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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 25.06.2004
Aktenzeichen: 9 Sa 151/04
Rechtsgebiete: KSchG, BetrVG, TzBfG


Vorschriften:

KSchG § 1
BetrVG § 102
TzBfG § 14
Setzen die Parteien nach Ausspruch einer weiteren ordentlichen Kündigung das Arbeitsverhältnis fort, geschieht dies auch dann aufgrund einzelvertraglicher Abrede, wenn in Bezug auf die vorherige ordentliche Kündigung ein Weiterbeschäftigungsverhältnis gemäß § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG begründet worden ist. Dieses endet nämlich mit dem Entlassungstermin der weiteren Kündigung. Soll das Arbeitsverhältnis nur bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzrechtsstreits fortgesetzt werden, bedarf eine solche Abrede der Schriftform gemäß § 14 Abs. 4 TzBfG.
LANDESARBEITSGERICHT NÜRNBERG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

9 Sa 151/04

in dem Rechtsstreit

wegen Feststellung

Die 9. Kammer des Landesarbeitsgerichts Nürnberg hat durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Roth und die ehrenamtlichen Richter Döring und Lang aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 14. Mai 2004

für Recht erkannt:

Tenor:

1.

Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Arbeitsgerichts Weiden - Kammer Schwandorf - vom 08.12.2003, Az.: 3 Ca 1576/03 S, abgeändert.

2.

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die Kündigung vom 28.08.2003 zum 30.09.2003, noch durch die Kündigung vom 19.09.2003 zum 31.10.2003 aufgelöst worden ist.

3.

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien über den 30.09.2003 hinaus fortbesteht. 4. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits. 5. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit ordentlicher Arbeitgeberkündigungen zum 30.09.2003 und 31.10.2003 sowie den weiteren Fortbestand des Arbeitsverhältnisses.

Der am 10.12.1969 geborene Kläger ist bei der Beklagten, in deren Betrieb regelmäßig mehr als fünf Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden tätig sind, ab dem 16.10.1998 als Maschinenarbeiter gegen eine Bruttomonatsvergütung von zuletzt EUR 1.500,-- beschäftigt.

Die Beklagte teilte dem bei ihr bestehenden Betriebsrat mit zwei Schreiben vom 20.08.2003 (Kopien Bl. 42/43 und 51/52 d.A.) ihre Absicht mit, dem Kläger wegen dessen häufiger Fehlzeiten und Verstöße gegen die Anzeigepflicht personen- bzw. verhaltensbedingt unter Einhaltung der Kündigungsfrist zum 30.09.2003 zu kündigen. Der Betriebsrat nahm hierzu mit Schreiben vom 25.08.2003 (Kopie Bl. 48/49 d.A.) Stellung und widersprach der Kündigung unter Berufung auf die gesetzliche Bestimmung des § 102 Abs. 3 Ziff. 1 BetrVG.

Mit zwei Schreiben vom 28.08.2003, die dem Kläger jeweils noch am selben Tag zugeleitet worden sind, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis einmal aus verhaltensbedingten Gründen und zum anderen aus personenbedingten Gründen jeweils ordentlich zum 30.09.2003.

Hiergegen hat der Kläger mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 04.09.2003, beim Arbeitsgericht Weiden eingegangen am 05.09.2003, Kündigungsschutzklage erhoben. Mit Schreiben vom selben Tag (Kopie Bl. 103 d.A.) begehrt die Prozessbevollmächtigte des Klägers im Hinblick auf den Widerspruch des Betriebsrates die Weiterbeschäftigung des Klägers bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits.

Die Beklagte wiederholte Anfang September die Anhörung des Betriebsrates zu einer ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung wegen der bereits im Anhörungsschreiben vom 20.08.2003 dargelegten Verstöße gegen die Anzeigepflicht. Hierzu nahm der Betriebsrat mit Schreiben vom 15.09.2003 (Kopie Bl. 53/54 d.A.) Stellung und wiederholte seinen Widerspruch unter Berufung auf § 102 Abs. 3 Ziff. 1 BetrVG. Mit Schreiben vom 19.09.2003 (Kopie Bl. 12 d.A.), das dem Kläger noch am selben Tag zugeleitet worden ist, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31.10.2003.

