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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 28.06.2004
Aktenzeichen: 6 Sa 116/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 626
1.

Verrichtet ein im Bauhof mit ähnlichen Arbeiten beschäftigter Arbeitnehmer während bestätigter Arbeitsunfähigkeit umfangreiche Garten- und Baumfällarbeiten, dann stellt dies auch dann einen wichtigen Grund für die außerordentliche Kündigung dar, wenn er sich damit verteidigt, er habe sich nicht genesungswidrig verhalten, weil seine Arbeitsunfähigkeit auf psychische Probleme zurückzuführen gewesen sei, die auf Mobbing seiner Kollegen beruhten.

2.

Dies gilt zumindest dann, wenn der Arbeitnehmer bereits einschlägig abgemahnt ist; der Einwand, es habe sich nur um "Nachbarschaftshilfe" gehandelt, ist zumindest dann unbeachtlich, wenn der Kläger derartige Tätigkeiten in einem eigens hierfür angemeldeten Gewerbe auch gegen Entgelt anbietet.


LANDESARBEITSGERICHT NÜRNBERG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

6 Sa 116/04

in dem Rechtsstreit

wegen Kündigung

Die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts Nürnberg hat durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Nürnberg Vetter als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter Schädel und Kretschmer aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 28.06.2004

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Bamberg vom 17.12.2003, Az. 5 Ca 555/03, wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Arbeitgeberkündigung.

Der am 15.02.1963 geborene Kläger war - beginnend mit einem dreijährigen Ausbildungsverhältnis zum Straßenwärter - seit 01.09.1978 beim Beklagten beschäftigt. Nach dem geänderten Arbeitsvertrag vom 30.08.1991 findet auf das Arbeitsverhältnis der jeweils gültige Bundesmanteltarifvertrag für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G II) Anwendung. Nach § 52 BMT-G II kann das Arbeitsverhältnis durch den Arbeitgeber nach einer Beschäftigungszeit von mehr als 15 Jahren nur aus einem wichtigen Grund gekündigt werden. Der Kläger ist seiner Ehefrau und zwei Kindern unterhaltspflichtig. Er ist behindert mit einem Behinderungsgrad von 60% infolge degenerativer Veränderungen der Wirbelsäule und Arthrose in den Gelenken. Der Kläger war als Straßenbauarbeiter im Bereich des Kreisbauhofes mit Arbeiten aller Art eingesetzt.

Der Kläger meldete unter dem 28.02.2001 bei der Gemeinde C... ein Gewerbe mit der Tätigkeit "Rundumservice um Haus- und Garten" an (Anlage zum Schriftsatz der Beklagten vom 22.05.2003, Bl. 36 d.A.). Mit Handzetteln machte er hierfür Werbung, und zwar für Hausmeistertätigkeiten aller Art, Gartenpflege, -instandsetzung, Rasenerneuerung, Baumfällarbeiten, Arbeiten mit Motorsäge, Hochdruckreiniger, Mäharbeiten, Laubsaugen, Heckenschneiden, Kleintransporte, Verleih eines Pkw-Anhängers, Pflanzenbesorgung, Bepflanzung, Wohnungsauflösung mit Endreinigung, Umzugshilfen, Kleingerüst-Verleih (ebenda, Bl. 37 d.A.). Eine Nebentätigkeitsgenehmigung hierfür hatte er bei der Beklagten nicht eingeholt.

Am Montag, den 04.11.2002 meldete sich der Kläger bei der Beklagten arbeitsunfähig krank, legte auch eine Arbeitsunfähigkeit des Arztes Dr. D... für diesen Tag vor. Am Wochenende 02.11. und 03.11.2003 sowie an diesem Montag erbrachte er Gartenarbeiten im Anwesen des Psychotherapeuten E.... Er stellte ihm eine Rechnung, in der für Montag ab 11.30 Uhr 4,5 Stunden Arbeitszeit für Arbeiten an Baumstümpfen aufgeführt ist (ebenda, Bl. 42 d.A.). An diesem Montag kam es wegen der gestellten Rechnung zu einer tätlichen Auseinandersetzung mit dem Auftraggeber E..., die zum Einsatz der Polizei und einer Strafanzeige führte. In diesem Zusammenhang erfuhr die Beklagte von der Angelegenheit. Sie ermittelte, hörte den Kläger unter anderem am 26.11.2002 zu dem Vorfall an. Dieser erklärte, am Montag, den 04.11. keiner Nebentätigkeit nachgegangen zu sein. Mit Schreiben vom 18.12.2002 (ebenda, Bl. 38 f. d.A.) machte sie den Kläger darauf aufmerksam, dass seine Aussage im Widerspruch zu einer Zeugenaussage stehe und dass sie die Beweiskraft der Arbeitsunfähigkeit für erschüttert halte. Sie forderte den Kläger auf, zu erklären und nachzuweisen, inwieweit die Ausübung der Nebenbeschäftigung mit der behaupteten Arbeitsunfähigkeit in Einklang zu bringen sei. Am 20.01.2003 erschien der Kläger auf Aufforderung der Beklagten zu einer Anhörung. In dieser Anhörung räumte er die Führung des Gewerbes ein, erklärte aber, es sei ihm bisher nicht bekannt gewesen, dass hierfür eine Nebentätigkeitsgenehmigung seines Dienstherrn erforderlich sei. Er erklärte, seine gesundheitlichen Beeinträchtigungen wirkten sich bei diesen Nebentätigkeiten nicht anders aus als bei der Hauptbeschäftigung im Bauhof. Er erklärte zunächst, die Arbeiten am Montag, den 04.11., habe er nicht persönlich ausgeführt. Diese habe vielmehr sein Mieter F... verrichtet, um ihm - dem Kläger - gegenüber bestehende Mietrückstände mit tatsächlicher Arbeitsleistung auszugleichen. Er brachte eine Bestätigung des Mieters F... für diese Aussage mit (ebenda, Bl. 47 d.A.). Als dem Kläger vorgehalten wurde, er sei durch den Zeugen G... eindeutig als derjenige identifiziert worden, der die Arbeitsleistungen in Person erbracht habe, räumte der Kläger dies ein und erklärte, er habe den Mieter F... nur ins Spiel gebracht, um sich vor eventuellen Konsequenzen zu schützen. Er bedaure es, die Unwahrheit gesagt zu haben. Er habe sich am Sonntag bei Schweißarbeiten an seinem Rasentraktor an den Augen verletzt, die angeschwollen gewesen seien und getränt hätten. Er sei deshalb am Montagmorgen beim Arzt gewesen, der ihm Augentropfen verschrieben und ihn für diesen Tag arbeitsunfähig geschrieben habe. Als sich gegen Mittag sein Zustand so verbessert habe, dass er wieder habe sehen können, habe er ab 11.30 Uhr die Gartenarbeiten beim Auftraggeber E... fortgesetzt. Des genauen Wortlautes der vom Kläger schriftlich bestätigten Angaben wird auf die Niederschrift hierüber Bezug genommen (ebenda, Bl. 43 ff. d.A.).

