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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 04.11.1997
Aktenzeichen: 8 Ta 204/97
Rechtsgebiete: ZPO, BRAGO


Vorschriften:

ZPO § 114
BRAGO § 23 Abs. 1 Satz 1
BRAGO § 23 Abs. 1 Satz 3
BRAGO § 23 Abs. 1 Satz 3, 2. Halbsatz
BRAGO § 128 Abs. 3
BRAGO § 128 Abs. 4
BRAGO § 128 Abs. 4 Satz 3
BRAGO § 128 Abs. 5
Keine 15/10 Vergleichsgebühr bei Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Erledigung bisher nicht rechtshängiger Ansprüche: Durch einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist das Gericht in Anspruch genommen. Es hat gem. § 114 ZPO die Erfolgsaussicht sowie die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zu prüfen. Auf den zeitlichen Umfang der Prüfung kommt es nicht an.
LANDESARBEITSGERICHT NÜRNBERG BESCHLUSS

8 Ta 204/97

in dem Rechtsstreit

wegen Forderung

Die 8. Kammer des Landesarbeitsgerichts Nürnberg hat durch Richter am Arbeitsgericht Pohl als Vorsitzender ohne mündliche Verhandlung

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Staatskasse vom 09.10.1997 wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Weiden vom 22.09.1997 - 4 Ca 1225/97 - aufgehoben.

Die an Rechtsanwalt *** aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung wird auf DM 1.408,75 festgesetzt.

Gründe:

I.

Wegen des Tatbestands wird auf die Akte, insbesondere das Kostenheft und die Beschwerdeakte, dort vor allem auf die Begründung der Beschwerde vom 09.10.1997 unter II 1 Bezug genommen.

II.

Die nach § 128 Abs. 3 und 4 BRAGO zulässige Beschwerde ist auch in der Sache begründet.

Mit der Erhöhung der Vergleichsgebühr auf 15/10 der vollen Gebühr gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 BRAGO (seit 01.07.1994) hat der Gesetzgeber beabsichtigt, das Bemühen des Anwalts zu fördern, Streitigkeiten ohne Inanspruchnahme des Gerichts gütlich beizulegen (vgl. Gerold/Schmidt/von Eicken, BRAGO, 12. Aufl., § 23, Rdnr. 40).

Dem Erstgericht ist zuzugeben, dass in einem Fall, in dem es nicht um Prozesskostenhilfe geht, nicht anhängige Ansprüche, die in einem Vergleich mit eingeschlossen werden, bei der Wertfestsetzung mit einer Vergleichsgebühr von 15/10 Berücksichtigung finden. Weiter ist einzuräumen, dass auch dann, wenn solche "miterledigten Ansprüche" Gegenstand einer gerichtlichen Einigung werden, diese dadurch, dass sie in das gerichtliche Protokoll gelangen, noch nicht "anhängig" im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 3 BRAGO werden (so auch Gerold/Schmidt/von Eicken, a.a.O., § 23, Rdnr. 40 a). Den zutreffenden Ausführungen des Erstgerichts, dass für den Begriff "anhängig" die genaue Angabe von Klagegegenstand und Grund sowie ein Klageantrag erforderlich sind, ist insoweit nichts hinzuzufügen.

Anders ist es jedoch dann, wenn - wie hier - ein Prozesskostenhilfeverfahren anhängig gemacht wird. Die Bestimmung des § 23 Abs. 1 Satz 3, 2. HHalbsatz BRAGO macht deutlich dass in diesem Falle der Rechtsanwalt die Vergleichsgebühr nur in Höhe einer vollen Gebühr erhält.

Um einen solchen Fall handelt es sich hier. Das Gericht ist im Zusammenhang mit den bislang nicht anhängigen Streitgegenständen, insbesondere Ansprüchen der Parteien aus Kaufverträgen, mit dem Antrag des Klägers konfrontiert worden, insoweit für den Vergleichsabschluss Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Auch wenn bezüglich der Erfolgsaussichten eine Überprüfung seitens des Gerichts angesichts der Situation in der mündlichen Verhandlung kurz vor Abschluss eines Vergleiches bestenfalls summarisch erfolgen kann und auch wenn im Falle des Vergleichsabschlusses hinreichende Erfolgsaussichten im Regelfalle indiziert werden - wie das Erstgericht zutreffend festgestellt hat -, so vermag dies nichts daran zu ändern, dass damit bereits eine Inanspruchnahme des Gerichts stattgefunden hat. Hierbei kommt es auf das Ausmaß der Inanspruchnahme des Gerichts nicht an. Entscheidend ist allein, dass überhaupt eine Prüfung in einem gerichtlichen Verfahren veranlasst war und das Gericht durch die Parteien in Form der Erörterung und Protokollierung in Anspruch genommen worden ist (vgl. OLG Saarbrücken vom 19.04.1996, MDR 1996, 1193 = RPfl 97, 72).

Insoweit besteht - soweit ersichtlich - Übereinstimmung mit den Entscheidungen des OLG Nürnberg vom 11.07.1995 (Rechtspfleger 1996, Seite 129), des OLG Saarbrücken (a.a.O.), des OLG Bamberg vom 08.01.1997, JurBüro 1997, 307 und des OLG Koblenz vom 05.02.1997, JurBüro 97, 306 sowie mit der Kommentarliteratur (Gerold/Schmidt/von Eicken, a.a.O., Rdnr. 58; Hartmann/Albers, Kostengesetze, 27. Aufl., § 23 BRAGO Rdnr. 82; siehe auch LAG Köln vom 13.10.1995, Rechtspfleger 1996, Seite 262 sowie Mümmler, JurBüro 1995, 356; a.A.: Enders, JurBüro 1995, 394).

Dabei wird nicht verkannt, dass hier allein der Umstand der Beantragung von Prozesskostenhilfe letztlich dazu führt, dass nach § 23 Abs. 1 Satz 3, 2. Halbsatz BRAGO lediglich eine 10/10 Vergleichsgebühr in Ansatz gebracht werden kann. Die Bestimmung des § 23 Abs. 1 Satz 3 BRAGO stellt aber nicht den einzigen Fall dar, in dem nach der Konzeption der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung eine Schlechterstellung der anwaltlichen Vergütung im Falle eines Prozesskostenhilfeverfahrens erfolgt (vgl. nur § 123 BRAGO), wie überhaupt das gesamte Vergütungssystem der BRAGO auf vielfachen Vereinfachungen in Vergröberungen beruht (vgl. Hartmann/Albers, Kostengesetze, 27. Aufl., § 23 BRAGO Rdnr. 96).

Nach alledem war der angefochtene Beschluss des Arbeitsgerichts Weiden aufzuheben und die aus der Staatskasse an Herrn Rechtsanwalt *** festzusetzende Vergütung auf den im Übrigen unstreitigen Betrag von DM 1.408,75 festzusetzen.

Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht, § 128 Abs. 5 BRAGO.

Gegen diese Entscheidung findet eine weitere Beschwerde nicht statt, § 128 Abs. 4 Satz 3 BRAGO.

Ende der Entscheidung

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