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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 08.03.2006
Aktenzeichen: 7 Sa 13/06
Rechtsgebiete: ArbGG, ZPO


Vorschriften:

ArbGG § 66 Abs. 1 S. 1
ZPO § 233
ZPO § 85 Abs. 2
1. Überlässt es der Rechtsanwalt, der mit der Einlegung der Berufung beauftragt ist, einem Mitarbeiter, die Telefaxnummer des Berufungsgerichts zu ermitteln, so hat er die Anweisung zu erteilen, dass die Auswahl der richtigen Empfängernummer überprüft wird.

2. Ermittelt ein Auszubildender im ersten Lehrjahr auf Anweisung des Rechtsanwalts die Telefaxnummer, ist mit der Überprüfung ein erfahrener Kanzleimitarbeiter zu beauftragen.


LANDESARBEITSGERICHT NÜRNBERG BESCHLUSS

7 Sa 13/06 Nürnberg, 08. März 2006

in dem Rechtsstreit

wegen Arbeitsentgelt

Die 7. Kammer des Landesarbeitsgerichts Nürnberg hat durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Prof. Dr. Dr. Holzer-Thieser und die ehrenamtlichen Richter Kühnlenz und Maschke ohne mündliche Verhandlung

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Bamberg vom 09.11.2005 - 5 Ca 785/05 - wird auf Kosten des Berufungsführers als unzulässig verworfen.

Gründe:

I.

Das Arbeitsgericht Bamberg hat mit Endurteil vom 09.11.2005 der Klage überwiegend stattgegeben und den Streitwert auf EUR 20.129,91 festgesetzt. Gegen dieses den rechtsanwaltschaftlichen Vertretern des Beklagten am 06.12.2005 zugestellte Urteil haben diese mit Schriftsatz vom Montag, den 09.01.2006 Berufung eingelegt. Der Schriftsatz ist zwar an das Landesarbeitsgericht Nürnberg adressiert, jedoch mit der Fax-Nr. des Arbeitsgerichts Nürnberg versehen. Dort ging er am 09.01.2006 nach Dienstschluss ein; beim Landesarbeitsgericht Nürnberg ging er am 10.01.2006 ein. Mit Schreiben der Geschäftsstelle des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 12.01.2006 wurden die Beklagtenvertreter auf den eingetretenen Ablauf der Berufung hingewiesen. Mit Schriftsatz vom 24.01.2006, beim Landesarbeitsgericht Nürnberg am selben Tag eingegangen, haben die Beklagtenvertreter Wiedereinsetzung wegen der Versäumung der Berufungsfrist beantragt. Zur Begründung haben sie u. a. ausgeführt, die seit 01.08.2005 beschäftigte Auszubildende D... habe am 09.01.2006 die Anweisung erhalten, den Schriftsatz vorab per Telefax an das Landesarbeitsgericht Nürnberg zu senden. Sie habe in dem Softwareprogramm "RA Micro" nur das Arbeitsgerichts Nürnberg gefunden und wegen der Adressenidentität von Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht Nürnberg (fälschlicherweise) angenommen, dass die Benutzung der Telefaxnummer des Arbeitsgerichts Nürnberg ausreiche, um einen rechtzeitigen Zugang beim Landesarbeitsgericht Nürnberg zu bewirken. Die zuverlässige Rechtsanwaltsfachangestellte E... habe sich bezüglich der Absendung des Berufungsschriftsatzes erkundigt, die Beklagtenvertreterin Rechtsanwältin F... habe sich das Faxprotokoll zeigen lassen. Damit liege ein Organisationsverschulden der Beklagtenvertreter nicht vor.

Wegen des weiteren Vorbringens des Beklagten wird auf dessen schriftsätzlichen Vortrag verwiesen.

II.

Die Berufung ist unzulässig.

1. Nach §§ 66 Abs. 1 S. 1, 9 Abs. 5 ArbGG beträgt die Frist zur Einlegung der Berufung einen Monat. Sie beginnt mit der Zustellung des Urteils. Binnen der Frist muss die Berufung bei dem zur Entscheidung über die Berufung zuständigen Gericht eingehen. Der Eingang eines Berufungsschriftsatzes bei einem erstinstanzlichen Gericht genügt nicht.

Der Eingang des Berufungsschriftsatzes beim Landesarbeitsgericht Nürnberg am 10.01.2006 hat - unstreitig - die Berufungsfrist nicht gewahrt.

2. Wegen Versäumung dieser Frist ist dem Beklagten auch nicht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Der hierauf sich beziehende Antrag des Beklagten ist zulässig, in der Sache aber nicht begründet.

a) Nach § 233 ZPO ist die Wiedereinsetzung in eine versäumte Notfrist, wie sie die Berufungsfrist (§ 517 ZPO) darstellt, nur zu gewähren, wenn die Versäumung ohne Verschulden der Partei oder ihres Vertreters (§ 85 Abs. 2 ZPO) geschehen ist. Verschuldet ist dabei Vorsatz und jede Art von Fahrlässigkeit.