Der Kläger war ab dem dieser Anhörung folgenden Tag, dem 21.01.2003, bis zum 03.03.2003 arbeitsunfähig erkrankt. Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Kläger die Folgebescheinigung ab 03.02.2003 rechtzeitig bei der Beklagten vorgelegt hat.

Die Beklagte mahnte den Kläger mit Schreiben vom 10.02.2003 (Anlage zum Schriftsatz der Klägervertreter vom 06.05.2003, Bl. 24 ff. d.A.) ab. Sie rügte hierbei, dass der Kläger während bescheinigter Arbeitsunfähigkeit eine selbständige Nebentätigkeit durchgeführt habe, dass er durch vorsätzlich unwahre Angaben die Aufklärung des Sachverhalts aktiv behindert und verschleppt habe, dass er sich ab 03.02.2003 weder gemeldet noch eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt habe. Die Beklagte wies den Kläger darauf hin, dass nach § 11 BMT-G für die Ausübung von Nebenbeschäftigungen eine Zustimmung des Arbeitgebers erforderlich sei, dass diese Ausübung nicht gestattet sei, dass er bei bestehender Arbeitsunfähigkeit verpflichtet sei, alles zu unterlassen, was zu einer Verzögerung des Heilungsprozesses führen könne, dass er zur unverzüglichen Anzeige und zum Nachweis von Arbeitsunfähigkeit verpflichtet sei, dass er sich außerhalb des Dienstes so zu verhalten habe, wie es von Angehörigen des öffentlichen Dienstes verlangt werden könne. Weiter heißt es:

"Schließlich haben Sie durch Ihre vorsätzlich unwahren Angaben das Vertrauensverhältnis zu Ihren Vorgesetzten und zum Arbeitgeber insgesamt erheblich gestört. Durch Ihr Verhalten haben Sie das Arbeitsverhältnis derart belastet, dass eine vertrauensvolle Zusammenarbeit nicht mehr möglich ist.

Rechtfertigungsgründe für Ihr Verhalten konnten Sie nicht geben.

Am 23.07.1998 wurden Sie wegen fahrlässigem Umgang mit explosiven Stoffen auf unserem Gelände abgemahnt.

Ihr Verhalten wird von uns in schärfster Weise missbilligt. Wir werden eine solche Handlungsweise mit allen rechtlich gebotenen Maßnahmen unterbinden.

Der Sachverhalt in seiner Gesamtheit stellt einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses dar. Nach Abwägung aller Interessen sehen wir lediglich aus sozialen Gründen vom Ausspruch einer solchen Kündigung ab.

Wir fordern Sie auf, Ihre Verhaltensweisen sofort zu ändern und zukünftig bestehende Arbeit- und Dienstpflichten genauestens einzuhalten. Dies gilt insbesondere für die Pflichten während einer Arbeitsunfähigkeit bei Ausübung von Nebentätigkeiten sowie für Ihr außerdienstliches Verhalten.

Sollten Sie in irgendeiner Weise erneut Ihre Dienstpflichten verletzen, sehen wir uns gezwungen, Ihr Arbeitsverhältnis außerordentlich und fristlos zu kündigen."

Der Kläger wandte sich mit Schreiben seines Prozessvertreters vom 17.02.2003 (ebenda, Bl. 27 f. d.A.) gegen diese Abmahnung, insbesondere gegen die Einbeziehung des Vorfalls von 1998 und die Berechtigung der hierfür erteilten Abmahnung, sowie gegen die Bewertung und Einbeziehung der zwischen ihm und dem Auftraggeber E... am 04.11.2002 stattgefundenen Auseinandersetzung. Er erklärte, er habe der Dienststelle seine Folgebescheinigung bereits am 03.02.2003 zugefaxt. Er beantragte ausdrücklich die Erteilung einer Nebentätigkeitserlaubnis.

Der Kläger führte Ende Februar - während bestätigter Arbeitsunfähigkeit - einige Arbeiten für andere Personen in der Gemeinde C... aus, deren Intensität im Einzelnen zwischen den Parteien streitig ist. Der Kläger räumte ein, dass er einmal bei starkem Schneefall im Rahmen von Nachbarschaftshilfe - etwa fünf bis zehn Minuten Gehweg vom eigenen Grundstück entfernt - mit Räumgerät etwa fünf Minuten beim Schneeräumen ausgeholfen habe. Er räumte weiter ein, dass er am 27.02.2003 etwa eine Stunde Baumschnittarbeiten ausgeführt habe. Er räumte schließlich ein, dass er am 28.02.2003 beim Fällen eines Nadelbaumes geholfen habe. Es habe sich durchweg um übliche Nachbarschaftshilfe gehandelt.

