II.3.e. und f. der Gründe bezüglich Einführung von Kurzarbeit; BAG vom 28.11.1989 - 1 ABR 97/88 - EzA § 87 BetrVG 1972 Kontrolleinrichtung Nr. 18 bezüglich Wegfalls von Kontrolleinrichtungen; BAG vom 25.02.1997 - 1 AZR 642/96 - ZTR 97, 574; BAG vom 21.10.1997 - 1 AZR 102/97 - ZTR 1998, 269 bezüglich Wegfalls von Überstunden; GK-Wiese, a.a.O., § 87 RdNrn. 137 ff.; Stege/Weinspach/Schiefer, BetrVG, 9. Aufl. 2002, § 87 RdNrn. 20 ff.; Richardi, a.a.O., § 87 RdNr. 72; a.A. Fitting, a.a.O., § 87 RdNr. 589, der eine Einschränkung des Initiativrechts ablehnt).

cc.

Eine solche Einschränkung nach Sinn und Zweck des Mitbestimmungsrechts dahingehend, dass es sich um ein reines Abwehrrecht gegen Arbeitgebermaßnahmen handeln würde, kann die Kammer vorliegend nicht erkennen. Zwar hat die Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG auch den Zweck, das Direktionsrecht des Arbeitgebers einzuschränken; sie hat darüber hinaus aber auch die Funktion, die gleichberechtigte Teilhabe der von ihm repräsentierten Arbeitnehmer an einer Entscheidung des Arbeitgebers zu gewährleisten (vgl. z.B. BAG vom 08.11.1994 - 1 ABR 22/94 - EzA § 87 BetrVG 1972 Nr. 21; BAG vom 19.01.1999 - 1 AZR 499/98 - EzA § 87 BetrVG 1972 Betriebliche Ordnung Nr. 24 unter A.II.4.d.aa. der Gründe; weitere Nachweise bei GK-Wiese, a.a.O., § 87 RdNr. 170 und bei Stege/Weinspach/Schiefer, a.a.O., § 87 RdNr. 43). Es handelt sich also nicht um ein bloßes Abwehrrecht. Damit bestehen gegen die Einräumung eines Initiativrechts des Betriebsrats im Rahmen des § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG - deutlich wird dies etwa bei Einführung von Rauchverboten, Alkoholverboten oder ähnlichem - keine Bedenken (so schon BAG vom 24.03.1981 - 1 ABR 32/78 - EzA § 87 BetrVG 1972 Betriebliche Ordnung Nr. 6, wo das Initiativrecht im Rahmen des § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG ausdrücklich bejaht und der Antrag aus anderen Gründen abgewiesen wird; BAG vom 28.04.1981 - 1 ABR 53/79 - EzA § 87 BetrVG 1972 Vorschlagswesen Nr. 2 unter B.II.2.b. der Gründe; BAG vom 28.04.1981 - 1 ABR 21/78 - nicht veröffentlicht, beide Entscheidungen zur vom Betriebsrat gegen den Willen des Arbeitgebers verlangten Einführung einer bisher nicht vorhandenen Betriebsvereinbarung über Verbesserungsvorschläge; im Ergebnis auch LAG Hamburg vom 10.07.1991 - 8 TaBV 3/91 - LAGE § 87 BetrVG 1972 Betriebliche Ordnung Nr. 8 zur Einführung einer Regelung über Krankengespräche gegen den Willen des Arbeitgebers). Am fehlenden Initiativrecht des Betriebsrats scheitert die Regelungsbefugnis der Betriebspartner und damit der Einigungsstelle damit nicht.

dd.