Fristgebundene Schriftsätze können mit Telefax fristwahrend übermittelt werden (vgl. BVerfGE 74, 228, 234; BAG Urteil vom 14.09.1994 - 2 AZR 95/94 - BB 1995, 102, m.w.N.). Dabei darf der Anwalt das Absenden der Telekopie auch einer zuverlässigen, hinreichend geschulten und überwachten Bürokraft übertragen (BGH Beschluss vom 28.10.1993 - VII ZB 22/93 - AP Nr. 28 zu § 233 ZPO 1977; BAG Urteil vom 30.03.1995 - 2 AZR 1020/94). Allerdings ist der Anwalt gehalten, durch entsprechende organisatorische Maßnahmen Fehlerquellen bei der Behandlung von Fristsachen in größtmöglichem Umfang auszuschließen (BAG a.a.O.; BGH Beschluss vom 17.11.1992 - X ZB 20/92 - NJW 1993, 732, m.w.N.). Für die richtige Adressierung des Schriftsatzes trägt der Anwalt auch bei der Übermittlung per Telefax die persönliche Verantwortung; soweit er die Adressierung seinem Büropersonal überlässt, hat er sie selbst auf Vollständigkeit und Richtigkeit zu überprüfen (BAG a.a.O.; BGH Beschluss vom 10.01.1990 - XII ZB 141/89 - NJW 1990, 990). Streitig ist allerdings, ob dies auch für die Ermittlung der richtigen Telefaxnummer des zutreffend bezeichneten Empfängers gilt (bejahend Ebnet NJW 1992, 2985, 2988; vgl. auch BGH Beschluss vom 26.05.1994 - III ZB 35/93 - AnwBl 1994, 520; a.A. BVerwG Urteil vom 26.04.1998 - 9 C 271/86 - NJW 1988, 2814; vgl. auch BGH Beschluss vom 30.03.1994 - XII ZB 134/93 - AnwBl, a.a.O.; offen gelassen BAG a.a.O.). Selbst wenn man aber annehmen wollte, der Anwalt müsse die zutreffende Telefaxnummer weder selbst feststellen noch selbst überprüfen, so ist doch nicht zu übersehen, dass bei der Ermittlung und der Eingabe der Empfängernummer leicht Fehler unterlaufen können. Zur Vermeidung der Fristversäumung aufgrund solcher Ermittlungsfehler hat der Anwalt die möglichen und zumutbaren organisatorischen Vorkehrungen zu treffen (BAG a.a.O.). Dazu gehört die Anweisung an das Büropersonal, den Sendebericht nicht nur auf die vollständige und fehlerfreie Übermittlung des Textes, sonder auch auf die richtige Empfängernummer abschließend zu kontrollieren, denn die Verwendung der richtigen Empfängernummer kommt im Telefaxverkehr der Adressierung des Schriftsatzes gleich (BAG a.a.O.; BAG Beschluss vom 30.03.1995 - 2 AZR 1020/94 - MDR 95, 1171). Auch der BGH vertritt in ständiger Rechtsprechung die Meinung, dass dem Büropersonal die Anweisung zu erteilen ist, die Auswahl der richtigen Empfängernummer zu überprüfen (z. B. Beschluss vom 24.04.2002 - AnwZ 7/01 - BRAK-Mitt 02, 171; Beschluss vom 06.06.2005 - II ZB 9/04 - MDR 05, 1367). Bei der Tätigkeit einer Auszubildenden im ersten Lehrjahr ist auf die Anweisung gegenüber einem (erfahrenen) Mitarbeiter abzustellen, der die Auszubildende zu überwachen hat (BAG Urteil vom 09.01.1990 - 3 AZR 528/89 - AP 16 zu § 233 ZPO, 1977; BGH Beschluss vom 18.10.1995 - I ZB 15/95 - NJW 96, 319; Wirges MDR 98, 1463).

b) Der Beklagte hat nicht vorgetragen, dass im Büro seiner Prozessbevollmächtigten eine solche Anweisung an die beiden erfahrenen Mitarbeiterinnen E... und G... bestanden hätte. Es ist auch nicht ersichtlich, dass diese Mitarbeiterinnen am 09.01.2006 eine solch abschließende Kontrolle der Empfängernummer vorgenommen haben, denn andernfalls hätte der unterlaufene Ermittlungsfehler festgestellt und die Berufung dem Landesarbeitsgericht noch fristgerecht übermittelt werden können.

c) Die begehrte Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsfrist war danach zu versagen.

3. Wegen Versäumung der Berufungsfrist war die Berufung des Beklagten gemäß § 66 Abs. 2 S. 2 ArbGG i.V.m. § 522 Abs. 1 Sätze 1 und 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss der Kammer als unzulässig zu verwerfen.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 97 Abs. 1 ZPO. Sie umfasst auch die durch den Wiedereinsetzungsantrag verursachten Kosten.

III.

Gegen diese Entscheidung findet ein Rechtsmittel nicht statt.

Für die Zulassung der Revisionsbeschwerde bestand kein gesetzlich begründeter Anlass (§§ 77, 72 Abs. 2 ArbGG).

Ende der Entscheidung

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