Die Beklagte hörte den Kläger mit Schreiben vom 10.03.2003 zum Vorwurf an, er habe während der Arbeitsunfähigkeit erneut anderweitig gearbeitet. Am 20.03.2003 fand eine persönliche Anhörung des Klägers statt. Mit Schreiben seines Prozessvertreters vom 21.03.2003 nahm der Kläger zu den Vorwürfen nochmals detailliert Stellung (Anlage zum Schriftsatz der Beklagten vom 28.10.2003, Bl. 72 ff. d.A.). Hierbei erklärte er unter anderem, er werde seit Dezember nicht mehr zum Außendienst, zu Überstunden, zur Rufbereitschaft und zu Samstags- und Sonntagsdiensten eingeteilt, sondern nur zu einfachen Helferarbeiten. Durch Wegfall der Überstunden- und Rufbereitschaftszuschläge erleide er einen Einkommensverlust von etwa 300,- € monatlich. Teilweise werde er überhaupt nicht mehr zur Arbeit eingeteilt. Am 19.03.2003 habe sein Kollege H... bei Ablehnung eines Auftrags erklärt, er habe keine Leute, obwohl er - der Kläger - zur Verfügung gestanden habe. Hierdurch sei ersichtlich, dass er gemobbt werde. Diese Mobbing- und Streß-Situation habe zur Erkrankung geführt. Die Beklagte legte die Angelegenheit dem für den Ausspruch von Kündigungen zuständigen Kreisausschuss vor, der am 25.02.2003 beschloss, das Arbeitsverhältnis - vorbehaltlich der Zustimmung von Personalrat und Integrationsamt - außerordentlich zu kündigen. Der Personalrat erklärte unter dem 25.03.2003, dass gegen eine außerordentliche Kündigung keine Bedenken beständen. Die Beklagte beantragte am 25.03.2003 die Zustimmung des Integrationsamtes zur außerordentlichen Kündigung. Dieses Amt - die Regierung von Oberfranken - stimmte der außerordentlichen Kündigung mit Bescheid vom 04.04.2003 zu (Anlage zum Schriftsatz der Beklagten vom 22.05.2003, Bl. 53 ff. d.A.).

Die Beklagte sprach dem Kläger daraufhin mit Schreiben vom 07.04.2003 die außerordentliche Kündigung aus (Anlage zur Klageschrift, Bl. 6 d.A.).

Mit seiner am 14.04.2003 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage vom 09.04.2003 hat der Kläger die Unwirksamkeit dieser ausgesprochenen Kündigung geltend gemacht. Er hat vorgetragen, die im Kündigungsschreiben angeführten Gründe seien nicht voll zutreffend. Sie rechtfertigten die außerordentliche Kündigung nicht. Die erforderliche Kündigungsfrist sei nicht eingehalten. Die Abmahnung vom 10.02.2003 sei nicht geeignet, die fristlose Kündigung zu stützen. Die zunächst gemachten Falschangaben über eine Tätigkeit am 04.11.2002 seien verständlich; er habe sich nur in ein günstigeres Licht rücken wollen. Die Nebentätigkeit habe Belange des Beklagten nicht beeinträchtigt; sie hätte genehmigt werden müssen, so dass nur ein formaler Verstoß vorliege. Der Vorfall von 1998 stelle keinen Verstoß dar und sei unabhängig davon nicht mehr verwertbar. Fehler bei der Krankmeldung lägen nicht vor. Seine nicht über Nachbarschaftshilfe hinausgehenden Tätigkeiten hätten die Genesung nicht verzögert, weil die Erkrankung allein auf psychische, durch Mobbing herbeigeführte Probleme zurückzuführen gewesen sei; sie habe den Heilungsprozess vielmehr eher gefördert. Das Fernbleiben am 04.04.2003 sei als Kündigungsgrund ungeeignet. Angesichts dessen, dass eine Anhörung zu den Vorfällen erst mit Schreiben vom 10.03.2003 erfolgt sei, seien Vorfälle, die am 21.02.2003 stattgefunden hätten, verwirkt. Die Beteiligung des Personalrats werde bestritten.

Der Kläger hat im Verfahren vor dem Arbeitsgericht daher folgenden Antrag gestellt:

Es wird festgestellt, dass die außerordentliche Kündigung vom 07.04.2003 unwirksam ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat eingewandt, die Klage sei unbegründet. Die Kündigung sei berechtigt. An der Berechtigung der Abmahnung bestehe nach dem feststehenden und vom Kläger eingeräumten Sachverhalt kein Zweifel. Der Kläger habe seine Nebentätigkeiten nach dem 21.01.2003 trotz bestehender Arbeitsunfähigkeit und trotz des Erhalts dieser Abmahnung uneingeschränkt fortgeführt. Er habe Anfang Februar in mehreren Anwesen unter Einsatz eines motorisierten Geräts Räum- und Streudienste ausgeführt. Er habe in verschiedenen Anwesen Gartenarbeiten durchgeführt wie das Schneiden von Bäumen, Sträuchern und Hecken, die Entsorgung von Gartenabfällen, das Fällen und Zerlegen von Bäumen. Er habe am 28.02.2003 unter Einsatz eines Kranwagens einen etwa 40 cm starken Fichtenbaum gefällt, zerlegt und die Äste entsorgt. Diese Arbeiten gingen weit über Nachbarschaftshilfe hinaus. Der Kläger habe die Arbeiten gegen Entlohnung in mehreren Anwesen - diese werden im Einzelnen aufgeführt (Schriftsatz vom 28.10.2003, Bl. 68 f. d.A.) - durchgeführt. Für das Fällen des Baumes am 28.02.2003 habe er sogar einen Wagen mit Hebebühne und Fahrer von der Firma I... für 149,06 € angemietet (Rechnung der Firma I..., Bl. 76 d.A.). Er habe während bestätigter Arbeitsunfähigkeit trotz vorheriger Abmahnung annähernd gleiche und vergleichbare körperliche Arbeiten ausgeübt, die er auch arbeitsvertraglich geschuldet habe. Auf die Abmahnung vom 13.07.1998 (Anlage zum Schriftsatz der Beklagten vom 22.05.2003, Bl. 40 d.A.) könne sie sich nach wie vor stützen, weil der dort gemachte Vorwurf des nicht sorgsamen Umgangs mit Explosivstoffen besonders gravierend sei. Die Zwei-Wochen-Frist zum Ausspruch der Kündigung sei eingehalten, weil der Kreisausschuss als das für die Kündigung zuständige Organ erst am 25.03.2003 von der Angelegenheit Kenntnis erlangt habe. Die Verfahren zur Beteiligung des Personalrats, der Schwerbehindertenvertretung und des Integrationsamtes seien unverzüglich eingeleitet worden. Der Personalrat sei über den Sachverhalt jederzeit auf dem Laufenden gehalten worden, der Personalratsvorsitzende habe an der Sitzung des Kreisausschusses teilgenommen und habe sämtliche Informationen besessen. Die Kündigung sei unverzüglich nach Zustimmung des Integrationsamtes mit Bescheid vom 04.04.2003 am 07.04.2003 ausgehändigt worden.