Eine solche Regelung scheitert, wie das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt hat, auch nicht daran, dass hiermit unzulässigerweise in die unternehmerische Entscheidungsfreiheit des Arbeitgebers eingegriffen würde. Dabei kann dahinstehen, ob diese zusätzliche Einschränkung überhaupt anzuerkennen ist oder ob nicht die Einschränkung, die sich aus der Auslegung, insbesondere aus dem Sinn und Zweck des Mitbestimmungsrechts ergibt, ausreichendes Korrektiv dafür ist, dass nicht unzulässigerweise in die verfassungsrechtlich garantierte Freiheit des Unternehmers eingegriffen wird (Einzelheiten zum Streit vgl. GK-Wiese, a.a.O., § 87 RdNrn. 141 ff.; Stege/Weinspach/Schiefer, a.a.O., § 87 RdNrn. 21 ff.; Richardi, a.a.O., RdNrn. 41 ff.; DKK-Klebe, a.a.O., § 87 RdNr. 20). Ein allgemeiner Regelungsvorbehalt, dass die unternehmerische Freiheit überhaupt nicht tangiert werden dürfte, besteht jedenfalls nicht (so ausdrücklich BAG vom 31.08.1982 - 1 ABR 27/80 - und vom 04.03.1986 - 1 ABR 15/84 - EzA § 87 BetrVG 1972 Nrn. 13 und 17). Wie bereits ausgeführt, ist vorliegend die Mitbestimmung nicht nach ihrem Sinn und Zweck dahingehend eingeschränkt, dass ein Initiativrecht des zuständigen Betriebsverfassungsorgans nicht eröffnet wäre. Ein unzulässiger Eingriff in den Kernbereich der unternehmerischen Freiheit liegt durch die getroffene Regelung nicht vor. Soweit die Antragstellerin durch den Spruch - aus ihrer Sicht - "gezwungen" wird, einheitliche Kleidung ihrer Angestellten hinzunehmen, ist ein gravierender Eingriff in die Interessen der Antragstellerin nicht erkennbar. Die Antragstellerin selbst hat die Mitarbeiter auf die Möglichkeit zum Erwerb der Dienstkleidung hingewiesen, sie selbst bietet derartige Kleidung an. Sie hat damit zum Ausdruck gebracht, dass das Tragen einer solchen Kleidung ihren Interessen jedenfalls nicht zuwiderläuft. Entgegenstehende Interessen ihrerseits am Tragen einer solchen Kleidung sind in keiner Weise ersichtlich. Soweit die Antragstellerin gezwungen wird, Kosten für diese Kleidung zu tragen, liegt zwar ein Eingriff in ihre unternehmerische Freiheit vor. Ein solcher Eingriff, der in der aus dem Mitbestimmungsrecht folgenden Kostenbelastung liegt, ist jedoch nicht von vorneherein ausgeschlossen (BAG vom 28.04.1981 - 1 ABR 53/79 - EzA § 87 BetrVG 1972 Vorschlagswesen Nr. 2 unter B.II.2.b. der Gründe; BAG vom 28.04.1981 - 1 ABR 21/78 - nicht veröffentlicht; Richardi, a.a.O., § 87 RdNrn. 38 f.). Die höhere Kostenbelastung ergibt als Annex aus dem Mitbestimmungsrecht, soweit es sich um notwendigerweise mit diesem Mitbestimmungsrecht verbundene Kosten handelt (BAG vom 08.03.1977 - 1 ABR 33/75 -, vom 24.11.1987 - 1 ABR 25/86 - und vom 05.03.1991 - 1 ABR 41/90 -, EzA § 87 BetrVG 1972 Lohn u. Arbeitsentgelt Nrn. 6, 14 und 15). Für manche Mitbestimmungstatbestände des § 87 BetrVG, etwa die Einführung von Maßnahmen zum Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer, versteht sich dies wohl von selbst: Sonst bestünde das Mitbestimmungsrecht nur, wenn diese Maßnahmen kostenneutral wären. Dies wird wohl nirgendwo vertreten.

ee.

