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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 08.01.2008
Aktenzeichen: 7 Sa 443/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 613a Abs. 5
Lohnansprüche gegen den Betriebserwerber werden erst dann "fällig" im Sinne tariflicher Ausschlussfristen, wenn der Arbeitnehmer Kenntnis von der Person des Erwerbers erlangt hat.
LANDESARBEITSGERICHT NÜRNBERG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

7 Sa 443/07

Verkündet am 08. Januar 2008

in dem Rechtsstreit

wegen Arbeitsentgelt

Die 7. Kammer des Landesarbeitsgerichts Nürnberg hat durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Nürnberg Prof. Dr. Dr. Holzer-Thieser und die ehrenamtlichen Richter Karg und Margner aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 08. Januar 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Würzburg vom 26.02.2007 - Az. 8 Ca 1191/06 - wird auf Kosten der Berufungsführerin zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Frage, ob die Lohnansprüche der Klägerin für die Monate November 2004 bis Januar 2005 wegen Versäumung einer Ausschlussfrist untergegangen sind.

Die Klägerin war bei der B... GmbH & Co.KG als Projektleiterin gegen eine monatliche Vergütung von EUR 4.490,27 brutto und einen Arbeitgeberzuschuss zur Krankenversicherung und zur Pflegeversicherung in Höhe von EUR 268,53 netto beschäftigt. In § 9 des Arbeitsvertrages ist der Manteltarifvertrag für die Angestellten der Bayerischen Metallindustrie (im Folgenden: MTV-Metall) für anwendbar erklärt worden.

Über das Vermögen der B... GmbH & Co.KG ist im Jahre 2004 das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Die Beklagte hat die Insolvenzschuldnerin mit Wirkung vom 01.11.2004 vom Insolvenzverwalter übernommen. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin ist damit auf die Beklagte übergegangen.

Mit Schreiben vom 14.03.2006 hat der Vertreter der Klägerin gegenüber der B...-TSK GmbH & Co.KG die Ansprüche der Klägerin für die Monate November 2004 bis Januar 2005 (abzüglich erhaltenes Arbeitslosengeld in Höhe von EUR 5.092,21) geltend gemacht. Mit Schreiben vom 03.04.2006 hat die Beklagte die Ansprüche abgelehnt.

Mit der der Beklagten am 01.06.2006 zugestellten Klage hat die Klägerin ihre Ansprüche weiterverfolgt.

Die Klägerin hat beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt, EUR 13.470,81 brutto und EUR 805,59 netto abzüglich EUR 5.092,21 netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus dem verbleibenden Restbetrag ab dem 01.02.2005 an die Klägerin zu zahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Die Beklagte hat sich auf das Erlöschen der Ansprüche wegen verspäteter Geltendmachung berufen.

Die Klägerin hat das Berufen der Beklagten auf die Geltung der Ausschlussfrist für treuwidrig gehalten.

Mit Endurteil vom 26.02.2007 hat das Arbeitsgericht Würzburg der Klage mit der Begründung stattgegeben, die Beklagte könne sich nicht auf das Verstreichen der Ausschlussfrist berufen, da die Informationspflichten des § 613 a Abs. 5 BGB nicht ordnungsgemäß erfüllt worden seien.

Wegen des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf den Tatbestand des Endurteils verwiesen (Bl. 36 - 39 d.A.).

Gegen das ihr am 11.06.2007 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 05.07.2007, beim Landesarbeitsgericht Nürnberg am selben Tag eingegangen, Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 09.08.2007, beim Landesarbeitsgericht Nürnberg am selben Tag eingegangen, begründet.

In der Berufungsinstanz wiederholt die Beklagte im Wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie trägt auch weiterhin vor, dass die Klägerin die Ansprüche verspätet geltend gemacht habe.

Die Beklagte beantragt:

Unter Abänderung des Endurteils des Arbeitsgerichts Würzburg vom 26.02.2007, Az. 8 Ca 1191/06, wird die Klage abgewiesen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das Ersturteil und trägt vor, sie habe von der Arbeitgeberstellung der Beklagten erst nach Erhalt des Schreibens der Beklagten vom 03.04.2006 erfahren.

Die Beklagte bestreitet diesen späten Zeitpunkt der Kenntniserlangung und weist darauf hin, dass die Klägerin im Verfahren gegen B...-TSK Prichsenstadt GmbH & Co.KG vom 03.12.2004 von einem Betriebsübergang "auf die dortige Beklagte mit Wirkung vom 01.11.2004"gesprochen habe.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 09.08.2007 (Bl. 77 - 80 d.A.) und die Schriftsätze der Klägerin vom 09.10.2007 (Bl. 94 - 98 d.A.) und 20.12.2007 (Bl. 110 f d.A.) sowie die Sitzungsniederschrift vom 08.01.2008 (Bl. 115 117 d.A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

A.

Der Anspruch der Klägerin ist dem Grunde und der Höhe nach unstreitig.

B.

Die Beklagte meint aber zu Unrecht, die Forderungen seien wegen verspäteter Geltendmachung aufgrund der Geltung einer Ausschlussfrist erloschen.