Der Kläger hat ein Attest der Arztpraxis Dr. J... vorgelegt mit folgendem Inhalt (Ablichtung Bl. 83 d.A.):

"A... ... wurde am 11.11.2003 in der Arztpraxis untersucht. Auf der psychischen Ebene war der Patient durch Mobbing - wie er berichtete - arbeitsunfähig, da die aufgestaute Wut ihn derart lähmte, dass er sich gedanklich ständig im Kreis drehte und sich nicht mehr konzentrieren konnte. Der Pat. wurde von mir dahingehend durch Gesprächstherapie betreut und auch so vom 21.01.2003 bis 03.03.2003 krankgeschrieben. So konnte der Pat. den psychischen Stress abbauen, die geklagten Ein- und Durchschlafstörungen haben sich weitgehend gelegt. Der Pat. wurde zudem angehalten, sich körperlich abzureagieren in Form von sportlicher Aktivität, langen Spaziergängen oder ähnlichem."

Der Kläger hat vorgetragen, die nervliche Belastung aus den von ihm so empfundenen Kränkungen habe ihn so weit belastet, dass eine Krankschreibung notwendig geworden sei. Diese Kränkungen hätten sich so weit auf seine Psyche ausgewirkt, dass er allein schon vom Gedanken an den psychischen Stress an seinem Arbeitsplatz erkrankt sei. Er sei systematisch vom Außendienst und verantwortungsvollen Arbeiten ferngehalten worden, es sei besonders kränkend gewesen, dass er auf ein Abstellgleis gestellt worden sei. Er habe sich diesbezüglich sogar mit dem Personalratsvorsitzenden in Verbindung gesetzt. Zum Stressabbau sei eine körperlich aktive Tätigkeit geradezu als notwendig angesehen worden. Es stelle keinen Verstoß gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten dar, wenn er zum Ausgleich für Frustration und zum Stressabbau körperliche Arbeiten gesucht und im Rahmen der Nachbarschaftshilfe auch erbracht habe. Diese Tätigkeiten hätten sich nicht negativ, sondern positiv auf seine Genesung ausgewirkt.

Das Arbeitsgericht Bamberg hat die Klage mit Endurteil vom 17.12.2003 abgewiesen. Es hat hierzu im Wesentlichen ausgeführt, die Kündigung scheitere nicht an der Personalratsbeteiligung. Der Kläger habe diese zwar zunächst bestritten, dann aber zum detaillierten Sachvortrag der Beklagten keine Stellung mehr genommen. Der Vortrag gelte daher als zugestanden nach § 138 Abs. 3 ZPO. Dasselbe gelte hinsichtlich des Vorliegens der Zustimmung des Integrationsamtes. Ein wichtiger Grund für die außerordentliche Kündigung sei gegeben. Der Kläger habe während einer ärztlich attestierten Arbeitsunfähigkeit an mehreren Tagen umfangreiche Arbeiten im Rahmen des von ihm angemeldeten Gewerbes für verschiedene Auftraggeber durchgeführt, insbesondere am 28.02.2003 mit Hilfe eines Kranwagens. Auch spreche der Anschein dafür, dass er diese Tätigkeiten gegen Entgelt erbracht habe. Es sei davon auszugehen, dass der Kläger den Wegfall seiner Arbeitspflicht infolge Krankschreibung dazu verwendet habe, sein Gewerbe gegen Entgelt zu betreiben. Hierdurch habe er das in ihn gesetzte Vertrauen hinsichtlich seiner Redlichkeit zerstört. Es komme hinzu, dass er sein Verhalten unmittelbar nach Erhalt der einschlägigen Abmahnung fortgesetzt habe. Danach liege ein wichtiger Grund vor. Der vom Kläger gesetzte Grund wiege so schwer, dass trotz seiner langjährigen Betriebszugehörigkeit und seiner Schwerbehinderteneigenschaft die Interessen des Beklagten an der sofortigen Beendigung überwögen, zumal er die Nebentätigkeit während der Arbeitsunfähigkeit trotz unmittelbar vorher erhaltener Abmahnung geradezu provokativ fortgesetzt habe. Da der allein kündigungsbefugte Kreisausschuss erst am 25.03.2003 vom Sachverhalt Kenntnis erlangt habe, sei auch die Frist des § 626 Abs. 2 BGB eingehalten.