Auch gegen diese Kündigung hat der Kläger mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 30.09.2003, beim Arbeitsgericht Weiden eingegangen am Folgetag, Kündigungsschutzklage erhoben.

Der Kläger wurde über die Entlassungstermine 30.09.2003 und 31.10.2003 von der Beklagten tatsächlich weiterbeschäftigt.

Mit klageerweiterndem Schriftsatz vom 25.11.2003, beim Arbeitsgericht Weiden eingegangen am Folgetag, begehrt die Prozessbevollmächtigte des Klägers die Feststellung des Fortbestandes des Arbeitsverhältnisses über den 31.10.2003 hinaus und begründet dies mit der tatsächlichen Weiterbeschäftigung des Klägers.

Wegen der Anträge der Parteien und ihres näheren Vorbringens im erstinstanzlichen Verfahren wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Das Erstgericht hat mit Urteil vom 08.12.2003 die Klage abgewiesen.

Gegen das der Prozessbevollmächtigten des Klägers am 28.01.2004 zugestellte Urteil hat diese mit Schriftsatz vom 19.02.2004, beim Landesarbeitsgericht Nürnberg eingegangen am 23.02.2004, Berufung eingelegt und sie auch begründet.

Der Kläger meint, weder für den Ausspruch einer personenbedingten noch einer verhaltensbedingten ordentlichen Kündigung lägen ausreichende Gründe vor. Die bisherigen häufigen Kurzerkrankungen würden eine ordentliche Kündigung ebenso wenig sozial rechtfertigen wie die Verletzung der Anzeigepflicht in einem behaupteten Wiederholungsfall. Zwischen den Parteien bestehe über den 30.09.2003 hinaus ein unbefristetes Arbeitsverhältnis. Er werde von der Beklagten befristet bis zur Beendigung des Rechtsstreits weiterbeschäftigt, ohne dass eine entsprechende schriftliche Vereinbarung getroffen worden sei. Insoweit erweise sich die Befristungsabrede als rechtsunwirksam.

Der Kläger und Berufungskläger beantragt:

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil Arbeitsgerichtes Weiden vom 08. Dezember 2003, Aktenzeichen 3 Ca 1576/03 S abgeändert. 2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die Kündigung vom 28.08.2003 zum 30.09.2003, noch durch die Kündigung vom 19.09.2003 zum 31.10.2003 aufgelöst worden ist. 3. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien über den 30.09.2003 hinaus fortbesteht. 4. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt:

1. Die Berufung wird zurückgewiesen. 2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Zur Begründung trägt sie vor, das Erstgericht habe zutreffend die Klage abgewiesen, da ihre personenbedingte Kündigung wegen der häufigen Fehlzeiten des Klägers das Arbeitsverhältnis zum 30.09.2003 rechtswirksam beendet habe. Zu dieser Kündigung sei der Betriebsrat ordnungsgemäß angehört worden. Wegen der Handverletzung des Klägers sei mit weiteren erheblichen Fehlzeiten zu rechnen, was ihr angesichts der bereits bisher aufgelaufenen Entgeltfortzahlungskosten nicht weiter zumutbar sei. Im Übrigen würde auch die erneute Verletzung der Anzeigepflicht am 11.08.2003 nach vorheriger einschlägiger Abmahnung mit Schreiben vom 14.10.2002 die ordentliche Kündigung rechtfertigen.

Sie beschäftige den Kläger nicht freiwillig bis zum Abschluss des Rechtsstreits weiter, sondern wegen des schriftlichen Widerspruchs des Betriebsrats vom 25.08.2003 im Rahmen einer Prozessbeschäftigung nach § 102 Abs. 5 BetrVG. Insoweit sei dem Erstgericht zu folgen, dass die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 22.10.2003 auf diesen Fall nicht zur Anwendung komme.

Hinsichtlich der näheren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die in diesem Verfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Im Verhandlungstermin vom 14.05.2004 ist mit den Parteien die Grundlage der Weiterbeschäftigung über den 31.10.2003 erörtert worden. Beide Parteien haben übereinstimmend vorgetragen, dass vom Kläger im Hinblick auf die Kündigung vom 19.09.2003 kein erneutes Weiterbeschäftigungsbegehren gestellt worden ist.