Soweit das Bundesarbeitsgericht die Zuständigkeit der Betriebspartner zur Regelung der Kostentragung der Berufskleidung verneint hat (BAG vom 01.12.1992 - 1 AZR 260/92 - EzA § 87 BetrVG 1972 Betriebliche Ordnung Nr. 20), geschah dies nicht aus Gründen, die in der unternehmerischen Freiheit des Arbeitgebers liegen. Vielmehr hat das BAG in dieser Entscheidung die Auferlegung der Kosten gegenüber den Arbeitnehmern als unwirksam angesehen, weil die Betriebspartner in deren vertragliche Rechtsstellung zu deren Lasten unzulässig eingegriffen hätten. Dies hat mit der unternehmerischen Freiheit nichts zu tun. Im Gegenteil: Folgt man dieser Entscheidung, dann würde die Antragstellerin die Kosten selbst dann zu tragen haben, wenn die Einigungsstelle über diese Kosten keine Regelung getroffen hätte. Dann hätte die Regelung der Kostentragung nur deklaratorische Bedeutung, keine normativ-konstitutive Wirkung. Die Rechte der Antragstellerin sind durch diese Regelung damit nicht verletzt. Im übrigen bliebe der Einigungsstellenspruch auch dann relevant, wenn die Aufnahme der Kostentragungspflicht des Arbeitgebers im Spruch unwirksam wäre. Einigungsstellensprüche haben die Wirkung von Betriebsvereinbarungen. Für Auslegung und Unwirksamkeit gelten dieselben Regelungen wie für diese. Die Teilunwirksamkeit eines Einigungsstellenspruches führt daher nicht zur Unwirksamkeit des ganzen Spruches, wenn der verbleibende wirksame Teil eine sinnvolle und in sich geschlossene Regelung enthält (BAG vom 20.07.1999 - 1 ABR 66/98 - EzA § 87 BetrVG 1972 Betriebliche Lohngestaltung Nr. 67; DKK-Berg, a.a.O., § 76 RdNr. 95; GK-Kreutz, a.a.O., § 76 RdNr. 175, jeweils mit weiteren Nachweisen). Ist also die Kostentragungspflicht, wie die Beschwerdeführerin meint, unwirksam, so bleibt der Spruch im übrigen erhalten. Die Kostenregelung für die Dienstkleidung trifft die Beschwerdeführerin dann im Verhältnis zu den einzelnen Arbeitnehmern in gleicher Weise.

ff.

Derartige Bedenken der Antragstellerin sind zumindest im vorliegenden Verfahren nicht recht verständlich. Sie selbst hat zwar, wie sich aus dem Sachvortrag der Beteiligten ergibt, keinen unmittelbaren Zwang auf die Mitarbeiter ausgeübt, immer die zur Verfügung gestellte Kleidung zu tragen. Sie hat aber in der Betriebsordnung sowie in der Betriebszeitung zum Ausdruck gebracht, dass sie ein Interesse am Tragen solcher Kleidung besitzt. Sie hat selbst solche Dienstkleidung angeboten. Sie war damit selbst mitverantwortlich dafür, dass das Thema "Dienstkleidung" auf die Tagesordnung gekommen ist, dass ein Anlass bestand, sich mit diesem Thema zu befassen. Zumindest in einem solchen Fall kann das Initiativrecht des Betriebsrats, dann auch weitere Einzelheiten hierfür festzulegen, im Rahmen des § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG nicht verneint werden.

gg.

Die Regelungskompetenz der Einigungsstelle scheitert auch nicht daran, dass sie deswegen keine Regelung hätte treffen dürfen, weil sie vom Gesamtbetriebsrat angerufen wurde, dieser aber hierfür mangels Kompetenz nicht zuständig gewesen wäre. Die Kammer hat an der Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats keine Zweifel. Es besteht und bestand zwischen den Beteiligten kein Streit darüber, dass eine Regelung für das gesamte Unternehmen geschlossen werden sollte. Die Einheitlichkeit des Auftretens war Teil des Zwecks der Regelung (vgl. die Präambel der Betriebsvereinbarung). Die Antragstellerin hat selbst einheitlich in der Firmenzeitung diese Betriebskleidung für alle Beschäftigten angeboten. Auch die Betriebsordnung, die auf einheitliches Auftreten hinweist, gilt einheitlich für alle Betriebsteile des Unternehmens. Damit bestehen an der Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats nach § 50 Abs. 1 BetrVG keine Zweifel. Dementsprechend hat die Antragstellerin und Beschwerdeführerin, soweit erkennbar, eine etwaige fehlende Zuständigkeit in keiner Phase des Verfahrens gerügt.

hh.