Das Endurteil des Arbeitsgerichts ist den Klägervertretern ausweislich ihres Empfangsbekenntnisses am 05.02.2004 zugestellt worden (Bl. 100 d.A.). Der Kläger hat mit Schriftsatz seiner Vertreter vom 10.02.2004, beim Landesarbeitsgericht eingegangen am 12.02.2004, Berufung eingelegt. Er hat diese Berufung mit am 18.03.2004 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom 15.03.2004 begründet.

Der Kläger hat sich in der Berufung darauf gestützt, das Arbeitsgericht habe zu Unrecht einen wichtigen Grund angenommen, der es ihr unzumutbar mache, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen. Es habe nicht ausreichend berücksichtigt, dass er Arbeiten nur in geringem Umfang und nur im Rahmen von Nachbarschaftshilfe geleistet habe. Er habe nicht etwa für seine Gesundheit schädliche Leistungen erbracht, sondern im Rahmen der Dekompensation gerade nützliche Leistungen mit dem Ziel der Wiedergenesung. Er sei im Februar 2003 nicht im Rahmen einer Nebentätigkeit tätig gewesen. Unabhängig davon sei die Nebentätigkeit bereits beantragt gewesen. Die Beklagte hätte kein Recht gehabt, diese Nebentätigkeit zu verweigern. Dienstliche Interessen seien durch die Nebentätigkeit und die sonstigen Tätigkeiten nie beeinträchtigt worden. Zumindest überwögen seine Interessen, weil er fast 25 Jahre ohne Beanstandungen für die Beklagte tätig gewesen sei und aufgrund seiner schweren Behinderung kaum Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt habe. Dies gelte umso mehr, als er zu Unrecht von seinen Arbeitskollegen gemobbt worden sei. Er sei nicht redegewandt, hektisch und aufgeregt. Seine Arbeitskollegen hätten diese Wehrlosigkeit ausgenützt, um ihn zu veräppeln und "anzumachen".

Der Kläger stellt als Berufungskläger daher in der Berufungsinstanz - nach Klarstellung in der mündlichen Verhandlung vom 28.06.2004 - folgende Anträge:

I. Das Urteil des Arbeitsgerichts Bamberg, Az. 5 Ca 555/03, vom 17.12.2003, wird aufgehoben.

II. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 07.04.2003 nicht aufgelöst wird.

Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des Arbeitsgerichts für zutreffend. Sie führt aus, der Kläger zeige sich nach wie vor uneinsichtig, wenn er seine umfangreich durchgeführten Tätigkeiten für andere Personen im Februar 2003 nach wie vor nur als "Nachbarschaftshilfe" bezeichne. Dies verbiete sich angesichts von Art und Umfang der Tätigkeiten. Die Behauptung des Klägers, die Tätigkeiten seien als "Dekompensation" seiner psychischen Probleme nützlich gewesen, werde zurückgewiesen. Er habe durch sein Verhalten jedes Vertrauen in seine Redlichkeit zerstört. Sie habe den Kläger nicht leichtfertig verdächtigt, sondern aufgrund eines konkreten, am 28.02.2003 telefonisch eingegangen Hinweises ermittelt. Der Bericht des Ermittlers sei am 06.03.2003 der Personalstelle vorgelegt und am Freitag, den 07.03.2003 von dieser ausgewertet worden. Am 10.03.2003 sei der Kläger dann mit Fristsetzung bis 17.03.2003 zur Stellungnahme aufgefordert worden; der Kläger habe sich die Frist mit Schreiben vom 18.03.2003 verlängern lassen. Die Stellungnahme sei mit Schriftsatz der Vertreter des Klägers vom 21.03.2003 schließlich erfolgt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Tatbestand des Ersturteils vom 17.12.2003 (Bl. 91 ff. d.A.), die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht vom 28.06.2004 (Bl. 140 ff. d.A.) und die zwischen den Parteien in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft, weil sie sich gegen ein arbeitsgerichtliches Urteil richtet (§ 64 Abs. 1 ArbGG). Angesichts des Streits über die Wirksamkeit einer Kündigung ist ein Beschwerdewert nicht erforderlich (§ 64 Abs. 2 c) ArbGG). Die Berufung ist auch in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden (§§ 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO, 66 Abs. 1 S. 1, S. 2 ArbGG).

II.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Urteil des Arbeitsgerichts erweist sich als richtig. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Berufungskammer folgt den sorgfältigen Erwägungen des Arbeitsgerichts, denen sie sich in vollem Umfang anschließt, so dass auf eine erneute, nur wiederholende Darstellung verzichtet werden kann (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Nur ergänzend ist im Hinblick auf die in der Berufung von den Parteien vorgetragenen Argumente noch hinzuzufügen:

1. Das Verhalten des Klägers stellt auch nach der Überzeugung der Berufungskammer einen dem Grunde nach zum Ausspruch der außerordentlichen Kündigung berechtigenden wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB dar. Dies gilt selbst dann, wenn man von Tätigkeiten nur in dem Umfang ausgeht, wie er sie selbst einräumt - also Schneeräumen mit Gerät bei einem "Nachbarn", der etwa fünf bis zehn Minuten von der Wohnung des Klägers entfernt wohnt, Wegfahren von Gartenabfällen und Fällen eines Baumes unter Zuhilfenahme eines auf Namen und Rechnung des Klägers bestellten Lkw mit Hebebühne und Fahrer, verteilt auf drei Tage. Gerade die letztere Tätigkeit kann keinesfalls als "normale" geringfügige Nachbarschaftshilfe angesehen werden. Sie erreicht ein erhebliches Ausmaß, das die Auffassung des Arbeitsgerichts durchaus nahe legt, der Kläger habe zumindest diese Tätigkeit im Rahmen seines Gewerbebetriebes erbracht. Den Darlegungen der Beklagten über weitere umfangreiche Tätigkeiten brauchte nicht nachgegangen zu werden. Schon die vom Kläger eingeräumten Tätigkeiten stellen unter den gegebenen Umständen einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 2 BGB dar. Unter Nachbarschaftshilfe können allenfalls ganz geringfügige Gefälligkeiten verstanden werden, gegebenenfalls gegenüber hilflosen Personen. Ein Einsatz wie beim Baumfällen über mehrere Stunden hinweg unter Einsatz eigenen Vermögens stellt erheblich mehr dar als geringfügige Nachbarschaftshilfe und wird erfahrungsgemäß nicht ohne geleistete oder zumindest zu erwartende Gegenleistung erbracht. Der Kläger hat keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen, die dazu führen würden, dass dies bei der vorliegenden Tätigkeit ausnahmsweise anders gesehen werden könnte. Gegen die Annahme der reinen geringfügigen Gefälligkeit spricht auch die Nachhaltigkeit der vom Kläger durchgeführten Einsätze; er selbst räumt drei Einsätze innerhalb von acht Tagen - noch dazu sämtlich eigentlich im Rahmen des von ihm betriebenen Gewerbes liegend - auf verschiedenen Grundstücken und gegenüber verschiedenen Personen ein. Es widerspricht jeglicher Lebenserfahrung, dass solches aus reiner Nächstenliebe ausgeübt sein soll. Hiervon kann auch die Berufungskammer nicht ausgehen. Die Tätigkeiten, die der Kläger ausgeführt hat, werden üblicherweise gegen Entgelt ausgeübt. Damit steht für die Kammer ein Verstoß gegen das tarifliche Nebentätigkeitsverbot und damit ein Verstoß gegen die arbeitsvertraglichen Pflichten fest. Dies gilt unabhängig davon, ob der Kläger in diesem Zeitraum arbeitsunfähig im Rechtssinne war oder nicht.

2. Der Kläger irrt, wenn er meint, die Beklagte wäre verpflichtet gewesen, ihm die Nebentätigkeitsgenehmigung - die mit Schreiben vom 17.02.2003 beantragt war - zu erteilen, weil er mit seiner Tätigkeit nicht in Konkurrenz zur Beklagten trete. Letzteres ist zwar zutreffend. Der Arbeitgeber ist jedoch nicht nur dann zur Verweigerung der Nebentätigkeit berechtigt, wenn sie seine wirtschaftlichen Interessen durch unerlaubte Konkurrenz beeinträchtigt. Auch andere Belangte können einen Versagungsgrund darstellen. Dies könnte vorliegend die durch die Nebentätigkeit entstehende zusätzliche körperliche Belastung des Klägers - immerhin hatte er nach seinen eigenen Angaben in der Anhörung vom 20.01.2003 Beschwerden infolge degenerativer Veränderungen der Wirbelsäule und Arthrose in den Gelenken. Es erscheint der Kammer als ausgesprochen problematisch, mit derartigen, eine Behinderung mit 60% auslösenden Beschwerden zusätzlich zur körperlichen Tätigkeit im Bauhof weitere körperlich anstrengende Tätigkeiten im eigenen Gewerbebetrieb zu verrichten. Die Beklagte hätte daher die Genehmigung jedenfalls in der vom Kläger beantragten umfassenden Form verweigern können. Die Genehmigung war nicht bloßer Formalismus. Immerhin hat der Kläger trotz der unmittelbar vorher erfolgten Abmahnung gegen seine Verpflichtung, sich derartige Tätigkeiten vorher genehmigen zu lassen, verstoßen. Schon dies stellt eine erhebliche Pflichtverletzung dar. Derartige Pflichtverletzungen können - eine einschlägige Abmahnung ist vorliegend gegeben - häufig für sich schon geeignet sein, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen (Nachweise vgl. etwa bei Scheuring/Lang/Hoffmann, BMT-G, § 11 Rn. 12).

3. Die vom Arzt bestätigte Arbeitsunfähigkeit kann den Kläger nicht entlasten. Er hat - selbst wenn man nur die von ihm eingeräumten Tätigkeiten berücksichtigt - in großem Umfang Arbeiten einer Art verrichtet, zu denen er auch im Arbeitsverhältnis verpflichtet gewesen wäre. Seine Einlassung, er habe die im Arbeitsverhältnis geschuldeten, vergleichbaren Tätigkeiten wegen psychischer Probleme nicht bei der Beklagten ausüben können, schon aber für andere Leute, erscheint der Kammer als reine Schutzbehauptung. Sie wird auch von dem vom Kläger vorgelegten ärztlichen Attest vom 11.11.2003 nicht gedeckt. Dort ist von aufgestauter Wut, Lähmung und Konzentrationsschwierigkeiten, von Ein- und Durchschlafstörungen die Rede - sämtlich Dinge, die auch nach dem Attest allein auf Angaben des Klägers beruhen. Entgegen den von ihm suggerierten Angaben im Prozess wurde ihm vom Arzt nach diesem Attest nicht geraten, dass er sich durch Arbeit für andere Auftraggeber von seinen behaupteten Störungen befreien solle, sondern durch sportliche Aktivität, lange Spaziergänge oder ähnliches. Es erscheint der Kammer als nicht nachvollziehbar, wie ein Stressabbau durch körperlich anstrengende Arbeit für andere Personen verwirklicht werden sollte. Durch sein Verhalten entstand zumindest der dringende, auch durch die Anhörung des Klägers - immerhin hat die Beklagte die Anhörungsfrist mehrfach verlängert und die Stellungnahme seines Prozessbevollmächtigten abgewartet - nicht ausgeräumte Verdacht, dass er sich in grober Weise genesungswidrig verhalten hat. Dieser Verdacht wird weder durch die Einlassungen des Klägers im Prozess noch durch das insoweit ohne jegliche objektiv nachvollziehbare Anhaltspunkte vorgelegte Attest erschüttert.

