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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 14.06.2005
Aktenzeichen: 6 Sa 582/04
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 91a
BGB § 242
1.

Auch nach Ausspruch einer Abmahnung kann der Arbeitgeber nicht zur "Rücknahme" dieser Erklärung verurteilt werden. Denkbar ist entweder die Verpflichtung zum "Widerruf" oder der auf Feststellung gerichtete Antrag, dass die Vorwürfe unberechtigt sind.

2.

Der Widerrufsantrag ist in der Regel nur begründet, wenn der Widerruf benötigt wird, um den Ruf des Arbeitnehmers Dritten gegenüber wiederherzustellen. Der Feststellungsantrag setzt ein Rechtsschutzinteresse voraus, das nur gegeben ist, wenn die Gefahr besteht, dass der Arbeitgeber trotz Entfernung der Abmahnungsschreiben aus der Personalakte die Vorwürfe weiter in rechtlich relevanter Weise verwenden will.

3.

Die im Abmahnungsschreiben enthaltene Behauptung, der Arbeitnehmer habe ein Schreiben "der Öffentlichkeit zugänglich gemacht", ist zu unbestimmt, weil hierdurch die Schwere des Vorfalls nicht abgeschätzt werden kann.


LANDESARBEITSGERICHT NÜRNBERG BESCHLUSS

6 Sa 582/04

in dem Rechtsstreit

wegen: Sonstiges

hier: Kostenentscheidung gemäß § 91a ZPO

Die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts Nürnberg hat durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Vetter und die ehrenamtlichen Richter Mrugalla und Roth aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 14. Juni 2005 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Gründe:

1. Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 64 Abs. 6 ArbGG, 91a ZPO. Die Parteien haben den Rechtsstreit in der Berufungsinstanz übereinstimmend für erledigt erklärt. Dies ist möglich und zulässig (vgl. nur Zöller-Vollkommer, ZPO, 25. Aufl. 2005, § 91a Rn. 18). Die zur Sachprüfung notwendige Voraussetzung, dass eine zulässige Berufung gegeben ist, liegt ebenfalls vor.

2. Die notwendige summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage ergibt, dass ohne das erledigende Ereignis - Entfernung der Abmahnung und der hierauf hindeutenden Schreiben aus der Personalakte sowie Erklärung, die Vorwürfe würden nicht zur Begründung der Kündigung herangezogen - die Berufung für unbegründet erachtet worden wäre, so dass der Kläger in der Hauptsache obsiegt hätte. Mit Recht hat das Arbeitsgericht ausgeführt, dass das Abmahnungsschreiben zu unbestimmt war. Zwar ist zweifelhaft, ob die Unbestimmtheit sich aus der Formulierung "weiteres dienstliches Schreiben" ergibt. Entscheidend ist, dass das Abmahnungsschreiben keine Anhaltspunkte darüber enthält, was die Beklagte mit "der Öffentlichkeit zugänglich gemacht" meint. Diese Frage ist für die Einschätzung der Schwere des Vorfalls aber von entscheidender Bedeutung: Es stellt einen erheblichen Unterschied dar, ob der Kläger etwa bewusst Namen an die Presse gegeben hätte, oder ob er - wie man dem Sachvortrag der Beklagten entnehmen muss - ein Schreiben versehentlich nicht aus einem Aktenordner entfernt hat, der zur gesetzlich vorgeschriebenen Einsicht auf einem dafür vorgesehenen Platz im Büro lag. Im übrigen hat die Beklagte keinerlei Tatsachen dafür vorgetragen, dass der Kläger die Gemeinderäte bewusst falsch informiert hätte; auch die ihm zugeschriebene Äußerung - unstreitig stand die Äußerung über den "Glücksfall" in einem vom Bürgermeister C... zumindest unterzeichneten Vermerk - gibt in der so dargestellten Form ein verzerrendes Bild wieder. Das vorliegende Schreiben hätte damit in jedem Fall aus der Personalakte entfernt werden müssen.