I. Unstreitig finden auf das Arbeitsverhältnis kraft einzelvertraglicher Inbezugnahme (§ 9 des Arbeitsvertrags vom 22.10.1979) die Bestimmungen des MTV-Metall Anwendung. Im Zweifel ist von einer dynamischen Verweisung auszugehen. Damit findet auf das Arbeitsverhältnis der MTV-Metall vom 31.10./02.11.1970 in der Fassung vom 24.05.2002 Anwendung.

II. Nach § 17 Nr. 2 Abs. 1 lit. b MTV-Metall sind die streitgegenständlichen Ansprüche "innerhalb von drei Monaten nach ihrer Fälligkeit (schriftlich geltend zu machen)".

Das Tatbestandsmerkmal der "Fälligkeit" ist im MTV-Metall nicht definiert. Der Begriff der "Fälligkeit" ist interessengerecht auszulegen (BAG, Urteil vom 01.03.2006 - Az. 5 AZR 511/05). Das Interesse der Arbeitsvertragsparteien gebietet, die Fälligkeit erst dann anzunehmen, wenn der Gläubiger aufgrund seines Kenntnisstandes in der Lage ist, die Forderung geltend zu machen. Dies gilt sowohl für das Entstehen einer Forderung und ihre Höhe (ständige Rechtsprechung des BAG, z.B. 28.09.2005 - Az. 5 AZR 52/05) als auch für die Person des Schuldners. Solange ein Arbeitnehmer nicht weiß, wer sein Arbeitgeber ist, kann er seine Forderung gegenüber dem richtigen Schuldner nicht geltend machen (BAG, Urteil vom 27.07.1983 - Az. 5 AZR 194/81) und wird die Forderung nicht fällig.

III. Die Partei, die sich auf das Eingreifen einer Ausschlussfrist beruft, ist für das Vorliegen der tatsächlichen Umstände, auf die sie die Tatbestandsmerkmale der Ausschlussfristregelung stützt, darlegungs- und beweisbelastet.

Dies ist im vorliegenden Fall die Beklagte.

IV. Die Beklagte hat nicht vorgetragen, dass die Klägerin länger als drei Monate vor der Geltendmachung Kenntnis von der Arbeitgeberstellung der Beklagten hatte.

1.

Es kann die Prüfung der Frage dahinstehen, welches Schreiben des Vertreters der Klägerin die erstmalige, gegenüber der Beklagten wirkende Geltendmachung beinhaltet. Es kann dies die Klageschrift vom 18.05.2006 (gerichtet richtigerweise gegen die Beklagte und ihr am 01.06.2006 zugestellt) sein oder das außergerichtliche Schreiben vom 14.03.2006 (unrichtigerweise gerichtet an B...-TSK GmbH & Co.KG, dort spätestens am 16.03.2006 eingegangen und von der Beklagten im eigenen Namen mit Schreiben vom 03.04.2006 beantwortet).

2. Denn die Beklagte hat nicht - was notwendig gewesen wäre - vorgetragen, dass die Klägerin vor dem 01.03.2006 bzw. vor dem 16.12.2005 Kenntnis von der Arbeitgeberstellung der Beklagten erlangt hatte.

a) Mit dem Hinweis in der Sitzung vom 08.01.2008, sie bestreite den Vortrag der Klägerin bezüglich einer Kenntniserlangung nach dem 03.04.2006, erfüllt die Beklagte nicht die sie treffende prozessuale Darlegungsobliegenheit. Es hätte einer konkreten Angabe des Tags der Kenntniserlangung bedurft.

b) Auch der Hinweis der Beklagten, die Klägerin habe in der Klageschrift des Verfahrens des Arbeitsgerichts Würzburg 8 Ca 2845/04 vom 03.12.2004 auf die Fortführung des Betriebs ab 01.11.2004 hingewiesen, beinhaltet nicht die Behauptung, die Klägerin habe bereits am 03.12.2004 von der Arbeitgeberstellung der Beklagten gewusst. Denn die Klageschrift vom 03.12.2004 leitet ein Verfahren gegen die B...-TSK Prichsenstadt GmbH & Co.KG ein. Die Beklagte spricht selbst davon, dass sich die Klageschrift vom 03.12.2004 gegen die "dortige Beklagte" richtet. Die Beklagte des vorliegenden Verfahrens hat also lediglich darauf hinweisen wollen, dass die Klägerin am 03.12.2004 von der Arbeitgeberstellung einer anderen Rechtsperson wusste.

V. Wollte man gleichwohl einen schlüssigen Vortrag der Beklagten unterstellen, könnte die Beklagte ebenfalls nicht erfolgreich sein, da sie beweisbelastet ist und für ihre unterstellte Behauptung, die die Klägerin bestritten hat, keinen Beweis angetreten hat.

VI. Damit ist für die Entscheidung davon auszugehen, dass die Klägerin erst nach dem 03.04.2006 von der Arbeitgeberstellung der Beklagten Kenntnis erlangt hat und die Ansprüche erst zu diesem Termin fällig geworden sind.

Die Klägerin hat somit die Forderungen rechtzeitig geltend gemacht.

C.

Das Erstgericht hat damit im Ergebnis zu Recht der Klage stattgegeben. Die Zinsen errechnen sich aus einem Betrag von EUR 9.184,19. Die Berufung ist zurückzuweisen.

D.

Die Beklagte hat als Unterliegende die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Ende der Entscheidung

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