4. Unabhängig hiervon erscheinen die vom Kläger für die anderen Auftraggeber geleisteten Tätigkeiten auch deswegen in einem besonderen Licht, weil der Kläger schon nach dem Schreiben der Beklagten vom 18.12.2002, zumindest aber nach der Abmahnung vom 10.02.2003 in größtmöglicher Deutlichkeit darauf hingewiesen worden ist, dass schon sein damals festgestelltes Verhalten nach Ansicht der Beklagten einen wichtigen Grund für die fristlose Kündigung dargestellt habe. Die Beklagte hat in diesem Schreiben ausdrücklich nur wegen der langen Betriebszugehörigkeit auf den Ausspruch der Kündigung verzichtet. Sie hat dem Kläger in nicht zu überbietender Eindeutigkeit zu verstehen gegeben, dass sowohl die Ausübung seines Gewerbebetriebes ohne vorherige Genehmigung als auch seine Tätigkeit während bestätigter Arbeitsunfähigkeit als auch die - mit Vorlage einer falschen Bestätigung seines Mieters nachhaltig bestätigten - Versuche, seine Verfehlungen zu verdecken, für sie in keiner Weise akzeptabel seien. Der Kläger hat sich diese Abmahnung nicht zur Warnung dienen lassen. Mit Recht führt das Arbeitsgericht aus, dass es einer Provokation nahe kommt, wenn er wenige Tage nach Erhalt einer solchen Abmahnung erneut während bestätigter Arbeitsunfähigkeit derartigen - eigentlich auch bei der Beklagten geschuldeten - Tätigkeiten nachgeht. Dies liegt um so mehr nahe, weil der Kläger seine Probleme - Schlafstörungen und Konzentrationsmängel - am folgenden Tag bekommen hat, nachdem er im Gespräch mit der Beklagten seine Versäumnisse vom 04.11.2002 einräumen musste und den Betrugsversuch - Verschieben der Tätigkeit auf seinen Mieter - eingestehen musste. Die Kammer kann nachvollziehen, dass sich der Kläger nunmehr - zumal in Erwartung möglicher Konsequenzen durch den Arbeitgeber - schlecht fühlte. Er hätte zumindest nach Erhalt der Abmahnung, die sein bisheriges Fehlverhalten abschließend sanktioniert hatte, besonders darauf achten müssen, dass er nicht gegen die festgelegten Hinweise und Warnungen verstoßen würde. Nachdem sich die Probleme offenbar gebessert hatten, geht die Kammer davon aus, dass der Kläger zumindest im Zeitraum ab dem Zugang der Abmahnung wieder seine eigentliche Arbeit aufnehmen konnte und musste - körperlich war er dazu, wie die Ende Februar durchgeführten Tätigkeiten zeigen, offenbar in der Lage; Konzentrationsmängel lagen offenbar auch nicht mehr vor.

5.

Mit Recht durfte sich die Beklagte aber auch darauf berufen, ihr Vertrauen in die Zuverlässigkeit und Redlichkeit des Klägers sei endgültig und unwiederbringlich zerstört. Der Kläger hatte mit seiner Tätigkeit im Rahmen seines Gewerbes bei am 04.11.2002 zwar attestierter, aber in Wirklichkeit ab 11.30 Uhr nicht mehr vorhandener Arbeitsunfähigkeit einen groben Vertrauensverstoß begangen, der auch zu ungerechtfertigten Vermögensvorteilen - Zahlung des Entgelts für den 04.11.2002 ab 11.30 Uhr - geführt hat. Mit Recht geht die Beklagte davon aus, dass ein solches Verhalten eine schwere Erschütterung des Vertrauens des Arbeitgebers darstellen kann und muss. Ein solches Verhalten des Arbeitnehmers kann im Regelfall schon die Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen (umfangreiche Nachweise vgl. etwa bei KR-Fischermeier, Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsrecht, 7. Aufl. 2004, § 626 BGB Rn. 429). Dies gilt um so mehr, wenn der Arbeitnehmer durch Täuschungsmanöver einen so versuchten oder vollendeten Betrug noch verstärkt, wie dies der Kläger durch das Vorschieben des angeblichen Arbeiters F... unter Vorlage einer von diesem verfassten Bestätigung getan hat. Wenn der Arbeitgeber dann aus sozialen Gründen dem Arbeitnehmer nochmals eine Chance gibt und nur abmahnt, muss der Arbeitnehmer wissen, dass er zumindest jetzt sein Verhalten so einrichten muss, dass er das Vertrauen des Arbeitgebers nicht erneut enttäuscht. Der Kläger hat sich nicht so verhalten. Selbst wenn es richtig sein sollte, dass er sich gemobbt gefühlt hat, dass er wegen des Verhaltens seiner Kollegen psychische Probleme hatte, selbst wenn er das Gefühl hatte, keine verantwortungsvollen Arbeiten mehr zugeteilt zu bekommen - er wäre gehalten gewesen, beim Arbeitgeber auf den Abbau oder die Beseitigung dieser Probleme hinzuwirken. Die vom Kläger in keiner Weise substantiierte diesbezügliche Einschaltung des Personalrats würde hierfür nicht genügen. Die Tatsache, dass er seinen Arbeitgeber über die von ihm behaupteten Probleme im Unklaren gelassen hat, dass er sich stattdessen hat "krankschreiben lassen müssen", wie sein Prozessvertreter im Schreiben vom 21.03.2003 (ebenda, Bl. 72 d.A., dort S. 2, 10. Absatz) formuliert hat, stellt eine erneute Verletzung seiner arbeitsvertraglichen Verpflichtungen dar. Er war doch schon damals durch einen Rechtsanwalt vertreten. Es wäre ihm angesichts der Vorgeschichte ohne weiteres zuzumuten gewesen, sich an den Arbeitgeber zu wenden. Statt dessen hat der Kläger, ohne der Beklagten die Möglichkeit zu geben, die Probleme zu beseitigen, weitere umfangreiche Aktivitäten auf eigene Rechnung entfaltet, ohne dies gegenüber der Beklagten anzuzeigen. Der Kammer ist nachvollziehbar, dass zumindest in einer Konstellation wie der vorliegenden, in der das Vertrauen in die Redlichkeit bereits erschüttert ist, diese erneute Verfehlung für einen verständigen Arbeitgeber Anlass sein kann, das Vertrauen nunmehr endgültig zu verlieren.