Auch sonstige Verfahrensfehler hat die Antragstellerin nicht behauptet. Sie sind auch nicht aus den Akten ersichtlich. Mangels irgendwelcher Anhaltspunkte dafür bestand für die Kammer kein Anlass, diesbezüglich weitere Aufklärung zu betreiben (Grunsky, ArbGG, 7. Aufl. 1995, § 83 RdNr. 6; Leinemann/Schütz in GK-ArbGG, § 83 RdNrn. 154 ff.).

d.

Die Einigungsstelle hat bei der Ausgestaltung der Kleiderordnung auch billiges Ermessen nicht verletzt.

aa.

Letztlich begründet die Antragstellerin die Verletzung billigen Ermessens allein damit, die Einigungsstelle habe ihre hohe Kostenbelastung mit über 700.000,- DM im Anschaffungsjahr nicht angemessen berücksichtigt. Dieses Argument überzeugt nicht. Zum einen hat auch die Antragstellerin vorgetragen, sie habe die Ausstattung schon bisher zu einem Drittel subventioniert. Sie selbst hat damit schon bisher freiwillig einen erheblichen Teil der Kosten übernommen. Zum anderen kann die insgesamt hohe Kostenbelastung nicht ohne Berücksichtigung des Gesamtumsatzes der Antragstellerin betrachtet werden. Hierzu hat diese keine Angaben gemacht. Sie hat aber darauf verwiesen, der Preis pro Kittel betrage 35,- DM. Die Höhe des Betrages ergibt sich erst daraus, dass die Ausstattung für 12.000 Arbeitnehmer geleistet werden muss. Bezogen auf den einzelnen Arbeitnehmer erscheint die Belastung nicht über Gebühr groß. Sie macht nur einen Bruchteil des Entgelts eines einzelnen Arbeitnehmers aus. Angesichts der Vielzahl der beschäftigten Arbeitnehmer ist logischerweise auch auf einen hohen Umsatz der Antragstellerin zu schließen. Eine übermäßige Belastung ist angesichts dessen nicht erkennbar. Im übrigen hat die Einigungsstelle eine Beteiligung der Arbeitnehmer zwar nicht an den Anschaffungs-, wohl aber an den laufenden Kosten vorgesehen, indem sie diesen - auch dies entsprechend der ohnehin bestehenden arbeitsvertraglichen Pflicht (vgl. etwa BAG vom 19.05.1998 - 9 AZR 307/96 - EzA § 670 BGB Nr. 28) - die Reinigungskosten auferlegt hat; dies kann bei weißen Kitteln zu erheblichen Kosten der Arbeitnehmer führen. Dasselbe gilt mangels Regelung auch für eine Ersatzbeschaffung bei Zerstörung der Kleidung. Auch die Zurverfügungstellung weiterer weißer Kittel in den Folgejahren erscheint angesichts des relativ geringen Wertes des einzelnen Kleidungsstücks als noch vom Ermessen der Einigungsstelle gedeckt. Die Kammer kann eine unzulässige einseitige Belastung der Antragstellerin nach alldem nicht erkennen.

bb.

Weitere Ermessensfehler hat die Antragstellerin nicht vorgetragen. Sie sind auch aus dem sonstigen Akteninhalt nicht ersichtlich.

4.

Nach alldem war die Beschwerde zurückzuweisen. Das Arbeitsgericht hat richtig entschieden. Der Einigungsstellenspruch ist nicht unwirksam; eine etwaige Teilunwirksamkeit bezüglich der Kostentragungspflicht führt nicht zur Unwirksamkeit als Ganzes. Eine solche Teilunwirksamkeit brauchte auch nicht gesondert ausgesprochen werden, weil der möglicherweise unwirksame Teil des Spruchs nur eine Wiederholung der ohnehin bestehenden Rechtslage beinhaltet.

5.

Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde bestand kein gesetzlich begründeter Anlass.

Ende der Entscheidung

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