Von einer weitergehenden Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist zulässig.

Sie ist statthaft, § 64 Abs. 1, 2c ArbGG und auch in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO.

II.

Die Berufung ist sachlich begründet.

Das Ersturteil ist abzuändern und es sind die vom Kläger begehrten Feststellungen zu treffen, denn das Arbeitsverhältnis der Parteien wurde weder zum 30.09.2003 noch zum 31.10.2003 rechtswirksam beendet und besteht über diese Termine hinaus fort.

1. Den Feststellungsanträgen des Klägers fehlt nicht das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse. Er greift nicht nur zwei ausgesprochene Kündigungen jeweils mit dem speziellen Kündigungsschutzantrag gemäß § 4 Satz 1 KSchG an, was bereits aufgrund der sonst drohenden Fiktionswirkung des § 7 KSchG geboten ist, sondern wendet sich auch gegen eine zeitliche Beschränkung der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bzw. ein eventuell daneben bestehendes reines Prozessrechtsverhältnis. Insoweit ist die allgemeine Feststellungsklage neben den beiden Kündigungsschutzanträgen geeignet, hier zwischen den Parteien Rechtsklarheit zu schaffen (vgl. KR-Friedrich, 7.Aufl., § 4 KSchG, Rz. 243, 249a, m.w.N.). 2. Die Feststellungsanträge sind begründet, denn das Arbeitsverhältnis der Parteien wurde weder infolge der Kündigung vom 28.08.2003 zum 30.09.2003 rechtswirksam beendet noch durch die weitere Kündigung vom 19.09.2003 zum 31.10.2003. Der tatsächlichen Weiterbeschäftigung des Klägers über den 31.10.2003 hinaus liegen konkludente Willenserklärungen der Parteien über die befristete (Weiter-)beschäftigung des Klägers bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die anhängigen Kündigungsschutzklagen zugrunde. Die konkludente Befristungsabrede ist unwirksam, da sie entgegen § 14 Abs. 4 TzBfG nicht schriftlich vereinbart worden ist, was zu einer zeitlich unbeschränkten Fortsetzung des bisherigen Arbeitsverhältnisses führt. a) Die Berufungskammer folgt der Rechtsansicht des Bundesarbeitsgerichts in der Entscheidung vom 22.10.2003 (- 7 AZR 113/03 - AP Nr. 6 zu § 14 TzBfG), wonach das Schriftformerfordernis des § 14 Abs. 4 TzBfG auch dann greift, wenn die Parteien nach Ausspruch einer Kündigung eine vertragliche Vereinbarung über die befristete Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die von ihm erhobene Kündigungsschutzklage treffen. Das Schriftformerfordernis in § 14 Abs. 4 TzBfG dient der Rechtsklarheit, denn durch die schriftliche Vereinbarung der Befristung sollen Streitigkeiten der Parteien über die Dauer des Arbeitsverhältnisses und den Zeitpunkt seiner Beendigung vermieden werden. Streitigkeiten dieser Art sind auch bei Vereinbarungen über die vorläufige Weiterbeschäftigung während eines Kündigungsrechtsstreits denkbar. Die Parteien können nämlich nicht nur die befristete Beschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses vereinbaren, sondern auch andere Regelungen treffen, z.B. die vorläufige Weiterbeschäftigung bis zum erstinstanzlichen Urteil oder bis zu einem anderen Zeitpunkt.

Ob der tatsächlichen Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach Ablauf der Kündigungsfrist eine vertragliche Vereinbarung zugrunde liegt und diese eine Befristung zum Gegenstand hat, ist durch Auslegung der ausdrücklichen und konkludenten Erklärungen der Parteien zu ermitteln (so das BAG a.a.O.). b) Die von der Beklagten gewollte und stillschweigend angebotene befristete Weiterbeschäftigung des Klägers erfolgte jedenfalls nach dem 31.10.2003 auf vertraglicher Grundlage. Die Beklagte war hierzu nämlich weder aufgrund eines erstinstanzlichen Urteils verpflichtet noch aufgrund eines Weiterbeschäftigungsbegehrens des Klägers gemäß § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG.