3. Auch der - in zweiter Instanz gestellte - Feststellungsantrag des Klägers war bis zum erledigenden Ereignis zulässig und begründet. Nachdem die Wirksamkeit der Kündigung vom 29.03.2004 zwischen den Parteien im Streit steht, ist das Rechtsschutzbedürfnis nicht deswegen entfallen, weil der Kläger an der Feststellung kein Interesse mehr hätte. Nach seiner vertretbaren Auffassung besteht das Arbeitsverhältnis fort. Der Feststellungsantrag des Inhalts, dass die im einzelnen bezeichneten Vorwürfe unberechtigt sind, ist nach Auffassung der Kammer grundsätzlich zulässig. Ein Leistungsantrag auf "Rücknahme" erscheint der Kammer seinem Inhalt nach unklar (so schon LAG Hamm vom 25.05.1993, 4 Sa 11/93; LAG Sachsen-Anhalt vom 19.12.2001, 3 Sa 479/01, jeweils zitiert nach juris). Soweit man ihn als Antrag auf "Widerruf" auslegen kann, bestünde hierfür ein Rechtsschutzbedürfnis nur, wenn die Abmahnung bzw. die Vorwürfe gegenüber Dritten in ehrverletzender Form ausgesprochen worden wären (ArbG Nürnberg vom 26.03.2002, 12 Ca 9620/01, nicht veröffentlicht; weitergehend wohl LAG Hessen vom 15.08.1997, 13 Sa 1365/96, zitiert nach juris) oder wenn der Kläger durch die Behauptung der Beklagten - trotz Rücknahme des Schreibens aus den Personalakten - in seinem beruflichen Fortkommen oder seinem Persönlichkeitsrecht fortdauernd beeinträchtigt wäre (so wohl BAG vom 15.04.1999, 7 AZR 716/97, EzA § 611 BGB Abmahnung Nr. 41). Der Kammer erscheint daher - ein Anspruch auf Widerruf nur im Verhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber ohne jede Beteiligung Dritter besteht nach Auffassung der Kammer nicht - der Feststellungsantrag als geeignet, um zu verhindern, dass die Vorwürfe vom Arbeitgeber trotz Entfernung aus der Personalakte weiter verwendet werden (ähnlich LAG Hamm vom 02.08.2002, 10 TaBV 121/01, zitiert nach juris).

4. Die Weitergabe oder Aufrechterhaltung der in der Abmahnung enthaltenen Vorwürfe gegenüber Dritten ist vorliegend nicht erkennbar. Der Kläger hat jedoch - die Beklagte hat die in der Abmahnung enthaltenen Vorwürfe zumindest gegenüber dem Verwaltungsausschuss als Begründung für die Kündigung aufgeführt - nachvollziehbar dargelegt, dass die Gefahr weiterer Verwendung der Vorwürfe durch die Beklagte bestand. Hieran war die Beklagte auch nach dem arbeitsgerichtlichen Urteil mit der Verpflichtung zur Herausnahme aus den Personalakten auch nicht gehindert; die Entfernungspflicht aus den Personalakten hat das Arbeitsgericht nämlich nicht mit der Fehlerhaftigkeit der gemachten Vorwürfe, sondern mit der Unbestimmtheit des Vorwurfes begründet. Damit war der Antrag in der vor dem Landesarbeitsgericht gestellten Form zunächst zulässig und begründet. Die Begründetheit ist erst durch die Erklärungen der Beklagten vor der Berufungskammer entfallen. Ohne die entsprechenden Erklärungen - Entfernung aus der Personalakte einerseits, Versprechen, die Vorwürfe nicht für die ausgesprochene und weitere Kündigungen zu verwenden - hätte dem Antrag, soweit er nicht wegen des laufenden Kündigungsverfahrens hätte ausgesetzt werden müssen, stattgegeben werden müssen; die Berufung der Beklagten wäre - nach Umstellung des Antrags auf Hinweis der Kammer, der der Kläger gefolgt ist - zurückzuweisen gewesen. Dies rechtfertigt die Kostentragungspflicht der Beklagten.

5. Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde besteht kein sachlich begründeter Anlass (vgl. §§ 67 Abs. 6 ArbGG, 567 Abs. 1, 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO i.V.m. § 78 S. 1 ArbGG; zur Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde vgl. Schwab in Schwab/Weth, ArbGG, § 70 Rn. 3).

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