6. Mit Recht führt die Beklagte auch aus, der Kläger habe durch seine Handlungen auch diejenigen Pflichten verletzt, die ihm als Angehöriger des öffentlichen Dienstes in besonderem Maß auferlegt sind. Dies beginnt damit, dass er sich bei der Auseinandersetzung mit einer anderen Person zu Tätlichkeiten hat hinreißen lassen. Er hat dies dadurch fortgeführt, dass er - am 04.11.2003 - während bestätigter Arbeitsunfähigkeit in der Öffentlichkeit gewerbsmäßige Tätigkeiten ausgeführt hat. Dies gilt erst recht dadurch, dass er diese Tätigkeiten - erkennbar für eine Vielzahl von Personen - in erheblichem Umfang ausgeführt hat. Der Beklagten ist darin Recht zu geben, dass auch dies - die Nachbarn und alle, die die offen sichtbaren Tätigkeiten bemerkt haben, dürften sich zumindest gefragt haben, wie dies mit der beruflichen Tätigkeit des Klägers in Einklang zu bringen ist; noch schlimmer wäre es, sie hätten gewusst oder vermutet, dass der Kläger dies während Arbeitsunfähigkeitszeiten ausgeführt hat - in eklatanter Weise geeignet ist, das Ansehen der Beklagten und des gesamten öffentlichen Dienstes herabzuwürdigen.

7. Nach alldem ist am Vorliegen eines wichtigen Grundes im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB nicht zu zweifeln. Dieser machte es der Beklagten unter Abwägung der Interessen beider Vertragspartner nicht zumutbar, den Kläger bis zum Erreichen der Altersgrenze oder auch nur bis zu demjenigen Zeitpunkt, zu dem - unterstellt, es wäre keine Unkündbarkeit gegeben - eine ordentliche Kündigung ausgesprochen werden könnte, weiterzubeschäftigen (zum Prüfungsmaßstab vgl. etwa BAG vom 21.06.2001, 2 AZR 30/00, EzA § 626 BGB Unkündbarkeit Nr. 7; BAG vom 10.10.2002, 2 AZR 418/01, EzA § 626 BGB 2002 Unkündbarkeit Nr. 1; Preis in Erfurter Kommentar, 4. Aufl. 2004, § 626 BGB Rn. 74). Zugunsten des Klägers sprechen letztlich nur seine langjährige Betriebszugehörigkeit, seine Behinderung und - in geringem Maß, weil der Verstoß hiermit nicht in Zusammenhang steht - seine Unterhaltspflichten. Dagegen steht der eine Vielzahl von Pflichtverletzungen beinhaltende schwere Vertragsverstoß. Durch die erneute Pflichtverletzung des Klägers ist das Vertrauensverhältnis wie dargestellt massiv gestört worden. Es war der Beklagten daher nicht zumutbar, die - fiktive - Frist zur ordentlichen Kündigung, die mehrere Monate betragen würde, abzuwarten. Ihre Interessen an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses überwiegen.

8. Sonstige Gründe, die die Unwirksamkeit der Kündigung bedingen könnten, sind weder vorgetragen noch aus sonstigen Umständen ersichtlich. Der Kläger hat die Annahme des Arbeitsgerichts, auch die Kündigungserklärungspflicht von zwei Wochen sei eingehalten, in der Berufung nicht mehr gerügt. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte die Frist versäumt hätte, sind auch nicht erkennbar. Sie hat unwidersprochen vorgetragen, kündigungsberechtigt sei der Kreisausschuss. Dieser hat nach ihren, vom Kläger nicht bestrittenen Angaben erst am 25.03.2003 vom Kündigungssachverhalt erfahren, so dass die dem Kläger am 07.04.2003 zugegangene Kündigung fristgerecht ausgehändigt worden ist. Die Beklagte hat auch ihre Pflicht zur zügigen Ermittlung des Sachverhalts nicht verletzt; der zwischen den Meldungen des Verstoßes vom 28.02.2003 und der Vorlage an den Kreisausschuss liegende Zeitraum ist nach den von der Beklagten vorgetragenen - und durch die gewechselten Schreiben bestätigten - Umständen, denen der Kläger nicht entgegengetreten ist, insbesondere durch die auf Wunsch des Klägers mehrfach hinausgeschobene Stellungnahmemöglichkeit für den Kläger bedingt.

9. Auch die mit der Klage erhobene Einwendung, der Personalrat sei nicht ordnungsgemäß angehört worden, hat der Kläger in der Berufungsinstanz nicht mehr wiederholt. Unabhängig hiervon bestehen nach dem Sachvortrag der Beklagten aber auch in diesem Punkt keine Bedenken. Da der Personalrat am 25.03.2003 ausdrücklich die Zustimmung zur Kündigung erteilt hat, war es nicht erforderlich, dass sich der - allein zur Entscheidung über die Kündigung berechtigte - Kreisausschuss vor der endgültigen Entscheidung über die Kündigung nochmals mit der Personalratsstellungnahme auseinandergesetzt hätte.

10. Nach alldem erweist sich das Urteil des Arbeitsgerichts als richtig, so dass die Berufung zurückzuweisen ist.

11. Der Kläger, Berufungskläger, hat die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels zu tragen (§§ 64 Abs. 6 ArbGG, 97 Abs. 1 ZPO).

12. Für die Zulassung der Revision bestand kein gesetzlich begründeter Anlass.

Ende der Entscheidung

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