Die Gestattung der Weiterarbeit durch Zurverfügungstellung eines funktionsfähigen Arbeitsplatzes und die Zuweisung von Arbeit kann dann nicht als ein konkludentes Vertragsangebot der Arbeitgeberin verstanden werden, wenn diese die Weiterarbeit lediglich zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus einem Weiterbeschäftigungsurteil ermöglicht oder sich der Arbeitnehmer auf die Voraussetzungen eines Prozessarbeitsverhältnisses gemäß § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG beruft und die Voraussetzungen hierfür vorliegen.

Zum 01.11.2003 lag weder ein erstinstanzliches Urteil über die Beschäftigungspflicht des Klägers vor, noch ein beachtlicher Widerspruch des Betriebsrates in Bezug auf die ordentliche Kündigung zum 31.10.2003 und ein entsprechendes Weiterbeschäftigungsbegehren des Klägers. ba) Voraussetzung für den Anspruch des Arbeitnehmers auf tatsächliche Weiterbeschäftigung gemäß § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG ist, dass der Betriebsrat einer ordentlichen Kündigung frist- und ordnungsgemäß widersprochen, der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage erhoben und an den Arbeitgeber das Verlangen herangetragen hat, nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits bei unveränderten Arbeitsbedingungen weiterbeschäftigt zu werden.

Diese Voraussetzungen liegen im Bezug auf die Kündigung vom 19.09.2003 zum 31.10.2003 nicht vor.

Diesbezüglich fehlt es bereits an einem ordnungsgemäßen Widerspruch des Betriebsrates (vgl. hierzu BAG vom 09.07.2003 - 5 AZR 305/02 - NZA 2003, 1191, 1192; KR-Etzel, a.a.O., § 102 BetrVG Rz. 200, 142 ff; jeweils m.w.N.). Der Widerspruch ist nur dann ordnungsgemäß, wenn in dem Schreiben des Betriebsrats die Widerspruchsgründe durch Angabe von konkreten Tatsachen erläutert werden und wenn die vom Betriebsrat zur Begründung seines Widerspruchs angeführten Tatsachen es als möglich erscheinen lassen, dass einer der in § 102 Abs. 3 BetrVG angeführten Widerspruchsgründe vorliegt.

An letzterem fehlt es bei dem Widerspruch des Betriebsrats vom 15.09.2003, denn dieser setzt sich alleine mit den Voraussetzungen für eine verhaltensbedingte Kündigung, insbesondere die vorzunehmende Interessenabwägung, auseinander, bezieht sich aber auf keine konkreten Tatsachen aus dem Widerspruchskatalog des § 102 Abs. 3 BetrVG. Vom Betriebsrat werden insbesondere keine anderweitigen Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten dargestellt, sich auf keine Richtlinie nach § 95 BetrVG berufen und nicht dargelegt, inwiefern sich die Problematik der Sozialauswahl im Rahmen einer verhaltensbedingten Kündigung überhaupt stellt. Auf eine fehlerhafte Sozialauswahl gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG kann sich der Betriebsrat nur bei einer betriebsbedingten Kündigung stützen, weshalb eine Argumentation des Betriebsrats, die sich auf den Widerspruchsgrund des § 102 Abs. 3 Nr. 1 BetrVG bezieht, nur bei einer betriebsbedingten Kündigung als ordnungsgemäß angesehen wird (vgl. hierzu KR-Etzel, a.a.O., Rz. 149, 150a; m.w.N.).

Der Kläger hat zwar gegen die weitere Kündigung vom 19.09.2003 innerhalb offener Frist Kündigungsschutzklage erhoben, jedoch - im Gegensatz zu seinem früheren Verhalten nach Zugang der ordentlichen Kündigung vom 28.08.2003 - kein Weiterbeschäftigungsbegehren an die Arbeitgeberin gerichtet. Ein solches kann nicht in dem Schreiben der Prozessbevollmächtigten vom 04.09.2003 (Kopie Bl. 103 d.A.) gesehen werden, denn dieses Begehren bezieht sich eindeutig alleine auf die Kündigung vom 28.08.2003 und den diesbezüglichen Widerspruch des Betriebsrates vom 25.08.2003. Dieses Begehren erfasst nicht gleichzeitig auch später ausgesprochene Kündigungen, denen der Betriebsrat ebenfalls widersprochen hat und die zu einem späteren Zeitpunkt das Arbeitsverhältnis beenden sollen. Das Begehren muss sich nämlich auf die sonstigen Voraussetzungen für den Weiterbeschäftigungsanspruch gemäß § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG beziehen, zu denen der konkrete Widerspruch des Betriebsrates zu der mit der Kündigungsschutzklage angegriffenen Kündigung zählen. Bei Zugang des Weiterbeschäftigungsverlangens vom 04.09.2003 existierten jedoch der Widerspruch des Betriebsrates vom 15.09.2003 und die weitere ordentliche Kündigung vom 19.09.2003 noch gar nicht.

bb) Dahingestellt bleiben kann, ob aufgrund des Widerspruchs des Betriebsrats vom 25.08.2003 und dem Weiterbeschäftigungsbegehren des Klägers vom 04.09.2003 in Bezug auf die ordentliche Kündigung zum 30.09.2003 ein Weiterbeschäftigungsverhältnis gemäß § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG begründet worden ist.

Wegen des Inhalts des Widerspruchsschreibens ist fraglich, ob es sich hierbei um einen ordnungsgemäßen Widerspruch des Betriebsrats i.S.d. § 102 Abs. 3 BetrVG handelt, da der Widerspruchsgrund des § 102 Abs. 3 Nr. 1 BetrVG bei einer personen- oder verhaltensbedingten Kündigung nicht zum Tragen kommt.

Infolge des Ausspruchs der weiteren ordentlichen Kündigung zum 31.10.2003 endete die Weiterbeschäftigungspflicht der Beklagten zu diesem Zeitpunkt, da jede weitere Kündigung des Arbeitsverhältnisses nicht nur das ursprünglich vertraglich begründete Arbeitsverhältnis sondern auch das Beschäftigungsverhältnis gemäß § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG betrifft (vgl. KR-Etzel, a.a.O., Rz. 238, 239). Jede weitere Kündigung bezieht sich nämlich auf das Arbeitsverhältnis als solches, egal aufgrund welcher vertraglicher oder gesetzlicher Grundlage es begründet worden ist. Mit Ablauf der Kündigungsfrist zum 31.10.2003 endete folglich die Weiterbeschäftigungspflicht für die Beklagte in Bezug auf das Weiterbeschäftigungsbegehren des Klägers vom 04.09.2003.

Die Fortsetzung der Weiterbeschäftigung erfolgte mithin nicht wegen eines über den 31.10.2003 hinausgehenden Weiterbeschäftigungsverhältnisses gemäß § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG.

Der Kläger hat das Verhalten der Beklagten auch nicht in diesem Sinne verstanden, wie sich aus dem klageerweiternden Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 25.11.2003 entnehmen lässt. In Bezug auf die tatsächliche Weiterbeschäftigung über den 31.10.2003 hinaus, geht er von einer einzelvertraglichen Abrede beider Parteien aus und verweist in diesem Zusammenhang auf die Bestimmung des § 14 Abs. 4 TzBfG. c) Das konkludente Weiterbeschäftigungsangebot der Beklagten hat der Kläger durch die tatsächliche Weiterarbeit nach dem 31.10.2003 ebenfalls auf konkludente Weise angenommen. d) Die Vertragsparteien haben die Befristung des Arbeitsvertrages bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Kündigungsschutzprozesses nicht schriftlich vereinbart. Die Befristung ist daher nach § 14 Abs. 4 TzBfG unwirksam. Zwischen den Parteien wurde damit ein unbefristetes Arbeitsverhältnis begründet, das nicht vom Ausgang des Kündigungsschutzverfahrens und der Dauer des Kündigungsrechtsstreits abhängt.

III.

1. Die unterlegene Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, § 91 Abs. 1 ZPO. 2. Die Revision wird zugelassen, da der Rechtssache über den Einzelfall hinaus in Bezug auf die konkludente Vereinbarung der Weiterbeschäftigung bei einer weiteren Kündigung nach zuvor gestelltem Weiterbeschäftigungsbegehren des Arbeitnehmers i.R.d. § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG grundsätzliche Bedeutung beigemessen wird, § 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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